In einer Pressemitteilung über die der Ministerin unterstellte Bundesanstalt für Fleischforschung heißt es:
Die der Ministerin unterstellte Bundesanstalt für Fleischforschung in Kulmbach hatte bereits seit längerem Kenntnisse von Nitrofen in Futtermitteln. Nach einer Zeugenaussage aus Niedersachsen hat
die Bundesanstalt anlässlich einer Besprechung im Künast-Ministerium das Thema mit Nitrofen angesprochen. Ministerin Künast ging aber darüber hinweg.
Es ist einfach skandalös – man kann es nicht anders bezeichnen –, wenn eine Bundesbehörde oder möglicherweise das Ministerium Informationen nicht weitergibt oder nicht die richtigen Konsequenzen daraus zieht. So kann wirksamer Verbraucherschutz nicht funktionieren. Es erweist sich auch immer mehr, dass sich die Politik von Frau Künast, konventionell und ökologisch wirtschaftende Betriebe gegeneinander auszuspielen und einseitig den Öko-Landbau zu fördern, als falsch herausgestellt hat. Effektiver Verbraucherschutz und wirksame Kontrollen sind in allen Wirtschaftsformen der Landwirtschaft erforderlich. Durch die Einführung eines BioKennzeichens auf niedrigem Niveau wird eine Entwicklung hin zur Masse statt zur Klasse gefördert.
Ich halte es für verhängnisvoll und bin darin mit den ÖkoLandwirten und mit den Öko-Anbauverbänden einig: Wenn in einem Betrieb ökologische und konventionelle Erzeugung zugelassen werden, führt das zu Misstrauen bei den Landwirten, vor allem bei den Öko-Landwirten, die nach strengen Regeln der Öko-Anbauverbände wirtschaften müssen, aber auch zu Verunsicherung bei den Verbrauchern. Der Versuch, möglichst schnell den von Frau Künast angekündigten Anteil der Öko-Landwirtschaft von 20 Prozent zu erreichen, schaden vor allem der Öko-Landwirtschaft selbst.
Ich möchte auch zu dem Dringlichkeitsantrag der Grünen ein paar Worte sagen: Die von den Grünen geforderte Vorziehung der EU-Meldepflicht für Lebensmittelund Futtermittelunternehmen wurde auf Antrag der Bayerischen Staatsregierung im Bundesrat bereits vor zwei Wochen beschlossen.
Die GRÜNEN sollten jetzt dafür sorgen, dass dies auch in der Bundesregierung umgesetzt wird. Wir brauchen eine europaweit harmonisierte Überarbeitung der Kennzeichnungs- und Produktinformationspflichten der Hersteller. Bayern kann die Hausaufgaben von Frau Künast nicht machen.
Es ist eigentlich ein untauglicher und dreister Versuch von Frau Künast, eine Verbindung zwischen dem Nitrofen-Skandal und dem Verbraucherinformationsgesetz herzustellen. Beides hat nichts miteinander zu tun. Um Informationspflichten, wie sie im Nitrofen-Skandal verletzt wurden, geht es im rot-grünen Gesetzentwurf überhaupt nicht. Für Fälle wie den vorliegenden gibt es bereits seit langem gesetzliche Eingriffs- und Warnmöglichkeiten nach dem Lebensmittel- und dem Bedarfsgegenständegesetz. Alle Gesetze der Welt helfen aber nicht, wenn Ministerium und Verantwortliche zu langsam reagieren oder versuchen, etwas zu vertuschen. Es ist einfach skandalös, wie Verbraucherschutzministerin Künast einerseits für ihre Politik Propaganda macht und andererseits dringend erforderliche Maßnahmen für den
Ich will zum Schluss noch einmal betonen: Was wir möglichst rasch brauchen, ist in allen Bereichen der Nahrungsmittelerzeugung eine klar definierte Meldepflicht bei Grenzwertüberschreitungen. Im Interesse der Verbraucher muss dies auf Bundes- und auch auf europäischer Ebene erfolgen und umgesetzt werden. Ich meine, das muss auch für alle importierten Nahrungsmittel gelten.
Wir fordern nicht den Rücktritt von Frau Künast, weil wir ihr die Chance geben möchten, ihre Unfähigkeit in Sachen Landwirtschaft und Verbraucherschutz bis zum 22. September noch öfter unter Beweis zu stellen. Wir lehnen den Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN ab, weil sie damit nur versuchen, vom eigentlichen Problem, nämlich den Versäumnissen und dem Unvermögen von Frau Künast, abzulenken.
(Beifall bei der CSU – Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ist das ein Problem oder ist es kein Problem? – Zuruf der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Kolleginnen und Kollegen! Der Nitrofen-Skandal zeigt wie der BSE-TestSkandal, der auch noch nicht so lange her ist, und alle anderen Skandale der letzten Jahre, dass die Agrarwende weitergehen muss.
