Die Bundesregierung verhält sich nach wie vor in dieser Frage völlig stur und uneinsichtig und nimmt wirtschaftliche Zusammenhänge nicht zur Kenntnis.
Es ist erstaunlich, was hier der SPD-Landesvorsitzende sagt. Ich bin gespannt, was Sie später dazu sagen, ob Sie sich diesem Urteil anschließen. Dann hätten wir eine Gemeinsamkeit. Das wäre interessant.
Die Bundesregierung hat 1998 versprochen, dass sie die Ausgaben für Bildung und Forschung verdoppeln will. Was ist davon geblieben? – Nichts. Das wäre aber richtig gewesen. Im Übrigen steigen dafür die Steuereinnahmen zwischen 2001 und 2004 um 63 Milliarden DM. Das ist die Prognose des Bundesfinanzministers. Damit wird Wachstum nicht gefördert, sondern abgewürgt. Damit werden Wachstumskräfte geschwächt. Damit kann es nicht vorangehen.
Als fünfter Punkt kommt hinzu: Bei der vom gesamten nationalen und internationalen wirtschaftswissenschaftli
chen Sachverstand immer eindringlicher geforderten Flexibilisierung des deutschen Arbeitsmarktes ist Fehlanzeige zu melden. Reformen der Vorgängerregierung sind leider zurückgenommen worden. Hier hat man die Verbürokratisierung der Arbeitsbeziehungen weiter vorangetrieben. Ich nenne die Stichworte Rechtsanspruch auf Teilzeit, Einschränkung bei befristeten Arbeitsverhältnissen, Ausweitung der betrieblichen Mitbestimmung.
Alleine die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes kostet die deutsche Wirtschaft knapp 3 Milliarden DM. Ich zitiere einen politisch sicherlich Unverdächtigen aus der „Süddeutschen Zeitung“ vom 6. Juli 2001, Herr Hagelüken. Er beschreibt darin, wie Bundeskanzler Schröder reagieren könnte, wenn er die neuen Arbeitsmarktzahlen auf den Tisch bekommt:
Er liest sie. Sofort erkennt er, wie radikal ihm der Abbau der Arbeitslosigkeit misslungen ist. Saisonbereinigt nimmt die Zahl der Stellensuchenden schon seit Monaten zu. An seinen Erfolgen am Arbeitsmarkt wollte sich Schröder bei der nächsten Wahl messen lassen. Gerade scheitert sein wichtigstes Projekt. Im Film beschließt der Kanzler einen Kurswechsel. Natürlich kennt er die Grenzen staatlicher Macht und den großen Einfluss der Weltkonjunktur, der Notenbanker und der Tarifparteien. Doch Schauspieler Schröder will wenigstens leisten, was eine Regierung leisten kann. Er versucht, ein Bewusstsein zu etablieren, dass Arbeitslosigkeit kein normaler Zustand ist. Er prüft jede Gesetzesinitiative auf ihre Beschäftigungswirkung. Er plant gegen alle Besitzstandswahrer Maßnahmen, die die Lohnnebenkosten senken. Für Erwerbslose entwickelt er im Film finanzielle Anreize zur Arbeit und Sanktionen gegen örtliche Immobilität. Damit einfache Dienstleistungsjobs entstehen, fördert er einen Niedriglohnsektor.
Er durchforstet staatliche Tätigkeiten nach Bereichen, die Unternehmen im Wettbewerb besser und billiger anbieten. Dies sind nur die ersten Punkte einer langen Liste, die er aufschreibt. Schauspieler Schröder weiß, dass solche Veränderungen ihre volle Wirkung erst nach der Wahl entfalten. Es stört ihn nicht; denn er denkt über die Wahl hinaus. Er verkündet die ersten Maßnahmen, als am Donnerstag die schlechten Arbeitslosenzahlen bekannt werden. Diese Szene, so schreibt Hagelüken weiter, muss man sich vorstellen, weil in der Realität ein ganz anderer Film ablief. Am Donnerstag, als die Arbeitslosenzahlen bekannt wurden, war vom Kanzler zunächst einmal nichts zu hören. Minister Riester nannte die Arbeitsmarktdaten – man höre und staune – positive Meldungen. Staatssekretär Andres sprach von der Jobmaschine Deutschlands. Die Jobmaschine laufe, wenn auch etwas ruhiger. Gleichzeitig reduzierte der Weltwährungsfonds seine Konjunkturprognose für Deutschland zum wiederholten Mal und nicht vorübergehend.
