Die GRÜNEN in Berlin haben es nachhaltig abgelehnt, irgendwelche Initiativen zur Gewerbesteuerumlage zu starten. Hier liegt auf Drucksache 14/7899 ein Antrag vor: „Die Staatsregierung wird aufgefordert, im Rahmen einer Bundesratsinitiative die Rücknahme der Steuersenkungsgesetze...“ und so weiter „... vorzunehmen“.
Dass wir dies hier aufdecken und anprangern, ist das eine. Aber ich will zum anderen hinzufügen: Im Grunde ist dies ein unglaublicher Affront gegen die Bürger. Der Bürger hat ein Anrecht auf die Wahrheit darüber, was eine Partei will, so oder so.
Es geht nicht, Frau Kellner, dass man in Berlin „Hü“ sagt und hier in Bayern „Hott“. Das ist ein Belügen der bayerischen Bürger.
Mit diesem Antrag haben Sie einen Fehler gemacht. Wir werden weiterhin deutlich machen, dass es mit dieser Zwiespältigkeit der Verhaltensweise nicht geht. Das ist eine systematische Anlügerei der Bürger.
Ich glaube, dass sich die Kommunen gerade nach ihren letzten Verhandlungen über den Nachtragshaushalt 2002 im Hinblick auf ihre finanzielle Behandlung sehr wohl beim Freistaat Bayern bedanken können; sie tun dies auch.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, wir haben den Kommunen jahrelang bei zunehmenden Haushalten mehr gegeben, als der jeweilige Haushalt insgesamt gestiegen ist. Dieses Mal erhöht sich der Nachtragshaushalt um 2,1%. Die Mittel für die Kommunen werden um 3,2% angehoben. Wir haben den Kommunen nicht nur zusätzliche Mittel gegeben; auch die bereinigten Landesleistungen umfassen in diesem Nachtragshaushalt zusätzlich 318 Millionen DM.
Mehr noch, das ist ganz entscheidend: Wir haben die Grenzlinie der Finanzierungszuständigkeit zwischen Kommunen und Land dramatisch verschoben. Ich habe in den Haushaltsverhandlungen den Kommunen zugestanden, dass ihnen, beginnend mit dem 1. Juli 2002, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz voll abgenommen werden. Ab diesem Zeitpunkt zahlt das Land alles. Das sind allein im nächsten Jahr für dieses halbe Jahr, Frau Kollegin Kellner, 70 Millionen DM. Wenn das im ganzen Jahr wirksam wird – und das wird auch wachsen, zumindest bei der Politik dieser Bundesregierung, die sagt: Leute kommt nur rein –, dann wird es nur teuerer. Im Jahr 2003 werden wir mehr als 140 Millionen DM bezahlen, und so wird es weitergehen. Das heißt, wir haben den Kommunen unabhängig von der punktuellen Verhandlung über den kommunalen Finanzausgleich dauerhaft eine zusätzliche Entlastung in der Größenordnung von 140 Millionen DM aufwärts gewährt. Das ist eine ungeheuere Zusage.
Sie haben gerade gesagt, das stimmt nicht, Herr Kollege Mehrlich. Darf ich fragen, was da nicht stimmt? Stehen Sie auf und sagen Sie, was da nicht stimmt!
(Beifall bei der CSU – Lachen bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frau Werner-Mug- gendorfer (SPD): Das ist lächerlich!)
Herr Mehrlich hat hier lautstark dazwischengerufen und behauptet, dass das, was ich zu den Zuständigkeitsabgrenzungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – 140 Millionen DM pro Jahr – dargelegt habe, nicht stimmt. Deshalb möchte ich ganz genau hören, wie er das begründet. Ich nehme an, dass er es schriftlich nachliefern wird.
Ich darf Ihnen noch einmal sagen, dass ich meinerseits sehr damit zufrieden bin, dass alle kommunalen Spitzenverbände dies anerkennen. Ich darf einen herausgreifen. In den Mitteilungen des Bayerischen Landkreistages vom Oktober 2001 sagt Präsident Zellner, ein herausragendes Ergebnis der Verhandlungen sei gewesen, dass der Freistaat Bayern ab 1. Juli 2002 die Aufgaben der Bezirke nach dem Asylbewerberleistungsgesetz voll übernimmt. Weiter hinten stellt Präsident Zellner zur Hochbauförderung fest, dass der Finanzausgleich 2002 schon jetzt als richtungsweisend angesehen werden kann. Ich lege hier die Zahlen nur ausschnittweise dar, aber die kommunalen Spitzenverbände erkennen die Leistungen des Freistaates Bayern für die Kommunen in vollem Umfang an – ein Lob, das man noch mit Vielem ergänzen könnte.
