Protocol of the Session on April 19, 2002

Ja, so war das in den letzten Tagen. Mit jedem misslungenen Auftritt auf Bundesebene wird das immer schlimmer, und es wachsen die Zweifel in der Union, ob man wirklich den richtigen Kandidaten auf das Schild gehoben hat.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abgeordneten Christ (CSU))

Immerhin stellen wir heute eine Gemeinsamkeit fest: Sie haben einige Vorhaben für die bayerische Landespolitik aufgezählt, die Sie in den nächsten Monaten und Jahren verwirklichen wollen; Sie gehen mittlerweile also selbst davon aus, dass Sie bis zum Herbst 2003 bayerischer Ministerpräsident bleiben werden. Das ist eine Einschätzung, die wir uneingeschränkt teilen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Diese Erkenntnis spricht im Übrigen auch für den Realitätssinn Ihrer Berater, die Ihnen neuerdings von einem TV-Duell mit Bundeskanzler Schröder abraten, das Sie anfangs so vollmundig eingefordert haben.

(Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Gantzer (SPD))

Früher hätten Sie am liebsten wöchentlich TV-Duelle ausgetragen, jetzt doch lieber gar keines mehr. Auch das spricht für einen gestiegenen Realitätssinn.

(Beifall bei der SPD)

Mit jeder Woche, die vergeht, wird klarer, dass Sie bei den von Ihnen erhobenen Forderungen immer neue Kapriolen schlagen nach dem Motto: einerseits und andererseits und irgendwie und sowieso.

Wo ist denn Ihre formidable Unterschriftensammlung, Herr Goppel, mit der Sie die Abschaffung der Ökosteuer fordern? – Wo sind denn die Unterschriften, die Sie angeblich zu Tausenden gesammelt haben? – Sie haben die Menschen getäuscht und angelogen.

(Beifall bei der SPD – Lebhafter Widerspruch des Abgeordneten Dr. Goppel (CSU))

Sie haben den Menschen in Bayern gesagt, Sie würden die Ökosteuer wieder abschaffen. Dafür haben Sie die Unterschriften gesammelt.

(Lebhafter Widerspruch des Abgeordneten Dr. Gop- pel (CSU))

Jetzt hätten Sie die Chance, dass Ihr Kandidat das wahrmacht. Er rückt von dieser Forderung mittlerweile aber selbst ab, weil er genau weiß, dass das Unsinn ist.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abgeordneten Dr. Goppel (CSU))

Herr Goppel, dann bringen Sie die Unterschriftensammlung bei und erneuern Sie Ihre Forderung; dann wissen wir wenigstens, woran wir sind.

(Beifall bei der SPD)

Bei der Atompolitik ist es das Gleiche. Natürlich ist es leicht, sich über Temelin zu erregen. Wir teilen die Einschätzung, dass es unverantwortlich ist, dieses Kernkraftwerk in der Tschechischen Republik in Betrieb zu nehmen.

(Zuruf des Abgeordneten Christ (CSU))

Die Frage ist: Wie glaubwürdig ist Ihr Protest gegen Temelin? – Die CSU ist die letzte Partei in Deutschland, die die Atomenergie weiterhin befürwortet.

So ist es! – Beifall bei der SPD – Kaul (CSU): Der Ansprechpartner ist der Bund, Sie haben nicht den Mut, das Trittin zu fragen! Wie die letzten Mohikaner setzen Sie noch auf die Atomenergie. Sogar die Atomwirtschaft ist Ihnen von Bord gegangen. (Beifall bei der SPD)

Ihnen wird es damit wie mit Wackersdorf gehen. Sie werden diese Forderungen noch aufrecht erhalten in Zeiten, in denen die Industrie schon längst in der Wirklichkeit angelangt ist. Das ist eine Politik von gestern und von vorgestern.

Herr Ministerpräsident, Sie haben die Bedrohung Europas und die Sicherheitslage angesprochen. Natürlich sind die Zeiten schwieriger geworden, ist der internationale Terrorismus eine bedrohliche Herausforderung für unser Land. Natürlich machen in diesem Zusammenhang Kernkraftwerke den Menschen Angst. Jeder stellt sich vor, was passieren könnte, wenn ein Flugzeug den Schutzmantel eines Kernkraftwerkes durchschlägt.

In diesem Zusammenhang ist die Sorge gewachsen. Mit dem Festhalten an der Kernenergie ist keine vernünftige Energie- und Zukunftspolitik mehr zu machen ist.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Kaul (CSU): Wo ist Ihre Alternative, Herr Kollege, erzählen Sie das mal!)

Deswegen sind wir in dieser Frage auf dem richtigen Weg, und Sie sind es nicht.

