Protocol of the Session on July 11, 2001

Wo bleibt euer Einfluss in Berlin? Wir behandeln morgen einen Dringlichkeitsantrag. Dann werden wir darüber reden, wie es aussieht. Sie lassen sich das alles bieten.

(Zurufe von der SPD)

Wo bleibt die SPD-Landesgruppe?

Gleiches gilt für die Interregio-Linien. Die Maßnahme trifft einen Flächenstaat wie Bayern hart. Der Bund will die Lasten abschieben, obwohl er für den Fernverkehr verantwortlich ist. Es wird protestiert, und wir werden aufgefordert, etwas zu tun. Wir tun etwas. Aber der Bund ist in der Verantwortung.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Naaß (SPD))

Was passiert? – Nichts passiert. Wo bleibt euer Protest? – Er findet im stillen Kämmerlein lautlos, geräuschlos

und unauffällig statt. Was ist mit ihrem Einsatz für Bayern los? – Sie sagen in Pressekonferenzen, wie stark uns die Bundesregierung nütze.

(Frau Biedefeld (SPD): Das „stinkt“ Ihnen!)

Sie müssten sagen, wie sehr uns die Bundesregierung schadet.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD)

Regelmäßig wird empfohlen, in den strukturschwachen Gebieten mehr zu investieren. Meine Damen und Herren, dazu braucht man GA-Gebiete. Die Zuschüsse für die GA-Gebiete Deutschlands wurden überproportional gekürzt. Wir haben Herrn Schröder empfohlen, er solle das bei der Konferenz in Köln vorbringen, als er gegenüber den Europäern, der EU-Kommission und den anderen Ländern Zugeständnisse machte. Er meinte, dies wäre kein Thema für die Konferenz in Köln, er mache das bei anderer Gelegenheit. Bei der Konferenz in Berlin wurde es auch nicht gemacht und am Schluss kam nichts heraus.

Die Zuschüsse für die GA-Gebiete in Bayern wurden von 1,6 Millionen DM auf 800000 DM gekürzt, obwohl uns 1,2 Millionen DM Einwohnergleichwerte bei den GA-Gebieten zustehen würden. Dadurch sind unsere Handlungsmöglichkeiten begrenzt und beengt. Wo bleibt der Protest der SPD? – Sie erheben nur Forderungen „die Staatsregierung soll“. Wo Sie etwas beeinflussen könnten oder sollten, weil Sie angeblich Gewicht haben, passiert nichts, rühren Sie sich nicht. Haben Sie kein Gewicht? Oder was ist? Oder will man uns nur Schwierigkeiten machen? – Der Bund hat schon zu Zeiten Lafontaines und später unter Eichel die GA-Mittel zum Nachteil der Länder überproportional gekürzt, sodass wir keine Spielräume haben.

Das ist eine systematische Schwächung der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes durch Rot-Grün in Berlin. Rot-Grün in Bayern klatscht dazu offensichtlich Beifall und meint, man könne damit der Staatsregierung Schwierigkeiten machen. Wir halten mit regionalwirtschaftlichen und anderen Möglichkeiten dagegen. Ich sage dazu: Die Möglichkeiten, die wir im Lande haben, um Wachstumskräfte zu stärken, werden wir nützen: bei Investments, Forschung und Entwicklung, Technologietransfer, Betriebsgründungen, Betriebsübernahmen, Innovationen – nach der Devise neue Produkte, neue Betriebe, neue Märkte.

Dazu ein paar Zahlen: Bayerischer Staat und Wirtschaft geben gemeinsam knapp 3% des Bruttoinlandsproduktes für Forschung und Entwicklung aus. Baden-Württemberg liegt darüber. Alle andere Länder liegen darunter. An der Küste wird es mit 0,6% ganz flach. Trotzdem wundert man sich dort über die Innovationsschwächen. Im letzten und vorletzten Jahr stammten 25% aller Patentanmeldungen, die beim Deutschen Patentamt vorlagen, aus Bayern. 25% des deutschen Venture-Kapital-Einsatzes wurden in Bayern investiert. Von allen neu entstandenen Arbeitsplätzen kamen 25% in Bayern zustande. Wir haben die höchste Betriebsdichte – 41

Betriebe auf 1000 Einwohner. Wir haben eine gesunde Mischung von Klein-, Mittel- und Großbetrieben.

Wir haben die höchste Selbstständigenquote, die höchste Handwerkerdichte, die höchste Zahl der Betriebsneugründungen. Auf diese Weise entstehen neue Arbeitsplätze und neue Beschäftigung. Auf diese Weise stärkt man Wachstumskräfte. Auf diese Weise kommt man voran. Wir haben das Exportvolumen auf 175 Milliarden DM und die Exportquote in den letzten Jahren von 30 auf 40% gesteigert. Wir haben eine höhere Beschäftigungsquote als andere Länder. Auch das heißt Stärkung der Wachstumskräfte.

Bei der Ansiedlungspolitik haben wir die strukturschwachen Räume mit Priorität versehen. Das werden wir auch weiterhin tun. Ich verweise auf Arzberg. Dort ist vieles gelungen. Dies wird nicht das letzte Beispiel bleiben. Nach meiner Überzeugung werden zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt, um die „Oberfranken-Initiative“ auszubauen, konsequent weiterzuführen und mit Erfolg fortzuführen.

Wir werden erleben, dass wir wegen der EU-Osterweiterung speziell im Grenzgebiet Veränderungsdruck bekommen werden. Dafür brauchen wir ein „Standortpaket Ostbayern“, um gegensteuern zu können. Wir brauchen die Lockerung des beihilferechtlichen Spielraums beim Einsatz von Landesmitteln in den Grenzregionen zu den mittel- und osteuropäischen Staaten, und wir brauchen Fördermaßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur. Auch hier bewegt sich in Brüssels nichts, und die Bundesregierung bewegt sich bisher auch nicht. Ich fordere die Bundesregierung zu weiterem Engagement und zu mehr Druck in Brüssel auf.

(Frau Biedefeld (SPD): Landesentwicklungspolitik ist Aufgabe des Landes!)

In Nizza wurde angekündigt, dass ein großes Programm aufgelegt werde. Was kommt? – 150 Millionen Euro sind für Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen von Finnland bis Griechenland vorgesehen. Man kann sich ausrechnen, wie wenig für uns bleibt. 10 Millionen Euro gibt es für Aufklärungskampagnen der Kammern. Ansonsten gibt es für Fördermittel, Investitionsmittel, für Infrastrukturmaßnahmen: Null; für die Ausweitung der Fördermöglichkeiten: Null; für die Ausweitung der Mittel für andere Programme: Null; für die Ausweitung der Spielräume für die Länder: Null. Das war in Nizza nicht so beschlossen. In Brüssel läuft das aber so.

(Zurufe aus den Reihen der CSU)

Was setzt Kommissar Verheugen – SPD-Mitglied und aus dem Grenzland stammend – durch? – Nichts setzt er durch.

(Zurufe von der CSU: Null! – Beifall bei der CSU)

Was sagt die SPD dazu?

(Zurufe von der CSU: Null!)

Wiederum Null.

(Beifall bei der CSU)

Was macht die Bundesregierung?

(Zurufe von der CSU: Null!)

Wiederum Null. So ist es. In Brüssel verwaltet eine grüne Kommissarin die Finanzen. Was kommt von dort? – Auch Null. Meine Damen und Herren, Sie stehen überall in der Verantwortung.

(Frau Radermacher (SPD): Das Niveau von Herrn Wiesheu: Null!)

Was passiert?

(Zurufe von der CSU: Null!)

Jawohl, so ist es. Die SPD in Bayern will ich gar nicht fragen, was sie dabei tut. – Nämlich nichts. Man will Propaganda machen, hat aber dazu keine Substanz.

Meine Damen und Herren, der Kurs der offensiven Modernisierung und der Bestandspflege wird bei uns fortgesetzt. Die Bundesregierung müsste handeln. Wir können und werden nicht auf Dauer der Reparaturbetrieb für die Tatenlosigkeit und das Missmanagement in Berlin sein.

(Beifall bei der CSU)

Wenn Herr Schröder den Prozess des Nichtstuns mit dem Begriff einer „Politik der ruhigen Hand“ beschreibt, muss ich sagen, er hat schon eine sehr ruhige Hand. Das ist die Politik der Untätigkeit. Herr Schröder hat davon gesprochen, dass es kein Recht auf Faulheit gibt. Da hat er Recht. Es gibt aber auch kein Recht auf Faulheit und Feigheit für die Bundesregierung.

(Beifall bei der CSU)

Der größte Witz ist, dass man jetzt an die amerikanische Politik des leichten Geldes appelliert. Herr Eichel verweigert Steuersenkungen mit der Begründung, das tun schon die Amerikaner. Man denkt, die neue Bush-Regierung senkt die Steuern, und das wird sich schon positiv auf uns auswirken. Die Untätigkeit im eigenen Land begründet man damit, dass doch andere aktiv seien; das müsse reichen. Aber das reicht eben nicht. Die Inlandskonjunktur lahmt. Deshalb ist die Bundesregierung zum Handeln aufgefordert. Das, was wir im Lande tun können, tun wir.

