Im Fußballbereich haben wir gar keine Internate, wie vorhin behauptet worden ist. Wir haben Partnerschulen des Leistungssports eingerichtet. Die jungen Menschen trainieren dort schon am Vormittag zwei Stunden und kommen dann erst um 10 oder halb elf Uhr in die Schule. Daraus ergibt sich logischerweise die Konsequenz, dass die Schule über den gesamten Tag einen wesentlich anderen Rhythmus haben muss, da die jungen Menschen am Nachmittag oder am Abend wieder trainieren. Die Nachwuchssportler haben keinen einfachen Stand. Teilweise gibt es auch Kinder mit besonderen Sprachproblemen, aber auch besonders Hochbegabte. Es geht nicht um Hochbegabte im Sinne, wie sie sonst diskutiert werden. Ich denke an ein Modell, das in Augsburg geschaffen wurde und das mehr Unterstützung benötigt. Es betrifft dort schwerpunktmäßig junge Aussiedlerkinder, die aus anderen Strukturen mit anderen schulischen Vorbedingungen kommen und kein Wort Deutsch sprechen, aber schulisch sehr begabt und sehr lerneifrig wären. Sie müssen innerhalb kürzester Zeit auf einen Sprachstand gebracht werden, der sie befähigt, auf ein Gymnasium oder eine Realschule gehen zu können. Wir möchten dieses gesamte Modell komplett ausbauen, so wie es sich die Augsburger selbst vorstellen, um diesen Jugendlichen dann die Möglichkeit zu geben, sich in Deutschland wirklich zu integrieren. Wir führen hier Integrationsmaßnahmen positivster Art durch, wie es andere Länder in dieser Form vielleicht auch tun sollten und tun könnten.
Wenn ich höre, was Sie im Rahmen einer Ganztagsschule möchten, dann entspricht dies exakt dem, was wir im Ganztagsangebot bereitstellen, aber nicht allein über Lehrer, sondern über unterschiedliches Personal, je nachdem, wie es vor Ort gebraucht wird, wie es vor Ort passt und wie es vor Ort entsprechend dem Bedarf eingerichtet werden kann. Ich habe den Eindruck, dass von
Ihnen eine Phantomdiskussion ideologischer Art geführt wird. Wir führen keine ideologische Diskussion mehr.
Wir erkennen den Bedarf an. Der Bedarf an Ganztagsangeboten ist vorhanden. Die Eltern möchten eine qualifizierte pädagogische Maßnahme. Wir werden diese qualifizierten pädagogischen Maßnahmen gemeinsam mit Schulen Kommunen, Eltern und dem Freistaat Bayern durchführen.
Frau Präsidentin, meine Kolleginnen und Kollegen! Frau Münzel hat gesagt, nicht einmal die Bildungspolitiker sprechen sich für die Ganztagsschule aus. Die Bildungspolitiker der CSU-Fraktion sprechen sich bewusst gegen die Einführung der flächendeckenden Ganztagsschule aus und wollen stattdessen einen Ausbau der Ganztagsbetreuungsangebote. Dies hat bestimmte Gründe, Frau Kollegin Münzel.
Zunächst einmal können wir damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf viel stärker fördern. Wir tragen der gewandelten Lebenssituation von Familien und allein Erziehenden Rechnung, und wir stellen für die Kinder ein qualitativ hochwertiges, pädagogisch wertvolles und zuverlässiges Förder- und Betreuungsangebot zur Verfügung. Jeder, der selbst Kinder hat, soll einmal die eigenen Kinder fragen,
Lieber Kollege Irlinger, die „Nürnberger Zeitung“ hat so toll formuliert: „Der offizielle Bildungsexperte der SPD“. Ich warte darauf, dass der „offizielle Bildungsexperte der SPD“ auch noch etwas dazu sagt. Nach einer Meldung des „Münchner Merkur“ ist er auf einer Pressekonferenz nach dem Motto verfahren: Die Ganztagsschule ist das Heil, sie wird hochgejubelt, während die Halbtagsschule das Schlechteste ist, zumindest schlecht geredet wird. Er hat Folgendes gesagt, und jeder soll nun einmal zuhören.
Ich spreche gerade vom „Münchner Merkur“, Frau Kollegin Stahl. Er hat gesagt, die Halbtagsschule könne dagegen Ursache für psychische Störungen, Verhaltensauffälligkeiten und Aggressionen sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wer so argumentiert, dass die Halbtagsschule an allem schuld sei und nur die Ganztagsschule der Stein der Weisen wäre, sollte sich einmal in die anderen europäischen Länder begeben und sich dort umschauen. Sie zitieren immer England und Frankreich. Schauen Sie sich einmal die dortige Entwicklung der Jugendkriminalität, der Aggression, der Gewaltbereitschaft, der Integration usw. an. Dieser Problematik kann nicht an der Frage Ganztagsschule oder Halbtagsschule aufgebaut werden. Für uns ist das Angebot der Betreuung und der Förderung von Kindern die richtige Antwort auf die Anforderungen in einem Flächenland wie Bayern.
