Protocol of the Session on May 15, 2002

Der Vorschlag Münchens lautet, die bisher geleistete Arbeit, die gerade bei der sozialen Betreuung durch die Landeshauptstadt München und die damit verbundenen sozialen Dienste weit über dem bayernweiten Standard liegt, weiterzuführen und die dadurch entstehenden Kosten der zuständigen Stelle in Rechnung zu stellen. Der Änderungsantrag der SPD-Landtagsfraktion, der diese wesentlichen Kritikpunkte aufgenommen hat, wurde von der Mehrheit im Bayerischen Landtag bedauerlicherweise – das sage ich ganz eindringlich – abgelehnt.

Somit tritt die Neuerung, von der Staatsregierung beabsichtigt, wie geplant in Kraft und eröffnet nicht die Möglichkeit, neben der einheitlichen Zuständigkeit auch die einheitlich höheren qualitativen Standards der sozialen Betreuung sicherzustellen.

Dies waren die Gründe, weshalb wir diesen Änderungsantrag gestellt hatten, den die Staatsregierung abgelehnt hat. Aus den genannten Gründen werden wir auch dem Gesetzentwurf nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat Herr Kollege König das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Das zu beschließende Aufnahmegesetz ist in mehrerlei Hinsicht ein gelungener Wurf. Es führt zum Ersten zur Verwaltungsvereinfachung, zum Zweiten zu erheblichen Kosteneinsparungen bei den Bezirken und damit auf allen kommunalen Ebenen und zum Dritten zu mehr Gerechtigkeit, weil zu einheitlichen Regelungen für vergleichbare Fallgruppen.

Wie Sie wissen, Kolleginnen und Kollegen, sind bisher bezüglich der Unterbringung und Versorgung von Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerber-Leistungsgesetz unterschiedliche Zuständigkeiten gegeben. Während für die Asylbewerber und ihre engsten Angehörigen zurzeit der Staat zuständig ist, sind für alle anderen – Bürgerkriegsflüchtlinge, geduldete abgelehnte Asylbewerber, vollziehbar zur Ausreise verpflichtete Personen usw. – die Bezirke zuständig, welche die Aufgaben wiederum auf die Landkreise und die kreisfreien Städte delegiert haben. Im Ergebnis hat dies bisher oftmals zu

einem Zuständigkeitswirrwarr geführt, wenn zum Beispiel bei einer Großfamilie unterschiedliche Zuständigkeiten gegeben waren, und insbesondere zu Zuständigkeitskonflikten zum Zeitpunkt der Asylablehnung, wenn es in die Folgeverfahren ging. All dies wird behoben werden mit dem Wegfall des bisher geltenden Gesetzes ab dem 1. Juli und der Wirksamkeit des zu beschließenden Aufnahmegesetzes. Der Freistaat Bayern wird für alle diese Personenkreise einheitlich zuständig werden für die Regelung der Unterbringung und die soziale Versorgung.

Der Gesetzentwurf, der in verschiedenen Ausschüssen beraten wurde, federführend im Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen, hat eine Änderung erfahren durch einen Änderungsantrag aus den Reihen der CSU-Fraktion, der notwendig war, um für die gesamte Personengruppe zu gewährleisten, dass es in Verteilungs- und Zuweisungsentscheidungen ebenso wie in Anordnungen bezüglich des Wohnsitzes kein Widerspruchsverfahren und auch keine aufschiebende Wirkung im Klagefall gibt.

Wie Frau Kollegin Hirschmann schon sagte, wird der Gesetzentwurf von allen kommunalen Verbänden begrüßt. Das verwundert auch nicht, denn der Gesetzentwurf wird hinsichtlich der Übernahme der Aufgaben und damit auch der Kosten zu einer spürbaren finanziellen Entlastung aller kommunalen Ebenen führen – geschätzt werden rund 70 Millionen Euro pro Jahr. Das ist ein weiterer Beitrag zur finanziellen Entlastung der Kommunen. Schon von daher, Frau Kollegin Hirschmann, ist und bleibt es für uns unverständlich, dass Sie sagen, Sie können dem Gesetzentwurf nicht zustimmen, denn damit verweigern Sie dieser weiteren finanziellen Entlastung der Kommunen Ihre Zustimmung.

