Protocol of the Session on January 30, 2002

Einen Schwerpunkt will ich auf moderne Kommunalverwaltungen legen. Die Attraktivität unserer Kommunen hängt nicht zuletzt auch davon ab, dass sie über eine bürgerfreundliche und effektive Verwaltung verfügen. Es ist unser Ziel, die Kommunen durch vielfältige Bemühungen der Verwaltungsreform als Dienstleistungszentren zu stärken. Alle Umfrageergebnisse belegen: Wir sind hier auf einem sehr guten Weg.

Ich möchte in diesem Zusammenhang einen Dank an die bayerischen Kommunen richten. Es sind riesige Fortschritte erzielt worden. Während noch vor zehn Jahren häufig Karikaturen zu sehen waren, auf denen sich Bürger als Untertanen in eine Schlange stellten, so ist heute klar, dass der Bürger als Kunde betrachtet wird und sich die Kommune als Dienstleister versteht und engagiert für den Service am Bürger eintritt.

Zentrale Plattform für den wichtigen Einsatz von E-Government ist der Virtuelle Marktplatz Bayern. Er bündelt alle Online-Dienste für den Bürger. Das Internet wird

dabei so weit wie möglich als Marktplatz ausgestaltet. Damit können wir unseren Bürgern wichtige Hilfestellungen geben und gleichzeitig Standort- und Wettbewerbsvorteile für unsere heimische Wirtschaft erreichen. Wir selber beteiligen uns mit dem Behördenwegweiser. Wichtig ist das Abfragesystem nach Lebenssachverhalten.

Wir setzen unsere Förderung von kommunalen Reformprojekten ebenfalls fort. Schließlich möchte ich auf die Experimentierklausel verweisen, die es den Kommunen – in Zukunft noch stärker – ermöglicht, neue Modelle der Verwaltungsvereinfachung und der Verwaltungsführung zu eröffnen. Wer sagt, er sei durch starre kommunalrechtliche Vorschriften des Parlaments gehindert, dem können Sie ohne Weiteres entgegnen, dass das nicht stimmt. Wer selber eine Idee hat, und sei es die Einführung der kaufmännischen Buchführung, aber auch in anderen Bereichen, der wird, so weit es nur irgend geht, unsere Unterstützung finden. Wir wollen die Modernisierung fördern und nicht neue Ideen strangulieren. Diese Vorgabe hat der Landtag Gott sei Dank durch die Einführung der Experimentierklausel unterstützt.

Der letzte Schwerpunkt, den ich ansprechen will, betrifft die Integration. Die Integration ausländischer Mitbürger ist eine wichtige Aufgabe der Kommunen, wobei das auch die Integration von deutschen Staatsangehörigen, die aus dem Ausland kommen, betrifft. Das schließt die Integration von Spätaussiedlern und von Personen mit Migrantenhintergrund ein. Die Kommunen müssen eine erhebliche Integrationsleistung erbringen. Wir müssen darauf achten, dass die Integrationskraft nicht überfordert wird.

Die Staatsregierung hatte im letzten Sommer den Bevölkerungswissenschaftler Prof. Birg mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser weist darauf hin, dass die Integrationsprobleme schwieriger zu lösen sind, als wir uns das erwartet haben. Er stellt fest, dass sich durch die demographische Entwicklung in den nächsten Jahren die Problematik verschärfen wird, weil der Anteil der unter Vierzigjährigen an der einheimischen Bevölkerung in Städten wie beispielsweise München sinkt und in überschaubarer Zeit die unter Vierzigjährigen mehrheitlich einen Migrantenhintergrund haben. Man muss darauf achten, dass der Integrationsprozess nicht in eine sich selbst verstärkende Desintegration umschlägt. Ich habe das Gutachten schon den Kollegen des Ausschusses für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik zur Verfügung gestellt und kann nur jeden ermuntern, sich dieses Gutachten anzuschauen.

In der Frage der Zuwanderung ist deshalb die Integrationsfähigkeit und Integrationsbereitschaft unserer Gesellschaft der entscheidende Maßstab. Wer Zuwanderung ausweiten will, setzt nicht nur den Wohlstand, sondern auch den sozialen Frieden aufs Spiel. Angesichts des hohen Ausländeranteils vor allem in den westdeutschen Großstädten gibt es auch bei den Bürgern ernst zu nehmende Sorgen bezüglich des Verlusts der eigenen Identität. Erhöhte Zuwanderung findet nach allen Umfragen keinen Rückhalt in unserer Bevölkerung.

