Frau Kollegin Tausendfreund, die Regelungen über die Führung von V-Leuten sind VS eingestuft. Ich bin aber gerne bereit, Ihnen diese Regelungen persönlich zu erläutern. Ich kann Ihnen die Regelungen nicht ohne Schwierigkeiten aushändigen, sie Ihnen aber erläutern und den wesentlichen Inhalt darstellen, was ich schon mehrfach öffentlich getan habe.
V-Leute sind keine Mitarbeiter des Staates, die dort im dienstlichen Auftrag tätig sind. Sie sind keine verdeckten Ermittler, das heißt, sie sind keine Beamten oder Angestellten des öffentlichen Dienstes, die nach Dienstanweisung dort tätig werden. V-Leute sind Informanten, die unter Umständen gegen Vergütung Informationen aus der betreffenden Organisation an den Staat liefern.
Durch die V-Mann-Führungsregelung ist klargestellt, dass V-Leute nicht selbst „anheizen“ und nicht Träger des Extremismus sein dürfen, sondern sie dürfen nur „mitschwimmen“. Sie können berichten, sind aber nicht Handelnde des Staates. Das bedeutet – ich nehme damit auch auf eine vorhergehende Frage Bezug –, dass die Aussagen von V-Leuten und Informanten bei einem Prozess eingeführt werden können, dass es aber auf die Beweiswürdigung des Gerichts ankommt, wie Zeugenaussagen dargestellt werden. Das habe ich gestern im Innenausschuss des Bundestages dezidiert ausgeführt und das war auch Meinung der Prozessbevollmächtigten beim Bundesverfassungsgericht.
Die Erklärungen von V-Leuten werden der Organisation zugerechnet, weil es sich um kein Mitglied handelt, das Dienstpflichten gegenüber dem Staat hat. Sobald er mehr tut als Informationen zu geben, muss unter Umständen das Abschalten erwogen werden.
Ich habe im Zusammenhang mit der NPD meine Mitarbeiter gebeten, und habe es auch selbst getan, die V-Mann-Führung in Bayern zu prüfen. Dabei ist kein Fall bekannt geworden, bei dem die Regelungen über die V-Leute nicht eindeutig korrekt eingehalten worden wären.
Wenn Sie bis jetzt eingehalten wurden, besteht keine Gefahr, dass sie künftig nicht eingehalten werden.
Herr Minister, ich bedanke mich sehr herzlich für die Beantwortung der Fragen. Die für die Fragestunde vorgesehene Redezeit ist abgelaufen.
zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen und des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes (Drucksache 14/8602)
Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Frau Goertz, bitte. Sie haben für die Begründung zehn Minuten Zeit.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir legen heute einen Gesetzentwurf vor, der das im Grundgesetz verankerte Benachteiligungsverbot auch im Bayerischen Schulrecht umsetzt und damit eine Schule schafft, in der alle Kinder ein Recht auf vollständige Teilhabe an unserer Gesellschaft erhalten.
Mit der Novellierung des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes und insbesondere des Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes wollen wir erreichen, dass alle Kinder und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf gemeinsam und lernzieldifferent mit anderen Schülerinnen und Schülern wohnortnah an allgemeinen Schulen erzogen und unterrichtet werden.
Der Gesetzentwurf ist nicht nur wegen der rechtlichen Problematik überfällig, sondern er reagiert auch insbesondere auf die aktuellen Entwicklungen in der pädagogischen Wissenschaft. Wir haben daher ein hochaktuelles Konzept zugrunde gelegt, das die Ansprüche eines modernen, integrativen und zukunftsfähigen Schulsystems erfüllt.
In Bayern dagegen werden derzeit Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die nicht nach dem Rahmenplan der jeweiligen Schulform unter
richtet werden können, vom Besuch der allgemeinen Schulen ausgeschlossen. Mit dieser Praxis verstößt das Bayerische EUG gegen das Benachteiligungsverbot, das sowohl im Grundgesetz – ich hatte es gerade erwähnt – als auch in der Bayerischen Verfassung festgeschrieben ist. Außerdem verstößt es in seiner jetzigen Fassung gegen das elterliche Erziehungsrecht sowie aufgrund der Ungleichbehandlung der Schülerinnen und Schüler nach Art ihres sonderpädagogischen Förderbedarfs auch gegen das Willkürverbot.