Meine Damen und Herren, ich wollte etwas zu den gegenwärtigen Gewerbesteuereinbrüchen sagen. Zwar ist die Gewerbesteuer eine Ertragsteuer, und deshalb reagiert sie sehr stark auf die Konjunktur. Genau das ist aber doch das Problem. Die Bundesregierung hat zur konjunkturellen Stabilität nichts beigetragen. Hätte sie im Jahr 2001 eine deutliche Steuerentlastung vorgenom
men, hätte sie damit die Konjunktur angeschoben. Nichts hat sie gemacht. Sie hat eine falsche Steuerreform – nur für die Großen – gemacht. Die eigentliche Entlastung der Kleineren erfolgt erst in den Jahren 2005 und 2006. Das ist der falsche Ansatz. Es sind keine konjunkturellen Maßnahmen ergriffen worden, und daher hat es keine Bewegungen gegeben. Wie Kollege Dinglreiter und andere Kollegen bereits dargelegt haben: Die Wirtschaftspolitik stimmt einfach nicht. Dafür ist die Bundesregierung verantwortlich. Deshalb ist die Bundesregierung auch dafür verantwortlich, dass die Kommunen in massiver Weise unter den konjunkturellen Einbrüchen leiden.
Natürlich gibt es strukturelle Effekte, aber es gibt noch ein zweites Problem. Die Globalisierung nimmt zu. Firmen wie E.ON, die weltweit einkaufen, können die Erträge an einem Ort mit Verlusten, die sie an einem anderen Ort erwirtschaften, verrechnen. Diese organschaftliche Verrechnungsmöglichkeit gab es früher schon. Sie hat sich aber quantitativ ausgeweitet, und das zum Nachteil unserer Kommunen. Obwohl die Bundesregierung diese Problematik erkannt hat, hat sie sie durch die Änderung des Körperschaftsteuersystems – und das ist mein Vorwurf – noch verschärft. Deshalb tritt jetzt im Jahr 2001 der sogenannte Vorzieheffekt ein. Die großen Unternehmen haben die Verlustverrechnung noch in diesem Jahr wahrgenommen oder sich von entsprechenden Betrieben getrennt. Im nächsten Jahr können sie diese Verrechnung nicht mehr vornehmen; denn wenn sie steuerfrei sind, können sie die Verluste logischerweise nicht mehr anrechnen.
Die Steuerfreiheit bei den Dividenden schlägt voll bei den Kommunen durch. Ein generelles Problem, das wir aufgrund der Globalisierung haben, ist durch die Steuerreform der Bundesregierung noch unnötig verschärft worden, und dies zu Lasten der Kommunen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich weiter etwas zur Gewerbesteuerumlage sagen. Herr Wahnschaffe – er ist jetzt nicht mehr da – sagte, die Länder hätten mit 16 : 0 Stimmen die Anhebung der Gewerbesteuerumlage beschlossen. Er hätte auch das Datum nennen müssen. Die Anhebung der Gewerbesteuerumlage war der rechnerische Ausgleich für die Entlastung der Kommunen durch die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage. Ein Gegenstand dieser Bemessungsgrundlage war die sogenannte AfA-Tabelle. Hier geht es schon um große Beträge. Allein die AfA-Tabelle führt bei den Kommunen zu Ausfällen von 94 Millionen DM im Jahr 2001, die bis zum Jahr 2005 auf 1,6 Milliarden DM anwachsen. Für diese Belastung und/oder Entlastung – je nachdem auf welcher Seite man steht – wurde die Umlage angehoben. Nachdem aber diese Verbreiterung der Bemessungsgrundlage ersatzlos gestrichen worden ist, wäre es ein Akt der Fairness und der Wahrheit gewesen, wenn die Bundesregierung die Umlage wieder abgesenkt hätte. Das hat sie aber nicht getan. Und deshalb sage auch ich: Die Bundesregierung betrügt die Kommunen durch solche Manöver. Das muss anders werden.