Ich habe im Ausschuss bereits die Situation in meinem Landkreis geschildert. Er hat eine Flächenausdehnung von 70 km auf 40 km. Wenn wir dem Vorschlag der SPD nachkommen und in diesem Landkreis eine Ganztagsschule einrichten würden, könnte diese Schule nur sehr wenigen Schülern angeboten werden, es sei denn, wir nähmen in Kauf, dass wir die Kinder dieses Landkreises bis zu 40 km weit fahren lassen.
Frau Kollegin Radermacher, Sie haben gerade von Scheuklappen gesprochen. Ich weiß nicht, wer von uns die größeren Scheuklappen hat. Bei Scheuklappen sieht man noch ein bisschen durch. Sie aber sind scheinbar schon völlig blind und sehen überhaupt nicht mehr, was draußen passiert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden die Konzepte in Zusammenarbeit mit den Kommunen, den freien Trägern, den Eltern und den Schulen entwickeln. Wir wollen für jeden Ort ein spezielles Angebot, das sich nach den Bedürfnissen der Kinder, der Familien und der allein Erziehenden richtet. Frau Staatsministerin Hohlmeier hat gerade auf die Begriffsverwirrung hingewiesen. Ich möchte Ihnen deshalb ein Zitat vorlesen, aus dem hervorgeht, was in den anderen Bundesländern unter einer Ganztagsschule verstanden wird:
Die ganztägige öffentliche Schule soll eine offene Schule sein. Deshalb sind wir für die Einbeziehung von Vereinen, von Musik– und Kunstschulen, von weiteren Bildungsträgern, von Handwerkern, von Künstlern, von Studierenden, von Schulsozialarbeit, von Jugendhilfe, von Eltern und Senioren, von Patenschaften und anderen Formen der Mitgestaltung im Rahmen von Nachmittagsangeboten.
Genau dies werden wir tun. Dies ist ein Konzept zur Förderung und zur Betreuung von Kindern vor Ort. Wir setzen nicht, wie die SPD, auf die Ganztagsschule.
Zum Schluss möchte ich Folgendes sagen: Wer auf die SPD setzt – nicht nur, aber vor allem in der Bildungspolitik –, setzt aufs falsche Pferd. Das hat die Vergangenheit gezeigt. Die SPD war die letzte Partei, die von der Gesamtschule Abschied genommen hat.
Auch bei der Orientierungsstufe und bei der Einführung der R 6 war die SPD die letzte Partei, die die Vorteile erkannt hat. Bei der Ganztagsschule wird es genauso sein. Wer auf die SPD setzt, setzt auf das falsche Pferd.
(Beifall bei der CSU – Irlinger (SPD): Ihr macht immer zehn Jahre später das, was wir jetzt wollen!)
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte jetzt wieder auf die Tatsachen zurückkommen. Bayern sieht sich in verschiedenen Politikfeldern auf Spitzenplätzen im nationalen und internationalen Vergleich.
Beim Thema „Ganztagsschule“ nimmt Bayern jedoch den Spitzenplatz in der Rangliste der Verweigerer und der Verlierer bezüglich dieser Schulform ein, die übrigens in den meisten anderen Bundesländern bereits Alltag ist. Daran ändern auch die Ausführungen der Kultusministerin nichts. Die anderen Länder sind uns meilenweit voraus. Nordrhein-Westfalen hat über 600 Ganztagsschulen. Das bedeutet, jede zehnte Schule ist dort eine Ganztagsschule. Brandenburg hat 90, Baden-Württemberg 243 und Niedersachsen 130 Ganztagsschulen. In den nächsten Jahren werden in Niedersachsen 140 weitere Ganztagsschulen folgen. In Rheinland-Pfalz gibt es derzeit 110 Ganztagsschulen, und dort wird dieses Angebot durch einen finanziellen Kraftakt bald um 300 erweitert. Über diese Zahlen müssen wir uns überhaupt nicht streiten.
Bayern hat demgegenüber gerade einmal drei staatliche Ganztagsschulen bei einer Gesamtzahl von 5384 Schulen. Der Anteil der Ganztagsschulen an den Schulen insgesamt beträgt somit – man mag es kaum erwähnen – gerade einmal ein halbes Promille. Und Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, verweigern sich aufgrund Ihrer rückwärts gewandten familienpolitischen Ideologie standhaft einem Aufbruch in die bildungspolitische Moderne.
In unseren Augen ist dies die eigentliche Blamage, ja der Offenbarungseid der bayerischen Bildungspolitik.
