Mitte Juli 2002 – ungefähr zwei Monate vor der Bundestagswahl – stellen Sie hier einen Dringlichkeitsantrag, der kein einziges positives Wort, keinen einzigen positiven Gedanken und keinen einzigen Vorschlag enthält. Das ist so windig, dass ich wirklich nur sagen kann, RotGrün hat in Deutschland abgewirtschaftet. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.
Wer hat denn gesagt, ich lasse mich daran messen, die Arbeitslosigkeit auf 3,5 Millionen zu drücken, und wenn ich das nicht schaffe, bin ich es nicht wert, wiedergewählt zu werden? Das werden wir in jeder Versammlung, an jedem Tag tausendfach den Bürgern sagen. Für diese Regierung gilt nur eines: versprochen, gebrochen. Aber noch einmal darf das in Deutschland nicht passieren.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen jetzt zur Abstimmung, die in namentlicher Form erfolgt. Für die Stimmabgabe sind die entsprechend gekennzeichneten Urnen bereitgestellt. Die JaUrne befindet sich auf der Oppositionsseite, die NeinUrne auf der Seite der CSU-Fraktion, jeweils im Bereich der Eingangstüren. Die Urne für die Stimmenthaltungen befindet sich auf dem Stenografentisch. Es kann jetzt mit der Stimmabgabe begonnen werden. Dafür stehen fünf Minuten zur Verfügung.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt. Das Ergebnis gebe ich später bekannt. Wir fahren nun mit der Beratung der Dringlichkeitsanträge fort.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Christine Stahl, Dr. Dürr, Elisabeth Köhler und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Mir liegt die Wortmeldung von Frau Kollegin Paulig vor. Bitte, Frau Kollegin Paulig.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir befinden uns bereits in der Aussprache. Das heißt, dass einer am Rednerpult redet und die anderen zuhören.
Oder es ruft jemand dazwischen, Herr Hofmann. So wie immer. Er kommt sicher in Fahrt, das weiß ich schon.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben kurze Redezeiten vereinbart, deshalb schaue ich auf die Uhr. Herr Staatsminister Huber, Sie haben soeben so trefflich ausgeführt, dass die rot-grüne Bundesregierung angeblich nur rückwärts gewandte Politik betrieben habe. Ich muss Ihnen entschieden widersprechen.
Schauen Sie sich beispielsweise die Energiepolitik an. Hier waren die GRÜNEN der Reformmotor, und wir haben die notwendigen Signale für eine vorwärts gewandte Politik gesetzt und eine wirkungsvolle Politik umgesetzt.
Ich kann jede Menge dazu aufzählen. Das ist eine Politik, die in die Zukunft gerichtet ist, eine Politik für Klimaschutz, für den Mittelstand, für Investitionen in diesem Land, für Umweltschutz und für Unabhängigkeit von Importen von Öl, Gas oder Uran. Nicht zuletzt hat gerade die Enquete-Kommission „Nachhaltige Energieversorgung unter den Bedingungen der Globalisierung und der Liberalisierung“ dieses bestätigt. Das ist zukunftsorientierte Politik, und es ist möglich, mit dieser Politik den Klimaschutz umzusetzen. Es ist beispielsweise möglich, bis zum Jahre 2050 die Treibhausgase um 80% zu reduzieren, indem man Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz und zum Einsatz erneuerbarer Energien trifft.
Was Sie und die Vertreter der CDU/CSU in diese Enquete-Kommission eingebracht haben, war mehr als blamabel. Sie wollten den Beweis in dieser EnqueteKommission führen, dass wir den Klimaschutz nur umsetzen können, wenn wir uns auf Atomenergie stützen. Zu welchem Ergebnis kam Ihr geliebter Experte Voss? – Er kam zu dem Ergebnis, dass wir 50 bis 70 weitere Atomkraftwerke in Deutschland brauchen, wenn wir die Reduktion der Treibhausgase um 80% bis zum Jahre 2050 erreichen wollen. Das nennen Sie zukunftsfähige Politik. Sie werden noch nicht einmal den Bau eines einzigen neuen Atomkraftwerkes in diesem Land durchsetzen, geschweige denn den Bau von 50 bis 70.