Wir lehnen den Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Zuwanderungsgesetz ab, weil er nicht auf Begrenzung, sondern auf massive Erweiterung der Zuwanderung gerichtet ist.

(Beifall bei der CSU)

Hinzu kommt, dass das wirklich Dringliche, nämlich die Integration zu verstärken, in dem Zuwanderungsgesetz nicht genügend beachtet wird. Es kann nicht angehen, dass die Länder und Kommunen die Hauptlast zu tragen haben. Das hat auch die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände in einer gemeinsamen Stellungnahme ausdrücklich kritisiert. Diese wenden sich im Übrigen auch gegen eine noch großzügigere Regelung des Asylrechts, die im Koalitionskompromiss der rot-grünen Regierung möglicherweise getroffen wird.

Wenn wir von Integration sprechen, dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass es zunächst der Zuwanderer selbst ist, der sich darum bemühen muss. Nur wer bereit ist, unsere Rechts- und Werteordnung anzuerkennen und die Gepflogenheiten unserer christlich-abendländisch geprägten Kultur zu achten, kann sich wirklich bei uns integrieren. Unsere Bürger wollen keine multikulturelle Gesellschaft, in der sie sich nicht mehr zuhause fühlen. Genau das aber ist offenbar die „grüne Handschrift“ des Zuwanderungsgesetzes, wie auch der Gesetzentwurf der Landtags-Grünen für ein Integrationsgesetz zeigt. Unsere Bürger müssen wissen, was dies bedeutet: Die Beseitigung und Nivellierung der christlichen Bezüge in unserer Gesellschaftsordnung – ich nenne als Stichworte nur Kreuze und Religionsunterricht –,

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ach Gott!)

die weitgehende Gleichstellung der islamischen Feiertage mit den christlichen Feiertagen und die Einstellung von Bürgern mit Migrationshintergrund entsprechend ihrem jeweiligen Bevölkerungsanteil in den öffentlichen Kommunaldienst bzw. in den Polizei- und Justizvollzugsdienst. Dies wäre eine einseitige Bevorzugung von Migranten und damit eine Missachtung des verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Leistungsprinzips. Ich will keinen Zweifel aufkommen lassen: Gegen derartige Pläne, die nicht der Integration in unsere Gesellschaft dienen, sondern der Entstehung und Verfestigung von Parallelgesellschaften Vorschub leisten, werden wir uns mit aller Kraft zur Wehr setzen.

(Beifall bei der CSU)

Wir werden auch sehr genau die Entwicklung in Europa im Auge behalten. Europa muss von unten nach oben gestaltet und von den Bürgern mitgebaut werden. Deshalb müssen wir die Stellung der Kommunen auch in Europa sichern. Die Staatsregierung wird weiter darauf drängen, das kommunale Selbstverwaltungsrecht im EU-Vertragswerk selbst zu verankern. Ich appelliere dabei an alle, in Gesprächen mit anderen europäischen Mitgliedsländern die kommunale Selbstverwaltung voranzutreiben, damit sie nicht unter die Räder der europäischen Entwicklung kommt. Die meisten anderen Län

der kennen eine derart ausgeprägte kommunale Selbstverwaltung nicht; sie sind eher zentralistisch organisiert. Ich bitte deshalb, dass wir alle an einem Strang ziehen, um das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung auf europäischer Ebene zu verankern.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss noch einmal zusammenfassen: Städte und Gemeinden, Landkreise und Bezirke mit ihren Traditionen und ihrem reichen kulturellen Erbe, das ist Bayern, das ist unsere Heimat – und so soll es auch bleiben. Ich bedanke mich bei Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(anhaltender Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Ich eröffne die Aussprache. Im Ältestenrat wurde hierfür eine Gesamtredezeit von zwei Stunden vereinbart. Auf die CSU-Fraktion entfällt danach eine Redezeit von 56 Minuten, auf die SPD-Fraktion entfallen 40 Minuten und auf die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN entfällt eine Redezeit von 24 Minuten. Als erster Redner hat der Abgeordnete Strasser das Wort.

