Protocol of the Session on July 17, 2002

Wir fordern Sie zweitens auf, unsere Politik im Bundesrat und in Bayern verstärkt zu unterstützen und voranzubringen. Es geht dabei um die Weiterentwicklung des EEG, des Gesetzes über erneuerbare Energien. Hier ist einiges zu tun. Der Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums liegt vor. Wir brauchen mehr Unterstützung für die Geothermie. Wir brauchen weitere Unterstützung gerade bei der Nutzung von Biomasse durch kleine Anlagen. Bayern hat beispielsweise schon seit einiger Zeit für Biogasanlagen ein Diversifizierungsprogramm aufgelegt. Nur hat meine Anfrage bei Herrn Miller ergeben, dass mit diesem Programm keine einzige Anlage gefördert wurde. Ja, das ist ja auch wirklichkeitsfremd. So geht es leider nicht. Das heißt, in dieser Hinsicht muss das EEG weiterentwickelt werden. Dann haben wir gute Bedingungen. Ich nenne natürlich auch das Marktanreizprogramm.

Weiter brauchen wir die Fortführung der Ökosteuer. Hier haben wir eine deutliche Erfolgsbilanz. Wir haben nicht nur die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge, wir haben auch deutlich weniger Spritverbrauch auf der Straße. Wir haben einen Rückgang der Fahrten auf den Straßen. Wir haben eine Zunahme im öffentlichen Verkehr, auch beim Güterverkehr auf der Schiene. Wir haben eine Minderung der Treibhausgase. Das ist die notwendige und erfreuliche Bilanz der Ökosteuer.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Selbstverständlich werden wir die Steuer weiterentwickeln. Wir können sie von mir aus Energiesteuer oder wie auch immer nennen. Aber die Zahl der Ausnahmen werden wir ganz sicher reduzieren müssen. Denn nur dann wird daraus ein wirksames Steuerungsinstrument, um Energieverbrauch zu reduzieren und Arbeitsplätze zu sichern.

Wir haben natürlich auch – da gibt es sicher Widerspruch bei der SPD – den Zwang, versteckte Subventionen für veraltete fossile und nukleare Technologien abzuschaffen. Davon sind beispielsweise auch die Rückstellungen der Atomwirtschaft betroffen. Diese müssen in einen öffentlich-rechtlichen Fonds überführt werden. Es handelt sich um 40 Milliarden Euro Rückstellungen für die Entsorgung. Die Industrie hat überhaupt kein Interesse, in die Endlagerung der Atomabfälle einzusteigen, solange sie dieses Geld für eigene wirtschaftliche Betätigung einsetzen kann. Hier muss eine öffentlich-rechtliche Sicherung geschaffen werden, sonst ist die Entsorgung nicht finanzierbar. Stellen Sie sich vor, es käme zu Bilanztricksereien, wie sie beispielsweise bei Enron inzwischen bekannt wurden, dann müssten wir

uns Rückstellungen für die Entsorgung irgendwo suchen.

Natürlich ist die Steinkohlesubvention genauso rasch und zügig abzubauen; denn auch sie ist eine falsche Subvention in fossile Technologie.

Nicht zuletzt – auch hier sagen wir ganz offen, dass wir dazu eine eigene Position haben – ist der liberalisierte Strom- und Gasmarkt abzusichern und tatsächlicher Wettbewerb aufzubauen. Wir haben dies ja bei den Informationstechnologien und der Telekommunikation geschafft. Aber im Energiesektor scheinen wohl noch Monopolstrukturen ihre Befürworter zu haben.

Wir finden es nicht in Ordnung, dass die Ministererlaubnis durch Staatssekretär Tacke erteilt wurde. Wir sind gespannt, was das Oberlandesgericht in Düsseldorf nächste Woche dazu sagen wird. Denn wir brauchen in der Tat auch hier einen liberalisierten Markt, der gleichzeitig durch ökologische Rahmenbedingungen gesteuert wird. Dann haben wir die richtige Wettbewerbsfähigkeit, um der Wirtschaft Innovation und Zukunftsfähigkeit zu ermöglichen.

Ich komme zum dritten Punkt in unserem Dringlichkeitsantrag. Was ist in Bayern vorrangig zu tun? Hier ist endlich die Windenergie zügig auszubauen, und es sind die administrativen Blockaden aufzugeben. Hier ist die Kraft-Wärme-Koppelung zügig voranzubringen. Wir haben in Bayern weniger als 10% – ich nehme einmal 8% an – der Industrie und Energieerzeuger zusammen. Dänemark und Finnland liegen beispielsweise bei 40%. Da vermisse ich, Herr Huber – falls Sie heute da sind –, genau die Zielsetzungen der Bayerischen Staatsregierung. Wann und wie wollen Sie endlich diesen notwendigen Anteil der effizienten Energienutzung durch KraftWärme-Koppelung voranbringen? Das geht nicht, indem Sie alle Gesetze in Bundestag und Bundesrat blockieren oder versuchen, zum Scheitern zu bringen.