Selbst das eine Atomkraftwerk in Bayern, welches uns im Rahmen des Energiedialogs im Wirtschaftsministerium schmackhaft gemacht werden sollte, wird nie kommen.
Ich zähle einige Punkte auf. Diese Maßnahmen haben bereits eine positive Wirkung entfaltet: ErneuerbareEnergien-Gesetz – EEG –, Marktanreizprogramm für erneuerbare Energien, 100000-Dächer-Programm, Biomasseverordnung, CO2-Gebäudesanierung-Programm, Förderprogramm biogener Treib- und Schmierstoffe, Energiesparberatung, Energieeinsparverordnung, KraftWärme-Kopplung-Gesetz, Atomausstiegsgesetz, Ökosteuer, verkehrsmittelunabhängige Entferungspauschale, Energieverbrauchskennzeichnungsgesetz für sparsame Geräte und die Erhöhung der Forschungsmittel für erneuerbare Energien und nicht zuletzt das Klimaschutzprogramm. Alle diese Programme zusammen haben ihre Wirkung entfaltet.
Wir haben damit in diesem Sektor beispielsweise 130000 Arbeitsplätze geschaffen. Wenn diese Politik fortgesetzt wird, dann sind es in der nächsten Legislaturperiode 250000. Das ist zukunftsfähige Politik. Das ist das beste Mittelstandsprogramm, das wir auflegen können.
Allein im Zeitraum von 3,5 Jahren erfolgten Investitionen in Höhe von 7 Milliarden in diesem Sektor. Die Investitionen haben sich verdoppelt. Das bedeutet Arbeitsplätze und Aufträge für den Mittelstand. Das ist Umweltschutz. Allein mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz haben wir ungefähr 35 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente im Jahr 2001 eingespart.
Bei der Windenergie haben wir die Spitzenposition in der Welt. Wir haben den Anschluss an die Weltspitze bei der Photovoltaik geschafft. Wir haben endlich auch innovative Projekte in der Geothermie auf den Weg gebracht. Schließlich haben wir den Ausbau der Biomassenutzung vorangebracht. All dies führt zu enormen volkswirtschaftlichen Gewinnen. Inzwischen hat das Wirtschaftsministerium den Energiebericht über das EEG fertiggestellt. Danach betragen die volkswirtschaftlichen Einsparungen, die durch diese Programme erzielt wurden – ich nenne zum Beispiel die Minderung des Ausstoßes von Treibhausgasen und die Minderung von Schadstoffemissionen –, 2,5 Milliarden e. Allein durch das EEG sind in Deutschland circa 55000 Arbeitsplätze geschaffen worden. Jeder Arbeitsplatz hat eine volkswirtschaftliche Einsparung von circa 45000 e gebracht.
Das sind Erfolgszahlen, das sind Erfolgsbilanzen, und das ist zukunftsfähige Politik, die es fortzusetzen gilt.
Schauen wir doch einmal auf die bayerische Politik. Wo die Bayerische Staatsregierung verantwortlich ist, gibt es Verzögerungen und Blockaden. Ich nenne als Beispiel die Windenergie. Bei der Windenergie haben Sie die
Möglichkeit, über die Genehmigungsverfahren Widerstand zu leisten. Bei der Windenergienutzung liegt Bayern im Vergleich mit den anderen Binnenländern auf dem letzten Platz. Hinter Bayern liegen nur noch das Saarland und einige Stadtstaaten. Rheinland-Pfalz verfügt beispielsweise über das Vierfache an Windenergieleistung, Sachsen-Anhalt über das Achtfache der Leistung von Bayern, obwohl diese Bundesländer eine kleinere Fläche und einen geringeren Anteil an Mittelgebirgen aufweisen. Sie stellen sich damit ein jämmerliches Zeugnis aus.