(Zuruf von der CSU: Der will doch Landrat werden! – Abg. Dr. Jung (SPD) begibt sich zum Rednerpult)

Nicht Herr Strasser hat als Erster das Wort, sondern der Abgeordnete Dr. Jung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Strasser wird nach mir sprechen.

Sehr geehrter Herr Präsident, Herr Staatsminister! Es ist in der Tat gut und richtig, dass wir uns im Parlament über die Kommunen und deren Situation austauschen. Schade ist nur, dass Ihnen die bayerischen Kommunen erst jetzt, wenige Wochen vor der Kommunalwahl, so viel Aufmerksamkeit wert sind.

(Beifall bei der SPD)

Wir würden uns wünschen, dass die Kommunen diesen Stellenwert auch unter der Zeit bekommen.

(Ach (CSU): Jungs Märchenstunde!)

Sie malen mit schönen Worten ein Bild der bayerischen Kommunen, wie es nicht schöner sein könnte. Ich räume an der Stelle gerne ein, dass dies für ausgewählte Kommunen insbesondere in der Region München und im Münchner Umland durchaus zutrifft. Die große Mehrzahl der bayerischen Landkreise, Gemeinden und kreisfreien Städte dagegen befindet sich in einer außerordentlich schlechten finanziellen Lage. Einem Stadtkämmerer in Hof nützt es gar nichts, wenn in anderen bayerischen Städten oder Gemeinden Kollegen von ihm Hundertmarkscheine oder jetzt Hundert-euroscheine an die Bürgerinnen und Bürger zurückgeben können.

Die von Ihnen vorgenommene Geißelung der Gewerbesteuerausfälle bei den bayerischen Kommunen war zu erwarten. Von Ehrlichkeit waren diese Worte aber nicht geprägt. Was hindert Sie, Herr Staatsminister, das Geld,

das Sie über die Umlage erhalten, auch wieder den Kommunen zurückzugeben? Keine Macht der Welt hindert Sie daran.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir werden heute einen entsprechenden Antrag vorlegen. Der Löwenanteil dieses Betrages verbleibt ja nicht in der Bundeskasse, sondern im bayerischen Staatshaushalt, beim bayerischen Finanzminister. Wenn Sie es wirklich ehrlich meinen, dann geben Sie das Geld, welches den Kommunen zusteht, diesen im Haushaltsvollzug zurück. Damit können Sie Taten vollbringen und nicht nur Worte gegen Berlin formulieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie wissen, dass es in vielen Bereichen des Freistaates bei der Finanzierung der bayerischen Kommunen Defizite gibt. Ich finde es ausgesprochen mutig, dass Sie es schon als Erfolg anpreisen, dass Sie 60% der Kosten der Schülerbeförderung tragen. Das lässt ja überhaupt keine Hoffnung auf Besserung mehr zu. Ursprünglich waren es 80%, jetzt werden schon 60% als Erfolg verkauft. Letztlich ist die Schülerbeförderung eine staatliche Aufgabe. Dass staatliche Aufgaben in Bayern nur noch zu 60% vom Staat finanziert werden, ist für die SPD nicht hinnehmbar. Wir bleiben bei unserer Forderung nach mindestens 80%.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben aber auch insgesamt eine Verschlechterung in den Finanzbeziehungen zwischen dem Freistaat Bayern und den Kommunen zu beklagen. Ihr Parteifreund, der Präsident des Bayerischen Städtetages Josef Deimer, weist darauf hin, dass das Kinderbetreuungskonzept der Staatsregierung die bayerischen Kommunen über 300 Millionen e kosten wird. Sie können Ihren Anteil als Freistaat zum Teil aus Privatisierungserlösen bezahlen. Die Städte und Gemeinden sind dagegen auf laufende Einnahmen angewiesen. Kaum ein Kämmerer in Bayern weiß heute, wo er das Geld dafür hernehmen soll. Eine ähnliche Situation haben wir bei der Abwasserentsorgung und der Trinkwasserversorgung. Bei den bereits bewilligten, aber noch nicht ausbezahlten Zuschüssen hat sich ein Stau in Milliardenhöhe aufgebaut. Die Finanzierungslast liegt bei den Gemeinden. Sie kennen die dramatischen Zahlen. Darüber müssen wir uns unterhalten. Hier sollten Sie mit dem Abbau beginnen statt immer nur Forderungen nach Berlin zu schicken.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Minister, ein Blick auf die Schulden zeigt eindrucksvoll die Entwicklung der kommunalen Finanzen. Während die Staatsverschuldung im Freistaat Bayern in den Jahren 1988 bis 1998 um 17% anstieg, wuchsen die kommunalen Schulden im gleichen Zeitraum um 57%. Das bedeutet, die kommunalen Schulden in Bayern wachsen dreimal so stark wie die des Freistaates. Sie betreiben im Freistaat eine Sanierungspolitik auf Kosten Dritter, nämlich auf Kosten der bayerischen Städte und