Wir brauchen eine verstärkte Energieeinsparung in Gebäuden. Darüber sind wir uns, glaube ich, einig. Aber wir brauchen auch eine deutliche Anstrengung, die CO2-Emissionen im Verkehrsbereich zu reduzieren. Wir haben von 1990 bis 1999 eine sechsprozentige Zunahme der CO2-Emissionen. Zu einer Reduzierung kommt es nicht, wenn Sie in Bayern 2000 Kilometer weitere Bundesfernstraßen bauen bzw. ausbauen oder 2000 Kilometer zusätzliche Staatsstraßen planen und verwirklichen. Damit werden Sie die CO2-Emissionen im Verkehr nicht reduzieren. Hier ist dringender Handlungsbedarf gegeben.

Ich nenne zum Abschluss ein Beispiel, wie Sie die bayerische Wirtschaft, die Energiepolitik und die Klimaschutzpolitik „unterstützen“. Wir hatten in der Bundesratssitzung am 21.06.2002 den supertollen Antrag aus Bayern, die Erhöhung des Deckels für die Solarenergieförderung im EEG abzuschaffen.

(Kaul (CSU): Das ist doch längst weg!)

Die rot-grüne Bundesregierung hat diesen Deckel per Bundeskabinettsbeschluss und Bundestagsbeschluss

auf 1000 Megawatt erhöht. Das bedeutet Investitionssicherheit für Industrie, Handwerk und Mittelstand. Der bis dahin gültige Deckel von 300 MW hätte bereits im Jahr 2003 zum Stopp der Solarzellenproduktion und der Solarzelleninvestitonen geführt. Aber was macht die Bayerische Staatsregierung? Sie bringt einen Bundesratsantrag ein, diese Erhöhung zu streichen.

(Kaul (CSU): Das ist längst zurückgenommen!)

Ja, Sie sind längst auf die Nase gefallen. Es war eine ganz tolle Bauchlandung. Nicht einmal die Länder mit Ihnen nahestehenden Regierungskoalitionen, die Konservativen, die Schwarz-Gelben oder die SchwarzSchwarzen, wie auch immer, haben zugestimmt. Bayern ist mit diesem Antrag komplett baden gegangen. Das ist gut so. Denn es wäre ein absoluter Rückwärtsschritt gewesen, und wir hätten genau die zukunftsweisende Energiepolitik an einem ganz entscheidenden Punkt, nämlich der Solarzellenentwicklung und der Markteinführung der Solarzellen, und damit die Sonnenenergienutzung zu Fall gebracht.

Sie sind gut beraten, wenn Sie heute unserem Antrag zustimmen. Geben Sie wenigstens von hier aus ein Signal für zukunftsfähige Energiepolitik. Diese funktioniert nur mit den GRÜNEN und mit einer weiteren rot-grünen Regierung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich gebe jetzt das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion betreffend wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Bayern, Drucksache 14/10051, bekannt. Mit Ja haben 68 Kolleginnen und Kollegen gestimmt, mit Nein 95. Es gab keine Stimmenthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 4)

Wir fahren in der Aussprache fort. Nächster Redner ist Kollege Kaul.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Frau Kollegin Paulig, es war kein Signal, das Sie hier einfordern, sondern es war ein einziger Hilferuf.

(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum war es ein Hilferuf? Weil alle Fachpublikationen über die Bundesenergiepolitik mittlerweile feststellen, dass eine Riesendifferenz zwischen Schein und Sein, zwischen Wunschdenken und Realität, zwischen Trittin und Müller klafft und weil Berlin nicht in der Lage ist, zwischen Ökonomie und Ökologie zu synchronisieren.

Nun versuchen Sie, über die Länderparlamente das einzuklagen, was Sie in Berlin nicht in der Lage sind zu realisieren. Aber ich sage Ihnen – das will ich Ihnen gleich beweisen –: Das bayerische Parlament ist der denkbar schlechteste Ort. Denn Sie versuchen, mit der Forde

rung – jetzt darf ich zitieren – die Bundesregierung verstärkt zu unterstützen und uns in Bayern – denn hier haben Sie den Antrag gestellt – zu unterstellen, dass wir für die schlechten Ergebnisse dessen, was Sie eben schöngeredet haben, die Verantwortung tragen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hartenstein?

Ich bitte, meine Gedanken erst einmal vortragen zu dürfen. Wenn Herr Hartenstein dann noch der Meinung ist, Fragen stellen zu müssen, stehe ich gern zur Verfügung.

