Protocol of the Session on May 9, 2001

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte da beginnen, wo Kollege Dr. Bernhard geendet hat, nämlich beim Dank, einmal an Sie für die spannungsfreie Zusammenarbeit, aber auch beim Dank an unsere Mitarbeiter, an die Mitarbeiter dieses Hauses, an die Mitarbeiter der Ministerien und der Staatskanzlei. Wenn demokratische Zusammenarbeit immer so stattfinden würde, würde es sicherlich besser um unsere Demokratie bestellt sein. Ich kann nur sagen: Eigentlich ist es musterhaft gewesen, wie wir zusammengearbeitet haben, wenn wir auch, wie Sie schon festgestellt haben, zu anderen Ergebnis

sen gekommen sind. Dieses Andere werde ich jetzt vortragen müssen.

Unsere Einschätzung unterscheidet sich vor allem in vier großen Komplexen. Es ist erstens die Zeit vor 1990, die bei Ihnen gar nicht vorgekommen ist, nämlich: Wie war der Zustand der LWS? Zweitens nenne ich die Änderung der Geschäftspolitik 1990/91, drittens das Tauschgeschäft DASA – LWS und viertens die Aufsichtsräte und der Ministerratsbeschluss vom 31.08.1994, der damit im Zusammenhang steht.

Der erste Punkt betrifft die Zeit vor 1990: Wie war der Zustand der LWS einzuordnen? Alle Zeugenaussagen und alle Akten haben ergeben: Die LWS hat sich bereits vor 1990 in einem desolaten Zustand befunden. Sie war damals schon am Rande der Zahlungsunfähigkeit, auch wenn sie große Rücklagen hatte. Wenn diese Rücklagen nicht gewesen wären, hätte diese Firma bereits damals Konkurs anmelden müssen. Der damalige Geschäftsführer Köhler hat festgestellt – das war schon 1989 –, nachlesbar im Aufsichtsratsprotokoll, dass sich die LWS seit 30 Jahren nicht mehr geändert habe. Wenn ich mich im Bauträgergeschäft 30 Jahre lang nicht ändere, ist das jedenfalls in diesem Geschäft tödlich. Die ordentlichen Ertragspositionen waren rückläufig. Die Gewinne ergaben sich nur noch aus der Auflösung von Rückstellungen und außerordentlichen Erträgen. Die Qualität der Projektverarbeitung war mangelhaft. Hinzu kamen die langjährigen Differenzen auf der Geschäftsführerebene.

Das Unternehmen war also überhaupt nicht auf die Forderungen vorbereitet, die vor allem mit dem Ende der Gemeinnützigkeit zusammenhingen. Man hat dann zwar einen Geschäftsführerwechsel vorgenommen und den inzwischen bekannten Geschäftsführer Dr. Usadel genommen, auf den man die große Hoffnung setzte, dass er das alles ändern würde. Aber es hat sich nichts verbessert; denn schon das Personal bei der LWS war nicht in der Lage, Aufträge und Aufgaben in der gebotenen Weise abzuwickeln. Es fehlte an einer Akquisition und einer Marketingstrategie. All dies war dem Aufsichtsrat bekannt. Die Geschäftsführung hat das vorgetragen. Ich zitiere hier wörtlich den damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Peter Gauweiler, der am 06.04.1990 einen wirklich erschreckenden Bericht bekommen hat und dann laut Protokoll der Geschäftsleitung ausdrücklich „für die offene Darstellung der tatsächlichen Verhältnisse“ dankt.

(Zuruf von der SPD: Wo ist denn der Gauweiler?)

Der steht heute nicht zur Debatte.

Dies hat aber nicht zu einer Änderung der Geschäftspolitik geführt, vor allem auch nicht im Bauträgerbereich. Auch in diesem Bereich gingen die Verluste weiter. Die Erträge gingen stark zurück. Die LWS-Geschäftsführung hat damals auch berichtet, dass falsche Kalkulationen vorlagen, die Kosten im Zuge der Baudurchführung nicht gehalten werden konnten, dass am Markt vorbeiproduziert wurde, Preise im Nachhinein reduziert werden mussten, also keine gute Ausgangslage. Und das Allerschlimmste, was dann bei der LWS vorzufinden war – wie wir im Ausschuss festgestellt haben –, war, dass die

LWS über kein funktionierendes Controlling verfügte, also keinerlei Rechnungswesen, keinerlei Kontrolle. Das ist bis 1998 so geblieben, obwohl schon 1988 zum ersten Mal entsprechende Hinweise gegeben wurden. Sie können jeden Bauträger landesweit befragen. Vor allem die großen Bauträger werden Ihnen eines sagen: Wer im Bauträgergeschäft kein Controlling, kein Rechnungswesen hat, das monatlich überprüft, was mit den Vorhaben passiert ist, wie die Verkäufe gelaufen sind, ist einfach zum Scheitern verurteilt. Dies haben alle Aufsichtsratsvorsitzenden bis 1998 nicht in den Griff bekommen. Das ist eine weitere Ursache dafür gewesen, dass es mit der LWS eigentlich nur in den Abgrund gehen konnte.

