Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Wort „Integration“ wird von vielen in der Politik gebraucht und es wird allerdings auch vielfältig interpretiert. Wenn ich dabei insbesondere an die Schulsituation in Bayern denke, ist die Integration ein Paradebeispiel dafür, dass die CSU mit diesem Thema immer noch auf Kriegsfuß steht.
Ein Beweis dafür ist auch, dass das gesamte SPD-Antragspaket „Aufbruch zur zieldifferenten Integration“ abgelehnt wurde. Damit hat die CSU wieder einmal wei
Diese permanente starre Haltung der CSU lässt außerdem keine Überlegungen darüber zu, ob unsere Vorschläge und Forderungen für Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf nicht doch dienlich sind.
Diese Haltung ist nicht nur bedauerlich, sondern sie ist langsam auch beschämend und, wie ich meine, unglaubwürdig.
Obwohl sich Bayern als ein Land darstellt, bei der Integration bundesweit führend zu sein und 10000 Kinder integrativ zu beschulen, kann nicht geleugnet werden, dass Bayern tatsächlich immer noch eines von fünf Bundesländern ist, das in seinem Schulgesetz eine gemeinsame zieldifferente Unterrichtung von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderung nicht festgeschrieben hat.
Bayern – das muss immer wieder gesagt werden und auch immer wieder betont werden – ist darüber hinaus Schlusslicht in der Integrationsentwicklung in den alten Bundesländern. Es hat noch nie einen Schulversuch „Gemeinsame zieldifferente Unterrichtung“ zugelassen, ja noch nicht einmal vorgesehen.
Bayern setzt beharrlich auf zwei Wege, und zwar zum einen auf die ambulante Versorgung mit Hilfe von Mobilen Sonderpädagoischen Diensten und zum anderen auf Integration durch Kooperation.
Mobile Sonderpädagogische Dienste sind Sonderschullehrer, die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an den allgemeinen Schulen unterstützen. Gesetzlich vorgeschrieben ist jedoch in Artikel 21 Absatz 1 BayEUG, dass Schüler, die nicht lernzielgleich unterrichtet werden können, keine Mobilen Sonderpädagoischen Dienste in Anspruch nehmen dürfen. Das bedeutet – und das wird natürlich nicht erwähnt –, dass diese so genannten 10000 integrativ beschulten Kinder im traditionellen Unterricht beschult werden.
Ich komme nun auf die Integration durch Kooperation. Es ist dies eine Form der Integration, bei der das Kultusministerium nicht müde wird, immer wieder neue Varianten vorzulegen. Das letzte Angebot – es nennt sich „integrative Kooperationsklasse“; selbst Fachleute bitten hier schon um Aufklärung – wurde im vergangenen Jahr unverzüglich als Schulversuch in Schwabach umgesetzt. Ist das vielleicht mit der freundlichen Unterstützung durch Herrn Staatssekretär Freller zu erklären? Der Förderverein „Integrative Schule Coburg e.V.“ dagegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, konnte genau dieses Modell, das im Übrigen vom Kultusministerium als Ersatz für die ursprünglich geforderte Integrationsklasse angeboten wurde, erst mit Hilfe einer Petition an den Landtag erkämpfen.
Die verzweifelten Eltern, die monatelange Arbeit in dieses Modell gesteckt haben, habe ich noch sehr gut in Erinnerung.
Wirft man nun einen kurzen Blick auf das jüngst aufgelegte „Aktionsprogramm Förderschulen“, so stellt man fest, dass der vielseitige Frust mit den zusätzlich 81 Lehrkräften pro Jahr für 383 Förderschulen in Bayern nicht gelindert werden kann.
Rein rechnerisch entfällt auf jede fünfte Schule sage und schreibe ein neuer Lehrer, liebe Kolleginnen und Kollegen. Was soll man damit anfangen? Das ist kein Aktionsprogramm, nein, meine Damen und Herren, das ist ein kümmerliches Notprogramm und sonst gar nichts.