Dabei gibt es bei diesem Themenkomplex die gleiche Feststellung wie bei den Ergebnissen der Pisa-Studie, die wir heute Morgen beraten haben. Wenn die bayerischen Leistungsergebnisse, Frau Kollegin Paulig, nicht so wären, wie sie sind, sähe es im Energiebereich auch auf Europaebene katastrophal aus.

Nehmen Sie dazu bitte einige Daten und Fakten zur Kenntnis. Im Vergleich zu 1980 konnte die zur Erzeugung einer Einheit des Bruttosozialproduktes notwendige Energiemenge um 28% reduziert werden. In dieser Zeit war nicht Ihre Partei in der Verantwortung, sondern meine Partei, die Union. Das Ergebnis Ihrer Politik ist nach einer Prognos- und EWI-Studie, die erst zwei Jahre alt ist, dass wir in Deutschland bis zum Jahre 2020 – Sie hören richtig – 76% unseres Primärenergiebedarfs importieren müssen. Das heißt, unsere Abhängigkeit von Importen wird gegenüber 1999 um 14% zunehmen. Das ist das Ergebnis Ihrer Energiepolitik ohne Alternative.

Gleichzeitig stellen die beiden Institute fest – ich zitiere:

Die CO2-Emissionen gehen im Vergleich zum heutigen Niveau nur mäßig zurück. Im Vergleich zu 1990 liegen sie im Jahre 2005 bzw. 2010 um jeweils 14% niedriger. Damit wird aber das Ziel der Bundesregierung, die CO2-Emissionen bis zum Jahre 2005 um 25% zu reduzieren, nicht erreicht.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Paulig (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Wie sieht es jetzt in Bayern aus? Frau Kollegin Paulig, Sie haben die guten Zahlen für Bayern genannt. Die Wirtschaftsleistung pro Kopf liegt im Freistaat Bayern um 8% über dem westdeutschen Durchschnitt. Deswegen sind auch alle Wirtschaftsdaten, über die vorhin auch Herr Kollege Dinglreiter und Herr Staatsminister Huber gesprochen haben, so günstig. Trotzdem ist der Primärenergieverbrauch pro Kopf um 4% niedriger, obwohl wir wesentlich besser als andere Bundesländer sind. Wir haben das Wirtschaftswachstum und den Energieverbrauch in Bayern am nachhaltigsten von allen Bundesländern entkoppelt. Der klimarelevante CO2-Ausstoß, auf den Sie in Ihrem Dringlichkeitsantrag eingehen, liegt in Bayern pro Kopf um 27% niedriger als im Bundesdurchschnitt.

Der Grund ist die CO2-freie Stromerzeugung in Bayern aus – ich kann Ihnen nicht ersparen, das zu sagen – Kernenergie mit 65% und Wasserkraft mit 17%. Das heißt, in Bayern sind wir in der Lage, 82% unseres Stromes CO2-frei zu produzieren. Das ist mehr als in jedem anderen Bundesland. Deshalb sollten Sie eigentlich dort Ihren Antrag stellen, den Sie heute hier vorgelegt haben.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Wilhelm (CSU) und Dinglreiter (CSU))

Der Beitrag der erneuerbaren Energien, auf den Sie auch abzielen, beträgt am Primärenergieverbrauch in Bayern bereits heute 10,4%, wie Sie wissen. Damit sind wir dreimal besser als alle anderen Bundeländer.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und nun zur Photovoltaik. 45% des in Deutschland insgesamt erzeugten Stromes aus erneuerbaren Energien, also fast die Hälfte, kommt aus Bayern. Ein gleich hoher Bestand von 45% Sonnenkollektoren zur Wärmeerzeugung wird in Bayern installiert.

Von den Wärmepumpen – Frau Kollegin Paulig, hören Sie einmal gut zu; denn Sie haben das vorhin falsch gebracht – die in Deutschland installiert werden, werden sogar 60% in Bayern errichtet.

Und nun noch einmal zurück zur Photovoltaik.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Paulig (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Ich darf Sie da korrigieren. Es kommen nicht 41% der Anträge, die beim Bund abgerufen werden, aus Bayern, sondern es sind 42%.

(Zurufe und Unruhe beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Aus Nordrhein-Westfalen – Frau Kollegin, hören Sie gut zu –, wo Ihre Frau Kollegin Höhn die Verantwortung für die Umweltpolitik trägt, werden 15% der Bundesmittel abgerufen und aus Niedersachsen sind es ganze magere 9,6%.

(Anhaltende Zurufe der Frau Abgeordneten Gote (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Schreien Sie doch nicht so laut, Frau Kollegin, sondern hören Sie mir lieber zu; da können Sie etwas lernen.

(Anhaltende Zurufe der Frau Abgeordneten Gote (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Frau Gote, es genügt, wenn Sie einmal schreien und nicht zweimal hintereinander.

Schreien ersetzt nicht den Verstand.