Schauen Sie sich gleichzeitig an, wie gut die hervorragenden Unterstützungsprogramme zum Ausbau der erneuerbaren Energien, zum Beispiel das Marktanreizprogramm, von den bayerischen Bürgerinnen und Bürgern angenommen werden. Die Bürgerinnen und Bürger Bayerns greifen zu, wenn es gilt, in die Zukunft zu investieren, während Sie von der CSU den Ausbau der Windenergie blockieren.
Ich nenne dazu einige Zahlen. Lassen Sie mich zunächst das 100000-Dächer-Programm erwähnen. 41% der Solarzellen mit 61 Megawatt entfallen auf bayerische Dächer. Die bayerischen Bürger nutzen die rot-grünen Programme für private Investitionen.
Über das Marktanreizprogramm wurden 100 Photovoltaikanlagen an bayerischen Schulen gefördert. Weiterhin wurden 55000 solarthermische Anlagen in Bayern gefördert; das sind 41% der bundesweit geförderten Anlagen. Bei der Biomassenutzung liegt der bayerische Anteil an der Förderung bei 52%. Die Bürgerinnen und Bürger Bayerns denken weiter als Sie. Sie blockieren nur die Windenergie, wie sich gezeigt hat. Wo die Bayerische Staatsregierung ihre Finger drin hat, da wird blockiert. Wo aber die bayerischen Bürgerinnen und Bürger auf rot-grüne Zukunftsprogramme zugreifen können, da wird investiert. Da kommt der Mittelstand voran.
Die rot-grünen Energieprogramme sind die wirklichen Mittelstandsprogramme und die entscheidenden Umweltschutzprogramme.
Weil wir dies wissen, wollen wir Ihnen eine kleine Chance geben, heute noch einmal einem ausgesprochen zukunftsweisenden Dringlichkeitsantrag zuzustimmen. Sie haben die Chance, drei Punkten zuzustimmen.
Erstens kann hier endlich festgestellt werden, dass genau diese Politik – Klimaschutz, Schaffung von Arbeitsplätzen, Schaffung von Exportchancen und Innovation für die bayerische Wirtschaft – gemacht werden muss. Denken Sie nur an die Fabrik ASE Nukem in Alzenau, die jetzt ihre Solarzellenproduktion zur größten Solarzellenproduktion in Europa ausbauen will. Das ist eine grüne Initiative, die Arbeitsplätze auch in Unterfranken sichern will.
Sollte der CSU-Kanzlerkandidat zum Zuge kommen, dann will er dies alles streichen. Auch die FDP will dies alles streichen. Damit vernichten Sie aber genau diese Arbeitsplätze in der Industrie. Damit vernichten Sie auch die Arbeitsplätze in Handwerk und Mittelstand.
Wir fordern Sie zweitens auf, unsere Politik im Bundesrat und in Bayern verstärkt zu unterstützen und voranzubringen. Es geht dabei um die Weiterentwicklung des EEG, des Gesetzes über erneuerbare Energien. Hier ist einiges zu tun. Der Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums liegt vor. Wir brauchen mehr Unterstützung für die Geothermie. Wir brauchen weitere Unterstützung gerade bei der Nutzung von Biomasse durch kleine Anlagen. Bayern hat beispielsweise schon seit einiger Zeit für Biogasanlagen ein Diversifizierungsprogramm aufgelegt. Nur hat meine Anfrage bei Herrn Miller ergeben, dass mit diesem Programm keine einzige Anlage gefördert wurde. Ja, das ist ja auch wirklichkeitsfremd. So geht es leider nicht. Das heißt, in dieser Hinsicht muss das EEG weiterentwickelt werden. Dann haben wir gute Bedingungen. Ich nenne natürlich auch das Marktanreizprogramm.