Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Nach zwei Jahren Arbeit legt die Enquete-Kommission, die auf eine Initiative der SPD eingesetzt wurde, heute ihren Schlussbericht vor. Ein glücklicher Umstand will es, dass dieser Bericht zu einem Zeitpunkt vorgelegt wird, an dem kein politisch Verantwortlicher in Deutschland mehr bestreitet, dass ein radikaler Umbau unserer föderalen Staatsordnung unumgänglich ist.
Gerade die Diskussion um den so genannten nationalen Stabilitätspakt, mit dem sichergestellt werden soll, dass Deutschland dauerhaft die Verschuldungsobergrenze des Maastricht-Vertrages nicht überschreitet, macht dies offenkundig. Wie das Ensemble eines Tournee-Theaters ziehen seit Wochen Finanzpolitiker des Bundes, der Länder und der Kommunen durch politische Talkshows, um ebenso wortreich wie für den einzelnen Bürger unverständlich zu erklären, dass dieser Stabilitätspakt selbstverständlich notwendig, seine Einhaltung gleichwohl nicht möglich ist.
Dies sei so, weil der jeweils andere, also der Bund, das Land oder die Kommunen, seiner Verpflichtung und seiner Verantwortung nicht gerecht werde. Der Bund wirft den Ländern ihre vergleichsweise höhere Verschuldung vor; die Länder entgegnen, der Bund spare auf ihre Kosten. Die Kommunen schließlich fühlen sich von Bund und Ländern gleichermaßen zu denjenigen degradiert, die am Schluss die Hunde beißen.
Für die Bürgerinnen und Bürger bleibt der Eindruck des ausgestreckten Zeigefingers auf den jeweils anderen, mit dem die verschiedenen Ebenen entrüstet jede Schuld von sich weisen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte diese Debatte hier nicht vertiefen. Sie macht aber beispielhaft deutlich, dass zwischen dem Bund, den Ländern und Kommunen ein Kompetenzwirrwarr entstanden ist, der allen Postulaten von Subsidiarität und Transparenz Hohn spricht.
Den Bürgerinnen und Bürgern wie auch den von ihnen gewählten Volksvertretungen ist es nicht mehr möglich, ihre verfassungsmäßige Wahl– und Kontrollfunktion auszuüben. Die undurchsichtigen Entscheidungsprozesse innerhalb der verschiedenen Organe der Europäischen Union tun ein Übriges, um das eiserne Prinzip jeder demokratischen Ordnung außer Kraft zu setzen, wonach die Bürgerinnen und Bürger ein Recht darauf haben zu wissen, wem sie durch den Wahlakt welche Kompetenz und damit welche Verantwortung auf Zeit übertragen haben. Hinsichtlich der Kompetenzverteilung zwischen dem Europäischen Parlament, dem Europäischen Rat und der Kommission einerseits und der Aufgabenab
grenzung zwischen Brüssel und den Nationalstaaten andererseits hoffe ich, dass der Konvent zur Reform der Europäischen Union hierzu Vorschläge unterbreiten wird. Eine Aufgabe auch dieses Parlaments wird es sein, über schriftliche Berichte zu diskutieren und der Staatsregierung und unseren Mitgliedern im Konvent Fingerzeige mit auf den Weg zu geben.
Wir halten es für unverzichtbar, dass neben dem Konvent auch die Zuständigkeiten zwischen dem Bund und den Ländern, zwischen den Ländern und Europa und schließlich auch zwischen den Ländern und den kommunalen Gebietskörperschaften neu geordnet werden.
Lassen Sie mich hierzu einige grundsätzliche Bemerkungen machen: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass nach den Vorstellungen vieler Regierungen der EU-Mitgliedstaaten der Nationalstaat bei der europäischen Integration wieder eine sehr viel stärkere Rolle spielen soll, als man sich das vor allem in Deutschland noch vor etwa zehn Jahren vorgestellt hat. Ich erinnere zum Beispiel an die Forderung von Max Streibl nach einem „Europa der Regionen“. Damals konnten wir uns durchaus mit der Idee anfreunden, dass die Nationalstaaten schrittweise in einem europäischen Staatenverbund, wie die EU im Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts genannt wurde, aufgehen könnten und den europäischen Regionen im Zuge dieses Prozesses eine zentrale Funktion zukommen würde. Über den Segensreichtum des jetzt wieder betont nationalistischen Denkens kann man gerade aus bayerischer Sicht höchst unterschiedlicher Meinung sein.
