Protocol of the Session on May 15, 2002

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass wir zum vergangenen Mittwoch die Vertreter des Bauernverbandes, der bayerischen privaten Milchwirtschaft und des Genossenschaftsverbandes zu einem Gespräch eingeladen hatten. Dort ist es in einer zweistündigen sehr sachlichen Diskussion gelungen, eine gemeinsame Erklärung mit folgenden wesentlichen Inhalten zu verabschieden:

Erstens. Sicherung des Milchstandortes Bayern im Interesse des Fortbestandes einer bäuerlichen Landwirtschaft und einer leistungsfähigen Molkereiwirtschaft.

Zweitens. Vollständige Ausschöpfung des zur Verfügung stehenden Marktordnungsinstrumentariums. Ich habe das schon angesprochen.

Drittens. Milchmarktmengenregelungen sind so auszugestalten, dass sie ihrer marktstabilisierenden Wirkung gerecht werden.

Darauf kommt es an. Es geht um ein klares Bekenntnis der Bundesregierung zur Garantiemengenregelung, zu den Forderungen nach einem verantwortungsvollen Handeln des Lebensmittelhandels und zur Aufgabe der Preisdruckpolitik zulasten der Bauern.

Ich freue mich, dass alle Fraktionen diesem Antrag zustimmen werden. Ich freue mich auch, wenn all das, was hier gefordert wird, auf anderen Ebenen durchgesetzt wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Minister. Die Aussprache ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 14/9444 in der vom Kollegen Zengerle vorgetragenen geänderten Fassung seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Frau Kollegin Grabmair. Gibt es Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Auch nicht. Somit ist dieser Antrag angenommen.

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Maget, Dr. Heinz Köhler, Wörner und Fraktion (SPD)

Gesetz zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen und zur Einrichtung eines Registers über unzuverlässige Unternehmen (Drucksache 14/9445)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Dinglreiter, Traublinger und Fraktion (CSU)

Öffnungsklausel für landesrechtliche Tariftreueregelungen (Drucksache 14/9458)

Ich eröffne dazu die gemeinsame Aussprache. Das Wort hat der Herr Kollege Wörner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man ist vor keiner Überraschung sicher, schon gar nicht, wenn irgendwo Wahlkampf ist, an dem ein gewisser Herr Stoiber beteiligt ist. Bis vor kurzem noch gingen wir davon aus, dass das Tariftreuegesetz so verabschiedet wird, wie es im Bundestag beschlossen wurde. Es wurde in den Bundesrat eingebracht und selbst dort hat Europaminister Bocklet noch gesagt: „Hintergrund für die in Bayern angestrebte Lösung der Tariftreuefrage ist eine Vereinbarung im Beschäftigungspakt Bayern.“

Und nun soll dies alles nicht mehr gelten, weil es offensichtlich nicht in die Wahlkampfstrategie des Herrn Kandidaten passt. Der Herr Kandidat schielt nach Osten. Bisher hat er immer darüber geklagt, dass die Menschen dort zu viel Geld bekämen. Jetzt muss er dort Boden gutmachen. Er glaubt, beim Tariftreuegesetz diesen Boden gutmachen zu können, und irrt dabei. Er irrt nämlich deshalb, weil es den neuen Bundesländern gar nichts nutzt, wenn das Tariftreuegesetz dort anders sein soll als bei uns, weil aus dem ferneren Osten, sprich aus Polen und anderen Ländern, gerade im öffentlichen Nahverkehr und dem Bausektor der Druck enorm ist, wie Sie alle wissen.

Meine Damen und Herren, wir haben deshalb einen Dringlichkeitsantrag gestellt, um die Bayerische Staatsregierung aufzufordern, dem Tariftreuegesetz zuzustimmen und ein Register über unzuverlässige Unternehmen einzurichten. Wir begründen das damit, dass wir glauben, dass der Wettbewerb im öffentlichen Nahverkehr zu Verwerfungen geführt hat, die nicht mehr hinnehmbar sind – weder für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch für den Mittelstand.

(Hoderlein (SPD): Richtig!)

Mich wundert, dass der mittelständische Sprecher der CSU nicht aufschreit, wenn sein Ministerpräsident beim Tariftreuegesetz nicht mehr mitspielen will, denn es ist doch gerade der Mittelstand, der darunter leidet, wenn am Lohn gedreht und immer weiter nach unten gedrückt wird.

Die Kleinen bleiben dabei auf der Strecke, meine Damen und Herren, nicht nur die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auch die kleinen Unternehmer, die in der Regel tariftreu sind. Es geht ja um die schwarzen Schafe. Es wundert mich wirklich, warum Herr Stoiber

jetzt dagegen spricht, diese schwarzen Schafe einzugrenzen, diesen schwarzen Schafen Grenzen zu zeigen.