Wirtschaftliche Interessen brauchen feste staatliche Rahmenbedingungen. Ich denke, das werden selbst Sie von der CSU nicht bestreiten. Dazu müssen wir gerade in Bayern Reform hemmende Strukturen aufbrechen.
Der Ökoanbau ist nach wie vor das Leitbild einer umweltund tiergerechten Produktion. Er erbringt am meisten Leistungen und erfüllt am ehesten die Forderungen, die Verbraucherinnen und die Gesellschaft mit Recht an die landwirtschaftliche Produktion stellen.
Aber Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, sind gar nicht daran interessiert, den Verbraucherschutz weiterzuentwickeln, sonst würden Sie unserem Antrag zustimmen. Oder sind es keine Forderungen, die Sie für richtig halten? Wenn Sie diese Forderungen für richtig halten, müssen Sie zustimmen. Dies interessiert Sie aber nicht. Sie sind auch nicht daran interessiert, den Bauern dauerhafte Perspektiven zu geben. Die beste Landwirtschaftspolitik für die Bauern ist ein konsequenter Verbraucherschutz. Sie wollen lieber Wahlkampf machen. Aber damit werden Sie keinen Erfolg haben; denn unsere Ministerin hat das Vertrauen der Bevölkerung.
Alle Ihre Vorwürfe gegen den Ökoanbau und die Landwirtschaftsministerin Renate Künast gehen ins Leere oder fallen auf Sie zurück. Alle Fehler, die zum Beispiel Minister Sinner kritisiert hat, welche Frau Künast nicht begangen hat, hat er selber begangen.
Er selbst hat wochenlang geschwiegen und danach nur zögerlich gehandelt, während Frau Künast sofort an die Öffentlichkeit gegangen ist und sofort gehandelt hat. Was Sie an Renate Künast stört, ist doch nicht, dass sie zu wenig, sondern dass sie Ihrem Gefühl nach für den Verbraucherschutz zu viel tut.
Sie wollen doch so weitermachen, als wäre nichts gewesen, als wäre die BSE-Krise nicht die Bankrotterklärung Ihrer Politik gewesen. Das wäre Ihnen am liebsten.
Wie ist die Sachlage? Obwohl die CSU und andere das immer wieder behaupten, ist es kein Öko-Skandal – es ist ein Skandal der gesamten Landwirtschaft; das hat sich auch in den letzten Tagen nochmals ganz deutlich gezeigt. Futtermittelproduzenten und Futtermittelhandel, aber auch Kontrolleure und eine Versicherung aus dem Raiffeisenverband haben unverantwortlich gehandelt. Weder die Verseuchung von Futtergetreide mit Nitrofen noch die allzu schleppende Aufklärung und das fahrlässige Verhalten, dass da passiert ist, sind ein Spezialproblem des Ökoanbaus. Es sind im wahrsten Sinne des Wortes Altlasten. Inzwischen verbotene Pestizide der konventionellen Landwirtschaft, die altbekannten Interessen der Futtermittelindustrie – das sind die Altlasten, die Frau Künast vorgefunden hat und mit denen sie jetzt aufräumt.
Es gibt – auch in diesem Hause – immer noch zu viele Beteiligte, für die der Verbraucherschutz nicht an erster Stelle steht. Es gibt zu viele ewig Gestrige, die die Leistungen des ökologischen Anbaus nicht anerkennen wollen und jede Gelegenheit nutzen, ihn schlecht zu reden, allen voran Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, und im Verein mit Ihnen der Bauernverband.
Präsident Sonnleitner hat es gar nicht erwarten können, sich vom Ökoanbau zu distanzieren. Er hat am 5. Juni erklärt: „Es sind nicht unsere Strukturen, sondern Ökostrukturen“. Wo lebt dieser Mensch eigentlich? „Es sind nicht unsere Strukturen.“ – Man muss sich wirklich einmal ins Gedächtnis rufen, welches Verhältnis der Herr Sonnleitner zum Ökoanbau hat, und dies ist ein ähnliches Verhältnis, wie es vorher Herr Loscher-Frühwald demonstriert hat: Distanz. Den Graben, den Frau Künast angeblich aufreißt, wie Sie ihr immer vorwerfen, haben Sie schon längst in Ihren Köpfen und in Ihrem Handeln.
Sonnleitner will die Ökobauern in Schutz nehmen und ihre Ehre verteidigen. Von so einem, der erst mit Dreck wirft und dann den Schirm aufspannt, brauchen wir Ökobauern wirklich keinen Schutz.
Das Gleiche gilt für Sie von der CSU. Herr Sonnleitner sollte sich lieber um seinen eigenen Laden kümmern.