Bei der Steuerreform gehen Ihre Kapriolen weiter. Ich habe, ehrlich gesagt, immer noch nicht verstanden, ob Sie die Steuern senken wollen oder nicht.

Sie haben ebenso beklagt, dass die Kommunen Milliarden an Einnahmenverlusten zu beklagen haben. Mit Recht, das ist so.

(Dr. Bernhard (CSU): Was heißt „mit Recht“? Sie sind verantwortlich!)

Lassen Sie mich ausreden, vielleicht sind wir einer Meinung. Die Kommunen klagen mit Recht über Steuerausfälle. Die Kommunen stehen finanziell teilweise mit dem Rücken zur Wand. Das ist aber auch darauf zurückzuführen, dass man Steuern gesenkt hat. Das wollten wir auch, und dazu stehen wir auch. Wenn es den Kommunen in Bayern schlecht geht, dann ist das aber nicht die Schuld der Bundesregierung, sondern es liegt an der ungerechten Verteilung der Gelder hier im Freistaat Bayern. Das ist der Grund, von dem Sie ablenken wollen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von Abgeordneten der CSU)

Es gibt doch kein Land in Deutschland, in dem die Verteilung der Steuermittel zwischen den Kommunen und dem Land so ungerecht zu Lasten der Kommunen ausfällt wie hier in Bayern.

(Beifall bei der SPD – Güller (SPD): Kein anderes Bundesland behandelt seine Kommunen so schlecht! – Unruhe bei der CSU)

Beim Familiengeld geht es so weiter. Sie laufen mit Spendierhosen herum, benutzen gutklingende Formulierungen, die Ihnen aber keiner glaubt, denn Sie können nicht belegen, wie Sie das Familiengeld finanzieren wollen. Ihre Sozialministerin, Frau Stewens – leider ist sie im Moment nicht anwesend –, gibt auf die Frage, wie man Ihre formidablen Erziehungs- und Familiengelder finanzieren könnte, eine wunderbare Antwort. Sie sagt: Finanzierungsvorschläge zu machen, ist nicht die Aufgabe der Opposition. Wunderbar!

(Heiterkeit bei der SPD)

Wenn wir das so machen würden, Herr Kollege Glück, würde uns aber etwas passieren.

(Glück (CSU): Das ist eure Politik!)

Gerade bei der Familienförderung, meine Damen und Herren, die der Ministerpräsdent heute in den Mittelpunkt seiner Regierungserklärung gestellt hat, spekulieren Sie auf das kurze Gedächtnis der Menschen.

(Glück (CSU): Wir nicht, aber Sie!)

Sie hoffen, dass man vergessen hat, dass es Ihre Regierung war, die für ihre familienfeindliche Politik vom Bundesverfassungsgericht verurteilt worden ist. Sie waren das!

(Beifall bei der SPD)

Sie haben in diesem Land 16 Jahre lang eine familienfeindliche Politik gemacht, für die Sie am Ende vom Bundesverfassungsgericht verurteilt worden sind. Das ist die Wahrheit. Das ist erst drei Jahre her, und wir werden Ihnen das nicht durchgehen lassen. Wir werden die Wählerinnen und Wähler daran erinnern.

Die Menschen in Deutschland und in Bayern haben Gott sei Dank auch noch nicht vergessen, zu Zeiten welcher Regierung es in Deutschland die meisten Arbeitslosen,

die höchsten Schulden und die höchsten Steuer- und Abgabenbelastungen in der Geschichte gab. Das war zu Ihrer Regierungszeit und nicht zu unserer.

(Beifall bei der SPD)

Ich will auch das Thema Landwirtschaft kurz streifen; denn auch dort spekulieren Sie auf die Vergesslichkeit der Menschen und der Landwirte. Nicht Frau Künast ist das Problem der Bauern, sondern Herr Miller. Herr Miller ist das Problem der Bauern in Bayern.

(Glück (CSU): Das sehen die Bauern aber ganz anders!)

Was Sie bei BSE und den schlimmen Machenschaften in der Schweinemast angerichtet haben, das hat einen Flurschaden in der bayerischen Landwirtschaft bewirkt. Den haben Sie zu verantworten und niemand sonst.

(Beifall bei der SPD)

Am Sonntag sind in Sachsen-Anhalt Landtagswahlen. Auch darüber werden wir kurz sprechen müssen, weil der Ministerpräsident auch dieses Thema angesprochen hat. Ich hätte gern mehr darüber gehört; denn früher hatten Sie, Herr Ministerpräsident, doch auch gute Vorschläge für die Menschen in Ostdeutschland parat. Ich erinnere an die Klage Bayerns und Baden-Württembergs gegen den Risikostrukturausgleich der Krankenkassen, der eine Politik der Entsolidarisierung mit den neuen Bundesländern bedeutet hätte.

(Beifall bei der SPD)