Verwunderlich sind auch folgende Verhaltensweisen, Kolleginnen und Kollegen der CSU. Einerseits werden Fachleute nach Wildbad Kreuth eingeladen und beauftragt, sich mit dem EUG hinsichtlich Integration zu befassen und neue Formulierungen bzw. Vorschläge zu erarbeiten, andererseits werden unsere Anträge, die konstruktive Vorschläge zu diesem Thema vorlegen, kategorisch abgelehnt. Es ist wirklich bedauerlich, dass allzu oft nach rein parteipolitischem Kalkül gehandelt wird.
Man handelt nicht um der Sache willen oder im Sinne der Kinder und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Das, Kolleginnen und Kollegen der CSU, verstehen weder die Fachleute noch die betroffenen Eltern.
In unserem Antragspaket gehe ich als Erstes auf den Antrag „Zielsetzung von Begutachtungsverfahren“, Drucksache 14/4903, ein. Wir greifen hier Veränderungen in der sonderpädagogischen Theorie und Praxis auf, Kinder und Jugendliche nicht mehr defizitorientiert zu beurteilen, sondern zunächst festzustellen, was ein Kind kann.
Besonders wichtig ist dabei, einen Integrationsblick und nicht einen Aussonderungsblick zugrunde zu legen und dafür zu sorgen, dass die bisherigen Testverfahren in diese Richtung ausgerichtet werden. Die Diagnose soll durch ein interdisziplinäres Fachteam erfolgen. Sie muss außerdem ständig weiter überprüft und verbessert werden und selbstverständlich mit Förderkonsequenzen verbunden sein.
Für ausgesprochen falsch halte ich die Argumentation der CSU im Bildungsausschuss, dass die Begutachten dessen, was ein Kind kann, neutral sei. Im Gegenteil: Eine Begutachtung ist im höchsten Maße subjektbezo
Beim Antrag „Einrichtung von Förderausschüssen“, Drucksache 14/4905, ist die SPD daran interessiert, eine dauerhafte, vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Schule und Eltern mit Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu schaffen. Deshalb soll es möglich werden, in Einzelfällen ein multiprofessionelles Team als Förderausschuss einzuberufen, das anhand der Kind-Umfeld-Analyse den sonderpädagogischen Förderbedarf ermittelt, und eine Empfehlung über Fördermaßnahmen, Lernort und weitere Schullaufbahn abgibt. Die Eltern sind in diesen Förderausschuss einzubeziehen und haben zudem das Recht, eine Person ihres Vertrauens mitzubringen.
In den anderen Bundesländern hat es sich zum Beispiel bewährt, die Kind-Umfeld-Analyse in schwierigen Fällen als Gemeinschaftsleistung durchzuführen, weil Teamdiagnosen meist eine höhere Gültigkeit und Zuverlässigkeit aufweisen als die Diagnose einzelner Personen.
Aus welchen Gründen sich die CSU gegen eine Institutionalisierung wehrt, bleibt unerklärlich, obwohl positive Erfahrungen für Förderausschüsse sprechen. Die von der CSU erwähnte Alternative einer „bedarfsorientierten Gruppe vor Ort“ ist äußerst nebulös und kann leicht von Interessen vor Ort gesteuert sowie beeinflusst werden. Ich frage Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ob dies letzten Endes dem Wohl des Kindes dient.
Im Antrag „Erweiterte Aufgaben und Ausstattung Mobiler Sonderpädagogischer Dienste“, Drucksache 14/4906, fordern wir, dass der klassische Anwendungsbereich der Mobilen Sonderpädagogischen Dienste aus Sicht der Integration erweitert werden muss, indem sie zur gemeinsamen zieldifferenten Unterrichtung eingesetzt werden. Wir wollen einen deutlichen Ausbau der MSD, jedoch ohne gleichzeitige Reduzierung der Lehrerstundenzuweisung an den Förderschulen. Weiterhin sollen die ihnen zugewiesenen Lehrerstunden wieder aufgestockt werden; ich frage Sie, was helfen 0,8 Lehrerstunden je Kind pro Woche?
Wenn die CSU unsere Forderungen im Bildungsausschuss auf ein dienstrechtliches Zuordnungsproblem verkürzt, das es eigentlich gar nicht gibt, lenkt sie damit bewusst von der bestehenden Problematik ab. Die Lehrer im Mobilen Sonderpädagoschen Dienst sind und bleiben dienstrechtlich Lehrer des Förderzentrums.