Mittlerweile, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat sich eine Situation entwickelt, in der immer mehr Eltern von Kindern mit Behinderung ihr Kind in integrativen Kindergartengruppen aufwachsen lassen. Um diesen Weg fortzusetzen, besteht der Wunsch, anschließend weiterhin mit Freundinnen und Freunden zusammen in dieselbe Schule zu gehen. Hier spielen sich zum Teil dramatische Szenen ab, da die Eltern vom „good will“ der Schulbehörde, der Schulleitung und der Lehrkräfte abhängen. Aufgrund dieser oft willkürlichen Entscheidungen – Integrationsbemühungen finden zurzeit in einer gesetzlichen Grauzone statt – ist es dringend geboten, dass die Voraussetzungen für eine gemeinsame Erziehung und Unterrichtung im Bayerischen EUG Eingang finden.
Bayern ist nach wie vor Schlusslicht in der Integrationsentwicklung unter den alten Bundesländern, weil alle 10361 Kinder und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die von der Staatsregierung als integrativ beschulte Schüler an allgemeinen Schulen bezeichnet werden, allesamt lernzielgleich unterrichtet werden. Das Kennzeichen echter Integration, Kolleginnen und Kollegen, ist eben gerade die Lernzieldifferenz.
Zudem haben wir in unserem Gesetzentwurf als wesentliche Neuerungen neben dem Kernstück der Integrationsklassen eine umfassende Kind-Umfeld-Analyse und die Einrichtung von Förderausschüssen unter Beteiligung der Eltern aufgenommen. Zusätzlich wurde der Begriffswirrwarr im Förderschulwesen überarbeitet.
Kolleginnen und Kollegen, die Novellierung trägt dem Paradigmenwechsel in der pädagogischen Wissenschaft Rechnung, der den gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung für wünschenswert für alle Kinder erachtet. Diese Erkenntnis findet bereits im Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 06. Mai 1994 ihren Niederschlag, in dem es heißt, dass die Bildung junger Menschen mit Behinderung verstärkt als gemeinsame Aufgabe für grundsätzlich alle Schulen anzustreben sei.
Integration ist mittlerweile mit der Sicht eines ganzheitlichen Menschenbildes zu einer ungewöhnlich treibenden Kraft für neues pädagogisches Sehen und Handeln geworden.
Kolleginnen und Kollegen, dieser Wandel hat Fundamentales im Blick. So wurde von der Defizitorientierung Abschied genommen, und wurden stattdessen die Fähigkeiten, also das Können des Kindes, in den Mittelpunkt gerückt. Bislang war es in unserem Schulwesen
Tradition, auf Defizite der Schülerinnen und Schüler zu achten, deren Fehler zu zählen, vorrangig das zu beachten, was sie nicht können, anstatt Kinder zu stärken und bereits vorhandenen Kompetenzen festzustellen.
Integrative Pädagogik dagegen nutzt die Fähigkeiten aller Kinder, und integrativer Unterricht ist deshalb auf Gemeinsamkeit und Verschiedenheit gleichzeitig angelegt. Diese Akzeptanz der Verschiedenheit ist die entscheidende Veränderung im Vergleich zum herkömmlichen Unterricht. Im integrativen Unterricht besteht nicht mehr der Anspruch, dass alle Kinder zur selben Zeit mit denselben Methoden dasselbe lernen und in regelmäßigen Abständen nach denselben Kriterien bewertet werden. Vielmehr stehen die Unterschiede ihrer kulturellen Herkunft, ihrer Sprachfähigkeit, ihrer besonderen Interessen und Vorlieben und ihrer Lern- und Verhaltensschwierigkeiten im Mittelpunkt und werden nun als Ausgangssituation eines Entwicklungsprozesses respektiert. Das hat Gültigkeit für alle Kinder. Nachzuvollziehen ist deshalb, dass für uns das wichtigste Anliegen in dem vorliegenden Gesetzentwurf war, das Diktat der Lernzielgleichheit abzuschaffen. Damit wird ein Grundstein in Bayern gelegt, Schule zu einer Einrichtung für alle Schülerinnen und Schüler werden zu lassen.
Kolleginnen und Kollegen, eine optimale Förderung von 25 oder 30 Kindern kann eine Lehrkraft allein nicht leisten und die Fiktion, alle Kinder seien gleich, führt dazu, dass bereits im ersten und zweiten Schuljahr pro Klasse zumindest ein oder zwei Kinder zu „lernbehinderten“ erklärt werden. Aus diesem Grund braucht es in jedem Fall eine Veränderung der Rahmenbedingungen, wie sie in anerkannten Integrationsklassen mit gesenkten Frequenzen, begrenzter Zahl von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf und zusätzlichem pädagogischem Fachpersonal zu finden sind.