Bemerkenswerterweise war es Ministerpräsident Dr. Stoiber, der im Herbst 1993 Streibls Begriff vom „Europa der Regionen“ durch den Zusatz „und Nationen“ die föderale Priorität ausgetrieben hat. Ich glaube, damit hat er unserer Sache, nämlich der Stärkung des Föderalismus, keinen guten Dienst erwiesen.
Von den verschiedenen Bundesregierungen wurde und wird immer wieder darauf verwiesen, dass Deutschland seine föderale Struktur nicht den anderen Mitgliedstaaten überstülpen könne. Das ist richtig. Das können und wollen wir nicht. Wir wollen aber ebenso wenig, dass die föderalen Strukturen Deutschlands durch eine Uminterpretation des Föderalismus-Begriffes unter tätiger und parteiübergreifender Mithilfe von Berlin auf dem europäischen Altar geopfert werden.
In der Rede des Privatmanns Joschka Fischer vom 12. Mai 2000, die er in der Berliner Humboldt-Universität gehalten hat, kommen die Regionen bzw. die Länder nur noch an einer Stelle und in einem äußerst befremdlichen Kontext vor. Ich zitiere:
Die Nationalstaaten werden fortexistieren und auf europäischer Ebene eine wesentlich stärkere Rolle erhalten, als dies die Bundesländer in Deutschland tun. Das Prinzip der Subsidiarität wird in einer solchen Föderation künftig Verfassungsrang haben.
Im Klartext bedeutet dies, dass der deutsche Föderalismus mit deutschem Verfassungsrang hinter einem Föderalismus der europäischen Nationalstaaten mit europäischem Verfassungsrang zurückzutreten habe. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dies ist für uns nicht akzeptabel. Die Betonung des besonderen Wertes des Nationalstaates wird von Herrn Fischer und anderen, zum Beispiel Wolfgang Schäuble, stets damit begründet, dass nur der Nationalstaat die notwendige politische und intellektuelle Identifikation schaffe, in der sich das europäische Bewusstsein entwickeln könne und die europäische Integration von den Bürgerinnen und Bürgern akzeptiert würde. Verkürzt ausgedrückt: Je mehr der deutsche Nationalstaat gestärkt wird, desto bessere Europäer sind die Deutschen. Ein solches Denken mag aus der Sicht von Nationalstaaten, die in Jahrhunderten gewachsen sind, seine Berechtigung haben. Auf Deutschland trifft dies jedoch nicht zu. Deutschland ist kein Nationalstaat wie Großbritannien, Frankreich oder Spanien.
Niemand wird ernsthaft behaupten wollen, dass das Heilige Römische Reich deutscher Nation ein identitätsstiftendes Gebilde war. Dies wird auch niemand vom Deutschen Bund oder von den Zollvereinen behaupten wollen. Das Bismarcksche Reich ist gottlob daran zugrunde gegangen, dass es einerseits zu klein war, um Europa zu beherrschen und andererseits zu groß, als dass sich seine Nachbarn nicht vor ihm fürchten mussten. Sebastian Haffner hat in seinen historischen Interpretationen über dieses Reich geschrieben: „Es war kein Segen daran.“ Die Weimarer Republik scheiterte vor allem daran, dass es zu wenig Demokraten gab, die sich mit ihr identifizierten. Von der identitätsstiftenden Wirkung der Zeit nach der Weimarer Republik bis 1945 ganz zu schweigen.
Viele haben vergessen, dass nach dem Krieg zunächst wieder die von Hitler zerschlagenen Länder entstanden sind. Diese Länder gründeten dann im Jahre 1949 den Bund. Auch die wichtigsten politischen und ökonomischen Weichenstellungen, vor allem die Einführung der Sozialen Marktwirtschaft, erfolgten vor der Gründung der Bundesrepublik. All die krampfhaften Versuche, den Menschen eine deutsche Nationalkultur und eine deutsche Leitkultur als Identifikation vorzugeben, gehen daher am Lebensbewusstsein und am Lebensgefühl der meisten Bürgerinnen und Bürger vorbei. Ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger werden nicht im Nationalstaat integriert, sondern in den Ländern und Regionen. Bayern ist dafür ein besonders gutes Beispiel, was sich in der Integration von Millionen Sudetendeutschen nach dem Krieg zeigt. Das gilt bis zum heutigen Tage.
