Ich wollte eigentlich zunächst Herrn Professor Dr. Gantzer aufrufen, aber wenn Sie schon hier sind, Herr Kollege Dr. Hahnzog, darf ich Ihnen das Wort erteilen. Sie wollten keine persönliche Erklärung, sondern eine Erklärung zur Abstimmung nach § 139 Absatz 2 der Geschäftsordnung abgeben.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe den Gesetzentwurf zur nachträglichen Sicherungsverwahrung abgelehnt. Auch im Namen anderer aus meiner Fraktion erkläre ich hierzu:
Erstens. Uns liegt natürlich ebenso wie Ihnen daran, alles im Rechtsstaat nur Mögliche zu tun, um schlimmste Verbrechen insbesondere an Kindern zu vermeiden.
Zweitens. Dieses Gesetz ist dazu kein geeignetes Mittel. Es verbessert den Sicherheitszustand nicht. Namhafte
Drittens. So heißt es in einem ausführlichen Gutachten des renommierten Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg unter anderem zu dem fast wortgleichen baden-württembergischen Gesetz: „Seine Realisierung könnte sogar kontraproduktive Effekte haben. Zu befürchten ist eine Verschlechterung des Anstaltsklimas, eine Belegung von teuren Therapieplätzen durch nur scheinbar motivierte Gefangene.“
Viertens. Der Weiße Ring mit seiner sehr ausgeprägten Opferorientierung erhebt ebenfalls verfassungsrechtliche, insbesondere aber auch kriminologische Bedenken. Zitat: „Die so herbeigeführte Therapie“ – zwangsweise, weil negative Folgen zu befürchten sind – „führt letztlich nur zur Scheinanpassung und damit unter Umständen gerade bei besonders gefährlichen Tätern zur Fehleinschätzung bei bedingten Entlassungen.“ Mitverfasser sind unter anderem ein früherer Generalstaatsanwalt und der gerade beim bayerischen Justizministerium – Stiftung Ausgleich e. V. – hoch geschätzte Kriminologe Professor Dr. Schöch von der LMU in München.
Fünftens. Der Leiter der Justizvollzugsanstalt Bruchsal, die mit Straubing vergleichbar ist, weist darauf hin, dass generell das Behandlungsklima und damit die Erfolgsaussichten im Vollzug leiden werden.
Sechstens. Professor Dr. Nedopil von der Forensischen Psychiatrie der LMU in München hat vor einigen Wochen bei einem Hearing hier im Landtag erklärt, dieses Gesetz – das ist das eigentlich Tragische – werde keinen zusätzlichen Sicherheitsgewinn bringen.
Siebtens. Das Gesetz weist auch inhaltlich eklatante verfassungsrechtliche Mängel auf. Stichworte: Verhältnismäßigkeit, ne bis in idem und anderes. Da ich heute nur fünf Minuten Zeit habe, verweise ich insoweit auf das Protokoll des Ausschusses für Verfassungs-, Rechtsund Parlamentsfragen.
Achtens. Bei dieser Bewertung durch allseits anerkannte Experten ist die Drohung verschiedener CSU-Landtagsabgeordneter und des Herrn Staatssekretärs heute einfach infam. Sie behaupten, wer dem Gesetzentwurf nicht zustimmt, ist mitverantwortlich für künftige schlimme Verbrechen. Bei den vorliegenden Äußerungen von Sachverständigen könnten wir allerdings sagen, derjenige ist mitverantwortlich, der dieses Gesetz gemacht hat, weil wegen des gefährlichen Mechanismus, der eintreten wird, gefährliche Täter aus der Haft kommen. Ich wiederhole, Ihre Drohung ist infam und scheinheilig zugleich.
Als Natalie Astner vor einigen Jahren so schrecklich ermordet wurde, haben wir von der SPD nicht solche platten Vorwürfe erhoben, obwohl der Mörder vorzeitig aus dem bayerischen Strafvollzug entlassen wurde, und
dies mit dem Segen bayerischer Sachverständiger. Eine derartige politische Auseinandersetzung verstärkt nur Verbitterung und Trauer bei den unmittelbar betroffenen Angehörigen. An die sollten Sie auch denken, wenn Sie solche Äußerungen von sich geben.