Was die einheitliche Unterbringung angeht, die Sie als einen Grund für Ihre Ablehnung des Gesetzentwurfes anführen, darf ich darauf verweisen, Frau Kollegin Hirschmann, dass Artikel 4 des Aufnahmegesetzes zwar in Absatz 1 dem Grunde nach in allen Fällen die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften vorsieht, dass es aber nach Absatz 4 durchaus den Ausnahmefall gibt, der es gestattet, die Unterbringung eben nicht in Gemeinschaftsunterkünften, sondern in Privatunterkünften vorzunehmen.

(Dr. Hahnzog (SPD): Das soll aber die absolute Ausnahme sein!)

Von daher sei es mir erlaubt, lieber Kollege Dr. Hahnzog, darauf hinzuweisen, dass es auch weiterhin möglich sein wird – daran ändern auch Ihre Zwischenrufe nichts –, in einzelnen Fallgruppen, bei Großfamilien, bei Aidskranken usw., eine anderweitige Unterbringung zu gewährleisten. Von daher geht Ihre Behauptung fehl, dass nur noch Gemeinschaftsunterkünfte in Betracht kämen.

Dagegen halten wir den von Ihnen eingebrachten Änderungsantrag – das sei auch noch einmal angefügt – deshalb für ungeeignet, weil er in den meines Erachtens sehr gelungenen Gesetzentwurf eine Vielzahl weiterer unbestimmter Rechtsbegriffe eingefügt hätte, die wiederum erst zu klären wären. Wo werden solche Begriffe

geklärt, liebe Kolleginnen und Kollegen? In aller Regel vor Gericht, und diese überflüssige Verfahren wollen wir doch vermeiden.

Ihr zweiter Grund, den Gesetzentwurf abzulehnen, nämlich Ihr Begehren, es einzelnen kommunalen Gebietskörperschaften, hier der Stadt München, die von Frau Kollegin Hirschmann auch benannt wurde, weiterhin zu ermöglichen, die Zuständigkeit zu behalten, widerspricht natürlich diametral dem eigentlichen Ansinnen und dem Beweggrund des Gesetzes, endlich einheitliche Zuständigkeiten und einfache Verwaltungsstrukturen zu schaffen. Aus unserer Sicht wäre es nachgerade ein Witz, wenn man dieses Bestreben sofort wieder dadurch konterkarieren würde, dass man von vornherein diese Ausnahmeregelung einbaut mit der Zielvorgabe, der einen großen Landeshauptstadt München diese Aufgaben zu belassen. Deshalb haben wir diesen Änderungsantrag abgelehnt.

Im Ergebnis, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir – ich habe es gesagt – einen sehr gelungenen Gesetzentwurf. Es sei auch darauf verwiesen, dass er nur zehn Artikel umfasst und auf eineinhalb Seiten abgedruckt werden kann. Das ist ein kurzes, prägnantes Gesetz, das einen weiten Bereich der Unterbringung und Versorgung von Menschen regelt. Damit dient dieses Gesetz auch den betroffenen Menschen und nicht nur, was zum Beispiel die Kostenentlastung angeht, den Kommunen oder dem Staat insgesamt, der zu einfacheren Verwaltungsregelungen kommt. Das Gesetz ist gemeindefreundlich, es ist bürgerfreundlich, es ist kostensparend. Es soll zum 1. Juli 2002 in Kraft treten, einzelne Regelungen, was die Vorbereitung angeht, bereits einen Monat früher. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Das Wort hat Frau Kollegin Köhler.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wie ich bereits in der Ersten Lesung und auch bei der Ausschussberatung deutlich gemacht habe, ist gegen den Teil des Gesetzes, in dem es um die Kostenübernahme von Leistungen der Kommune für Bürgerkriegsflüchtlinge und für geduldete Ausländer und Ausländerinnen geht, nichts einzuwenden.

(Willi Müller (CSU): Warum lehnen Sie es dann ab?)

Im Gegenteil, Herr Kollege, dieses Gesetz kommt um mindestens neun Jahre zu spät,

(Beifall der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

denn seit dem Asylkompromiss von 1993 sollte eine Regelung in diesem Sinne erfolgen.