In der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vom 3. März erschien ein bemerkenswerter Artikel über Burgkirchen an der Alz im Landkreis Altötting. In diesem Artikel wird dargestellt, wie erfolgreich in dieser 10000 Einwohner zählenden Gemeinde Menschen aus insgesamt 46 Nationen, die meisten aus der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien, durch gemeinsame Anstrengungen von Gemeindeverwaltung, Vereinen und privaten Bürgerinitiativen integriert wurden. Der Artikel trug die Überschrift: „Deutschland tut sich schwer mit der Integration von Ausländern – Burgkirchen nicht. – Der Ort
liegt in Bayern“. Das offenkundige Erstaunen, dass so etwas in einem Bundesland wie Bayern möglich ist, liegt nicht am tatsächlichen Verhalten der Menschen in diesem Land. Der Grund für die zahllosen Zerrbilder und Klischees, die außerhalb von Bayern über Bayern und die Bayern verbreitet werden, haben ihre Ursache darin, dass die CSU für ihre restaurativen politisch gesellschaftlichen Vorstellungen ganz Bayern in Geiselhaft nimmt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, aufgrund seiner geografischen Lage und seiner jahrhundertelangen Geschichte, die nicht mit der 57-jährigen Geschichte der CSU zu verwechseln ist, ist Bayern so europäisch geprägt wie kein anderes deutsches Land. Bayerische Politik war immer auch zugleich europäische Politik. Das gilt auch für das Nachkriegsbayern. Persönlichkeiten wie Alfons Goppel oder Volkmar Gabert haben schon vor 40 Jahren bayerische Europapolitik betrieben, als Europa für Berlin noch „Terra incognita“ war.
Aus all dem folgt: Es gibt in Bayern von jeher ein tief verwurzeltes, eigenständiges europäisches Bewusstsein, das sich nicht erst durch seine Zugehörigkeit zum deutschen Nationalstaat ergibt und definiert. Als im Herzen Europas gelegen, nach Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft an sechster Stelle in der Europäischen Union stehend, ist es für die Eigenstaatlichkeit Bayerns von existenzieller Bedeutung, dass ein Parlament und seine Regierung hinsichtlich ihrer Gestaltungsmöglichkeiten zwischen Berlin und Brüssel nicht zerrieben werden. Es kann und darf nicht sein, dass die deutschen Länder auf dem Umweg über Europa mittelfristig zu reinen Verwaltungsbezirken degradiert werden.
Deshalb müssen die Länder, und zwar nicht nur die Regierungen, sondern auch die Parlamente, umfassend am europäischen Integrationsprozess beteiligt werden. Die Enquete-Kommission hat, wie auch von Herrn Welnhofer vorgetragen, eine Vielzahl von Vorschlägen gemacht, die – das kann ich zumindest für die SPDFraktion sagen – in Anträge in diesem Parlament münden werden. Die Staatsregierung ist dazu aufgefordert, die Anliegen dieses Parlaments über den Bundesrat mit Nachdruck zu vertreten.
Allgemein muss gelten: All das, was nicht europäisch geregelt wird, sondern in der Kompetenz der Nationalstaaten bleibt bzw. an sie zurückgeführt werden kann, muss in Deutschland genauestens daraufhin überprüft werden, was davon in die Zuständigkeit der Länder und Kommunen gehört oder was dorthin zurückverlagert werden kann. Für die föderal strukturierte Bundesrepublik heißt die Reihenfolge bei den Zuständigkeiten nicht Europa – Nationalstaat – Länder, sondern Europa – Länder – Nationalstaat.
Es wird höchste Zeit, dass dem Grundgedanken des Artikels 30 des Grundgesetzes endlich wieder Geltung
verschafft wird. Demnach sind die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben zunächst Sache der Länder, nicht Sache des Bundes. Manchmal meint man, dass der Bund und auch Kollegen im Bundesparlament dies etwas anders sehen. Die Länder dürfen sich in dieser für unsere Zukunft so entscheidenden Frage nicht scheuen, die notwendige Zustimmung im Bundesrat für weitere Kompetenzübertragungen nach Europa davon abhängig zu machen, dass in Deutschland der Föderalismus wieder vom Kopf auf die Füße gestellt wird.