Meine Damen und Herren, ich will noch eine grundsätzliche Frage zur Gewerbesteuer aufwerfen. Sie ist schließlich die Substanz der Steuereinnahmen der Kom
munen. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Gewerbesteuer immer mehr zur Großbetriebsteuer geworden ist. Bei dem Forum Gewerbesteuer, das ich neulich einberufen habe, kam der Bürgermeister von Wasserburg zu mir und sagte, er habe 700 Betriebe, von denen 70 überhaupt Gewerbesteuer bezahlten, und sieben davon zahlten 90% des gesamten Gewerbesteueraufkommens. Das heisst, dass die Gewerbesteuer auf einer ganz schmalen Grundlage steht. Dieses Problem muss man erkennen, und deshalb muss über die Gewerbesteuer grundsätzlich diskutiert werden.
Herr Schieder hat in den Mittelpunkt seiner Ausführungen gestellt, dass die Gewerbekapitalsteuer von uns abgeschafft worden ist und wir daher Schuld an der Situation der Kommunen hätten. Ich glaube, dass wir sehr gut getan haben, die Gewerbekapitalsteuer als Substanzsteuer abzuschaffen. Das war ein großer Schritt in der Steuerreform. Die Kommunen sind dafür entschädigt worden durch 2,2 Prozentpunkte mehr bei der Mehrwertsteuer. Sie haben dadurch einen Anteil an einer sicheren und dynamisch wachsenden Steuer erhalten. Fragen Sie doch einen Bürgermeister oder Oberbürgermeister, ob er noch ins alte System zurück will. Er müsste verrückt sein, wenn er sagen würde, ja, ich will wieder die Gewerbekapitalsteuer. Sie bleiben alle brav bei der Mehrwertsteuer, weil sie damit gut mit einer entsprechend konstanten Steuer bedient worden sind.
Neben dem Problem, dass die Gewerbesteuer zu einer Großbetriebsteuer geworden ist, haben wir noch ein anderes Problem. Die Bundesregierung hat das System der Körperschaftsteuer verändert. Um die Personengesellschaften einigermaßen gleichzustellen, hat sie die Gewerbesteuer auf die Unternehmenseinkommensteuer, die für die Unternehmen die Einkommensteuer ist, angerechnet. Das heisst, dass die Gewerbesteuer nur noch eine Verrechnungseinheit ist. Deswegen müssen wir über die Gewerbesteuer diskutieren. Sie hat keine systematische Grundlage mehr. Ich habe beim Gewerbesteuerforum damit begonnen, ernsthaft über diese Fragen zu diskutieren. Die Bundesregierung hat in ihrer Koalitionsvereinbarung versprochen, dieses System zu ändern. Sie hat aber bis heute nichts getan. Wir tun etwas für die Kommunen, die Bundesregierung tut nichts.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nachdem die Staatsregierung die Redezeit überzogen hat, steht jeder Fraktion noch ein Redner mit je fünf Minuten Redezeit zu. Die SPD hat Herrn Kollegen Schieder gemeldet.
Werner Schieder (SPD) : Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass Sie sich über meinen Beitrag so freuen.
Ich finde diese Debatte wirklich sehr spannend. Lieber Herr Finanzminister, verehrter Herr Professor, ich frage
(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CSU: Die Wahr- heit! – Dr. Eykmann (CSU): Was erzählen Sie hier?)
Von einem Finanzminister, der zugleich Professor ist, müsste man doch erwarten, dass er sich erstens in diesen Fragen auskennt und zweitens über ein Mindestmaß an Seriosität bei der Darstellung dieser Fragen verfügt.
Das Problem mit der Gewerbekapitalsteuer habe ich vorhin schon thematisiert. Sie können es in Rechtsprechungen und Kommentierungen von Jahrzehnten nachlesen: Die Gewerbekapitalsteuer ist genau das Instrument, um für die Kommunen eine Stabilität der Gewerbesteuer unabhängig von den konjunkturellen Zyklen sicherzustellen. Das war der eigentliche Zweck der Gewerbekapitalsteuer. Sie aber haben das abgeschafft.
Ich habe Ihnen zugehört. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie so viel Fairness hätten, auch mir zuzuhören. – Sie sagen – und das stimmt –, dass jetzt nur noch 30% der Betriebe Gewerbesteuer zahlen. In den siebziger Jahren haben etwa 60% der Betriebe Gewerbesteuer gezahlt. Das waren manchmal auch minimale Beträge, aber für die Gemeinden war das ein merkliches Aufkommen. Wer hat denn die Gewerbesteuer während der achtziger und neunziger Jahre ausgedünnt? Wer hat denn die Gesetzgebung gemacht? – Das waren doch Sie!