Dies alles habe ich Ihnen deswegen so ausführlich vorgetragen, weil das auch amtlicherseits festgestellt worden ist. Es gab die Prüfungsmitteilungen des Obersten Rechnungshofes bereits am 28.11.1988. In diesen Mitteilungen des ORH sind alle diese Fehlentwicklungen, diese Fehler und Unzulänglichkeiten der LWS ausführlich dargestellt worden. Das war zu einem Zeitpunkt, als der Zeuge Stoiber gerade sein Amt als Innenminister übernommen hatte. Und jetzt wird es interessant. Wir haben den Zeugen Stoiber im Ausschuss gefragt, ob er diesen Bericht des Obersten Rechnungshofs nicht gekannt habe. Der Zeuge Stoiber hat dazu gesagt, dass er diese Prüfungsmitteilungen nie gelesen habe, sie seien ihm nicht vorgelegt worden. Wir wollten das überprüfen; denn wir konnten uns das nicht vorstellen. Wer den Zeugen Stoiber kennt, weiß um seine Aktenverliebtheit, weiß um seine Gründlichkeit, weiß, dass er eigentlich keinen Akt entkommen lässt. Und gerade diesen Akt hat er nicht gelesen. Es war uns jedoch nicht möglich, das zu überprüfen, weil, als wir diese Akten angefordert haben, der Amtschef des Staatsministeriums mit Schreiben vom 28.11.2000 mitgeteilt hat, dass diese Akten in der Zwischenzeit vernichtet worden seien. Es habe sich nur um Akten von untergeordneter Bedeutung gehandelt.

(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage dazu nur: Es ist bedauerlich, dass gerade diese Akten vernichtet worden sind. Ich kann zu dem ganzen Vorfall nichts sagen, ich kann aber feststellen, dass zwei Dinge passiert sind, die in diesem Zusammenhang merkwürdig sind. Als ich den Antrag – es war meines Erachtens der letzte Beweisantrag, der überhaupt in diesem Ausschuss gestellt wurde – stellte, diese Akten hinzuzuziehen, meldete sich wie aus der Pistole geschossen der Vertreter des Innenministeriums und sagte, diese Akten seien seines Wissens vernichtet.

(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist mir noch nicht passiert, dass man so etwas gleich im Kopf hat.

Das Zweite ist: Das sind die einzigen Akten gewesen, die wir angefordert, aber nicht bekommen haben, weil sie unauffindbar waren. Deswegen kann ich nur sagen: Das ist etwas, was wir zur Wahrheitsfindung nicht heranziehen konnten. Das wäre für mich ein wichtiger Hinweis darauf gewesen, wie sich der damalige Innenminister über den Zustand der LWS kundig gemacht hat.

Dieses ist auch das Thema von Ziffer II, nämlich Änderung der Geschäftspolitik 1990/91, als der damalige Innenminister sehr stark Einfluss genommen hat.

Zunächst einmal ist festzustellen, dass die Änderung der Geschäftspolitik der LWS in den Jahren 1990 und 1991 nicht durch den Aufbau Ost eingeleitet worden ist. Schon Jahre zuvor wusste man in der LWS, dass zum 1. Januar 1990 die Gemeinnützigkeit wegfallen würde, was Auswirkungen auf die gesamte Geschäftspolitik der LWS hatte. Deswegen hatte man schon Jahre zuvor darüber diskutiert, was der Wegfall der Gemeinnützigkeit für die Geschäftspolitik der LWS bedeutet, was deswegen zu ändern sei und wie sich das Unternehmen neu orientieren müsse. Auf keinen Fall aber hat die LWS vorausgesehen, dass es 1989 zum Zusammenbruch der DDR kommen würde. Also konnte man sich gar keine Gedanken darüber machen, dass man den Aufbau Ost fördern müsste. Die ganze Diskussion, die bis 1990 gelaufen ist, basierte ausschließlich auf dem Wegfall der Gemeinnützigkeit.