So könnte es im Film sein und so ist es in der Realität. Ihre treuesten Anhänger bei linksliberalen Zeitungen
Die Bundesregierung hat keine Treibsätze gezündet, sondern Bremsen angezogen, und das mit Erfolg: Der Karren steht. Aus Hybres über die angeblich gelungene Steuerreform heraus war Rot-Grün der Auffassung, man könne die Volkswirtschaft mit allen rückwärts gewandten Themen überschütten, ohne Schaden anzurichten. Das ging natürlich nicht gut. Das Wachstumspotenzial, das in strukturellen Reformen steckt, wurde systematisch verschüttet. Dabei müsste man wissen, dass 1% Wachstum für den Staat 15 Milliarden DM mehr Einnahmen bedeuten. Mahnungen der OECD, der Weltbank und der EU, von wirtschaftswissenschaftlichen Sachverständigen und von der Bundesbank werden großzügig – um nicht zu sagen großspurig – ausgeschlagen. Deutschland spielt deswegen nicht den Motor in Europa, den die größte Wirtschaftsmacht eigentlich spielen müsste. Berlin sitzt im Bremserhäuschen und bewirbt sich um die Position des Schlusslichts in Europa, und wie es aussieht, mit vollem Erfolg. Im Vergleich der EU-Länder bei den Wachstumsraten – ich nehme die DIW-Prognose – ist Deutschland im Vergleich zu allen anderen Staaten das Schlusslicht. Der Wettbewerb um den letzten Platz ist für die Bundesrepublik erfolgreich beendet.
Nachdem wir 34% des Bruttoinlandprodukts im EuroRaum haben, muss man sich nicht wundern, wenn durch diese Entwicklung der Euro neue Tiefstände austestet. In den anderen Ländern in Europa und an den internationalen Kapitalmärkten sieht man als Hauptursache für die Entwicklung des Euro die deutsche Wirtschaftspolitik. Dies ist ein bedenkliches Zeichen. Es wird in Frankreich und anderen Ländern darüber diskutiert, dass Deutschland der Hauptverantwortliche ist, weil man sich zwar großspurig gibt, aber die notwendigen Entscheidungen nicht trifft.
In der Talfahrt des Euro steckt eine doppelte Gefahr: Erstens gaukelt sie uns eine Exportstärke vor, die wir tatsächlich nicht haben. Dies war bereits in den Jahren 1993/1994 so, als die europäische Währungsschlange explodiert ist. Damals waren wir plötzlich einer völlig anderen Wettbewerbssituation ausgesetzt, die zu massiven Rationalisierungen bei Zulieferern, in der Automobilindustrie, bei der Elektrotechnik, beim Maschinenbau, bei der Chemie und bei allen anderen Bereichen zu einer schlagartigen Entlassung von bis zu einer Million und mehr Leuten geführt hat, weil wir uns völlig anderen Wettbewerbsverhältnissen stellen mussten. Dies kann uns bei einem Zurückpendeln des Euro genauso passieren.
Zweitens. Im Zusammenspiel mit einer hohen Inflation werden durch diese Entwicklung die Möglichkeiten der EZB eingeschränkt, die Zinsen zu senken. Darum ist es geradezu unseriös, wenn die Bundesregierung die EZB auffordert, eine expansive Geldpolitik zu betreiben. Sie haben es ihr selbst unmöglich gemacht. Die Zusammenhänge werden geleugnet. Im Übrigen ist der Euro nicht nur im Verhältnis zum Dollar, sondern auch zu allen
anderen relevanten Währungen deutlich negativ geworden. Das ist keine Monoentwicklung zum Dollar, sondern eine generelle zu allen anderen Währungen hin. Das Ganze kann zurückschlagen.
