Protocol of the Session on June 26, 2002

Bei der rechtlichen Würdigung dieser Vorfälle ging das Landratsamt Dachau als Rechtsaufsichtsbehörde zunächst davon aus, dass es sich dabei um keine beachtlichen Wahlrechtsverstöße im Sinne des Wahlgesetzes handle, da sie nicht von amtlichen Wahlorganen oder Wahlbehörden begangen oder geduldet wurden, sondern von Privatpersonen. Die Regierung von Oberbayern und das Innenministerium haben diese Auffassung jedoch nicht für richtig gehalten. Die Wahrung des Wahlgeheimnisses ist nämlich nicht nur eine Verpflichtung für die Wahlbehörden und die Wahlorgane, sondern sie gehört auch zu den unumstößlichen Grundsätzen jeder Wahl und ist grundsätzlich von allen Wahlbeteiligten sehr, sehr sorgfältig zu beachten.

Wenn Wahlbewerber bei Wahlberechtigten Hausbesuche machen, um sicherzugehen, dass diese an der Briefwahl teilnehmen und in ihrem Sinne die Stimme abgeben, wenn sie also bei der Stimmabgabe anwesend sind und dabei sogar zusehen, ist das mit den Grundsätzen einer geheimen und freien Wahl nicht vereinbar. Dies gilt insbesondere dann, wenn dies im großen Umfang und als Teil einer Gesamtaktion durch einen Mandatsträger erfolgt ist, der Wahlfälschungen bei dieser Wahl bereits gestanden hat.

Die Regierung von Oberbayern und das Innenministerium vertreten daher die Auffassung, dass dieses Zusehen beim Ausfüllen der Stimmzettel – neben anderen vom Landratsamt festgestellten beachtlichen Verstößen, zum Beispiel sechs von einem Stadtratsmitglied zugestandene Fälle von Wahlfälschungen –, eine beachtliche Verletzung der Wahlvorschriften darstellt.

Sie führt auch zu einer Verdunkelung des Wahlergebnisses, weil die Wähler möglicherweise unbeobachtet anders abgestimmt hätten und der Abstand der Bewerber bei der Stichwahl – wie Sie wissen – nur 73 Stimmen betragen hat. Am 21.06.2002 ist daher eine eindeutige Weisung der Regierung von Oberbayern an das Landratsamt Dachau ausgelaufen. Dieser Weisung muss das Landratsamt selbstverständlich nachkommen.

Ich muss allerdings auch sagen, dass mir aus der Nachkriegszeit kein direkt vergleichbarer Fall bekannt ist. Rechtsprechung hierzu liegt mir deshalb auch nicht vor. Die ursprüngliche Rechtsauffassung des Landrats oder des Landratsamtes kann daher durchaus vertreten werden. Doch wie gesagt: Der Ober sticht den Unter. Wir – die Regierung von Oberbayern und das Innenministerium – waren deshalb der Meinung, aus den aufgeführten Gründen muss es zu einer Ungültigerklärung kommen.

Als nächster Verfahrensschritt ist am 24.06.2002 das Anhörungsschreiben des Landratsamtes an den Oberbürgermeister ausgelaufen. Im Anschluss daran hat das

Landratsamt über die Ungültigerklärung der OB-Stichwahl zu entscheiden. Auch die Wiederholung der OBWahl kann erst dann angeordnet werden, wenn dieser Bescheid bestandskräftig geworden ist. Laut Presseberichten hat Oberbürgermeister Bürgel bereits angekündigt, gegen eine Ungültigerklärung gerichtlich vorgehen zu wollen. Daran kann er in unserem Rechtsstaat aufgrund der Rechtsweggarantie des Grundgesetzes nicht gehindert werden. Ich möchte dabei aber einräumen, dass man diesen Vorgang politisch so oder so beurteilen kann.

Meine Damen und Herren Kollegen, damit ist derzeit alles rechtlich Zulässige und Mögliche getan, damit hinsichtlich der Kommunalwahl in Dachau wieder rechtmäßige Verhältnisse geschaffen werden.

Herr Prof. Dr. Gantzer, zum Thema des Beauftragten möchte ich Ihnen noch unsere Rechtsauffassung darlegen. Falls die Ungültigerklärung der Stadtratswahl bestandskräftig wird, führt der Oberbürgermeister zunächst die Geschäfte bis zum Zusammentritt des neu gewählten Stadtrats weiter. Das ergibt sich aus Artikel 23 Absatz 3 des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes. Falls aber gleichzeitig, wie es hier der Fall sein kann, die Ungültigerklärung der Stadtratswahl und der OB-Wahl bestandskräftig werden – die Betonung liegt auf bestandskräftig –, so führt bis zum Amtsantritt des neu gewählten Oberbürgermeisters ein von der Rechtsaufsichtsbehörde eingesetzter Beauftragter, der so genannte Staatsbeauftragte oder Staatskommissar, die Geschäfte. Ich verstehe etwas davon, weil ich in meinem früheren Leben selbst schon einmal Staatskommissar in einer kleineren Gemeinde gewesen bin. Das war nach der Ungültigerklärung einer Wahl der Fall. Man muss die

Bestandskraft der Entscheidung abwarten, das ergibt sich aus allgemeinen rechtsstaatlichen Prinzipien und sollte nicht in Zweifel gezogen werden. Das ist also die Rechtsauffassung des Innenministeriums zur Frage des Staatsbeauftragten.

Zusammengefasst möchte ich noch einmal sagen, meine Damen und Herren: Wir können für uns in Anspruch nehmen, von der Rechtsaufsichtsbehörde Landratsamt über die Regierung bis zum Innenministerium, dass wir das Notwendige in der notwendigen Gründlichkeit und Sorgfalt getan haben, was zur Herstellung rechtmäßiger Zustände in Dachau notwendig ist.

(Beifall bei der CSU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Kommunale Frage und Innere Sicherheit empfiehlt die Ablehnung. Wer dagegen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion der SPD und Abgeordnete der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Das ist die CSU-Fraktion und Frau Kollegin Grabmair. Gibt es Stimmenthaltungen? – Einige Kolleginnen und Kollegen der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Tagesordnung ist erschöpft; wir dürfen es auch sein. Die Sitzung ist geschlossen.