Ich möchte noch auf einen weiteren Punkt hinweisen, der gesellschaftspolitisch von besonderer Bedeutung ist: Heterogenität als Grunderfahrung. Durch den alltäglichen Umgang mit Kindern, die einer besonderen Förderung bedürfen, lernen Kinder ohne Förderbedarf, Schwächen als etwas Alltägliches und Normales kennen und zu akzeptieren. Damit einher geht die Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags in Artikel 1 des Bayerischen EUG. Als erstrebenswerte Ziele werden hier die Achtung vor der Würde des Menschen, Verantwortungsgefühl, Hilfsbereitschaft und Erziehung im Geiste der Demokratie genannt.
Kolleginnen und Kollegen, nicht zuletzt die Pisa-Studie hat wieder einmal deutlich gemacht, dass die deutschen Schulsysteme in Bezug auf die individuelle Förderung sowohl lernschwacher als auch begabter Schülerinnen und Schüler nicht leistungsfähig genug sind. Charakteristerischerweise schneiden gerade die skandinavischen Länder, die über eine langjährige Tradition eines integrierenden Schulsystems bis zur achten und neunten Klasse verfügen, hier weit besser ab als zum Beispiel Deutschland aufgrund seines separierenden Schulsystems. Finnland zum Beispiel hat bereits vor circa 20 Jahren alle Kinder und Jugendlichen mit Behinderung in die allgemeinen Schulen einbezogen, und trotzdem waren die Ergebnisse deutlich besser als hierzulande. Schon
vor Jahren fragten dänische Lehrkräfte ihre deutschen Kollegen, wie es denn möglich sei, dass die Kinder in Deutschland bereits nach vier Jahren aussortiert werden. „Was seid ihr denn für eine Gesellschaft?“
Das Ergebnis haben wir nun brutal serviert bekommen. Wir selektieren nicht nur nach Leistung, sondern auch nach sozialen Schichten. Für schwedische Politiker, verehrte Kolleginnen und Kollegen der CSU, ob konservativ oder sozialdemokratisch, besteht Konsens in der zentralen Frage: Wie gelingt in gemeinsamen Schulen die größtmögliche Individualisierung? Vielleicht liegt in diesem Konsens das Erfolgsgeheimnis.
Kolleginnen und Kollegen passend an dieser Stelle einige Worte zu unseren Vorstellungen einer langfristigen Finanzierung gemeinsamen Unterrichts. Wir berufen uns auf nationale wie internationale Studien, nach denen bei Betrachtung der Gesamtkosten, wie Beförderungs-, Gebäude- und Betriebskosten sowie der Kosten für Lehrmittel, also nicht nur der Kosten für Lehrkräfte, die integrative Beschulung auf keinen Fall teurer kommt. Kurzfristig betrachtet werden für eine Übergangsphase für zusätzliche Planstellen und Sachausstattung Kosten entstehen. Diesen Mehrausgaben stehen aber auch Einsparungen bei den Transportkosten und beim Schulaufwand der Förderschulen gegenüber. Eine Fülle von wissenschaftlichen Untersuchungen liegen vor, die die Vorzüge einer gemeinsamen Erziehung und Unterrichtung von Kindern mit und ohne Behinderung nachweisen. Umso bedeutender ist der Appell von Prof. Dr. Hans Wocken aus Hamburg, der uns alle in die Pflicht nimmt. Integration ist kein Gnadenakt, der großzügig gewährt oder rechtens verweigert werden könnte. Integration ist eine humane und demokratische Verpflichtung, die uns alle angeht.
Geben Sie den Eltern von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf für die Zukunft die Sicherheit, dass auch ihr Kind einen Platz in der Mitte unserer Gesellschaft findet. Machen wir gemeinsam den Weg für ein modernes und zukunftsfähiges bayerischen Schulgesetz frei.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Herr Kollege Thätter. In der Aussprache haben die Fraktionen jeweils fünf Minuten Redezeit.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei allen Bemühungen um Integration entsteht die grundsätzliche Frage, was man unter Integration versteht. So verhält es sich auch bei den vorliegenden Anträgen der SPD. Wird darunter ein Unterricht verstanden, bei dem die Schüler einer Klasse am gleichen Lernstoff arbeiten, aber in der Bewältigung des Stoffes Lernziele in verschiedenen Höhen möglich sind? Oder handelt es sich um einen Unterricht, bei dem die Schüler zwar räumlich im selben Zimmer anwesend sind, aber an völlig verschiedenen Lernstoffen arbeiten, was verschiedene Lernziele bedeutet? Das aber wollen wir nicht, denn es ist erwiesen, dass soziale Integration nur über einen gemeinsamen Unterricht wirklich stattfinden kann. Räumliche Anwesenheit allein in einer eigenen Betreuung führt zur Isolation.
