Herr Minister Miller, keine Angst, ich muss nicht länger auf Ihnen herumhacken. Ich habe schon vor einem Monat, als wir unsere zwölf Punkte für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion vorgestellt haben, gesagt, dass wir uns in Sachen Agrarpolitik künftig gleich an den Chef halten werden.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hofmann?
Sie, Herr Staatsminister Miller, sind nicht mehr Herr in Ihrem Haus. Sie wurden nicht zu Rate gezogen, als das Landwirtschaftsministerium demontiert wurde. Sie wurden auch nicht zu Rate gezogen, als Ihr Chef sein 600-Millionen-Programm vorgestellt hat. Bevor Sie heute Ihre Erklärung abgeben durften, die angeblich eine Regierungserklärung ist, hat Ihr Chef gestern Abend bereits vor der Presse erzählt, was eigentlich Sache ist. Das ist doch unerhört. Ihr Chef und Herr Glück haben auch Ihre Rede mitgeschrieben. Kein Wunder, dass Sie nicht mehr wissen, ob Sie sich weiter entwickeln oder gänzlich verändern sollen.
Das steht nämlich im Manuskript nicht drin. Außerdem haben Sie das Vertrauen Ihres Chefs nicht mehr.
Dieses Vertrauen haben Sie nur noch auf dem Papier. Das Vertrauen, das die bayerischen Verbraucherinnen
und Verbraucher in die Staatsregierung setzen, ist auch nicht größer als das, das Herr Stoiber in Herrn Miller setzt. Die einzige, die im Moment das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher besitzt, ist unsere Ministerin, Frau Künast.
Das ist unbestritten. Das kann auch keiner von Ihnen bestreiten. Sie sind ihr einzig und allein neidig. Aber Ihnen, Herr Minister Miller, und Ihrem Chef fällt nichts anderes ein, als ausgerechnet diese Frau schlecht machen zu wollen. Ergreifen Sie endlich die Chance, die Ihnen noch bleibt, und arbeiten Sie mit der Bundesregierung zusammen an einer neuen Landwirtschaft.
Die neue Landwirtschaftspolitik muss drei Ziele anstreben. Sie muss erstens das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher wieder gewinnen. Sie muss zweitens die Qualität der Lebensmittel und der Lebensmittelproduktion erhöhen. Drittens muss sie der Landwirtschaft langfristige Perspektiven eröffnen.
Für die bayerischen Bäuerinnen und Bauern ist es relativ leicht, diese Ziele zu erreichen, wenn die Politik die dafür notwendigen Rahmenbedingungen rechtzeitig schafft. Die meisten unserer Bäuerinnen und Bauern müssten nur kleine Schritte machen, um den Qualitätsvorstellungen der Verbraucherinnen und Verbraucher wirklich gerecht werden zu können. Sie müssen diese Schritte aber machen, wenn sie ihre Existenz langfristig sichern wollen. Dazu wären sie auch bereit, wenn sie von der Bayerischen Staatsregierung dafür endlich die notwendige Unterstützung bekämen.
Wie kann die bayerische Landwirtschaft das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher wieder gewinnen? – Der Kern der Vertrauenskrise ist das verloren gegangene Vertrauen in die Bayerische Staatsregierung. Große Teile der bayerischen Bevölkerung glauben nicht mehr, dass der Staatsregierung der Verbraucherschutz wichtiger ist als die Interessen der Agrarlobby. Zu lange wurden die Verbraucherinnen und Verbraucher und die Bauern für dumm verkauft. Zu lange wurde beschwichtigt und beschönigt. Die wichtigste Aufgabe der bayerischen Agrarpolitik ist deshalb, Klarheit und Wahrheit herzustellen. Die einzelnen Produktionswege und -schritte, die in der Lebensmittelproduktion gemacht werden, müssen offen gelegt werden. Das bedeutet, die Futtermittel müssen offen deklariert und die Lebensmittel gekennzeichnet werden. Das bedeutet auch, dass für jeden Käufer sichtbar sein muss, welche Lebensmittel unter der Zuhilfenahme von Gentechnik hergestellt wurden.