Nicht jede der einzelnen Faktoren, aber in der Summe wirken die Faktoren so, dass wir am Arbeitsmarkt diesen Rück- bzw. Niedergang haben. Dies hat nicht eine, sondern eine Summe von Ursachen, die die Wachstumskräfte bremsen und nicht stärken. Dies sind die Fehlentwicklungen, die man in den letzten paar Jahren nachhaltig verursacht hat. Ich verstehe nicht, dass man heute noch sagen kann, dies sei Zufall. Ich weiß nicht, was man sich dabei gedacht hat. Jetzt wundert man sich, dass der Beschäftigungsaufbau zum Stillstand gekommen ist, die Kurzarbeit steigt, die Zahl der offenen Stellen sinkt, die Arbeitslosigkeit saisonbereinigt wieder ansteigt und der Abbau von Arbeitslosigkeit abgeschwächt ist. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass im Sommer dieses Jahres die Arbeitslosenzahlen das Niveau des letzten Jahres übersteigen werden.
Der Bundeskanzler wird sein Arbeitsmarktziel im kommenden Jahr nicht erreichen, außer er fälscht die Statistik. Dies ist die einzige Möglichkeit, die er hat. Die Anzahl der Entlassungen wird zunehmen, wie wir heuer im Herbst erleben werden. Im heutigen Wirtschaftsteil der Zeitungen sind eine Reihe von Betrieben aufgeführt, die Mitarbeiter entlassen. Man braucht kein großer Prognostiker zu sein: Im Herbst wird es bei namhaften Betrieben zu weiteren Entlassungen kommen. Die Zahl der Arbeitslosen wird im nächsten Jahr weniger bei 3,5 Millionen, sondern eher bei 4 Millionen liegen. Dies ist eine beschäftigungspolitische Bankrotterklärung.
Der Bundeskanzler wollte stets an der Entwicklung am Arbeitsmarkt gemessen werden. Daran werden wir ihn auch messen. Dies ist nämlich seine Pleite, die er vorzuweisen hat.
Wir haben in Bayern im letzten Jahr eine positive Entwicklung gehabt. Bayern hat ein Spitzenwachstum von 4,3% erzielt und einen Ausfuhrrekord von 175 Milliarden DM erreicht. Wir haben 120000 Arbeitsplätze zusätzlich geschaffen. Die Arbeitslosigkeit ging um 12 auf 5,5 Prozentpunkte zurück. Jetzt liegen wir unter 5%. Wir kämpfen aber auch mit bundespolitischem Gegenwind. Dass die bayerische Wirtschaft in diesem Jahr über dem Bundesschnitt liegt, ist bekannt. Dies belegen die aktuellen Daten und der Vergleich der Auftragseingänge im verarbeitenden Gewerbe, die Entwicklung im Einzelhandel, im Handwerk und im Baugewerbe zur Entwicklung auf deutscher Ebene. Wir haben auch eine erfreuliche Entwicklung am Arbeitsmarkt im ersten Halbjahr gehabt und bayernweit im Juni die Arbeitslosigkeit auf die bundesweit niedrigste Quote von 4,6% gesenkt. Ich hoffe, dass wir die Quote von 300000 nicht so bald wieder überschreiten und die 4 vor dem Komma in den
nächsten Monaten halten können. Dies wird jedoch kein einfacher Prozess werden. Die Fortschritte werden unübersehbar kleiner werden. Leider müssen wir uns auch in Bayern wieder auf eine steigende Arbeitslosigkeit einstellen, weil wir uns der bundespolitischen Entwicklung und dem Trend nicht entziehen können.
