Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 80. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.
Am 11. Januar verstarb die ehemalige Abgeordnete Gudila Freifrau von Pölnitz im Alter von 88 Jahren. Sie gehörte dem Bayerischen Landtag von 1970 bis 1982 an und vertrat für die Fraktion der CSU den Stimmkreis Forchheim. Ihre aufrichtige, selbstlose Art und ihr hoher Sachverstand machten Gudila Freifrau von Pölnitz zu einer über die Fraktionsgrenzen hinweg hoch geschätzten und anerkannten Kollegin. Über zehn Jahre lang war sie Mitglied im Ausschuss für Sozial- und Gesundheitspolitik. Neben ihrer landespolitischen Arbeit galt ihr besonderes Engagement der Pflege und dem Erhalt ihrer Wahlheimat, der Fränkischen Schweiz. Ihr langjähriges Wirken für das öffentliche Wohl war vorbildlich. Ihre Verdienste wurden zu Lebzeiten mit zahlreichen Auszeichnungen gewürdigt.
Der Bayerische Landtag wird der Verstorbenen ein ehrendes Gedenken wahren. Sie haben sich zu Ehren der Toten von Ihren Plätzen erhoben, ich danke Ihnen.
Ich darf noch einige Glückwünsche aussprechen: Einen runden Geburtstag konnte am 27. Dezember Kollege Dietmar Franzke begehen. Halbrunde Geburtstage feierten am 19. Dezember Frau Kollegin Dr. Hildegard Kronawitter sowie Herr Kollege Hermann Geiger, am 22. Dezember Kollege Willi Müller und am 5. Januar Herr Kollege Dr. Markus Söder. Ich gratuliere den Genannten im Namen des Hohen Hauses und persönlich sehr herzlich und wünsche ihnen alles Gute, besonders Gesundheit und Erfolg bei ihrer parlamentarischen Tätigkeit.
Vorgestern war der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Dieser Tag muss auch uns beschäftigen. Meine Damen und Herren! Was Menschen ihren Mitmenschen an Leid und Grausamkeit zufügen können, ist tief im kollektiven Gedächtnis der deutschen Geschichte verankert. Der 27. Januar, der Tag, an dem vor 57 Jahren das Vernichtungslager Auschwitz befreit wurde, ist eine solche bleibende Erinnerung. Wir gedenken dieses Ereignisses in Demut vor den Opfern, aber auch in Dankbarkeit gegenüber den Überlebenden.
Eine weitere Botschaft des 27. Januar, den der frühere Bundespräsident Roman Herzog zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus erklärt hat, lautet: „Zur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit gehört ebenso wie das kollektive Gedenken die individuelle Erinnerung.“
Bayerischer Landtag und Bayerische Staatsregierung unterstützen ganz bewusst die Erinnerungsarbeit, insbesondere der KZ-Gedenkstätten Dachau und Flossenbürg, der „Dokumentation Obersalzberg“ und des „Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände“ in Nürnberg. Vor wenigen Tagen wurde im Ausschuss für Hochschule, Forschung und Kultur ein Antrag gemeinsam von den drei Fraktionen beschlossen, mit dem die Weichen für ein geplantes Dokumentationszentrum über die NSZeit in München als „Hauptstadt der Bewegung“ gestellt werden. Diese und andere Gedenkstätten sind im eigentlichen Sinne des Wortes Mahnmale, die dauerhafte Zeichen gegen das Vergessen setzen.
Wir leben heute in einer Zeit des Übergangs von der Erinnerung an Selbst-Erlebtes zur Erinnerung an VonAnderen-Mitgeteiltes. Die weit überwiegende Mehrheit der Deutschen kennt den Nationalsozialismus und seine Verbrechen nicht mehr aus eigener Anschauung. Mit jedem Jahr nimmt die Zahl derer ab, die Zeugen und Opfer nationalsozialistischer Verbrechen waren und mit Narben und bedrückenden Erinnerungen überlebt haben. Zu ihnen zählte auch der Präsident des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, Herr Dr. Simon Snopkowski, der vor einigen Wochen verstorben ist. Er und andere Gleichgesinnte, die den Leidensweg durch die Konzentrationslager gegangen sind, haben nach dem Ende der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft tatkräftig und entschlossen beim Aufbau der jüdischen Gemeinden in Bayern mitgeholfen. In seinem autobiografischen Werk „Zuversicht trotz allem – Erinnerungen eines Überlebenden in Deutschland“ schreibt er: „Ohne Vision von einer anderen Zukunft hätte ich im KZ nicht überlebt, und ohne die Vision von einem Leben im Land der Täter hätte ich die mir gesteckten Ziele nicht erreicht.“
Diese Vision begann vor 55 Jahren Wirklichkeit zu werden, als die Mütter und Väter der Bayerischen Verfassung einen Neuanfang gewagt und die Grundlagen für ein demokratisches, rechtsstaatliches und sozial verantwortetes Gemeinwesen gelegt haben. In unmissverständlicher Abkehr von der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft wurde der neue Staat auf einem festen Wertefundament aufgebaut: auf der Achtung vor der Würde des Menschen, auf der Freiheit, der Solidarität und der Verantwortung des Einzelnen für das Gemeinwohl. Diese Tugenden entstehen und bestehen nicht von selbst, sondern sie brauchen Menschen, die sich Tag für Tag darum bemühen und die den kommenden Generationen ein Vorbild geben.
