Wenn Sie wirklich in eine ernsthafte Auseinandersetzung einsteigen wollen, dann lassen Sie uns darüber streiten, was aus der schlimmsten Misere der deutschen Wirtschaft in den letzten Jahren geworden ist. Kein Mensch kann darüber hinwegsehen, dass beispielsweise im Osten Deutschlands die höchste Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung herrscht. Der Bundeskanzler hat 1998 in seinen neun oder zehn Punkten gesagt, er mache den Aufbau Ost zur Chefsache. Oft ist das eine ganz gefährliche Ankündigung.
Es kann sich niemand freuen: Tatsache ist, dass sich in diesen vier Jahren sowohl die wirtschaftliche Situation als auch die Arbeitsplatzsituation in den neuen Ländern drastisch verschlechtert hat, dass die jungen Menschen abwandern – leider –, dass sie keine Zukunft mehr sehen, dass Häuser verfallen, dass die Infrastruktur nicht ausgenutzt werden kann. Deshalb muss ich sagen: Es genügt angesichts dieser Situation nicht, über ein halbes oder ein Dreivierteljahr hinweg zu sagen: Wir machen eine Politik der ruhigen Hand. Im Juni 2002 wurden wir mit den höchsten Arbeitslosenzahlen seit acht Jahren konfrontiert; diese Regierung hat keine andere Antwort als den Hinweis, am 16. August wird die HartzKommission ein weiteres Gutachten vorlegen.
Eine Bundesregierung, die in die Verantwortung für die Rahmenbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland gewählt ist, kann doch nicht darauf verweisen, dass irgendwann in zwei Monaten irgendeine Kommission irgendein Gutachten vorlegt. Es gilt, zu handeln. Eine Regierung, die nicht mehr in der Lage ist, zu handeln, hat abgewirtschaftet.
Rot-grün hat in Deutschland abgewirtschaftet. Ihre beiden Reden heute waren der Beleg dafür. Es war kein einziger Gedanke darin, kein einziger Vorschlag, kein Teil eines Konzepts, kein einziges Schrittchen, wie wir mehr Arbeitsplätze schaffen.
Ich stelle fest: Ein Patentrezept hat selbstverständlich niemand. Wir gehen es jedenfalls mit diesen sieben Punkten an, die Edmund Stoiber und Lothar Späth letzten Freitag vorgestellt haben, die Rahmenbedingungen in Deutschland so zu verbessern, dass es mehr Arbeitsplätze gibt.
Die Hartz-Kommission hat doch – was bisher bekannt geworden ist – als einziges Ziel eine andere Verwaltung oder Vermittlung der Arbeitslosen. Sie werden mit Vermittlung überhaupt nichts erreichen. In den neuen Bun
desländern gibt es 76000 offene Stellen und 1,4 Millionen Arbeitslose. Da hilft Ihnen die beste Vermittlung nichts. Wir brauchen Wachstum und Arbeitsplätze. Das ist das Ziel.
Dann stellen Sie die Finanzierungsfrage, Frau Stahl. Natürlich darf man diese Frage stellen. Ich stelle jetzt aber die Gegenfrage: Der Bundeskanzler und die SPD kündigen an, dass sie in den nächsten Jahren 4 Milliarden e zur Einführung von Ganztagsschulen in Deutschland bereitstellen wollen. Wie ist denn da die Finanzierung? – Offenbar hat man diese 4 Milliarden e, und zwar für einen Aufgabenbereich, für den der Bund nicht zuständig ist.
Ich meine: Lassen Sie uns diese 4 Milliarden e dafür verwenden, dass wir Arbeitsplätze in Deutschland bekommen,
anstatt uns eine verfehlte Bildungspolitik zu oktroyieren. Deshalb ist Ihre Frage nach der Finanzierung scheinheilig. Sie haben im Grunde nämlich keine Alternative zu den inhaltlichen Vorschlägen. Die Widersprüchlichkeit ist Ihnen oft genug dargestellt worden. Jetzt jubeln Sie Herrn Hartz zu, weil er die „Ich-AG„ erfunden hat, weil er von der Familien-AG redet. Wer hat denn das Scheinselbstständigengesetz in Deutschland eingeführt?
Dieses Gesetz macht Existenzgründungen fast unmöglich. Wer hat denn dazu beigetragen, dass Hunderttausende von kleinen Jobs verloren gegangen sind? Wer hat denn bei den früher 630-DM- – jetzt 325-e-Beschäftigungsverhältnissen, die Steuer- und Abgabenbelastung auf bis zu 42% hochgetrieben? – Bei den Zeitungsverlagen, bei den Reinigungsdiensten, bei den Gaststätten sind Hunderttausende von Stellen verloren gegangen, oder die Leute sind in die Schwarzarbeit gegangen. Die Bürokratie ist ungeheuerlich. Der Mittelstand bricht unter dieser Bürokratie fast zusammen.
Sie bewegen sich überhaupt nicht. Herr Riester verschuldet den Verlust von Hunderttausenden solcher Mini-Jobs.
Sie sind auch noch völlig uneinsichtig. Weder beim Scheinselbstständigengesetz noch bei den Niedriglohnbeschäftigungsverhältnissen sind sie bereit, sich einen Schritt zu bewegen. Die Kommunen klagen über eine ungeheuere Auszehrung ihrer Finanzen.
