Protocol of the Session on February 15, 2001

als großen Erfolg feiert, bürdet sie der Wirtschaft zusätzliche Kosten in Milliardenhöhe auf. Die für die internationale Wettbewerbsfähigkeit entscheidenden Kosten werden damit langfristig weiter ansteigen. Verschärft wird die Situation dadurch, dass die Arbeitskosten, vor allem im Inland, im Verhältnis zu den konkurrierenden Kapitalkosten zu hoch sind.

Der Gesetzentwurf trägt also dazu bei, dass Kapital Arbeit verdrängt und damit Arbeitsplätze verloren gehen. Meine Kolleginnen und Kollegen, sozial ist es, Arbeitsplätze zu schaffen, statt sie zu vernichten, indem man sie zusätzlich verteuert. Über diese Zusammenhänge sollten Sie sich im Klaren sein. Der vorliegende Gesetzentwurf führt nach Überzeugung der Bayerischen Staatsregierung zu einer zu hohen Regelungsdichte, zu wesentlich mehr Bürokratie, zu kostspieligen Verzögerungen unternehmerischer Entscheidungen im internationalen Wettbewerb und zu unnötigen Kostenbelastungen der Unternehmen.

Im Ergebnis ist zu befürchten, dass eine Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes auf der Basis des Entwurfs der Bundesregierung zahlreiche Arbeitsplätze kosten wird. Deswegen lehnt die Bayerische Staatsregierung die Novelle entschieden ab. Eine Verbesserung der betrieblichen Mitbestimmung muss sich nach Auffassung der Staatsregierung an folgenden Eckpunkten orientieren:

Erstens. Die Erfahrungen der betrieblichen und arbeitsgerichtlichen Praxis zeigen, dass in der heutigen Welt des global verschärften Wettbewerbs die Mitbestimmungsverfahren viel zu lange dauern. Das können wir uns – ohne Schaden im Wettbewerb zu nehmen – nicht länger leisten. Wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht einigen, so entscheidet bekanntlich eine Einigungsstelle.

Bis diese entscheidet, kostet das den Arbeitgeber Tausende von Mark und es führt zu einer Verzögerung notwendiger Entscheidungen. Die Betriebe brauchen deshalb vorläufige Regelungen zur Lösung von Interessenkonflikten. Dabei ist allerdings zu beachten, dass vollendete Tatsachen nicht zum Nachteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehen dürfen. Der Gesetzgeber muss dafür sorgen, dass der Interessenausgleich zwischen Betrieb und Mitarbeitern zügiger und rascher durchgeführt werden kann und dass Einigungsstellen zur Schlichtung beschleunigt eingerichtet werden.

Zweitens. Wir sollten den Betriebsparteien auch mehr Raum für Problemlösungen im Verhandlungswege einräumen.

(Herbert Müller (SPD): Das können die Vertreter der Parteien doch tun!)

Wenn ich Ihre Wortmeldungen ernst nehme, dann müssten Sie eigentlich hinter unseren Vorschlägen stehen.

(Weitere Zurufe von der SPD)

Drittens. Bei Umstrukturierungen soll der alte Betriebsrat sein Mandat für die ausgegliederten Mitarbeiter mindestens drei Monate fortführen. Hier geht es um das so genannte Übergangsmandat. Im Regierungsentwurf sind sechs Monate vorgesehen. Das ist nach unserer Auffassung aber viel zu lang.

Viertens. Die Staatsregierung ist durchaus für eine Vereinfachung des Wahlverfahrens zum Betriebsrat. Dabei dürfen Minderheiten jedoch nicht unter die Räder kommen. Es ist von Frau Kollegin Dodell sehr schön ausgeführt worden. Vor allem aber muss der Betriebsrat eine demokratische Legitimation haben. So ist zum Beispiel an ein Quorum bei der Betriebsratswahl zu denken, darin sind wir mit Bundeswirtschaftsminister Müller einig, auch wenn er sich mit diesem Vorschlag nicht durchgesetzt hat.