Wer diese Debatte ehrlich betreibt, muss jedoch zugeben, dass die Länder selbst entscheidend dazu beigetragen haben, dass der Föderalismus zu Lasten der Länder in eine derartige Schieflage geraten ist. Ein Teil der Entwicklung war sicherlich bereits im Grundgesetz selbst angelegt. Wer heute unvoreingenommen nachliest, welche Bedenken Ministerpräsident Hans Ehard im Mai 1949 gegen das vom Parlamentarischen Rat beschlossene Grundgesetz vortrug, kommt mit Blick auf die Praxis der zurückliegenden Jahrzehnte nicht umhin einzuräumen, dass viele dieser Bedenken teilweise berechtigt waren.
Ein besonders gravierender Sündenfall war Artikel 72 Absatz 1, in dem es heißt: „Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.“
Das war ein Einfallstor für den Bund, um in die Kompetenzen der Länder einzugreifen. Man musste jedes Mal vor das Bundesverfassungsgericht gehen, um sich vom Bund zu Unrecht genommene Kompetenzen zurückzuerobern. Diese Bestimmung stellte den Subsidiaritätsgedanken nach meiner Auffassung geradezu auf den Kopf; denn diesem Gedanken würde entsprechen, dass der Bund nur dann die Befugnis zur Gesetzgebung hat, wenn die Länder nicht tätig werden. Auch Wilhelm Hoegner, der, wie die gesamte SPD-Fraktion, damals für die Annahme des Grundgesetzes stimmte, machte in einer persönlichen Erklärung seine Vorbehalte deutlich:
Das Bonner Grundgesetz erfüllt die Anforderungen, die man an einen echten Bundesstaat stellen muss, nur zum Teil. Es könnte einmal für das staatliche Eigenleben der deutschen Einzelstaaten gefährlich werden, weniger wegen der Einrichtungen, die es sofort bringt, als wegen der Möglichkeiten, die es eröffnet.
Dass der Bund die sich ihm bietenden Einfallstore zur Mehrung seines Einflusses nutzen würde, konnte nicht überraschen, sehr viel mehr dagegen die Tatsache, in welchem Ausmaß die Länder an ihrer Selbstentmachtung mitgewirkt haben. Schließlich kamen die mehr als 40 Grundgesetzänderungen zu Lasten der Zuständigkeit der Länder ja nur durch die Zustimmung einer Zweidrittelmehrheit im Bundesrat zustande. Tatenlos und folgenlos räsonierend, haben auch die Landesparlamente zugesehen, wie ihre Gesetzgebungskompetenz Stück für Stück von ihren eigenen Landesregierungen im Zusammenwirken mit dem Bund ausgehöhlt wurde. Die
Folge war ein immer stärkerer Exekutivföderalismus, bei dem der Einfluss der Regierungen über den Bundesrat und eine kaum mehr überschaubare Zahl von Bund-Länder-Gremien voll erhalten blieb und der gleichzeitig der parlamentarischen Kontrolle auf geschickte Weise entzogen wurde.
Der entscheidende Schlag wurde den Landesparlamenten mit der 1968 und 1969 beschlossenen großen Finanzreform versetzt: Einführung der Gemeinschaftsaufgabe beim Hochschulbau, regionale Wirtschaftsförderung, Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes sind hier die Eckpunkte. Kurzfristig erhofften sich einzelne Länder mehr Geld; langfristig haben sie Kompetenzen an den Bund und Mitsprache- und Entscheidungsrechte abgegeben. Das Zustandekommen dieser Mischfinanzierung hat die ganze Ohnmacht der Landesparlamente – ich sage: auch des Bayerischen Landtags – offenbart. Während sich hier im Hause am 12. Dezember 1968 von Seiten aller Fraktionen anlässlich dieses Gesetzesvorhabens ein regelrechter Aufstand erhob und sogar der Fortbestand der Demokratie in Deutschland als in Gefahr gesehen wurde, stimmten im Bundestag von 50 CSU-Abgeordneten nur sechs und auch von 30 SPD-Abgeordneten nur einer dagegen. Hier sind Wort und Tat wohl ein wenig auseinander gefallen.
Die Abschaffung dieses Sündenfalls wider den Föderalismus bei voller Kompensation der ausfallenden Bundesmittel gehört zu den zentralen Forderungen der Enquete-Kommission. Entflechtung, Subsidiarität und Transparenz sind hier die Schlagworte.
Solange dieser Kompetenzverlust jedoch nur die Landesparlamente betraf, war dies den Landesregierungen nicht nur gleichgültig, sondern im Grunde genommen sogar höchst willkommen.
(Beifall bei der SPD – Maget (SPD): Stimmt genau, genau richtig! Heute ist es euch auch kein großes Anliegen!)
Erst jetzt, als im Zuge des europäischen Integrationsprozesses auch die Gefahr des Verlustes exekutiver Befugnisse droht, hat man in den Staatskanzleien wieder entdeckt, dass Föderalismus mehr ist als das Neben- und Gegeneinander von Bürokratien. Angesichts der mangelnden Anwesenheit auf der Ministerbank denke ich mir, dass es ganz gut wäre, wenn sich der Ministerpräsident dieses auch durch persönliche Anwesenheit hier vor Augen führen würde.
(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Maget (SPD): Der Oberföderalist! Desinteresse pur!)
Mit der Neufassung des Artikels 23 des Grundgesetzes ist den Ländern im Zusammenhang mit dem deutschdeutschen Einigungsvertrag ein erster Schritt auf dem Weg gelungen, ihre Rechte bei Kompetenzübertragungen auf die Europäische Union zu stärken. Die EnqueteKommission ist darüber hinaus der Auffassung, dass bei allen Übertragungen von Länderkompetenzen, sei es auf den Bund oder auf die Europäische Union, nicht nur
Ein weiteres zentrales Anliegen der Enquete-Kommission ist eine wesentlich verbesserte Unterrichtung und Einbindung des Landtags in die Vorhaben der Staatsregierung bei ihrer Zusammenarbeit mit dem Bund, den anderen Ländern, den Regionen anderer Staaten und den europäischen Institutionen. Dazu hat die Kommission mit Mehrheit den Erlass eines Parlamentsinformationsgesetzes empfohlen. Es reicht nicht die Information und Beteiligung auf freiwilliger Basis von Gnaden der Staatsregierung, sondern es muss ein Rechtsanspruch darauf statuiert werden.
Die Kehrseite dieses Informationsgesetzes ist, dass wir unsere Abläufe im Haus verändern müssen. Um schnell zu einer Entscheidung zu kommen, muss es möglich sein, dass die jeweils zuständigen Ausschüsse abschließend entscheiden.
Denn im Bundesrat und in der Europäischen Union wird gegebenenfalls nicht darauf gewartet, bis wir unsere nächste Plenarsitzung haben. Beides zu verwirklichen, wird eine Aufgabe der nächsten Jahre sein.
Ich finde es in diesem Zusammenhang etwas schade, dass bei aller guten Zusammenarbeit in der Kommission genau bei dieser sinnvollen Regelung, wo die Staatsregierung offensichtlich ihr Veto eingelegt hat, nicht bei allen Kolleginnen und Kollegen der Mut so weit gereicht hat, dann auch die Hand zu heben, damit wir in der Kommission eine breite Mehrheit haben. So haben wir eine dünne Mehrheit, aber: Mehrheit ist Mehrheit. Hinter vorgehaltener Hand wird immer gesagt: Das müssen wir machen. Aber trauen tut man sich dann doch nicht.
Während es bei den Komplexen „Föderalismus und supranationale Politik“ sowie „Föderalismus und nationale Politik“ in der Kommission weitgehend Einigkeit gab, war dies beim Abschnitt „Föderalismus und kommunale Selbstverwaltung“ nicht der Fall. So konnten wir Sozialdemokraten uns vor allem mit der zentralen Forderung nach einer Verankerung des Konnexitätsprinzips in der Bayerischen Verfassung trotz massiver Unterstützung durch die kommunalen Spitzenverbände nicht durchsetzen. Mit den Einzelheiten zu diesem Abschnitt wird sich anschließend meine Kollegin Helga SchmittBussinger auseinandersetzen.
Nur soviel an dieser Stelle auch an die Adresse der CSU: Wer ständig dem Bund vorwirft, er beschließe Gesetze zu Lasten der Länderfinanzen, ohne für den entsprechenden Ausgleich zu sorgen, ist in höchstem Maße unglaubwürdig, so lange er gleichzeitig gegenüber den Kommunen nach dem gleichen Prinzip verfährt, das er anderen vorwirft.