Als man nun darüber diskutierte, wohin das Schiff LWS zu steuern sei, kam man auf den Gedanken, in das Bauträgergeschäft einzusteigen. Dabei kam es zu der grundsätzlichen Auseinandersetzung zwischen dem Staatsministerium der Finanzen und dem Staatsministerium des Innern. Das Staatsministerium der Finanzen hatte sehr wohl die Prüfungsmitteilungen des Obersten Rechnungshofes vom 28. November 1988 gelesen. Ich frage mich, was zumindest die Mitarbeiter im Innenministerium gedacht haben, die den Bericht des Obersten Rechnungshofes auch gekannt und gelesen haben. Sie haben jedenfalls völlig anders reagiert. Für mich ist es nicht erklärbar, und es konnte auch nicht aufgeklärt werden, warum die Mitarbeiter des Innenministeriums völlig anderer Meinung waren als das Finanzministerium. Das Staatsministerium der Finanzen hat jedenfalls mit guten Gründen, gestützt auf diese Prüfungsmitteilung des Obersten Rechnungshofes, dafür plädiert, nicht ins Bauträgergeschäft einzusteigen. Das Finanzministerium hat gesagt, gerade das operative Geschäft im Bauträgerbereich hätte sich als verlustreich erwiesen und der Oberste Rechnungshof habe unzureichende Kostenrechnungen, einen überhöhten Personalstand, organisatorische Mängel und mangelhafte Anpassungsprozesse beanstandet. Bei diesem Stand könne man es, so das Finanzministerium, einer Firma wie der LWS nicht zutrauen, dass sie ins Bauträgergeschäft einsteigt.

Im Gegensatz dazu vertrat das Staatsministerium des Innern genau die gegenteilige Ansicht. Über diese Frage konnte man sich auf Beamtenebene nicht einigen. Es kam deshalb zu der Auseinandersetzung zwischen den beiden maßgeblichen Ministern, dem damaligen Finanzminister von Waldenfels und dem damaligen Innenminister Edmund Stoiber. Wer den Schriftwechsel zwischen den beiden Ministern liest, ist etwas erstaunt darüber, wie es zwischen Kabinettskollegen zugegangen ist. Ich meine dabei den Ihnen allen bekannten Duktus der Schreiben des Innenministers, in welchen mit schärfsten Worten die Meinung des Innenministeriums und damit auch die Meinung des Innenministers als richtig dargestellt wurde.

Wenn man alles das zusammenfasst, was damals passiert ist, muss man feststellen, dass der damalige Finanzminister Recht behalten hat. Er war der richtigen Meinung gewesen, dass der Einstieg ins Bauträgergeschäft nur große Verluste zur Folge haben würde. Der damalige Innenminister Stoiber hingegen hat sich zum einen nicht kundig gemacht – diesen Mangel müssen wir nennen – über die Verhältnisse und den Zustand der LWS. Er hat sich zum anderen nicht kundig gemacht darüber, was im Bauträgergeschäft tatsächlich ablaufen sollte. Er hat nicht gesehen, dass die LWS bis zu diesem Zeitpunkt eine Firma war, die durch ihre Gemeinnützigkeit geschützt war. Sie ist vorher niemals auf dem harten Bauträgermarkt aufgetreten. Sie schwamm im Biotop der Gemeinnützigkeit und hatte von freier Marktwirtschaft keine Ahnung. Die LWS wusste gar nicht, wie es auf dem Bauträgermarkt zugeht. Ich kann Ihnen nur sagen, dass es auf diesem Markt verdammt hart zugeht. Dort wird mit allen Mitteln und harten Bandagen gekämpft, um jeden Quadratmeter verkaufen und bebauen zu können. Die LWS, die aus dem Biotop der Gemeinnützigkeit kam, war den Stürmen der freien Marktwirtschaft überhaupt nicht gewachsen. Es war eine Fehlleistung des damaligen Innenministers, dass er diese Tatsachen nicht erkannt und nicht analysiert hat. Das muss hier festgestellt werden.