Der beste Beweis dafür ist das von Ihnen im Kloster Banz verabschiedete Papier „Familien stärken, nicht ersetzen“, aus dem deutlich hervorgeht, wohin es in der
Bildungspolitik in Zukunft gehen soll. Wir sehen darin einen bedauerlichen Rückschritt in die alte ideologische Diskussion, ob der Staat mehr bildungspolitische Verantwortung übernehmen soll. Sie verneinen das. Außerdem ist dieses Papier eine schallende Ohrfeige für die Kultusministerin, die bereits zaghaft den Aufbruch in die schulpolitische Moderne gewagt hatte.
Wochenlange Ankündigungen zum Einstieg in das System „Ganztagsschule“ geraten durch Ihren Widerspruch zur Farce. Dieser kräftige Tritt ans Schienbein der Ministerin zeigt, welchen Stellenwert die Bildungspolitik in Ihrer Partei offensichtlich hat. Ich bin der Auffassung, die Ganztagsschule in Bayern wird zwischen der mangelnden Bereitschaft, Geld zu investieren und einer überholten konservativen Familienideologie zerrieben. Das haben die bayerischen Schülerinnen und Schüler, die Lehrerinnen und Lehrer und die Eltern, die sich seit Jahren Gedanken über eine zukunftsfähige Schule machen, nicht verdient.
Sie wollen den Menschen Betreuung als Pädagogik verkaufen. Wir meinen, Ganztagsschulen sind etwas anderes als Unterricht und Suppenausgabe mit anschließender Nachmittagsverwahrung. Die CSU setzt einseitig auf Betreuung nach Bedarf und verweigert damit den Kindern und Jugendlichen ein Schulangebot, das die Verbesserung der Qualität von Schule vorsieht. Mit unserem Dringlichkeitsantrag „Vorrang für Bildung – Ganztagsschulen in ganz Bayern“ haben wir nicht nur finanzielle Vorschläge gemacht, sondern auch verdeutlicht, wie eine zeitgemäße Bildungspolitik auszusehen hat. Uns geht es dabei außer dem stufenweisen bedarfsdeckenden Einstieg in Ganztagsschulen um eine Qualitätsverbesserung des Unterrichts in den bayerischen Schulen sowie um eine verbesserte Unterrichtsversorgung der Schülerinnen und Schüler. Mit der Forderung nach Ganztagsschulen springen wir nicht auf den Zug auf, wie das Herr Kollege Unterländer gesagt hat, sondern erkennen die Zeichen der Zeit und bieten einer pluralen Gesellschaft plurale Bildungsangebote. Die Staatsregierung entzieht sich dagegen den Wünschen einer modernen Gesellschaft.
Wir wollen die Einrichtung sowohl gebundener als auch offener staatlicher Ganztagsschulen erreichen. Die Entscheidung darüber sollte in den jeweiligen Schulen gemeinsam mit allen Beteiligten getroffen werden. Herr Kollege Unterländer, gerade durch das pädagogische Konzept und das erweiterte Zeitbudget erhalten die Schülerinnen und Schüler bessere Möglichkeiten für eine individuelle Förderung und können daher weitaus bessere Abschlüsse erzielen. Unübersehbare Stärken der Ganztagsschule sind die neue Lern– und Lehrkultur, die flexible Unterrichtsgestaltung, die Vertiefung des Stoffes ohne Stress sowie die Förderung sozialer Kompetenzen und ein intensiveres Miteinander.
Im Zuge der aktuellen Diskussion um die innere Sicherheit sollten wir nicht allein auf den Ausbau kriminaltechnischer Möglichkeiten setzen, sondern auch auf die Prä
vention in Form von kulturellem Verständnis. Damit könnten wir zudem einen wichtigen Beitrag zur Integration leisten. Die intensivere Kommunikation an Ganztagsschulen und die dort bestehenden größeren Freiräume sind die beste Vorbeugung gegen Vorurteile und das Entstehen von Feindbildern.
Der Bedarf an Ganztagsschulen in Bayern steht außer Frage. Eine seriöse Umfrage des „Bayerischen Rundfunks“ unter Eltern hat eine Quote von 86% Befürwortung ermittelt. In Familien, in denen beide Eltern berufstätig sind, beträgt sie sogar über 90%. Nicht nur die SPD fordert Ganztagsschulen.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Frau Kollegin Goertz, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen. Ihre Redezeit ist bereits überschritten.
Im Gegenteil: Die Reihen der Unterstützer werden immer dichtet. Neben dem bayerischen Elternverband und den Lehrerverbänden sprechen sich auch der Bayerische Städte– und der Gemeindetag, der Schulleiter- sowie der Ganztagsschulverband und insbesondere die Wirtschaft eindeutig für ein bedarfsdeckendes Angebot an Ganztagsschulen aus. Liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, nachdem die Staatsregierung bereit ist, etliche Summen für den Ausbau der Betreuung einzusetzen, lassen Sie uns nun auch mit der Ganztagsschule beginnen, weil uns – und hier beziehe ich alle Kolleginnen und Kollegen des Hauses ein – für die Zukunft unserer Kinder nichts zu teuer sein darf.