Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Die SPD fordert die Staatsregierung und das Hohe Haus auf, den Beschluss des Ministerrats zu den Factory-Outlet-Centers vom 20. November dieses Jahres rückgängig zu machen und damit ein klares Ja zum Beschluss vom 24.03.1998 und ein klares Nein zu FOCs in Bayern zu sagen. Insbesondere wollen wir die Planungen der Regierung von Oberbayern auf Eis legen. Für die SPD-Fraktion beantrage ich zum Antrag auf Drucksache 14/8255 namentliche Abstimmung.
Während der bayerische Staatssekretär des Innern in Berlin vor dem Einzelhandelsverband lauthals den Verfall der Attraktivität der Innenstädte beklagte, machte die Bayerische Staatsregierung in München den Weg frei für FOCs im Bayernland.
Einzelhandel und zum Mittelstand. Sie lassen Einzelhandel und Mittelstand bei Ihren Sonntagsreden immer hochleben. Wir fordern nicht nur ein klares Bekenntnis zum Einzelhandel und zum Mittelstand, sondern auch eine Entscheidung für den Erhalt der Attraktivität unserer Innenstädte.
Das Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen hat im Bericht über die Möglichkeiten der landesplanerischen Einflussnahme auf Einzelhandelsgroßprojekte im Februar 1998 ausgeführt, dass solchen neuen Megaeinkaufsformen grundsätzlich entgegenzutreten ist und dass solche neuen Megaeinkaufsformen grundsätzlich abzulehnen sind, da damit gesunde und leistungsfähige Strukturen zerstört werden, wohnortnahe Ausbildungs- und Arbeitsplätze im Handel vernichtet werden, Einkaufsmöglichkeiten für mobilitätsbehinderte Menschen verloren gehen, die Lebensfähigkeit vieler Städte und Märkte in Gefahr gerät und ganz offensichtlich auch noch negative Auswirkungen auf die Umwelt entstehen, wie Ressourcenverbrauch und zusätzlicher Verkehr.
Was hat sich seit damals geändert? – Sagen Sie uns das heute einmal. Vielleicht können wir das dann nachvollziehen, wir verstehen es nicht. An diesen Entwicklungen hat sich nichts verändert.
Gegenüber der Situation der Beschlussfassung vom 24. März 1998 haben sich Entwicklungen ergeben, die eine erneute Überprüfung der Rahmenbedingungen und der ordnungspolitischen Entscheidungen notwendig machen.
Man höre und staune. Wir wollen hören, welche Entwicklungen dies sind. Sagen Sie doch bitte einmal, was das Wort „Überprüfung“ in dem Satz bedeuten soll. Das ist überhaupt nicht glaubwürdig. Am 20. November hat der Ministerrat bereits beschlossen, ein FOC in Ingolstadt zu genehmigen. Der Beschluss steht. Warum soll dann noch etwas überprüft werden? Erst fasst der Ministerrat den Beschluss, und dann erfolgt die Teilfortschreibung eines Landesentwicklungsprogramms. Was soll das? Was ist das für eine Politik?
Wir erleben das regelmäßig, und das ist typisch für Sie: Bevor Sie sich mit den Beteiligten und mit den Betroffenen darüber unterhalten, bevor sich der Bayerische Landtag mit dieser Materie beschäftigt und darüber diskutiert, wollen Sie wieder vollendete Tatsachen schaffen. Das Beispiel Ingolstadt zeigt dies eindeutig auf. Sie wollen vollendete Tatsachen schaffen.
Die CSU ist dabei nicht besser als der Ministerrat. Auch Sie haben sich bereits eindeutig festgelegt. Warum
etwas überprüfen? – Sie haben sich eindeutig festgelegt. Im ersten Spiegelstrich der Ziffer 3 Ihres heute vorgelegten Dringlichkeitsantrages heißt es, Einzelhandelsgroßprojekte und Factory-Outlet-Center seien gleichen Maßstäben zu unterwerfen, und es dürfe keine Bevorzugung von FOCs erfolgen.
Das ist ein klares Ja zu FOCs. Hier ist nicht von einer Überprüfung die Rede, hier ist nicht von der Ausnahme Ingolstadt die Rede. Noch vor wenigen Tagen und Wochen haben Sie überall in Bayern die Gefährdung der zentralen Funktion der Innenstädte als Versorgungsund Handelsschwerpunkte durch die Entstehung von FOCs beklagt. Jetzt stimmen Sie für FOCs. Gestern loben Sie noch den Einzelhandel und den Mittelstand über den grünen Klee, heute lassen Sie die Entstehung von FOCs auf der grünen Wiese zu. Das ist keine glaubwürdige Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU. Das heutige Abstimmungsergebnis werden wir im Land verbreiten.
(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abge- ordneten Willi Müller (CSU))
Mit der Entscheidung der Bayerischen Staatsregierung, dem seit Jahren umstrittenen Factory-Outlet-Center in Ingolstadt Genehmigung zu erteilen, haben Sie, meine Damen und Herren von der CSU, hat der Ministerrat dem bayerischen Einzelhandel und vielen bayerischen Kommunen de facto den Todesstoß versetzt. Sie werden sehen, dass aufgrund dieser Entscheidung viele Anträge von Projektentwicklern gestellt werden, die auch ein FOC errichten wollen. Ich bin gespannt, wie Sie die angebliche Ausnahme Ingolstadt begründen wollen, was Sie den anderen Projektentwicklern erzählen wollen, wenn derartige Anträge auf dem Tisch liegen.