Fünftens. In einer Zeit des enorm beschleunigten betrieblichen Wandels, der sich ständig verkürzenden Halbwertszeit beruflichen Wissens und des lebenslangen Lernens, kommt der Sicherung und Förderung der Beschäftigung und der Qualifizierung der Mitarbeiter eine immer größere Bedeutung zu. Es ist deshalb für uns selbstverständlich, dass hier für den Betriebsrat eine ganz wichtige, eine originäre Aufgabe liegt. Der Betriebsrat muss die Möglichkeit haben, eigene fundierte Vorstellungen zu entwickeln und sie an die Unternehmensleitung heranzutragen. Stichwort: Vorschlagsrecht.

(Werner (SPD): Er muss aber auch die Möglichkeit haben, das durchzusetzen!)

In diesem Punkt muss der Entwurf der Bundesregierung noch verbessert werden.

Sechstens. Es gibt in der Wirklichkeit Tausende von Bündnissen für Arbeit, die allerdings auf rechtlich wackligen Beinen stehen. Es ist deshalb an der Zeit, liebe Kolleginnen und Kollegen, für eine Klarstellung und eine Erweiterung des so genannten Günstigkeitsprinzips zu sorgen, und zwar in dem Sinne, dass Abweichungen von Tarifverträgen durch Betriebsvereinbarungen möglich sind. Das sollte beispielsweise dann der Fall sein, wenn Betriebe in eine Notlage geraten sind und durch Vereinbarungen Arbeitsplätze gerettet werden können. Man müsste vor Ort wesentlich flexibler reagieren können.

(Zuruf von der CSU: Das ist gut!)

Auch ein Blick auf die Mitbestimmung in unseren Konkurrenzländern innerhalb und außerhalb der Europäischen Union gibt begründeten Anlass zu der Befürchtung, dass der Gesetzentwurf bayerische Arbeitsplätze massiv gefährdet.

(Wörner (SPD): Das ist lachhaft!)

Deutschland hat bereits jetzt innerhalb und außerhalb der EU durch das Betriebsverfassungsgesetz und das Gesetz über europäische Betriebsräte und durch andere Regelungen die weitestgehende Mitbestimmung für Personen, die weder in der Geschäftsführung sind noch für die Misserfolge des Betriebes haften.

(Wörner (SPD): Wo ist die Mitbestimmung in Wirklichkeit?)

Sehen Sie sich die Wirklichkeit doch einmal an, Herr Kollege Wörner.

(Wörner (SPD): Die Wirklichkeit kenne ich schon lange!)

Es liegt auf der Hand, dass ausländische Investoren, denen das deutsche Arbeitsrecht sowieso schon ein Buch mit sieben Siegeln ist, von dem Gesetzentwurf zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes eher abgeschreckt als gewonnen werden. Im Übrigen schließt sich dieser Auffassung auch die US-Handelskammer in Deutschland an.

(Wörner (SPD): Wir sind doch nicht im Repräsentantenhaus! – Weitere Zurufe von der SPD)

Wohlgemerkt: Wir sind nicht gegen eine Reform des Betriebsverfassungsgesetzes. Das darf ich noch einmal ganz ausdrücklich sagen. Wir halten eine Weiterentwicklung, eine Anpassung an die Wirklichkeit für sinnvoll. Aber der vorgestern erzielte, so genannte Kompromiss zwischen Bundesarbeitsminister Riester und Bundeswirtschaftsminister Müller ändert eigentlich nur wenig.

(Wörner (SPD): Warum sind Sie denn dann so aufgeregt?)

Sie müssen mir nur einmal richtig zuhören, aber Sie haben eine vorgefertigte Meinung und darüber kann man mit Ihnen nicht diskutieren.

(Wörner (SPD): Und was haben Sie? – Unruhe bei der SPD)

Der Kompromiss ändert an der Novelle relativ wenig. Wenn Sie zuhören würden, dann könnten Sie es auch verstehen. Weil er aber nur wenige der grundlegenden Fehler des Gesetzentwurfs abmildert oder beseitigt, ist er im Grunde nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Er gibt keine befriedigende Antwort auf die Frage, was eigentlich tatsächlich notwendig ist, um ein besseres Investitionsklima in Bayern und in Deutschland zu schaffen. Für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist dieser Gesetzentwurf wenig hilfreich. Wenn die Vernunft siegt, dann darf die geplante Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes nicht verwirklicht werden. Die Bayerische Staatsregierung begrüßt und unterstützt deshalb ausdrücklich den Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion.

