Protocol of the Session on June 27, 2001

Das hat dazu geführt, dass der damalige Umweltminister, Peter Gauweiler, sich ganz entschieden für Mehrweg und contra Einweg und damit auch contra Dose ausgesprochen hat. Ich erinnere Sie daran, dass Kollege Peter Gauweiler in der Bundesratssitzung am 19. April 1991 deshalb auch die Verpackungsverordnung abgelehnt hat, unter anderem mit der Begründung, dass damit nicht sichergestellt wird, dass die erreichten Mehrwegquoten auch tatsächlich erhalten bleiben. Diese konsequente Linie findet ihre Fortsetzung in der Haltung von Thomas Goppel, der die Bedenken, die wir heute formulieren, bereits vor mehreren Jahren artikuliert hat. Er hat zum Beispiel 1997 geschrieben, nach seiner Auffassung seien Rücknahme- und Pfandpflicht ein ungeeignetes Instrument zur Mehrwegstützung. Wörtlich hat er ausgeführt: Wenig halte ich von dem von verschiedenen Seiten geforderten Pflichtpfand auf Einweggetränkeverpackungen, weil dieses sogar zu Lasten von Mehrweg gehen kann, wenn sich der Handel erst einmal umgestellt hat.

Diese konsequente Haltung der Bayerischen Staatsregierung findet ihre Fortsetzung im Bundesratsantrag vom September 2000 und in unserer Haltung in der Umweltministerkonferenz im Oktober 2000, auf der wir – ich habe das vorhin ausgeführt – gesagt haben: Wenn Pfand, dann muss aber vorher klar sein, dass es eine Lenkungswirkung pro Mehrweg hat. Diese Lenkungswirkung, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist aber bis heute nicht nachgewiesen, sondern allenfalls vermutet.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Probieren wir es halt!)

Lassen Sie mich unverdächtige Zeugen zitieren. Ich bezweifle, dass die beabsichtigten ökologischen Ziele

erreicht werden – so SPD-Minister Schwanhold aus dem Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand in NordrheinWestfalen. Ein zweites Zitat: Es ist eine Illusion zu glauben, mit dem Dosenpfand bekämen wir das Problem der Vermüllung in den Griff – so SPD-Ministerin Klaudia Martini, Umweltministerium Rheinland-Pfalz. Ich halte Ihnen hier nur zwei Zitate entgegen.

Ein weiterer Punkt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, seit 1991 haben wir auf dem Verpackungsmarkt Veränderungen, die enorme Ausmaße angenommen haben. 1991 hatten wir in Deutschland einen Müllnotstand. Zwischenzeitlich hat sich auf dem Verpackungsmarkt eine regelrechte Revolution abgespielt. Daher ist es nur sinnvoll und notwendig, dass wir zehn Jahre später prüfen, ob das damals angedrohte Instrument auch tatsächlich zu den gewünschten Zielen führt.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben alle sehr viel gesprochen, von der Dose im Straßengraben, von der Bierkultur. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann zu Protokoll des Bayerischen Landtags glaubhaft erklären, dass ich in meinem ganzen Leben noch nie ein einziges Bier aus der Dose getrunken habe.

(Frau Biedefeld (SPD): Warum dann die Lobbyarbeit für die Großbrauereien?)

Es ist überhaupt keine Frage, dass die Mehrwegflasche das Mittel der Wahl, die Verpackung schlechthin ist, um sowohl ökologischen Zielen, aber auch der Bierkultur zu entsprechen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die entscheidende Frage haben Sie letzten Endes in all ihren Beiträgen nicht mehr in den Mittelpunkt gerückt: Die Verpackungsverordnung von 1991 hatte die Ökologie zum Ziel, nämlich die Stärkung der Mehrwegsysteme in Deutschland. Das haben Sie heute in all ihren Debattenbeiträgen nur noch an den Rand gestellt. Ihnen ging es in allererster Linie um die Vermüllung der Landschaft, und es wurde von der Mittelstandsförderung gesprochen, aber das ökologische Ziel der Mehrwegsicherung hat bei Ihnen nur noch eine periphere Bedeutung.

Ich meine deshalb, dass wir den Blick schon etwas weiter richten müssen; denn letzten Endes geht es nicht nur um die Frage Pfand oder nicht Pfand, sondern vielmehr auch um die Frage: Wie können wir die Mehrwegsysteme dauerhaft stützen, und wie können wir damit mittelbar die bayerischen Brauereien in ihrem schweren Kampf der Großen gegen die Kleinen unterstützen. Von Herrn Kollegen Herrmann ist zu Recht angesprochen worden, dass wir einen Verdrängungswettbewerb par excellence haben – die Großen gegen die Kleinen. Die Dose wird auf den Märkten dieser Republik und dieses Kontinents als Kampfinstrument eingesetzt. Jetzt werden alle Zukunftssorgen bei kleinen und mittelständischen Brauereien in die Frage des Pfandes hineinprojiziert. Das Pfand aber kann nicht die gesamten marktwirtschaftlichen und wettbewerbsrechtlichen Probleme lösen.

Die entscheidende Frage ist, ob das Pfand überhaupt in der Lage ist, die ökologische Zielsetzung zu erreichen. Lassen Sie uns deshalb – Herr Runge ist jetzt wieder im Saal – noch einmal zu den Zahlen kommen, meine sehr verehrten Damen und Herren. – Herr Runge, ich hatte Sie einen Moment lang nicht auf Ihrem Platz gesehen. Das war nicht kritisch gemeint.

Herr Runge, Sie hatten mich vorhin, als Herr Kollege Dinglreiter die Entwicklung angesprochen hat, über den Tisch hinweg gefragt: Wie sieht die tatsächliche Zahlensituation aus?

(Runge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe Sie nicht gefragt, ich habe sie Ihnen gesagt!)

Ich sage Ihnen jetzt einmal, wie die Statistiken tatsächlich aussehen.

Im Jahre 1991, als die Verpackungsverordnung in Kraft gesetzt worden ist, betrug das Abfüllvolumen in Mehrweg in Deutschland 19,5 Milliarden Liter. Wenn wir heute im Bayerischen Landtag miteinander diskutieren, so lautet die letzte verfügbare Zahl: 1999 in Mehrweg abgefüllt: rund 22,4 Milliarden Liter ohne Wein. Das heißt – Herr Kollege Dinglreiter hat dies völlig zu Recht ausgeführt –: In einem Jahrzehnt sind, was die Abfüllung in Mehrweg angeht, rund 3 Milliarden Liter hinzugekommen. Nur ist die Quote etwas gesunken,

(Frau Biedefeld (SPD): Was heißt: „nur“?)

weil das Wachstum von Einweg und Mehrweg etwa gleich stark war. In diesen zehn Jahren sind bei den Getränken, die in Verpackungen abgefüllt werden, insgesamt 6 Milliarden Liter zugewachsen. Davon waren rund die Hälfte Mehrweg- und die Hälfte Einwegverpackungen. Deshalb haben wir heute eine etwas niedrigere Quote, aber einen höheren Anteil als damals.

(Frau Biedefeld (SPD): Nicht nur heute! Seit Jahren!)

Deshalb haben wir heute mit 22,4 Milliarden Liter einen höheren Anteil.

Genau hier setzt das bayerische Konzept an. Mit ihm soll der heutige tatsächliche Mehrweganteil festgeschrieben werden, um ihn für die nächsten Jahre zu sichern.

(Frau Biedefeld (SPD): Sie sind Minister für alles Mögliche, aber nicht für die Umwelt!)

Die Zwischenzeit soll genutzt werden, um ein qualifiziertes Lenkungsinstrument zu entwickeln.

Frau Biedefeld, wenn Sie vorhin in Ihrem Beitrag so sehr darauf abgehoben haben, dass das Ganze Arbeitsplätze koste, dass das Ganze anscheinend dem Verbraucher zu Gefallen geschehe, so möchte ich auf die Realität hinweisen. Zunächst einmal kosten die Dosenrücknahmeautomaten den Handel bis zu 4 Milliarden DM.

(Frau Biedefeld (SPD): Wie viel wurde denn von den Brauereien in Mehrweg investiert? Nennen Sie einmal die entsprechende Zahl!)

Entschuldigung. Das wird doch am Verbraucher nicht spurlos vorbeigehen. Der Handel wird die Kosten doch weitergeben.

Der nächste Punkt: Sie sagen, dass die Verbraucher dies bejubelten. Ich kenne die Umfragen. Aber schauen wir uns doch einmal die Praxis an. In der Praxis muss zunächst einmal ein großes Rücknahmesystem in Deutschland aufgebaut werden.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das gibt es bereits!)

Zweitens muss eine Pfand-Clearing-Stelle aufgebaut werden. Denn Sie kaufen die Dose in München und geben sie in Ihrem Heimatladen zurück. Insoweit müssen die Geldströme irgendwie ausgetauscht werden.