Wir wollen keine konjunkturpolitischen Strohfeuerprogramme im Sinne eines „Deficit-spending“. Es geht um eine Mischung aus makroökonomischen Impulsen und notwendigen strukturellen Reformen. Nur auf diese Weise kann das Vertrauen der Verbraucher und der mittelständischen Wirtschaft wiederhergestellt werden. Ich stimme Herrn Hoderlein in diesem Punkt durchaus zu. Ich hoffe, Sie auch, denn dann wären wir einen Schritt weiter.

Das, was wir brauchen, fasse ich in folgenden Stichworten zusammen: Vorziehen der zweiten und dritten Stufe

der Steuerreform und Beseitigung der Schieflage zulasten des Mittelstandes. Die Sachinvestitionen müssen gestärkt werden. Das kostet zwar etwas, aber Nichtstun kostet mehr. Wer jetzt nicht den Mut hat, zu handeln, wird noch viel höhere Steuerausfälle hinnehmen müssen.

Im Übrigen: Zum großen Sparkommissar Eichel ist zu sagen, Finanzminister Waigel hat zwischen 1994 und 1998 die Ausgaben des Bundes um fast 30 Milliarden DM reduziert. Wenn Herr Eichel die Ausgaben nur konstant halten würde, könnte er bei der Gegenfinanzierung in den nächsten Jahren über 24 Milliarden DM einsparen.

Das, was wir weiter brauchen, ist ein Verzicht auf die nächsten Stufen der Ökosteuerreform. Außerdem benötigen wir eine Stärkung der investiven Mittelansätze im Bundeshaushalt. Die 2 Milliarden DM aus UMTS-Zinsersparnissen auf drei Jahre, reichen mit Sicherheit nicht. Es ist immer dasselbe taktische Spielchen: Man legt etwas drauf unter dem Motto: „Bis zur Bundestagswahl wird es schon reichen; dann sieht die Welt anders aus.“ Niemand sagt, was nach Ablauf der drei Jahre passiert. Auf der letzten Verkehrsministerkonferenz haben wir Herrn Bodewig gefragt, wie es dann mit der Infrastrukturfinanzierung weitergehen soll. Die Antwort war: Weiß ich nicht. Wir haben gefragt, was der Finanzminister sagt. Den zitiert er lieber nicht. So kann es aber nicht gehen.

Nach den vorliegenden Prognosen werden wir in Bayern in den nächsten 15 Jahren beim Güterverkehr einen Zuwachs von 80% haben, im Ost-West-Verkehr voraussichtlich von 100%. Dass das nicht alles mit intelligenter Verkehrssteuerung, mit GPS und Galileo oder mithilfe einer stärkeren Auslastung der Ladeflächen bewältigt werden kann, weiß jeder. Wir brauchen auch eine Verstärkung der Infrastruktur. Wenn wir nur den Zuwachs im Güterverkehr auf die Schiene verlagern wollen, müssten wir die Schieneninfrastruktur verdoppeln oder verdreifachen. Dazu gibt es aber keine Ansätze. Deswegen sollte man sich heute überlegen, wie die Infrastruktur in den nächsten 15 Jahren aussehen muss.

Wir brauchen auch verbesserte steuerliche Rahmenbedingungen für den Bau. Das ist ein Bereich, in dem Sie allein in den letzten zwei Jahren die Konditionen versaut haben, sodass der Bau zum Stillstand gekommen ist.

(Beifall bei der CSU)

Sie sollten sich der Wohnungsbauoffensive, die wir aufgelegt haben, anschließen.

Wir brauchen eine Senkung der Lohnzusatzkosten unter 40%. Dafür wären vernünftige Reformen nötig. Erforderlich wäre auch eine Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung, die möglich wäre, die aber nicht vorgenommen wird, weil die Bundesregierung das Geld für den Ausbau des zweiten Arbeitsmarkts verwenden will, um die Arbeitslosenstatistik zu schönen.

Wir brauchen strukturelle Reformen auf dem Arbeitsmarkt. Wir benötigen- das wäre eine Wohltat – die Rücknahme der Novellierung des Betriebsverfassungsgeset

zes. Kaum etwas ärgert und verdrießt den Mittelstand so sehr wie diese gesetzliche Regelung. Anscheinend reden Sie nicht mehr mit den Leuten in den Betrieben, sonst wüssten Sie, das ist ein Stimmungskiller par excellence.