Gemeinden. Deshalb verstehen es die bayerischen Städte und Gemeinden auch als eine Art Drohung, wenn Sie bereits jetzt das Ziel eines ausgeglichenen bayerischen Staatshaushaltes vorgeben. Wir wissen genau, dass die Entschuldungspolitik des Freistaates sich weiter zulasten der Kommunen auswirken wird, wenn Sie sich nicht gleichzeitig für die Aufnahme des Konnexitätsprinzips verbürgen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Auch Sie haben sich mit dem Konnexitätsprinzip beschäftigt, Herr Staatsminister. Letztlich wollten Sie aber wieder nichts davon wissen. Deswegen haben Sie eine Aufnahme dieses Prinzips in die Verfassung nicht in Aussicht gestellt. Der Deutsche Juristentag hat bereits vor vielen Jahren eine wunderbare Formulierung für die Bayerische Verfassung vorgeschlagen. Der damalige Vorschlag lautete:

Den Gemeinden und Gemeindeverbänden kann durch Gesetz die Erledigung von Aufgaben übertragen werden. Dabei sind Bestimmungen über die Deckung von Kosten zu treffen. Führen diese Aufgaben zu einer Belastung der Gemeinden und Gemeindeverbände, so ist ein entsprechender finanzieller Ausgleich zu schaffen.

Zu gut Deutsch: Wer anschafft, der muss auch bezahlen. Das ist ein vernünftiger Grundsatz für das allgemeine Leben, der aber auch das Verhältnis zwischen Staat und Kommunen in Bayern bestimmen sollte. Die vier kommunalen Spitzenverbände fordern seit Jahren die Aufnahme dieser Formulierung in die Verfassung. Wir bieten wiederholt an, einen Einstieg in die notwendige Verfassungsverankerung durch eine Änderung unserer Gemeindeordnung, unserer Landkreisordnung und unserer Bezirksordnung auf den Weg zu bringen.

Bislang und leider auch in Ihrer heutigen Rede, Herr Minister Dr. Beckstein, gab es kein Signal, dass man etwas für unsere bayerischen Kommunen tun könnte.

(Beifall bei der SPD)

Sie waren auch so mutig, Ihre Initiative „bayerische Innenstädte – unverwechselbar, attraktiv und lebenswert“ anzuführen. Über das Attribut „unverwechselbar“ lässt sich nicht streiten. Ob unsere Innenstädte bei Ihrer Regional- und Landesentwicklungspolitik auf Dauer attraktiv und lebenswert bleiben, das bezweifle ich. Die Zustimmung der Staatsregierung zu Factory-Outlet-Centern ist ein Sündenfall, ein Nachgeben auf Kosten unserer Innenstädte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Darüber wäre ein Wort des Kommunalministers angebracht gewesen. Hierzu sagten Sie keine Silbe.

Herr Staatsminister, Sie verstehen sich als Kommunalminister im Kabinett. Kämpfen Sie darum, dass dieser Beschluss rückgängig gemacht wird, damit in Bayern Innenstädte weiterhin eine Chance haben. Unter Beibehaltung der jetzigen Politik haben Sie auf Dauer keine.

(Beifall bei der SPD)

Ein besonderes Armutszeugnis stellen für mich Ihre heutigen Darlegungen in der Diskussion zur Bildungspolitik und zur bedarfsgerechten Ganztagsschule dar. Ich darf aus einer Erklärung des Bayerischen Städtetags zitieren: