Protocol of the Session on July 11, 2002

Bereitstellung der notwendigen Mittel für die Opferhilfe (Drucksache 14/7323)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Die Redezeit beträgt 30 Minuten pro Fraktion. Damit es jetzt von vornherein klar ist: Mir sind als Rednerinnen die Kolleginnen Christine Stahl, Monica Lochner-Fischer und Renate Dodell gemeldet worden. Ich bitte nun Frau Stahl ans Mikrofon.

Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen! Zum 1. Januar 2002 hat die Bundesebene das Bundesgesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen in Kraft gesetzt. Es ermöglicht Opfern von Gewalttaten – in der Regel sind das die misshandelten Frauen und oft auch ihre Kinder –, gerichtlich Schutz vor Gewalt und Nachstellungen zu erlangen.

Bisher war die Bekämpfung dieser Gewalt, die sich sehr häufig im häuslichen Raum abgespielt hat, dem Zugriff der Gesellschaft aufgrund des Schutzes der Privatsphäre und des Schutzes der Familie vor staatlichen Eingriffen verwehrt oder eben nur beschränkt möglich, nämlich dann, wenn das Opfer von sich aus an die Öffentlichkeit gegangen ist. Meine Damen und Herren, das hat aber – ich glaube, darüber sind wir uns einig – teilweise zu sehr schwierigen, ja sogar lebensbedrohlichen Situationen geführt. Es dürfte auch klar sein, dass wir das nicht länger hinnehmen durften.

Rot-Grün hat deshalb Konsequenzen gezogen und den genannten Gesetzentwurf eingebracht und auch verabschiedet. Wir alle kennen ja nicht nur in diesem Bereich die Mentalität des Wegschauens. Es wird dann gesagt: Da könnte etwas passiert sein, aber das geht uns nichts an. Das ist bei den Nachbarn. Da mischen wir uns lieber nicht ein. – Wie oft wissen Nachbarn, dass nebenan etwas nicht stimmt, mischen sich aber lieber nicht ein. Wie oft holten die Opfer selbst die Polizei und schickten sie aus falsch verstandener Loyalität mit dem Täter wieder weg. Wie oft hat die Polizei eine gefährliche Situation unterschätzt oder durfte schlicht und einfach aus rechtlichen Gründen keine weitergehenden Maßnahmen ergreifen. Besonders schwierig war es, die Opfer von Nachstellungen und Psychoterror zu schützen. Auch hier wurde nun endlich Abhilfe geschaffen.

Meine Damen und Herren, circa jede dritte Frau hat laut Mitteilung der „Mittelbayerischen Zeitung“ Gewalt durch ihren Partner erlebt. Die Zahl der Vergewaltigungen ist um 6,2% angestiegen, die Zahl von schweren Körperverletzungen zwischen Ehepartnern gar um 20%. Im Rahmen des Modellprojekts „Häusliche Gewalt in Unterfranken“ war von 101 Fällen in dieser Region die Rede; lediglich in 46 Fällen wurde aber Strafanzeige gestellt. Sie sehen, es gibt hier durchaus Handlungsbedarf. Das Bundesgewaltschutzgesetz schafft hier Abhilfe. Wer schlägt, geht, hat sich in Zukunft vom Opfer fernzuhalten und außerdem die Wohnung zu verlassen.

(Beifall der Frau Abgeordneten Elisabeth Köhler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Nicht die Opfer müssen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion das Haus ohne ihr Eigentum verlassen, sondern die Täter, natürlich vorausgesetzt, die Opfer wollen dies. Ich kann allerdings auch durchaus gut nachvollziehen, dass es Frauen gibt, die doch lieber ins Frauenhaus gehen, weil sie dort sofort Unterstützung und auch Beratung erhalten.

Aber gleich, welchen Weg die Frauen einschlagen: Sie können jetzt entscheiden, beim Familiengericht einen Antrag zu stellen, um zu erreichen, dass der Täter ihnen

und ihren Kindern die Wohnung überlässt und sich ihnen vorerst nicht mehr nähert, sie also in Ruhe lässt.

Nun kommen wir zum eigentlichen Anlass unseres Gesetzentwurfes. Ich glaube auch, dass bei Ihnen in der Diskussion einiges durcheinandergeraten ist. In der letzten Ausschusssitzung wurde von der CSU-Seite mit Argumenten diskutiert, die mir zeigen, dass der Gesetzentwurf nicht verstanden worden ist. Welche Möglichkeiten haben Opfer und Polizei in der Zeit bis der Antrag vor dem Familiengericht gestellt worden ist? Versetzen Sie sich einmal in die Lage sowohl eines Opfers als auch der Polizei. Ein Gewaltopfer ruft oft nach jahrelangen Auseinandersetzungen – es ist nicht so, dass das vom Himmel fällt, sondern oft ist ein jahrelanger Leidensweg vorausgegangen – nach der Polizei, ist unter Umständen verletzt, hat vielleicht auch noch Angst um Kinder, ist hinund hergerissen zwischen Loyalität gegenüber dem Partner, Panik und Schmerz und muss vielleicht sogar ins Krankenhaus. Nun soll es in kürzester Zeit entscheiden, was weiter werden soll.

Will das Opfer rechtlich abgesichert sein, muss es besser noch heute als morgen diesen Antrag beim Familiengericht stellen, damit es dann auch ganz schnell zu einer Entscheidung kommt. Ich bin mir sicher, dass die Familiengerichte sehr schnell entscheiden werden; denn es kann nicht in ihrem Sinn sein, wenn Frauen lange auf eine Entscheidung warten müssen. Wie unsere Erfahrungen zeigen, wird dies trotzdem ein bis zwei Wochen dauern. Dabei haben wir die Tage, die bis zur Antragstellung sicher vergehen, nicht mitgerechnet. Die Polizei hat den Täter eventuell der Wohnung verwiesen oder hat ihn sogar mitgenommen – dies liegt natürlich auch daran, wie schwer die Auseinandersetzung ist.

Nun kommen wir zu dem Punkt, wie lange denn ein solcher Platzverweis ausgesprochen werden darf und wie lange eine Ingewahrsamnahme dauern darf. Bei diesem Punkt, meine Damen und Herren, zeigt sich, dass wir ein sehr unterschiedliches Verfassungsverständnis haben. Uns ist in der langen Diskussion, die nun beinahe, ich glaube, ein Jahr geht, nicht klargeworden, warum sich Staatsregierung, CSU und leider auch SPD an dem Punkt, ob man etwas klar und deutlich im Polizeiaufgabengesetz regeln soll, so verkämpfen. Das Bundesgesetz weist in diesem Fall einfach eine Schutzlücke auf. Ich bedauere, dass Frau Fickler dies nicht nachvollziehen kann. Das Bundesgesetz hat deshalb eine Schutzlücke, weil auf Bundesebene für uns in Bayern Regelungen gar nicht getroffen werden dürfen – das müssen wir hier machen. Diese Schutzlücke werden Sie unserer Auffassung nach weder mit Broschüren noch mit ministeriellen Anweisungen noch mit gutgemeinten Anträgen zum Opferschutz schließen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Uns geht es ganz klar wieder einmal um das Verfassungsrecht. Sie können uns auch nicht erklären, warum Sie sich in dieser Frage so eindeutig gegen den Wunsch der Gewerkschaften stellen. Sowohl die Deutsche Polizeigewerkschaft als auch die Gewerkschaft der Polizei haben sich eine klare gesetzliche Regelung im Polizeirecht gewünscht, weil sie verfassungsrechtlich abgesi

chert sein wollen. Bei Familienstreitigkeiten sind Beamtinnen und Beamte oft selbst in einer sehr schwierigen Stresssituation. Sie müssen vor Ort recherchieren, was passiert ist; sie müssen Opfer und Täter auseinanderbringen und feststellen, wer wem etwas getan hat; sie müssen sich um das Opfer kümmern; sie müssen schauen, ob Kinder da sind und was mit ihnen passiert. Dazu muss ich sagen: Als Beamtin möchte ich klare Regelungen haben und möchte wissen, was ich in diesem Fall tun kann und tun darf, ohne mich strafbar zu machen.

Nun gibt es zwar Vorgaben aus dem Innenministerium, aber das genügt unserer Ansicht nach nicht. Gehen wir doch einmal genau zu den zwei Möglichkeiten über, die die Polizei hat. Zum einen ist das der Platzverweis gegen den Störer, in diesem Fall den Täter nach Artikel 16 PAG. Dieser ist von seinem Ansatz her eigentlich nur auf eine kurze Verweisungsdauer angelegt. Zwar gibt es Verfassungsgerichtsurteile, die in der Diskussion immer wieder gerne zitiert werden. Wir sind allerdings der Meinung: Wenn man sich diese Urteile genauer ansieht, sind die Zeiträume, über die diskutiert wird, relativ kurz im Vergleich zu den Zeiträumen, die wir bräuchten, damit sich das Opfer orientieren kann, damit es überlegen kann. Dabei geht es um die Zeit, bis dann tatsächlich eine Entscheidung des Gerichtes vorliegt. Ich will gar nicht auf die anderen Besonderheiten in den Urteilen eingehen – dazu gäbe es auch einiges zu sagen. Wir sagen: Die Fälle sind schlicht und einfach nicht vergleichbar.

Dann müssen wir auch sehen, dass ein solcher Platzverweis immer auch in die Rechte eines bis dahin noch vermeintlichen Täters eingreift. Wenn er des Platzes verwiesen oder in Gewahrsam genommen wird, ist er noch nicht verurteilt, hat also eigentlich noch als unschuldig zu gelten, auch wenn es viele Anhaltspunkte dafür gibt, dass er vermutlich etwas angestellt hat. Trotzdem ist er immer noch als jemand zu behandeln, der auch Grundrechte hat. Hier kommt das Grundrecht des Täters hinsichtlich der Unverletzlichkeit der Wohnung ins Spiel. Die Wohnung ist nämlich auch immer noch seine. Hier einfach zu sagen, ein Platzverweis reicht aus, und dieser über einen sehr langen Zeitraum, und dies nicht einmal im Polizeiaufgabengesetz festzulegen, sondern zu sagen, das machen wir einfach aufgrund von ministeriellen Vorgaben, halten wir für nicht machbar und sehr schwierig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dasselbe trifft auch für die zweite Möglichkeit, die Ingewahrsamnahme zu. Diese bietet ebenfalls keinen langfristigen Schutz. Wir wissen aber: Sie interpretieren die Verfassung gerne bis zum letzten Punkt; wir haben auch schon oft genug erlebt, dass Sie unter Umständen bereit sind, die Verfassung zu verletzen.

(Zuruf von der CSU)

Ja, das sind dann jene Fälle, in denen wir die Klage gewinnen. So ist das.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben uns mit unserem Gesetzentwurf – ich möchte Sie kurz auf andere Bundesländer verweisen, die einen ähnlichen Weg beschritten haben – an Österreich orientiert. In Österreich wurden Erfahrungen gesammelt; wir haben auf diese Erfahrungen zurückgegriffen und deshalb klare gesetzliche Regelungen geschaffen. Nach einer Anhörung in unserer Fraktion – später fand noch eine Landtagsanhörung statt – sahen wir uns bestätigt; auch die österreichische Referentin hat uns geraten, diesen Weg zu beschreiten. Außerdem haben wir die Konsequenz daraus gezogen und nach dieser Anhörung zu unserem Gesetzentwurf noch eine kleine Änderung eingebracht, weil sich gezeigt hat, dass der Zeitraum, in dem sich Frauen sammeln und orientieren, tatsächlich länger werden kann. Deswegen haben wir jetzt noch eine Verlängerungsfrist eingeführt, die noch einmal bis zu zehn Tagen zusätzlich bietet.

Die Landtagsanhörung hat auch gezeigt, dass unser Ihnen auch beigelegtes Antragspaket notwendig ist. Es geht nicht nur um diesen Gesetzentwurf, sondern selbstverständlich auch darum, dass wir in Bayern vor Ort dafür sorgen müssen, dass die Opfer von Gewalt im häuslichen Bereich eine entsprechende Unterstützung erhalten. Wir brauchen eine Vernetzung derjenigen Stellen und Projekte, die mit den Opfern rechtlich sowie beratend und unterstützend zu tun haben. Wir müssen Projekte und Aufgaben bündeln. Dies ist auch eine finanzielle Frage.

Damit komme ich zum Punkt Finanzen. Für die angemessene Betreuung der Opfer von Gewalt in Familie und Partnerschaft brauchen wir selbstverständlich auch die entsprechenden Mittel. Damit dies nicht ausufert, muss vernetzend und zusammenfassend koordiniert werden. Wir halten es auch für dringend notwendig, die Aus- und Weiterbildung für Polizei, Justiz, Verwaltung und Ärzteschaft auszubauen – übrigens ein Wunsch, der auch von der Polizei an uns herangetragen wurde, weil sich die Beamten in diesen schwierigen Konflikt- und Stresssituationen manchmal überfordert fühlen. Damit sagen wir nicht, dass sie es dringend nötig hätten, etwas zu lernen. Man muss ihnen aber mit entsprechenden Angeboten erleichtern, mit diesen Situationen umzugehen.

Um der Verfassung willen und um klarer Regelungen willen bitten wir Sie deshalb, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen. Lassen Sie dem Täter vor dem Gericht, das er unter Umständen in Anspruch nimmt, keinen gesetzlichen Spielraum.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Frau Lochner-Fischer.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Stahl, Sie machen mir es im Moment etwas schwer, sachlich zu diskutieren, weil Sie indirekt nicht nur der CSU, sondern auch der SPD vorwerfen, Verfassungsbruch zu begehen, wenn wir heute Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen werden.

(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Doch, das hat sie getan. Ich habe gut zugehört. Ich weise eingangs darauf hin, dass bis auf ein einziges Bundesland kein anderes Bundesland sein Polizeiaufgabengesetz so geändert hat, wie dies die GRÜNEN wollen. Es besteht also keine zwingende Notwendigkeit, die Polizeiaufgabengesetze zu ändern, zumal Bayern ohnehin das strengste Polizeiaufgabengesetz hat. In diesem Haus standen die Positionen beim Polizeiaufgabengesetz bisher eigentlich anders. Wir haben das strengste und weitestgehendste Polizeiaufgabengesetz aller Bundesländer überhaupt. Auf die Frage, warum gerade das bayerische Polizeiaufgabengesetz geändert werden muss, haben Sie mir im Ausschuss nie eine Antwort gegeben.

Jetzt möchte ich auf das eigentliche Problem eingehen, denn im Moment setzen wir uns bei der Diskussion über das Gewaltschutzgesetz leider nur wegen eines Punktes auseinander, nämlich wegen der Polizei. Und diese Diskussion ist schlichtweg zu kurz gegriffen. Nach vielen Jahren haben wir es im letzten Jahr endlich geschafft, dass das Gewaltschutzgesetz dank der rot-grünen Koalition in Berlin und mit Unterstützung der Opposition verabschiedet werden konnte. Gerade bei diesem Thema ist es enorm wichtig, dass sich die Politiker aller Parteien einig sind und gegenüber der Öffentlichkeit, vor allem gegenüber den Gewalttätern, das Signal setzen, dass sie nicht mehr bereit sind, Gewalt – in welcher Form auch immer – im häuslichen Bereich zu dulden. Gegen Gewalt im häuslichen Bereich gibt es in Zukunft von allen Parteien die rote Karte. Deswegen war es äußerst wichtig, auf Bundesebene eine Einigung herbeizuführen.

Zu unserer eigenen Überraschung ist es uns von der SPD im vorigen Jahr innerhalb weniger Monate dann auch im Bayerischen Landtag gelungen, eine Koalition des gesamten Hauses herbeizuführen beim Verlangen, dem Gewaltschutzgesetz, welches seit 1. Januar in Kraft ist, in der Praxis der bayerischen Behörden, in der Praxis der bayerischen Politik und im Leben der Menschen miteinander Geltung zu verschaffen. Wir, die SPD, erkennen es an, dass hierzu bereits letztes Jahr auf bayerischer Ebene eine Reihe von Maßnahmen vorbildhaft auf den Weg gebracht worden ist. Ich denke nur an die Modellversuche, die vor allem in Franken von sehr engagierten Polizistinnen und Polizisten vor Ort federführend in die Wege geleitet wurden. Ich denke auch an Schulungsmaßnahmen bei der Polizei.

Unabhängig von dem, was heute zur Entscheidung ansteht, haben wir im Bereich der Justiz noch enorme Lücken, und hier müssen wir, das Parlament, darauf achten, dass wir bei der ganzen Diskussion über das Handeln der Polizei diese Lücken nicht aus dem Blickfeld verlieren. In den Handlungsanweisungen für die Polizei erstreckt sich der Spielraum für den Platzverweis gleich deswegen über mehrere Wochen, weil die Justiz viel zu lange braucht, um eine Entscheidung zu treffen. Das geht aber nicht. Es ist absolut unmöglich, dass derzeit für das Handeln der Justiz eine Bandbreite von vier bis vierzehn Tagen und noch mehr besteht. Wenn es nicht gelingt, dass unsere Gerichte entsprechend dem Bundesgesetz binnen kürzester Zeit Entscheidungen

treffen, wird die Staatsregierung den ganz normalen Weg gehen und das Personal bei den Gerichten aufstocken müssen. Ein ganz kleiner Tipp dazu: Im Herbst haben wir Haushaltsberatungen. Vielleicht wäre es jetzt schon an der Zeit, dass das Ministerium darüber nachdenkt, wie viele zusätzliche Personalstellen es beantragen muss, um dieses Gesetz auch durch die Justiz vollziehen zu lassen und es nicht nur zur Polizeiaufgabe zu degradieren.

Ein zweiter Punkt, welcher nach wie vor völlig im Argen liegt, trifft auch unsere unabhängige Justiz, also die Staatsanwälte und die Richter. Natürlich können wir, das Parlament, nicht direkt Einfluss nehmen auf die Justiz, denn wir alle kennen die Demokratie und die Gewaltenteilung. Wir sollten aber bei jeder Gelegenheit das Ministerium oder die beteiligten Ministerien darauf hinweisen, dass wir es politisch nicht dulden werden, dass Oberstaatsanwälte in diesem Land immer noch die Ansicht vertreten, dass Frauen deshalb geschlagen werden dürfen, weil sie den Mann durch die Drohung mit der Scheidung provoziert haben. Das passiert heute immer noch. Meiner Ansicht nach ist es nicht nur eine Frage der Schulung, sondern eine Frage der Führung durch das Ministerium, dass die Staatsanwälte darauf hingewiesen werden, dass in solchen Fällen gemäß der Vereinbarung der Innenminister das öffentliche Interesse anzuerkennen ist. Derzeit aber müssen betroffene Frauen mit einer Petition an den Landtag herantreten, bevor das den Staatsanwälten gesagt wird.

(Beifall bei der SPD)

Hier müssen ganz klare Weisungen ergehen. Es kann nicht sein, dass es nur einige sehr gute Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in unserem Lande gibt, die bereit und in der Lage sind, das Bundesgesetz umzusetzen, und die vor allem auch bereit sind, der einstimmigen Meinung dieses Hauses zu folgen, dass Gewalt in der Familie nichts zu suchen hat,

(Beifall bei der SPD)

während es gleichzeitig Landstriche in Bayern gibt, in denen ein Denken vorherrscht, gegenüber dem das Denken im vorigen Jahrhundert regelrecht fortschrittlich war.

Jetzt zu den ganz konkreten Anliegen, die heute mittels der Anträge vorgebracht werden. Wir haben mit dem Gesetzesantrag der Grünen schon deshalb ein Problem, weil damit das ohnehin schon schärfste Polizeiaufgabengesetz Deutschlands verschärft würde.

(Widerspruch der Frau Abg. Stahl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Das ist eben so. Ich will hier keine juristische, sondern eine politische Diskussion führen.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist aber der Fehler!)

Im Rechts- und Verfassungsausschuss hätten Klaus Hahnzog und Marianne Schieder diese juristische Dis

kussion liebend gerne geführt. Das Plenum ist aber nicht der Ort für eine juristische Diskussion. Wir haben gegen diesen Gesetzentwurf der GRÜNEN politische Gründe vorzubringen, die sich für uns gerade auch aufgrund der Betrachtung der Praxis in Österreich ergeben haben, und diese haben wir uns genau angesehen.

Das Gewaltschutzgesetz gilt, anders als es heute eingangs diskutiert worden ist, nicht nur für Fälle, die als schwere Körperverletzung sowieso eindeutig unter das Strafrecht fallen. Das Gewaltschutzgesetz ändert ja nicht das Strafrecht, sondern das Zivilrecht, und damit wollen wir endlich alle die anderen Formen von Gewalt innerhalb der Familie erfassen. Hier muss es Abstufungen geben. Wir sind überzeugt davon – die Zahlen aus Österreich und die Modellversuche in Bayern zeigen uns das auch –, dass die Polizei zum Schutz der Gewaltopfer – das sind meistens die Frauen, die Kinder, leider aber auch ältere Menschen, die durch ihre Kinder misshandelt werden – nicht erst dann einschreiten soll, wenn schon Körperverletzung vorliegt. Wir sind der Meinung, dass die Polizei ihren Ermessensspielraum dahin gehend ausschöpfen sollte, dass die Gewalt schon früher geahndet werden sollte. Zehn Tage dafür sind eigentlich zuviel, aber drei Tage sollte man sich wenigstens einmal überlegen.

Bei wirklich schweren Delikten oder in Gebieten, wie zum Beispiel Südschwaben, wo die Gerichte vierzehn Tage oder länger für eine Entscheidung brauchen, sollte man der örtlichen Polizei die Möglichkeit geben, angesichts dessen, was vorgefallen ist und angesichts der Tatsache, dass die Justiz innerhalb von vierzehn Tagen keine Entscheidung treffen kann, gleich vierzehn Tage oder mehr auszusprechen. Diese Handlungsmöglichkeit wollen wir der Polizei geben. Dass dies für die einzelnen Beamten und Beamtinnen schwierig ist, weil sie immer nur gewöhnt sind, stur nach Paragrafen zu handeln – und das in Bayern vielleicht noch stärker als anderswo, weil sie ansonsten Angst haben, eine aufs Dach zu bekommen –, ist uns schon klar.

Wir sind trotzdem der Ansicht, dass das im Interesse der Frauen vor Ort und des Engagements der Polizei vor Ort der sinnvollere Weg ist. Das ist besser, als sture Vorgaben zu machen und wieder Hürden zu errichten.

Wir haben es hier nicht mit der Großstadtpolizei zu tun, die den Täter nicht kennt, sondern in der Regel sind sowohl Täter als auch Opfer der Polizei gut bekannt. Die Polizei soll die Möglichkeit haben, auf bestimmte Tatbestände etwas moderater zu reagieren. Es ist besser, einen Platzverweis auszusprechen, als sich nicht zu trauen, die große Keule zu schwingen.