(Beifall bei der SPD)

Noch eine persönliche Anmerkung: Ich kenne Herrn Stoiber schon sehr lange. Ich habe mit ihm auch Auseinandersetzungen geführt. Nachdem ich jetzt eineinhalb Jahre lang in diesem Untersuchungsausschuss gearbeitet habe, habe ich mir Gedanken darüber gemacht, warum Herr Stoiber solche Briefe geschrieben hat. Ich konnte mir das gar nicht erklären, denn ich habe ihn als sehr fachkundigen und hervorragend argumentierenden Innenminister kennengelernt. Es hat durchaus Spaß gemacht, sich mit ihm über innenpolitische Fragen sachlich auseinanderzusetzen. Deshalb fragte ich mich, wieso es zu solchen Briefen kam.

Meine persönliche Meinung ist, dass damals in der CSU bereits eine Art Machtkampf stattgefunden hat. Der damalige Innenminister hatte wohl schon den Blick auf das Amt des Ministerpräsidenten gerichtet. Herr Stoiber musste sich umsehen, welche Konkurrenten er hatte. Jede gewonnene Schlacht in einem Sachgebiet war auch eine gewonnene Schlacht auf dem Weg zum Amt des Ministerpräsidenten. Daher sehe ich die Auseinandersetzungen zwischen Herrn Stoiber und seinem damaligen Kollegen von Waldenfels als eine Auseinandersetzung über die Hackordnung im Kabinett.

(Knauer (CSU): Militärische Fehleinschätzung!)

Der militärische Wille zur Führung war gegeben. Das war klar und deutlich sichtbar. Und dieser Wille hat sich auch durchgesetzt. Ich sehe diesen Briefwechsel also in erster Linie als Positionskampf im Hinblick auf spätere Personalentscheidungen im Kabinett. Zusammenfassend muss ich sagen, dass es nach meinem Eindruck dem Innenminister damals nicht um das Schicksal der LWS oder um den Aufbau Ost gegangen ist, sondern in erster Linie um persönliche Machtentscheidungen. Des

halb ist es besonders zu bedauern, dass es aufgrund solcher persönlichen Entscheidungen zu den Verlusten gekommen ist.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme zu Ziffer III, zum DASA/LWS-Tauschgeschäft. Die Probleme der LWS waren schon groß genug, wie wir eben gehört haben. Diese Probleme wurden aber noch verschärft, als die LfA als Mehrheitsgesellschafterin in die LWS eingetreten ist. Wie schon berichtet wurde – ich fasse nur noch kurz zusammen –, musste die LfA zum Jahreswechsel 1993/1994 ihre lukrative Beteiligung an der DASA gegen eine Mehrheitsbeteiligung zu 58,5% an der LWS eintauschen. Dieser Tausch diente der Finanzierung der sogenannten Offensive Zukunft Bayern. Ergebnis aller Zeugenvernehmungen ist, dass die LfA diesem Tausch von vornherein ablehnend gegenübergestanden ist. Der Hauptgrund war, dass die LfA keinerlei Kompetenzen im Bauträgergeschäft hatte. Sie ist bis dahin nie in diesem Geschäft tätig gewesen. Deswegen wollte sie dieses Danaer-Geschenk nicht haben. Man hatte der LfA zwar versprochen, dass es bei der LWS einen nachhaltigen Überschuss von 12,5% geben würde. Dazu gab es zwar auch ein Gutachten. Aber dieses Versprechen hat sich sofort als falsch herausgestellt. Der damalige Präsident der LfA, Robert Pfeffer, hat deswegen als Zeuge auch gesagt: Wenn wir im Dezember 1993 gewusst hätten, was wir 1994 zu wissen begannen, hätten wir diesen Tauschvertrag nicht abgeschlossen. Er hat weiter gesagt, die LWS sei ein völlig unbeschriebenes Blatt gewesen. Die Tätigkeit der LWS habe nicht im Aufgabenbereich der LfA gelegen. Wohnungsund Städtebau seien in § 3 des LfA-Gesetzes nicht vorgesehen gewesen.

Mit diesem Tausch ist also aus politischen Gründen ein weiterer Schritt in die Katastrophe gemacht worden, mit dem Tausch, der durch Ministerpräsident Stoiber initiiert wurde, weil er eine politische Initiative einleiten wollte, dabei aber nicht zur Kenntnis genommen hat, dass die LWS im Bauträgergeschäft seit 1990 keinerlei Gewinne eingefahren hatte und ab 1995 schwere Verluste in zweistelliger Millionenhöhe hinnehmen musste.

Also auch hier keinerlei Analyse, auch hier keinerlei Lagebeurteilung, auch hier nur Beschlussfassungen aufgrund politischer Wünsche und Vorgaben.

Ich komme zu Ziffer IV, zu einem Thema, über das wir uns nicht einigen konnten, nämlich den Aufsichtsrat bzw. die Aufsichtsräte. Am meisten gibt zu denken, dass es hier über lange Jahre Aufsichtsräte gegeben hat, die den Anforderungen im Bauträgergeschäft überhaupt nicht gewachsen waren. Sie waren glatte Fehlbesetzungen. Es handelte sich vornehmlich um Ministerialbeamte, die über keinerlei einschlägige Erfahrung verfügten, auch wenn sie vielleicht sonst hervorragende Kräfte waren; denn ein Ministerialrat hat sein juristisches Staatsexamen sicher mit einem Platz unter den ersten hundert Rangziffern abgeschlossen. Das sagt aber nichts darüber aus, ob er für das Bauträgergeschäft kompetent ist.

Zusammenfassend darf ich zum Thema Aufsichtsräte sagen, sie wussten nicht, weswegen sie entsandt wur

den. Es war in der Regel eine Gnadenentscheidung des jeweiligen Ministers. Sie hatten keine Kompetenz für das Bauträgergeschäft. Sie hatten von ihrem Ministerium keinen Auftrag. Sie hatten keine Weisungen. Entscheidungen wurden von oben an ihnen vorbei getroffen. Sie mussten keine Rechenschaft ablegen. Sie haben tatsächlich nicht gehaftet, und sie widersprachen nicht, denn das wäre der Karriere möglicherweise nicht förderlich gewesen.

Dennoch sind im Aufsichtsrat alle wesentlichen Entscheidungen der zu untersuchenden Jahre und der Jahre davor gefallen. Wenn ich das zur Kenntnis nehme, kann ich dem Aufsichtsratsvorsitzenden nicht jegliche Schuld absprechen. Es gab in dieser Zeit drei „politische“ Aufsichtsratsvorsitzende: Herr Gauweiler vom 20.12.1988 bis 30.10.1990, Herr Huber vom 16.04.1991 bis 17.06.1993 und Herr Sauter vom 03.07.1993 bis 14.09.1998. Alle diese Aufsichtsratsvorsitzenden haben nicht angemessen auf die Berichte der Geschäftsführung reagiert. Deswegen können auch alle drei Aufsichtsratsvorsitzenden nicht aus ihrer Mitverantwortung für die LWS-Affäre entlassen werden.

Insbesondere ist Herr Sauter nicht unschuldig, wie das in der Presse dargestellt wurde – ich weiß nicht, warum. Auch Herr Sauter, der über den längsten Zeitraum als Aufsichtsratsvorsitzender tätig war, hat die Berichte bekommen. Ich meine deswegen, dass er noch der Unschuldigste unter den Schuldigen ist, weil er all das, was er vorgefunden hat, nicht selbst initiiert hat. Die Entscheidungen, die zu der Katastrophe geführt haben, sind vorher getroffen worden. Die Entscheidungen lagen nicht in seiner Verantwortung, aber er hätte erkennen müssen, dass diese Entscheidungen falsch waren. Er hätte das Problem aufgreifen und lösen müssen. Davon kann er nicht freigesprochen werden.

In diesem Zusammenhang will ich auf den Ministerratsbeschluss vom 31.08.1994 eingehen. Dort sollte dargestellt werden, dass vor allem Herr Sauter der Schuldige ist. Der Beschluss hat letztlich dazu geführt, dass Herr Sauter als Schuldiger dargestellt und entlassen wurde. Der Ministerratsbeschluss ist vor allem für Juristen ein Leckerbissen. Man muss ihn mehrmals lesen. Der zweite Leckerbissen ist das Gutachten, das die Staatskanzlei zu diesem Beschluss erstellt hat. Das muss man sich einmal vorstellen: Der Ministerrat fasst einen Beschluss, der so unklar ist, dass die Staatskanzlei ein Gutachten dazu erstellen muss. Das ist moderne Staatsführung im Freistaat Bayern.

(Maget (SPD): 70 Seiten!)

Ich glaube, es waren sogar 80 Seiten. Es ist wirklich nur für Juristen lesbar.

Man muss sich fragen, warum dieses Gutachten notwendig war. Wer den Beschluss mehrmals gelesen hat – sicher wird es dazu noch die eine oder andere Doktorarbeit geben –, stellt fest: Es handelt sich um einen einfachen Beschluss, nämlich um das, was wir im Landtag als „Berichtsbeschluss“ bezeichnen. Der Berichtsauftrag war, bestimmte Dinge zu untersuchen, nämlich die Zusammenlegung von LWS und BLS. Für die Prüfung

wurden Vorgaben gemacht. Dabei sollten bestimmte Dinge untersucht werden. Es war also ein reiner Berichtsauftrag, und nicht mehr.