Wenn ich Ihren Dringlichkeitsantrag lese, in dem Sie erklären, Sie wollten das eigentlich auch, aber Sie wollten eine Öffnungsklausel für Bayern, frage ich: Warum denn? Das, was in Bayern bisher existiert hat, war doch Papier, unkontrolliertes Papier ohne jede Möglichkeit zuzuschlagen, wenn sich jemand nicht daran hält. Selbst Vertreter der Landkreise um München haben sich nicht um diese Regelung, die aus dem Wirtschaftsministerium stammt, geschert, sondern haben in der Regel die genommen, die am billigsten waren. Das geht heute im öffentlichen Nahverkehr bei einem Lohnkostendruck von 80% nur dadurch, dass man die Löhne drückt.

Jeder hat gewusst, dass er dann, wenn er diesen Wettbewerb einführt, Schutzzäune errichten muss, um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schützen. Jetzt wollen wir dies im Bund tun und plötzlich fällt der Herr Ministerpräsident um.

Das Tariftreuegesetz schützt ja auch das soziale Netz. Wir wissen doch alle, was es bedeutet, wenn die Löhne nach unten gehen. Das bedeutet Mindereinnahmen in den sozialen Systemen und damit eine Schwächung der sozialen Systeme. Schon aus diesem Grunde kann es doch nicht sein, dass wir da sehenden Auges ins Dilemma laufen. Das führt doch dazu, dass langfristig die Löhne so weit unten sind – das haben wir ja schon zum Teil heute –, dass die Unternehmen keine Beschäftigten mehr bekommen. Die Beschäftigten, die sie bekommen, müssten dann, um sich das Leben leisten zu können, Überstunden ohne Ende machen.

Es kann doch hier niemand sitzen, der sehenden Auges in das Unglück der Unsicherheit im öffentlichen Nahverkehr läuft. Wir wollen doch keine englischen Verhältnisse. Wir wollen nicht, dass sich Menschen, die fahren müssen, ihr Leben nur noch mit Überstunden leisten können und deshalb unausgeschlafen, unsicher Fahrzeuge bewegen. Das kann doch nicht das Ziel des Wettbewerbs gerade im öffentlichen Nahverkehr sein. Wir wollen das verhindern und dazu bedarf es des Tariftreuegesetzes, um sicherzustellen, dass die vor Ort von der ansässigen Gewerkschaft ausgehandelten Tarifverträge eingehalten werden.

Kolleginnen und Kollegen, man muss sich einmal eines vorstellen: Tarife sollten in der Regel eingehalten werden. Das war bisher eine Spielregel dieser sozialen Marktwirtschaft. Diese Spielregel wird zunehmend ausgehebelt. Wir sehen dabei zu und so mancher reibt sich sogar noch die Hände und sagt: Passt schon!

Wir machen aber in Wirklichkeit eines: Wir machen eine unsichere Welt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf und wundern uns dann darüber, wenn sie so manchem von denen nachlaufen, über die wir alle unglücklich sind.

Dem Herrn Ministerpräsidenten muss man ins Stammbuch schreiben: Wenn er dieses Tariftreuegesetz nicht unterschreibt, wenn Bayern diesem Gesetz nicht zustimmt, betreibt er damit langfristig betrachtet nichts

anderes als einen Keil in die Arbeitnehmerschaft zu treiben, einen Keil zwischen Inländern und Ausländern, weil sich nämlich die Arbeitsplatz- und die Konkurrenzsituation entscheidend verschärfen wird.

Das ist dann das „Biotop“ für den rechten braunen Sumpf.

(Neumeier (CSU): So ein Schwachsinn!)

Wenn das der Herr Ministerpräsident will, dann soll er es sagen. Das ist nämlich nichts anderes als eine entstehende Konkurrenzsituation zwischen Ostländern, slawischen Ländern und den einheimischen. Wer das zulässt, schürt damit Unruhe und stärkt eine rechte Szene, die wir, denke ich, alle nicht haben wollen.

(Beifall der Frau Abgeordneten Radermacher (SPD))

Meine liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Wahlkampfopfer, das offensichtlich nach Osten gebracht werden soll, das denen aber nichts nutzt, ist falsch. Auf dem Altar des Wahlkampfs wird soziale Sicherheit geopfert.

(Widerspruch von der CSU)

Ich meine, dem kann man nicht zustimmen. Wir sollten dafür sorgen, dass eine zuverlässige Politik nicht von Wahlkampfgetöse geprägt ist, sondern im Arbeitnehmerlager dafür sorgt, dass Politik glaubwürdig ist. Wir können uns doch nicht hinstellen – wir können es mit ruhigem Gewissen –, aber Sie können es doch nicht erklären, warum Sie 2000 ein Tariftreuegesetz fordern, dieses im bayerischen Kabinett beschließen, und mitten im Wahlkampf machen Sie eine Kehrtwendung und sagen: Aber nicht so, sondern ein bisschen anders hätten wir es gern. Es ist doch verräterisch, dass Sie eine Öffnungsklausel für die Länder wollen. Was wollen Sie denn damit? Verbesserungen? Das glaubt Ihnen doch kein Mensch. Was Sie wollen, ist eine Öffnungsklausel, damit Sie wieder Ihre Sonderregeln machen können, damit man wieder so manche schützen kann.