Herr Maget, der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München, immerhin eine der reichsten Städte Deutschlands
oder Europas, beklagt in diesem Jahr Gewerbesteuerausfälle um weitere 17 oder 20%. Im sozialen und kulturellen Bereich schränkt man sich ein; man will das Deutsche Theater verkaufen und dergleichen mehr.
In der gleichen Zeit müssen die Kommunen einen immer höheren Anteil an Gewerbesteuerumlage an Land und Bund zahlen. Das zehrt die kommunale Finanzkraft doch aus, meine Damen und Herren.
Ich sage Ihnen auch, was wir in diesem Jahr noch machen werden. Als Allererstes werden wir die völlig unsinnige bürokratische Regelung für die Niedriglöhne abschaffen und durch die alte Pauschalregelung ersetzen.
Viele haben 1998 die SPD gewählt, weil sie den Ankündigungen geglaubt haben, es würde mehr soziale Gerechtigkeit geschaffen. Rechnen wir nach vier Jahren doch einmal ab. Was ist denn aus der sozialen Gerechtigkeit geworden?
Leute, die auf einen Nebenjob angewiesen sind, weil sie die Familie ernähren müssen, zahlen bis zu 42% Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Das trifft doch nur die kleinen Leute und nicht die Reichen im Lande.
Wer zahlt denn in erster Linie die Zeche der Ökosteuer? Sie wissen ganz genau, dass die Großkonzerne – ich sage: zu Recht – bis zu 80% von der Ökosteuer befreit sind, weil sie sonst im internationalen Wettbewerb gar nicht mithalten könnten. Der kleine Landwirt, der kleine Mittelständler und die Familie am Land zahlen die Ökosteuer voll.
Noch nie hat eine Regierung innerhalb von vier Jahren eine solche Umverteilung zulasten der kleinen Leute geschafft wie diese SPD-geführte Bundesregierung.
Der Genosse der Bosse hat es zu verantworten – Adolf Dinglreiter hat bereits darauf hingewiesen –, dass die Körperschaftsteuer mit einem Aufkommen von 23 Milliarden e im Jahr 2000, welche von den großen Unternehmen bezahlt wird, auf unter Null gefallen ist. Ich habe für
Bayern verhandelt. Wir hätten im Zuge der Steuerreform die Körperschaftsteuer auch gesenkt. Wir sind aber von SPD und GRÜNEN überholt worden. Wir wären bei einem Steuersatz von ungefähr 30% geblieben. Wir hätten für Beteiligungserlöse keine Steuerbefreiung eingeführt. Wir hätten stattdessen den Mittelstand mehr gefördert. Der entscheidende, fast nicht mehr korrigierbare Kardinalfehler dieser Steuerreform besteht darin, dass sie einseitig nur die ganz Großen begünstigt, den Mittelstand aber übersehen hat.
Im mittelständischen Gewerbe sind drei Viertel der Menschen beschäftigt. Im mittelständischen Gewerbe sind 90% der jungen Leute in Ausbildung. Die werden auf das Jahr 2005 vertröstet. Erst dann wird es für sie eine echte Steuersenkung geben. Wir sagen, dass jetzt sehr rasch und ganz entschieden für den Mittelstand gehandelt werden muss.
Deshalb werden wir zum 1. Januar 2003 den nächsten Schritt der Ökosteuer aussetzen bzw. abschaffen. Dieser Schritt wird nicht mehr kommen. Rot-Grün sagt jeden Tag etwas anderes. Die GRÜNEN wollen die Ökosteuer sogar noch verlängern. Der nächste Schritt im Jahr 2003 würde bei Rot-Grün auf jeden Fall kommen.
(Frau Radermacher (SPD): Und was sagt Stoiber? Er hat gleich drei verschiedene Stellungnahmen abgegeben!)
Die Ökosteuer stellt eine einzige einseitige Belastung der Wirtschaft und der Menschen in Deutschland dar. Kein anderes Land in der Europäischen Union macht das mit.
Die Ökosteuer hat einseitig die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands beschädigt. Sie hat bei uns Arbeitsplätze gekostet, und deshalb muss sie weg.
Nehmen Sie doch alles einmal zusammen. Wenn Sie die Gewerbesteuerumlage auf den alten Stand zurückführen und damit die Steuerkraft der Kommunen stärken, wenn Sie die Ökosteuer abschaffen, wenn Sie bei den Niedriglöhnen Bereinigungen durchführen, wenn Sie ein Aufbauprogramm Ost mit 2 Milliarden e – eine davon für die Kommunen und eine für den Mittelstand – aufstellen, wenn Sie das Scheinselbstständigengesetz aufheben, wenn Sie bei der Teilzeitbeschäftigung diesen unvernünftigen Anspruch auf Teilzeit für alle streichen und wenn Sie schließlich das Betriebsverfassungsgesetz mittelstandsfreundlich gestalten, erst dann wird der Mittelstand, der heute dahinsiecht und keine Zukunft mehr sieht, auch wieder Hoffnung schöpfen und haben. Sie werden das nicht schaffen, weil Sie seit eineinhalb Jahren nichts, aber auch gar nichts tun, um die Wirtschaft in Deutschland wieder zu beleben.