Dennoch betone ich: Alle bayerischen Regierungsbezirke liegen bei der Arbeitslosenquote beträchtlich unter dem westdeutschen Durchschnitt von 7,1%. Bei den Arbeitsamtsbezirken übertrifft lediglich Hof diesen Wert. Da kann man sehr viele Ursachen betrachten. An einer Ursache kommt man jedoch auch nicht vorbei: Rechnet man die Anzahl der Einpendler heraus, kommt auch Hof auf eine Quote von unter 5%; die Problematik in der Region Hof hat mehrere Ursachen. Dort geht der Strukturwandel weiter und wir brauchen neue Arbeitsplätze. Wegen der Höchstfördergebiete in den neuen Ländern, der Niedriglohngebiete in Tschechien und wegen der demnächst ausgewiesenen Höchstfördergebiete in Tschechien müssen wir natürlich dort mit unseren Instrumenten weiterhin tätig bleiben und einen Schwerpunkt setzen. Dies ist keine Frage. Doch die Probleme von Sachsen und Thüringen können wir in Bayern nicht lösen. Darüber müssen wir uns im Klaren sein. Da muss einiges zusammenwirken.
Es wäre gefragt, wenn auch die SPD und die GRÜNEN in Berlin hier ihren Beitrag leisten würden, auch die bayerische SPD, aber offensichtlich haben Sie in Berlin nichts zu melden; denn von Berlin erfahren wir eine konsequente Benachteiligung.
Hierfür ein paar Beispiele: Die Schließung oder Verkleinerung von Bundeswehrstandorten trifft Bayern überproportional. Da rührt sich von Ihnen niemand.
Der geplante Kahlschlag bei Zollämtern, unter anderem in Hof, Passau und Weiden, also in Gebieten, wo wir jede Infrastrukturmaßnahme brauchen können, ist völlig unproduktiv. Auch da rührt sich von Ihnen niemand. Wo bleiben Ihr Protest und Ihr Einfluss? Man macht große Sprüche, aber dann ist niemand da.
Bei den Bestandsinvestitionen in die Schiene fließen bei einem Flächenanteil von 19,8% und einem Bevölkerungsanteil von circa 15% nur 12% in den Freistaat Bayern. Das ist eine klare Benachteiligung unseres Landes. Die Bundesregierung hat es nicht für nötig gehalten – trotz Anmahnung von mir – auch nur einen Satz mit uns darüber zu reden. Herr Maget sagt, die Maßnahmen seien mit ihm abgestimmt. Ich frage mich, welches Staatsverständnis hinter solchem Handeln steckt.
Herr Maget sagt auch noch, er sei mit den Ergebnissen zufrieden. Herr Maget ist also mit den Ergebnissen, die Bayern eindeutig benachteiligen, zufrieden.
Meine Damen und Herren, er lässt sich zum Propagandatrottel von Rot-Grün in Berlin machen. Etwas anderes ist das nicht.
(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD – Odenbach (SPD): Sie sollten sich für diese Formulierung schämen!)
Zu dieser Formulierung stehe ich. Er soll aufpassen, was ihm untergejubelt wird. Er soll nicht sagen, er sei zufrieden, ohne sich das Zeug angesehen zu haben. Die Entscheidungen fallen zum Nachteil Bayerns aus. Ich frage mich, wozu sich die Leute noch missbrauchen lassen.
Der nächste „Hammer“ ist die Schließung der DB-Instandsetzungswerke Neuaubing und Nürnberg. In Deutschland werden acht Werke geschlossen, davon liegen zwei in Bayern und vier in Sachsen. Die CDU- und CSU-regierten Länder erleiden einen Kahlschlag. Ausgenommen ist Hessen. In Kassel werden die Arbeitsplätze aufgestockt. Warum? – Das ist der Kreis von Herrn Eichel. Das ist Schieberei erster Güte.
Eiskalt werden – ob in den neuen oder den alten Ländern – Standorte abgeschossen, die in CDU- und CSUregierten Ländern liegen. Das ist rot-grüne Strategie und hat mit Sacherwägungen nichts zu tun. Ich frage: Ist das auch mit Herrn Maget abgestimmt, und ist er damit auch zufrieden? Wo bleibt der Protest der SPD?
Wo bleibt euer Einfluss in Berlin? Wir behandeln morgen einen Dringlichkeitsantrag. Dann werden wir darüber reden, wie es aussieht. Sie lassen sich das alles bieten.