(Widerspruch von der CSU)

Oder sollte es unter Umständen so sein, dass Sie das Register unzuverlässiger Unternehmen nicht wollen? Das könnte auch sein. Man muss ja überlegen, warum Sie Nein sagen. Wir wissen es noch nicht. Aber es wäre schon interessant zu klären, woran es tatsächlich scheitert. Die Ostländer können es eigentlich nicht sein, wenn man es logisch betrachtet. Aber was ist bei Ihnen schon logisch? Also kann es eigentlich nur der Schutz der Unternehmen sein, die bisher nicht so ganz sauber arbeiten. Sie sollen nicht auf Listen wandern und von künftigen Aufträgen ausgeschlossen sein. Anders kann man es nicht erklären.

Meine Damen und Herren, wer „Wettbewerb“ sagt, muss den Arbeitnehmer aber auch vor dem Ruin schützen. Wir haben bereits Lohnsenkungen um über 30%. Hier versagt im Übrigen wie immer die bayerische Gewerbeaufsicht. Frau Minister, Sie wären da gefordert. Sie müssten das tun, was für Sie richtig und wichtig wäre, nämlich

Ihre Gewerbeaufsichtsbeamten nach draußen schicken und nicht nur Tachoscheiben anschauen lassen, sondern die Lohnzettel in den Lohnbüros, wie viele Stunden diese Menschen arbeiten, um sich das Leben in diesem Land noch leisten zu können. Da versagen Sie. Gott sei Dank haben wir aber einen Innenminister, den Schily, der jetzt den Zoll darauf angesetzt hat, weil das Gewerbeaufsichtsamt, speziell in Bayern, dazu offensichtlich nicht in der Lage ist. Das können wir Ihnen auch nachweisen. Da werden sogar noch Rabatte gegeben, wenn man einen erwischt – zwar nicht in Ihrer Zeit, sondern vorher, aber immerhin ist das bayerische Praxis, das ist leicht nachzuweisen.

Meine Damen und Herren, die Pflicht zur Tariftreue ist ein Bestandteil der bestehenden sozialen Marktwirtschaft. Wer sich einem solchen Gesetz verweigert, der verweigert sich der sozialen Marktwirtschaft – und ich dachte immer, diese sei unstrittig. Es kann natürlich sein, dass es auch hier einen Wertewandel in der CSU gibt, dass man sagt: Marktwirtschaft ja, aber sozial braucht sie nicht sein.

(Neumeier (CSU): Also, Herr Wörner!)

Wenn Sie das wollen, müssen Sie es sagen, dann können wir darüber diskutieren. Wenn dieses Thema nicht so ernst wäre, meine Damen und Herren, wäre ich gern bereit, darüber mit Ihnen zu diskutieren, ob der Herr Ministerpräsident den Arbeitnehmern gegenüber nicht endlich sein wahres Gesicht im Wahlkampf zeigen sollte, nämlich das Gesicht, dass er gegen Arbeitnehmer ist, dass er ihre Sicherungssysteme abbauen will.

(Kreuzer (CSU): Das ist ja unerträglich!)

Er stimmt dem Tariftreuegesetz nicht zu, offensichtlich um weiterhin Lohndumping betreiben zu können

(Beifall der Frau Abgeordneten Werner-Muggendor- fer (SPD))

oder um die Unternehmen, die die Löhne unterschreiten, schützen zu können, damit sie nicht auf schwarze Listen kommen. Anders kann man dieses Verfahren nicht erklären.

Noch einmal: 2000 fordern Sie es selber, 2001 fordern Sie es immer noch, 2002 im Februar sagt Bocklet: Es ist richtig und es muss gemacht werden. Einige Tage später aber gibt es eine Kehrtwendung und man erklärt: Das ist alles Schmarrn, das machen wir jetzt so nicht. Jetzt schiebt die CSU einen Antrag nach: Ja, eigentlich schon, aber wir müssen Öffnungsklauseln haben. Meine Damen und Herren, diese Öffnungsklauseln sind meiner Meinung nach unzulässig. Das Gesetz ist völlig in Ordnung so, wie es ist, und ich bitte, darüber im Bundesrat so abzustimmen im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wenn Sie das nicht tun, werden wir den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, aber auch dem Mittelstand, Herr Dinglreiter, sagen, was sie damit anrichten. Das verspreche ich Ihnen. Sie ruinieren diese Unternehmen. Sie ruinieren den Mittelstand, den Omnibusmittelstand, den Sie angeblich pflegen wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ach (CSU): Lachhaft!)

Nächster Redner ist Herr Kollege Dinglreiter. Bitte schön.