(Beifall der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – König (CSU): Warum lehnen Sie das Gesetz dann ab?)

Da sind Sie vor der Kommunalwahl noch schnell aus dem Dornröschenschlaf erwacht.

(Willi Müller (CSU): Dann wirds aber Zeit, dass Sie zustimmen!)

Das ist Punkt eins.

Punkt zwei: Die Bayerische Staatsregierung wäre nicht die Bayerische Staatsregierung, wenn sie eine solche Gesetzesänderung nicht für eine restriktivere Handhabung im Umgang mit Flüchtlingen nützen würde.

(Beifall der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Genau um diese Punkte geht es, wenn wir den Gesetzentwurf ablehnen.

Grundsätzlich, sagen Sie, kommen nun alle Flüchtlinge unter die Fuchtel der staatlichen Behörden. Kommunale Betreuungskonzepte, die sich bewährt haben, die sozialverträglich sind und der besseren Integration dienen, werden gekippt werden, wie wir aus der Diskussion über das Münchner Modell bereits schließen können.

Vor kurzem habe ich die Antwort auf eine schriftliche Anfrage bekommen. Danach liegen jetzt konkrete Zahlen vor, wie groß der Personenkreis sein wird, den dieses Gesetz betrifft. Die Bayerische Staatsregierung schätzt, dass 24500 Personen in Bayern davon betroffen sein werden. Wenn ich Ihre Antwort richtig interpretiere, leben derzeit zirka 18500 Personen außerhalb staatlicher Unterkünfte, und diese sollen künftig ausschließlich in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden.

Das wird sicherlich mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden sein, und ich kann mir nicht vorstellen, Herr Kollege König, dass es hier nicht auch eines erheblichen Verwaltungsaufwandes bedarf.

Viel schwerer wiegt aber, dass die staatliche Übernahme mit Restriktionen verbunden sein wird, dass gewachsene Betreuungsstrukturen und Integrationsbemühungen durch örtliche Initiativen, durch Kommunen zunichte gemacht werden. In ihrer Antwort auf meine Anfrage schreibt die Staatsregierung, dass es eine kurzfristige Rückverlegung schon aus Kapazitätsgründen nicht geben wird. Daran kann man schon erkennen, welche Probleme sich gerade in Ballungsräumen durch das Gesetz ergeben werden.

Langfristig ist zu befürchten, dass Sie mit diesem Gesetz eine stärkere Kasernierung und Desintegration der Flüchtlinge zum Ziel haben, und dies, meine Damen und Herren, kostet zu allem Übel auch noch wesentlich mehr Geld; denn aus der Antwort auf meine Anfrage ergibt sich schon, dass diejenigen, die außerhalb der Gemeinschaftsunterkünfte untergebracht sind, sich bereits selbst versorgen, sprich: nicht von staatlichen Leistungen abhängig sind, in der Überzahl sind.

In der Antwort heißt es dazu: „Von 2900 Asylbewerber und Asylbewerberinnen, die außerhalb von Gemein

schaftsunterkünften untergebracht sind, bestreiten 2191 ihren Lebensunterhalt selbst. Nur 709 beziehen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.“ Diese Zahl macht doch deutlich, dass die dezentrale Unterbringung Kosten spart und deshalb zu fördern ist, da sie den Menschen eine Selbstversorgung ermöglicht, sie zu integrieren hilft und von staatlichen Leistungen unabhängig macht.

Geht es nach Ihrem Gesetz, dann sollen künftig diejenigen Flüchtlinge, die ihrer so genannten Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten nicht nachkommen, überhaupt keine Chance mehr erhalten, außerhalb von Gemeinschaftsunterkünften untergebracht zu werden. Dies ist ja auch im Gesetzgebungsverfahren jetzt noch einmal massiv verschärft worden.

Das bayerische Innenministerium schätzt diese Zahl aber auf 85 bis 90% der Ausreisepflichtigen, also zum Beispiel der Geduldeten, und bei bestimmten Herkunftsländern geht das Innenministerium generell von einer fehlenden Mitwirkungsbereitschaft bei der Passbeschaffung aus. Hier werden die Flüchtlinge in Sippenhaft genommen. Wer beispielsweise aus dem Irak kommt, gilt danach generell als jemand, der bei der Passbeschaffung nicht mitwirkt; er gehört damit zu denjenigen, die in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht werden und nie mehr eine Chance haben, da herauszukommen.

Ich frage mich sowieso, wie sich das bayerische Innenministerium insgesamt diese Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten vorstellt. Nehmen wir an, ein Togolese, der vor dem Eyadema-Regime geflohen ist, bekommt aufgrund der Drittstaatenregelung kein Asyl und ist auch nicht über die Genfer Konvention geschützt. Dessen Verfahren also wird abgelehnt. Die Staatsregierung stellt sich danach vor, dass dieser Mensch dann zur togolesischen Botschaft geht und sagt: Ja, ich bin zwar gegen euer Regime, habe in Deutschland einen Asylantrag gestellt, der ist aber abgelehnt worden; bitte, gebt mir Heimreisepapiere! – Das macht kein Mensch, der politisch verfolgt ist! Und die ganzen Botschaftsvorführungen, die wir hier in Bayern diesbezüglich haben, sind ja fast vollkommen erfolglos, denn derjenige, der vor einem Regime geflohen ist, geht nicht dorthin zurück, sondern sucht sich dann ein anderes Aufnahmeland.

Also: Diese fehlende Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung von Heimreisepapieren ist ein willkürliches Instrument der bayerischen Behörden. Man benutzt es dann dafür, bestimmte Flüchtlingsgruppen unter Druck zu setzen.

Es gibt, meine Damen und Herren, für mich einen ganz klaren Zusammenhang zwischen diesem Gesetz und den vom Innenministerium geplanten „Abschiebeknästen“ in Bayern. Dieses Gesetz regelt die Unterbringung von Flüchtlingen restriktiver, zentralistischer und wird sich damit desintegrierend auf diese Flüchtlingsgruppe auswirken. Damit schafft dieses Gesetz die organisatorischen Voraussetzungen für die im bayerischen Innenministerium geplanten Ausreisezentren. So einem Gesetz,

meine Damen und Herren, auch wenn es einen guten Teil enthält, können wir beim besten Willen nicht zustimmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Frau Werner-Muggendorfer (SPD))

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Frau Staatsministerin Stewens.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute steht zur abschließenden Beratung der Entwurf eines Gesetzes über die Aufnahme und Unterbringung der Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, kurz Aufnahmegesetz, an. Dabei muss ich eingangs gleich sagen, dass vieles von dem, was Sie, Frau Kollegin Köhler, angemahnt haben bzw. in der Diskussion vorgetragen worden ist, gar nicht Gegenstand der Regelungen dieses Gesetzes ist.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Elisabeth Köhler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Nach diesem Aufnahmegesetz übernimmt der Staat alle nach dem Asylbewerberleistungsgesetz leistungsberechtigten Personen in seine Ausgaben- und Aufgabenzuständigkeit. Bislang war der Staat nur für die Asylbewerber im laufenden Verfahren zuständig, während die Zuständigkeit für die Unterbringung und die soziale Versorgung der Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge, der geduldeten und ausreisepflichtigen Personen sowie abgelehnten Asylbewerber bei den Bezirken lag. Diese haben dann die Aufgabe vollständig auf die Landkreise und kreisfreien Städte delegiert.

Es ist nun das Bestreben der Staatsregierung, die kommunale Ebene von dieser finanziellen Belastung zu befreien und gleichzeitig zu einer Verwaltungsvereinfachung beizutragen. In Zeiten, meine Kolleginnen und Kollegen, in denen die Finanzmisere der Kommunen aufgrund der Politik der Bundesregierung immer mehr zunimmt, will die Staatsregierung damit die Leistungskraft unserer Kommunen stärken und auch deren finanzielle Spielräume erweitern, die finanziellen Spielräume der Kommunen nämlich für neue Investitionen.

Die Kosten, die durch diese Rechtsänderung auf den Staatshaushalt zukommen, betragen in diesem Jahr 35 Millionen Euro und ab dem nächsten Jahr 70 Millionen Euro. Ab dem Jahr 2003 also werden die Kommunen um 70 Millionen Euro entlastet.