In der Problemdarstellung des SPD-Entwurfs wird auf das Grundgesetz Bezug genommen und festgestellt, das Bayerische EUG verstoße gegen das Benachteiligungsverbot. Zu dieser Problemlage besteht seit Oktober 1997 eine Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Darin wird begründet, dass eine Benachteiligung durch öffentliche Gewalt gegeben sei kann, wenn der Ausschluss von der Regelschule nicht durch eine auf die Behinderung bezogene Fördermaßnahme kompensiert wird. Wann dies der Fall ist, wird regelmäßig von Wertungen, wissenschaftlichen Erkenntnissen und prognostischen Einschätzungen abhängen. Der Staat ist grundsätzlich gehalten, für behinderte Kinder und Jugendliche schulische Einrichtungen bereitzuhalten, die auch ihnen eine sachgerechte schulische Erziehung, Bildung und Ausbildung ermöglichen.
Zusammenfassend kann ich dazu sagen, dass sich aus dem Grundgesetz allein kein generelles Recht auf einen gemeinsamen Unterricht ableiten lässt. Allerdings darf auch nach dem Grundgesetz nicht generell getrennt werden. Aus der derzeitigen Situation heraus, dass immer mehr Kinder mit mehr oder weniger massivem sonderpädagogischem Förderbedarf zur Schule kommen, sind präventive Maßnahmen notwendig, um sie an der Regelschule halten zu können. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite stehen Eltern, die ihr behindertes Kind in ihrem Sosein ohne Wenn und Aber annehmen und das auch von der Gesellschaft erwarten und dadurch die Beschulung an der Regelschule für notwendig erachten.
Wir haben dieses Problem seit 1996 bearbeitet und 1998 Beschlüsse gefasst, durch die mehr Flexibilität erreicht werden kann. Wir haben die Umsetzung in die Praxis drei Jahre lang beobachtet und wissen unterdessen, dass Änderungen im Bayerischen Unterrichts- und Erziehungsgesetz notwendig sind, um mehr Klarheit und Sicherheit in den Entscheidungen zu erreichen.
Die Formulierungen, die der Entwurf der SPD enthält, können wir aber nicht akzeptieren. Wir gehen bei integrativer Beschulung von einer aktiven Teilnahme des einzelnen Kindes am gemeinsamen Unterricht aus. Der Gesetzentwurf der SPD verfolgt dagegen das Ziel, allen Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf die Möglichkeit zu eröffnen, am Unterricht der allgemeinen Schulen teilzunehmen. Der Besuch der Förderschule
soll demnach nur auf Antrag erfolgen. Integration würde also nur noch das Beisammensein im gleichen Unterrichtsraum und in der gleichen Schule bedeuten. Integration würde aber auch bedeuten, dass Schüler mit starken Verhaltensauffälligkeiten gegen den Willen der Eltern nicht mehr in eine Förderschule überwiesen werden dürfen. Wenn die Eltern schon das Wahlrecht zwischen allgemeiner Schule und Förderschule haben sollen, ist es nicht mehr nachzuvollziehen, dass nach dem SPD-Entwurf noch die Entscheidung durch die Schulaufsichtsbehörde und die Bildung von Förderausschüssen erforderlich sein sollen.
Wenn die Vorstellungen der SPD durchgesetzt würden, müsste zweitens davon ausgegangen werden, dass die Zahl der Kinder an den Förderschulen massiv zurückgeht. Dann aber wäre die Bildung von Schulsprengeln für Teilgebiete von Bezirken möglich, und dann könnte der Bezirk Sachaufwandsträger dieser Schulen werden. Dabei übersieht die SPD aber völlig, dass 90% der Eltern von behinderten Kindern über die bestehenden Einrichtungen froh sind und befürchten, dass durch die Integrationsbemühungen wohnortnahe Förderschulen in Gefahr geraten oder zumindest in der personellen und sachlichen Ausstattung Einbußen erleiden könnten. Auf jeden Fall ist zu erwarten, dass durch eine Regelung auf Bezirksebene viel längere Schulwege entstehen. Vor allem würden wir gegen den Willen der Eltern handeln.