Er sollte sich in den entsprechenden Aufsichtsgremien, in denen er sitzt, darum kümmern, dass aufgeklärt wird. Es ist doch auffällig, dass bei jedem Skandal der letzten Zeit der Name „Raiffeisen“ fällt.
Wenn der Herr Sonnleitner hier aufräumt, bekommt er unseren Schutz, weil er den dann brauchen wird. Auch die Staatsregierung fühlt sich berufen, den Ökoanbau in Schutz zu nehmen. Was hier abläuft, ist eine Scheinheiligkeit ohnegleichen: Erst über Jahrzehnte hinweg dem Ökoanbau Knüppel zwischen die Beine werfen, und wenn er dann trotzdem vorwärts kommt, war es ein Verdienst der Staatsregierung.
Welche Lehren müssen wir aus dem Nitrofen-Skandal ziehen? Was müssen wir tun? Herr Loscher-Frühwald, das hätten Sie sich fragen sollen und nicht auf die Frau Künast schimpfen. Was müssen wir tun? Darüber finden wir komischerweise im CSU-Antrag überhaupt nichts, was wir hier in Bayern tun müssen. Statt in Bayern die Regierungspolitik beeinflussen zu wollen, wollen Sie lieber in Berlin Opposition spielen. Gehen Sie doch hinauf, spielen Sie doch da oben Opposition, wenn Ihnen das so wichtig ist. Unsere Sache ist die Agrarpolitik in Bayern. Wir sind im Bayerischen Landtag, und wenn Sie, wie gesagt, in Berlin mitspielen wollen, versuchen Sie es.
Wie schaut es in Bayern aus? Lebensmittel- und Futtermittelkontrolle ist Ländersache und Minister Miller sagt dazu – das sollten Sie sich vielleicht auch anhören –: Selbst bei größtem Kontrollaufwand können kriminelle Absichten nicht völlig unterbunden werden.
Nein, aber daraus muss man die Lehren ziehen, Herr Kollege Hölzl. Wenn man dazu fähig ist, soll man es probieren. Die Kontrollen müssen aber so intensiv sein, dass die Wahrscheinlichkeit, entdeckt zu werden, sehr hoch ist. Da hat er Recht; das ist seine Aufgabe. Seine Aufgabe ist die Kontrolle.
Minister Miller will, wie er gesagt hat, seit Ende Mai Hersteller und Verarbeiter schärfer kontrollieren lassen. Was hat er vorher gemacht? Warum besteht plötzlich Handlungsbedarf? Was war da vorher? Was er vorher gemacht hat, kann man im EU-Bericht nachlesen, da steht es, nämlich verdammt wenig.
Eine Konsequenz heißt: Wir wollen keine freiwilligen Vereinbarungen mehr, sondern gesetzliche Verpflichtungen. Das ist eine Lehre, die man aus dem BSE-Skandal ziehen kann. Letzte Woche hat Minister Sinner wieder eine Vereinbarung mit dem Deutschen Verband Tiernahrung angekündigt. Die beiden wollen sich gegenseitig Verstöße melden. Das ist schön. Aber was ist mit der Öffentlichkeit? Wo bleibt bei Verstößen die Aufklärung der Öffentlichkeit? Am 28. Mai erklärte Minister Sinner: „Um solche Pannen wie auch damals im Labor in Westheim mit den BSE-Tests zu vermeiden, starten wir einen Modellversuch. Südfleisch, McDonald‚s und unser Haus werden ihre Kontrollergebnisse künftig austauschen.“ – Wir brauchen keine Modellversuche mehr, sondern gesetzliche Regelungen. Das Motto Sinners könnte sein: Mit Selbstverpflichtung in die nächste Panne.
Wie verträgt sich das mit der Forderung nach Meldepflicht und Information der Öffentlichkeit, die er gleichzeitig aufstellt? Ist das alles nicht ernst gemeint, oder warum macht er so komische Versuche?
Gut, dass wenigstens die Bundesregierung inzwischen gehandelt hat. Gut, dass das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz ergänzt wird. In Zukunft hat jeder Lebensmittelunternehmer die Pflicht, Verstöße gegen geltende Bestimmungen zum Schutz der Gesundheit den Behörden zu melden. Dazu gehört aber aus unserer Sicht auch das Informationsrecht der Verbraucherinnen und Verbraucher. Deswegen fordern wir Sie in unserem Antrag auf, die Bundesregierung in diesen Punkten zu unterstützen. Es wird Zeit, dass Sie das Bremserhäuschen verlassen. Herr Minister Sinner und Herr Minister Miller, es genügt, wenn Sie als einfache Passagiere mitfahren. Als Lokführer sind Sie beide denkbar ungeeignet.