Abschließend möchte ich feststellen: Absolute Sicherheit hat es nie gegeben und wird es nie geben. Es wäre wichtig, dass wir gerade in Bayern gemeinsam für eine bessere sachkundige Behandlung eintreten und die Grundlagen für eine fachgerechtere Beurteilung schaffen.
Für eine persönliche Bemerkung erteile ich Herrn Prof. Dr. Gantzer das Wort. Der Redner darf nur Angriffe zurückweisen, die in der Aussprache gegen ihn geführt wurden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Herr Staatssekretär hat behauptet, dass die SPD – wörtlich – solche Sextäter frei herumlaufen lassen möchte. Dieser Angriff richtet sich nicht nur gegen die SPD, sondern er geht auch gegen diejenigen in meiner Fraktion, die sich aus ihrem Gewissen heraus dazu entschieden haben, diesem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen. Ich stehe hinter diesem Gesetzentwurf, aber ich achte die Gewissensentscheidung, die meine Kolleginnen und Kollegen getroffen haben. Ich finde, es ist diesem Parlament nicht angemessen, dass jemand, der aus Gewissensgründen sagt, er kann diesem Gesetzentwurf aus bestimmten Gründen nicht zustimmen, angegriffen wird.
Ich selbst bin zwar nicht dieser Meinung, aber ich achte diese Entscheidung. Ich fühle mich angegriffen, wenn gesagt wird – das ist nicht gerügt worden –, die SPD lasse solche Sextäter frei herumlaufen.
Ich fühle mich auch deswegen angegriffen, weil zur gleichen Zeit, als wir über dieses Gesetz diskutiert haben, Italien verweigert hat, dass der EU-Haftbefehl auf die Tatbestände Kinder-Pornografie und Sexualstraftäter ausgedehnt wird. Diese sollen nicht mit einem EU-Haftbefehl verhaftet werden können. Gleichzeitig will man mir hier die Leviten lesen. Ich muss sagen: Das ist eine zwiespältige Argumentation.
Herr Prof. Dr. Gantzer, ich habe gesagt, es dürfen nur Angriffe zurückgewiesen werden, die gegen Sie persönlich geführt wurden. Sie haben sich jetzt mit anderen identifiziert, die angegriffen worden sind. Dadurch wird es kein Angriff, der gegen Sie geführt worden ist. Ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.
Herr Präsident, bei allem Respekt, den ich Ihnen gegenüber habe, aber ich bin immer noch Mitglied der SPD-Fraktion.
Ich habe mich durch die Aussage des Staatssekretärs als SPD-Mitglied angegriffen gefühlt. Sie haben das vielleicht nicht gerügt, weil Sie es nicht gehört haben. Ich bitte aber zur Kenntnis zu nehmen, dass ich mich dadurch angesprochen und angegriffen gefühlt habe. Deswegen habe ich mich zu Wort gemeldet.
Ich bitte Sie trotzdem, zur Sache zu kommen. Wir führen jetzt keine Diskussion. Wir müssten sonst in den Ältestenrat gehen.
Herr Präsident, ich bin schon am Ende. Ich wollte nur noch sagen, dass ich mich deswegen doppelt angegriffen fühle, weil ich nicht mag, dass die Staatsregierung Diskussionen auf zweierlei Art führt: Wenn es in der Öffentlichkeit um ihren Freund Berlusconi und um Kinder-Pornografie geht, dann sagt sie nichts und hier im Landtag will man uns abstrafen. Herr Präsident, so etwas sollten Sie nicht unterstützen.
Wir können jetzt, Herr Staatssekretär Regensburger, keine Erklärungen mehr abgeben, weil die Angriffe nicht „in der Aussprache“ geführt worden sind. Das war schon eine Erklärung zur Abstimmung.