Schnäppchenbranche zieht es zur Donau. Nachdem die Staatsregierung in Ingolstadt klein beigegeben hat, bahnt sich in Schwaben die nächste Kraftprobe um ein großes Fabrikverkaufszentrum Legoland an.
Es zeichnet sich ab: Der von Ministerpräsident Stoiber erklärte Ausnahmefall Ingolstadt wird ganz schnell zur Regel in Bayern mit allen Folgen und Konsequenzen, gerade für den Einzelhandel und den Mittelstand.
Wir von der SPD sagen ein klares Nein zu den FOCs. Es hat sich nichts geändert: Sie zerstören gesunde und leistungsfähige Strukturen, wohnortnahe Arbeits- und Ausbildungsplätze im Handel. Damit gehen Einkaufsmöglichkeiten für mobilitätsbehinderte Menschen verloren. Sie gefährden die Lebensfähigkeit vieler kleiner Städte und Märkte, und man muss den Umweltaspekt sehen: Auswirkungen auf die Umwelt und Ressourcenverbrauch.
Was die Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms Bayern, Fachziel Einzelhandelsgroßprojekte/
FOC betrifft, ist die von uns am 7. November eingeforderte und beantragte und in der letzten Woche im federführenden Ausschuss für Landesentwicklung und Umweltfragen beschlossene öffentliche Anhörung im Landtag als Entscheidungsgrundlage unerlässlich. Dazu werden Vertreter des gesamten bayerischen Einzelhandels, der kommunalen Spitzenverbände, der hauptsächlich betroffenen Städte und Gemeinden im Stadtumlandbereich, der Oberzentren und auch der Umweltverbände eingeladen. Wir müssen mit den Betroffenen und mit den Beteiligten diskutieren, bevor mit der Errichtung des FOC in Ingolstadt vollendete Tatsachen geschaffen werden.
Das Thema Einzelhandelsgroßprojekte ist unserer Meinung nach so sensibel und beeinflusst ganze Regionen so stark, dass wirklich ein abgewogenes Urteil und nicht ein Schnellschuss der Staatsregierung notwendig ist.
Warum greift die Staatsregierung mit ihrem Beschluss den notwendigen parlamentarischen Beratungen vor? Warum scheut sie die öffentliche Diskussion, die unserer Meinung nach unverzichtbar ist? Warum brät sie eine Extrawurst für das geplante FOC in Ingolstadt? – Wir sagen: Landesentwicklung fordert eine wirklich breite Basis und sollte nicht mit voreiligen Beschlüssen vom Ministerrat diktiert werden. Das lehnen wir ab.
Es ist erfreulich, dass sich die CSU unserem Antrag auf öffentliche Anhörung jetzt doch angeschlossen hat und sich ihn zu eigen macht. Die Anhörung sollte zunächst nicht stattfinden, sie wollten unseren Antrag erst ablehnen.
(Kaul (CSU): Das ist ein Unsinn! Ich schicke Ihnen einmal das Protokoll! – Hofmann (CSU): Das stand nie zur Debatte!)
Die CSU schreibt in ihrem Dringlichkeitsantrag: „Erst nach Auswertung dieser Anhörung kann die anstehende Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms erfolgen und ein entsprechender Vorschlag der Staatsregierung für die weiteren verfahrensrechtlichen Schritte vorgelegt werden.“
Sie schreiben es selbst: erst Anhörung, dann Teilfortschreibung. Somit liegt Ingolstadt erst einmal auf Eis.
Sie wollten die Anhörung gerne hinauszögern. Wir sagen: Dieses Thema muss zeitnah mit den Betroffenen und den Beteiligten diskutiert werden. Sie haben es sehr eilig mit dieser Teilfortschreibung. Herr Kollege Kaul, Sie wollten die Diskussion nach der Kommunalwahl. Das ist Ihr Anliegen. Wir werden die Diskussion schon vorher führen.
(Güller (SPD): Das ist geplante Wählertäuschung! – Lebhafter Widerspruch der Abgeordneten Kaul (CSU) und Hofmann (CSU))
Die Innenstädte und der Einzelhandel mussten bereits in den Neunzigerjahren einen hohen Tribut für die Entwicklung neuer Einkaufszentren und neuer Erlebniswelten zollen. Der Einzelhandel kann kaum mehr mithalten. Unsere Innenstädte dürfen aber nicht noch weiter ausbluten.
(Kaul (CSU): In der Fraktion sollten sich jeweils nur die zu Wort melden, die etwas zu dem Thema zu sagen haben!)
Deshalb brauchen wir einen intakten und starken Einzelhandel, der für die Lebendigkeit der Innenstädte sorgt. Ihr Beschluss ist Gift für die Zukunft unserer Städte.
Einen letzten Punkt möchte ich noch ansprechen, Kolleginnen und Kollegen. Sie beklagen sich ständig darüber, dass die Politik der Bundesregierung mittelstandsfeindlich sei.
Sie beklagen das, aber gerade Ihr Vorhaben schädigt die Struktur und die Vielfalt des Einzelhandels, welcher gerade in Bayern sehr mittelständisch geprägt ist.