Darin liegt der tiefere Sinn des „Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus“. Er soll uns aufrütteln, aus dem Geschehenen Lehren für die Gestaltung des Heute und für die Sorge um das Morgen zu ziehen.
Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, sich zum ehrenden Gedenken an alle Menschen, die dem Terror und der Barberei der Nationalsozialisten zum Opfer gefallen sind, von Ihren Plätzen zu erheben.
Für die heutige Sitzung ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorschlagsberechtigt. Sie hat zum Thema „Bayern: BSE-Land Nummer 1 – Konsequenzen aus dem Labor-Skandal“ eine Aktuelle Stunde beantragt.
Ministerverantwortung für die ungenügende Überwachung von BSE-Testlabors in Bayern (Drucksa- che 14/8541)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Christine Stahl, Dr. Dürr, Elisabeth Köhler und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Loscher-Frühwald, Kobler und anderer und Fraktion (CSU)
In der Aktuellen Stunde dürfen – wie Sie wissen – die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Auf Wunsch einer Fraktion kann einer ihrer Redner zehn Minuten reden. Dies wird dann auf die Gesamtredezeit der jeweiligen Fraktion angerechnet. Wenn ein Mitglied der Staatsregierung kraft seines Amtes das Wort nimmt, wird die Zeit seiner Rede nicht mitgerechnet. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das Wort für mehr als zehn Minuten, erhält auf Antrag einer Fraktion eines ihrer Mitglieder Gelegenheit, fünf Minuten ohne Anrechnung auf die Zeit der Aussprache zu sprechen. Ich bitte Sie, jeweils auf mein Signal zu achten.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bayern ist und bleibt das BSE-Bundesland Nummer 1. In Bayern gibt es seit jeher mit Abstand die meisten BSE-Fälle, und jetzt gibt es in Bayern den ersten großen BSE-Skandal seit der Krise im letzten Jahr.
Unter den Augen der Bayerischen Staatsregierung wird das Vertrauen mit einem Schlag wieder verspielt, das
Ihr Ministerium in Bayern dagegen, das nur für Verbraucherschutz und Kontrolle gegründet wurde, hat genau diesen Zweck nicht erfüllt.
Fehlendes Vertrauen ist ein knallharter Wirtschaftsfaktor. Es bedeutet Kosten und Markteinbrüche. Es geht um Hunderte von Millionen. Der Hauptkunde Südfleisch soll vor dem Bankrott stehen. Es geht nicht nur um die Existenz der bayerischen Bauern und unserer Fleischindustrie, sondern der ganze Exportmarkt steht auf dem Spiel. Der Transport nach Nordkorea musste gestoppt werden. Das ist ein abschreckendes Signal für die ganze Welt.
Herr Minister, Sie haben erklärt, dass das von dem Skandallabor getestete Fleisch nicht verkehrsfähig sei. Ich frage: Warum handelt Ihre Verwaltung noch immer nicht? Ziehen Sie endlich das Fleisch aus dem Verkehr!
Herr Minister Sinner, Sie haben zwar viel versprochen, Ihre erste große Bewährungsprobe aber haben Sie nicht bestanden.
Sie haben versagt, weil Ihre Kontrollstrukturen den Skandal möglich gemacht haben und weil Sie allzu lange keine Konsequenzen gezogen haben. Sie haben versagt, weil Sie, wie andere Katastrophenminister vor Ihnen, sofort eine Gefährdung der Verbraucherinnen und Verbraucher ausgeschlossen haben, bevor Sie überhaupt wussten, was los war. Wieder hat die Staatsregierung den Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie den Bauern eine Sicherheit vorgegaukelt, die es nicht gab.
Und wieder sollen die Verbraucherinnen und Verbraucher und die Bauern dafür bezahlen, was andere, nämlich Sie, Herr Minister, verschlampt und versäumt haben.
Der Herr Ministerpräsident Dr. Stoiber hat gerade den Saal verlassen. Er hat auf der Grünen Woche erklärt: Die Bauern sind Opfer der BSE-Krise und nicht Täter. Mit solchen Binsenweisheiten will er Propaganda machen. Er sollte lieber einmal öffentlich sagen, wer die Täter sind.
Das Gleiche gilt auch für den Bauernverband. Er war es wiederum, der sich heute – wie damals bei der BSEKrise – erneut gegen die höheren Sicherheitsstandards wehrte. Er war dagegen, dass die Labore aufwendige Zertifizierungsverfahren durchführen mussten. Wieder einmal lassen Staatsregierung und Bauernverband die Verbraucherinnen und Verbraucher und die Bauern im Regen stehen.
Für die Öffentlichkeit ist klar, wer die Täter sind und wer die Untätigen. Herr Minister Sinner, die Frage, die uns alle bewegt, lautet: Wie konnte ein Labor so lange illegal arbeiten? Amtliche Tierärzte, so haben Sie erklärt, hätten davon gewusst. Warum haben Sie nicht gehandelt? Es geht um eine Unmenge von Unregelmäßigkeiten in großem Maßstab und über einen langen Zeitraum hinweg. Drastische Mängel gab es sowohl in den Filialen als auch in der Zentrale. Überall fand man Hinweise auf die Überforderung des Personals bzw. auf eine nicht ausreichende Anleitung und Überwachung. Soll das alles niemandem aufgefallen sein, obwohl das Passauer Labor mehrfach angemahnt worden war, schon im Januar letzten Jahres und erneut im März?