Ich betone noch einmal – ich habe Ihnen genau zugehört; Herr Kollege Gantzer: Es dürfen nur persönliche Angriffe zurückgewiesen werden, die gegen Sie selbst geführt worden sind. Sie haben selbst gesagt, dass Sie für den Gesetzentwurf sind, aber Sie solidarisieren sich mit anderen, die wegen der Ablehnung dieses Entwurfs angegriffen worden sind. Es war also kein Angriff gegen Sie persönlich.
(Maget (SPD): Haben Sie das wirklich gesagt, Herr Staatssekretär? – Gegenruf des Staatssekretärs Regensburger (Innenministerium) – Maget (SPD): Ich frage nur, ob Sie das gesagt haben.)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Maget, Werner-Muggendorfer, Irlinger und anderer und Fraktion (SPD)
Ich eröffne die Aussprache. Jede Fraktion hat 15 Minuten Redezeit. Das Wort hat Herr Kollege Egleder.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ganz offensichtlich spricht die Bayerische Staatsregierung auch zu dem Punkt, über den wir uns jetzt unterhalten müssen, mit gespaltener Zunge. Auf der einen Seite wird sie nicht müde, die hohe Qualität – das haben wir heute Vormittag wieder erlebt – der Bildung in Bayern zu loben, man könnte schon fast sagen, zu beweihräuchern. Auf der anderen Seite schafft sie es, mit einer so genannten „Regelung zur Gruppenbildung“ bayernweit nochmals Lehrerstellen, diesmal beim Religionsunterricht, zu streichen.
Damit erhöht sie mit Ihrer Unterstützung, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU-Seite, den Druck, der jetzt schon im Religionsunterricht in Bayern besteht, noch einmal massiv. Sie alle wissen, wie die Situation ist. Geschätzt wird, dass flächendeckend etwa 5% des Religionsunterrichts von vornherein nicht gehalten werden kann. Sie wissen auch um die Situation der Religionspädagoginnen und -pädagogen, die teilweise acht bis neun Schulen an unterschiedlichen Schulorten zu betreuen haben. Nicht einmal jetzt, nach der Veröffentlichung der Pisa-Studie, zeigen Sie, dass sie bereit sind, auf diesem Weg der Stelleneinsparungen umzukehren.
Natürlich könnten Sie jetzt einwerfen, dass in der PisaStudie nicht explizit auf den Religionsunterricht eingegangen worden ist. Damit haben Sie recht. Die Studie zeigt aber ganz deutlich auf, dass es nicht nur bei den Kulturtechniken nötig ist, in Bayern mehr für die Bildung unserer jungen Leute zu tun. Um dem Mangel abzuhelfen, ist es auch notwendig, den Religionsunterricht zu stärken, anstatt ihn weiter zu schwächen, wie es hier geplant worden ist.
Dem Religionsunterricht kommt immer noch eine besondere Bedeutung in der Schulbildung unserer Kinder zu. Zunächst einmal darf ich hier in diesem Zusammenhang an die Verwirklichung des Verfassungsauftrages erinnern, der als oberste Bildungsziele Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen, Selbstbeherrschung, Verantwortungsgefühl und Hilfsbereitschaft vorsieht; ich muss hier nicht die Verfassung in vollem Umfang zitieren.
Wo kann das besser gemacht werden, als im Religionsunterricht? – Hier wird ganz besonders der friedliche Umgang mit Konflikten, das Wahrnehmen und Bestehen
lassen unterschiedlicher Meinungen, also buchstäblich Toleranz und Respekt voreinander erlernt und, wenn es die Gruppenstärken zulassen, eingeübt. In keinem anderen Fach werden in solchem Umfang unsere gesamtgesellschaftlichen Werte vermittelt wie im Religionsunterricht. Hier können Schülerinnen und Schüler diese Werte für sich entdecken, deren Bedeutung für sich und andere nachspüren und sich damit auseinandersetzen, sie hinterfragen und verstehen lernen.