Auch die beiden Gütesiegel, die Frau Künast vorschlägt, sind hilfreich. Eines soll für die konventionelle Landwirtschaft mit Qualitätsstandards stehen, das andere für den ökologischen Anbau. Klarheit bedeutet: auf einen Blick muss erkennbar und offen gelegt sein, was mit den Lebensmitteln gemacht wurde und was nicht. Wahrheit
heißt aber auch, dass Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, endlich damit aufhören müssen, so zu tun, als ob es keine qualitativen Unterschiede zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft gäbe.
Ministerpräsident Stoiber fordert BSE-Tests für argentinisches Rindfleisch. Sie, Herr Minister Miller, haben das heute wiederholt.
Sie haben erklärt, wir bräuchten die gleichen Sicherheitsmaßstäbe für Fleisch, egal, ob es sich um europäisches oder importiertes Fleisch handelt. Die gleichen Maßstäbe haben wir doch schon längst.
Herr Minister Miller, wenn schon Ihr Chef nicht weiß, dass die argentinischen Rinder zu jung sind, um auf BSE getestet worden zu sein, müssten das wenigstens Sie wissen.
Sie wissen ganz genau, dass das Steak oder der Braten, der aus deutschen Landen auf den Tisch kommt, auch nicht auf BSE getestet wurde. Nur die alten Kühe werden getestet, und deren Fleisch kommt in die Wurst.
Sie können nur dann Vertrauen gewinnen, wenn Sie signalisieren, dass Sie die alten Fehler nicht wiederholen. Deshalb ist es richtig, dass die Staatsregierung aus den Versäumnissen der Vergangenheit lernen und die Kontrollen verstärken will. Damit reagiert sie endlich auf den EU-Bericht, der Ihnen, anders als anderen Länderregierungen, erhebliche Mängel vorgehalten hat. Was Sie da machen, ist Mängelbeseitigung. Es ist lächerlich, das als besondere Ruhmestat auszugeben.
Kontrollen sind zwar gut, aber man muss daraus auch Konsequenzen ziehen. Konsequenzen vermissen wir beim Schweinemastskandal. Der Kampf gegen die Mafia, den die Minister Beckstein und Weiß inszenieren, erschöpft sich in Maulheldentum.
Es hat selbstverständlich keinen Sinn, auf Kontrolle zu setzen, wenn sich die zu Kontrollierenden vorzugsweise selbst kontrollieren.
Die unsauberen Verquickungen bei den Selbsthilfeeinrichtungen des Bauernverbandes müssen endlich aufhören.
Als Beispiel nenne ich den Tiergesundheitsdienst. Hier hat die Staatsregierung den Bock zum Bauern gemacht.
Auch für die an sich vernünftige Aufgabe der Qualitätssicherung ist der Tiergesundheitsdienst, jedenfalls in seiner jetzigen Form, denkbar ungeeignet; denn der Tiergesundheitsdienst hat Beihilfe zur Turbomast geleistet. Diese Art von Qualität, die mit Hilfe von Antibiotika und nicht artgerechter Tierhaltung erreicht wird, wollen die Menschen heute nicht mehr. Die Menschen wollen Klasse statt Masse. Deshalb muss das zweite Ziel der Landwirtschaftspolitik eine Qualitätssteigerung sein. Qualitätssteigerung wird es nur mit und nicht gegen die Bauern geben. Deshalb halten wir es nach wie vor für falsch, den Verbraucherschutz in einem eigenen Ministerium zu isolieren.
Sie können doch nicht jedes Mal ein zusätzliches Ministerium einrichten, wenn sich ein bestehendes Ministerium nicht gegen Lobbyinteressen behaupten kann. Wohin kämen wir da?
Wenn es in der Autoindustrie zu Rückrufaktionen wegen Konstruktionsfehlern kommt, wird man selbstverständlich die Kontrollen verstärken. Vor allem aber wird man die Produktionsqualität verbessern. Sie sollten an die Qualitätsverbesserung herangehen: Kontrolle ist gut, Gegensteuern ist besser.
Der zentrale Grundsatz hier muss lauten: Leistung muss sich lohnen. Das müsste Ihnen eigentlich vertraut sein.