(Frau Biedefeld (SPD): Wir haben auch ein Flaschenrückgabesystem! – Frau Radermacher (SPD): Das kann doch nicht so schwer sein!)

Was passiert, wenn die Dose am Barcode einen Kratzer hat? Was ist mit der zerquetschten Dose? Der Verbraucher bekommt sein Geld nicht zurück. Da werden Sie noch viele fröhliche Situationen erleben.

(Frau Radermacher (SPD): Das wird doch zu bewältigen sein! Das ist ja lächerlich!)

Das Altglasrecycling in Bayern wird zusammenbrechen. In Bayern stehen 17000 Altglascontainer. Das wird es dann so nicht mehr geben.

Na und? – Zuruf des Abgeordneten Runge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Summa summarum gehen Sie mit dem Pfand jede Menge unbekannte Risiken und Nebenwirkungen ein. Deshalb wollen wir ein Modell verwirklichen, das an dem ansetzt, was wir heute haben.

(Frau Biedefeld (SPD): Reine Lobby-Arbeit für die großen Brauereien!)

Bei uns werden 22 Milliarden Liter in Mehrweg abgefüllt. Diese wollen wir sichern. Die Menge soll nicht weiter zurückgehen. Deshalb lassen wir uns auch nicht auf eine Selbstverpflichtungserklärung ein. Wir wollen vielmehr einen öffentlich-rechtlichen, verbindlichen Vertrag. Wir wollen damit, wie gesagt, das auch für morgen sichern, was heute in den Regalen steht.

(Frau Biedefeld (SPD): Das hätte längst passieren können!)

Nun haben Sie, Frau Biedefeld, einen Brauer zitiert. Hören Sie bitte zu. Ich zitiere jetzt aus einem Brief des Handels.

(Frau Biedefeld (SPD): Aldi?)

Dies ist kein Zitat von irgendjemandem, sondern von einer kleinen regionalen Handelskette in Bayern, im Schwäbischen, die 1994 für ihr Engagement auf dem Umweltsektor den Umweltpreis des Deutschen Einzelhandels erhalten hat. Es ist die sicherlich nicht nur dem Kollegen Max Strehle, sondern Ihnen allen bekannte Lebensmittelkette Feneberg. Herr Feneberg schreibt – ich zitiere wörtlich –:

Sollte sich Trittin durchsetzen und es zur Einführung des Zwangspfandes kommen, müssten selbst wir in vielen Fällen gegen Mehrweg entscheiden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sagt nicht Aldi, der sowieso nur Einweg führt. Das sagt eine kleine bayerische regionale Lebensmitteleinzelhandelskette. Mir liegen viele Stellungnahmen aus dem ganzen Land vor,

(Frau Biedefeld (SPD): Ich kann Ihnen auch weitere von Brauern zitieren!)

die besagen, dass es in kleineren und mittleren Geschäften dazu kommt, dass Mehrwegverpackungen aus den Regalen herausgenommen werden. Genau das wollen wir verhindern. Wir wollen, dass die Mehrverpackungen in den Regalen bleiben. denn das nützt den Verbrauchern und es nützt auch unserer Bierkultur am meisten.

Ich muss Ihnen vorhalten: Mit Ihrer Ideologie, das Pfand einführen zu wollen, ohne dass die Lenkungswirkung wirklich klar ist, machen Sie Deutschland zu einem großen Experimentierfeld, und Ihr Experiment hat einen ungewissen Ausgang.

(Beifall bei der CSU – Frau Biedefeld (SPD): Ein Minister für alles, bloß nicht für die Umwelt!)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Nachdem die Staatsregierung insgesamt fast 23 Minuten gesprochen hat, haben die Fraktionen Verlängerungsmöglichkeit. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Kollegin Scharfenberg. – Bitte sehr.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister Schnappauf, Sie sagten, diese Selbstverpflichtung sei ein Sieg der Vernunft. Finden Sie es vernünftig, dass die Selbstverpflichtungserklärung des Bundesverbandes der Industrie auf eine Mehrwegquote von 65% beschränkt ist und – das bedeutet doch Ihr Vorschlag, wenn man dies umrechnet – in vier Jahren enden wird? Im Grunde genommen ist dies nur eine Verlängerung der Zeitspanne. Dann findet natürlich die ganze Diskussion von vorn statt.

Das wollen wir nicht.