In dem Gutachten sagt die Staatskanzlei zunächst auch, es handele sich um einen Berichtsauftrag. Später kommt sie zum dem Schluss, es habe sich um einen Arbeitsauftrag – auch für Herrn Sauter – gehandelt; es sei bereits festgeschrieben worden, dass die Aktivitäten im Bauträgergeschäft einzuschränken seien. All das ist nicht wahr.

Wenn man das Gutachten liest, merkt man, wie sich der Wind in der Staatskanzlei gedreht hat; denn das Gutachten kann man nur als Auftragsgutachten verstehen. Das Ergebnis wurde vorgegeben. Wahrscheinlich hat man die 80 Seiten verfasst, damit man nicht gleich darauf kommt. Wenn man den Text aber mehrmals aufmerksam liest, merkt man, dass Herr Sauter damals schon in Ungnade gefallen sein muss. Deswegen hat man das Gutachten so geschrieben, dass Herr Sauter als Schuldiger dastand.

Wenn ich sehe, dass Herr Sauter aufgrund dieses Gutachtens als Alleinschuldiger hingestellt wurde, und wenn ich mir dagegen vor Augen halte, wie man sich bei Staatsminister Miller in der BSE-Affäre verhalten hat, verstehe ich die Welt nicht mehr. Da ist mit zweierlei Maß gemessen worden. Der Rausschmiss von Herrn Sauter ist vor diesem Hintergrund nicht zu verstehen.

(Beifall bei der SPD)

Eine große Schuld hat Herr Sauter aber auf einem anderen Gebiet. Ich weise noch einmal darauf hin, weil wir hier im Plenum sind und weil der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses das anders dargestellt hat. Es geht mir um den Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, die über die Lage der LWS Auskunft haben wollte. Am 13.05.1997 fand eine Sitzung des Haushaltsausschusses statt, in der die Staatsregierung durch die beiden Staatssekretäre Sauter und Zeller vertreten war. Dabei tritt Folgendes zutage: Nur wenige Tage vorher, nämlich am 29.04.1997 – also etwa 14 Tage vorher – war die Lage der LWS im Aufsichtsrat erörtert worden. Im Protokoll ist nachzulesen, dass schon damals deutlich wurde, dass die LWS faktisch zahlungsunfähig war. Löhne, Gehälter und Rechnungen konnten nur noch mit Hilfe der Bayerischen Landesbank bezahlt werden. Das Aufsichtsratsmitglied Klaus Rauscher hat damals den schönen Satz geprägt: „Die LWS befindet sich auf der Intensivstation.“ Das ist nachzulesen im Protokoll der 99. Aufsichtsratssitzung vom 29.04.1997.

Wir haben dem Minderheitenbericht eine Anlage beigefügt, in der wir die Zahlen aufgelistet haben. Jeder kann sich vor Augen führen, dass die LWS tatsächlich „auf der Intensivstation“ war. Wenn sie nicht eine staatliche Firma gewesen wäre und wenn sie nicht einen derart großen Bestand an Wohnungen gehabt hätte, dann hätte sie damals Insolvenz anmelden müssen. Trotzdem hat der damalige Staatssekretär Sauter im Haushaltsausschuss am 13.05.1997 der LWS Überlebensfähigkeit bescheinigt und ihr das Marktpotenzial zugesprochen, wieder schwarze Zahlen zu schreiben.

Das mag ja seine persönliche Einstellung gewesen sein. Wer aber vor dem Haushaltsausschuss zur Lage der LWS berichten soll und das, was ihm spätestens 14 Tage vorher offenbar wurde, nicht offenbart, der berichtet dem Parlament sozusagen durch Unterlassen die Unwahrheit. Dies ist bis jetzt zu wenig herausgestellt worden. Herr Sauer und Herr Zeller hätten dies nicht tun dürfen; sie waren alle informiert.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie hätten dieses damals offenbaren müssen. Vielleicht wäre dann vieles auch ganz anders gelaufen.

Ich fasse unsere Ergebnisse der Untersuchung wie folgt zusammen:

Erstens. Der Zustand der LWS war schon lange vor 1991 desolat. Durch einen einfachen Telefonanruf beim Obersten Rechnungshof oder auch beim Aufsichtsratsvorsitzenden hätte man das feststellen können.