(Wörner (SPD): Das überrascht uns aber! – Heiterkeit bei der SPD)

In diesem Antrag steht viel drin.

(Kobler (CSU): Das muss man lesen können!)

So wird die Staatsregierung aufgefordert, auf Bundesebene darauf hinzuwirken: Erstens, dass die von der Bundesregierung geplanten mittelstandsfeindlichen und arbeitsplatzgefährdenden Änderungen des Betriebsverfassungsgesetzes unterbleiben. – Wenn Sie nicht wis

sen, was in dem Antrag steht, dann lese ich es Ihnen eben vor. Der Mittelstand ist wieder ganz besonders betroffen.

(Wörner (SPD): Können Sie uns das im Detail erklären?)

Der Antrag fordert die Erarbeitung einer praxisorientierten Novelle des Betriebsverfassungsgesetzes. Wir sind uns mit den Gewerkschaften und der Wirtschaft in der Einschätzung einig – und wahrscheinlich auch mit Ihnen –: Nur wer seine Belegschaft für sich gewinnt, gewinnt auch im Wettbewerb. Um das zu erreichen, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir einen anderen, einen wesentlich flexibleren Weg gehen. Wir sind deshalb der Auffassung, dass diese Reform am besten in der Schublade verschwindet. Zum Schluss möchte ich mich noch bei all den Betriebsräten bedanken, die die Fremdbestimmung durch die Gewerkschaften in unserem Lande ablehnen.

(Beifall bei der CSU – Lachen bei der SPD – Frau Radermacher (SPD): Das werden die allein bewältigen können, das sind schließlich erwachsene Menschen!)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nachdem der Redebeitrag der Staatsregierung länger als 10 Minuten dauerte, bekommen die Fraktionen jeweils weitere 5 Minuten Redezeit. Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Wörner.

(Herbert Müller (SPD): Das waren 20 Minuten! Wir bekommen also mehr!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Ministerin, ich kann diesem Freistaat nur wünschen, dass Sie Ihre Aufgabe als Fachministerin besser erledigen als das, was Sie uns hier gerade vorgestellt haben.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihr Redebeitrag bewies, dass sie sich mit den tatsächlichen Problemen, die dieser Gesetzentwurf enthält und auch verbessert hat, nicht auseinander setzen konnten. Vielleicht aufgrund mangelnder Zeit – das gestehe ich Ihnen zu – oder weil sie falsche Berater haben, die Ihnen das Falsche erzählen.

(Prof. Dr. Stockinger (CSU): Damit löst die SPD doch nur die Forderung der Gewerkschaften ein, geben Sie das doch endlich zu!)

Ich möchte Sie eindringlich bitten, noch einmal in den Gesetzentwurf zu sehen. Auch wenn es Ihnen nicht gefällt, wir werden diesen Gesetzentwurf nicht in eine Schublade stecken, sondern wir werden ihn beschließen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auf einige Dinge näher eingehen. Wer behauptet, die SPD hätte sich beim DGB einmischen sollen, den verstehe ich nicht. Wir begreifen ihre Diktion, denn Sie sind es gewohnt, dass sich der Bauernverband bei Ihnen einmischt.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb glauben Sie, wir müssten uns bei den Gewerkschaften einmischen. Nein, meine Damen und Herren. Es gibt allerdings eine natürliche Partnerschaft, doch die besteht nicht in einem Einmischen, sondern in einem gegenseitigen Beraten und im Interesse der Arbeitnehmer darin, gemeinsam zu handeln.

(Herbert Müller (SPD): Sehr gut!)

So verstehen wir Partnerschaft, aber nicht im Briefeschreiben, um einem Minister zu sagen, was er tun darf. In diesem Punkt unterscheiden wir uns, das gebe ich zu.

Ein Zweites. Sie haben behauptet, die Lohnkosten seien in Deutschland sowieso zu hoch. Warum bekämpfen Sie dann die Ökosteuer, die zu einer erheblichen Senkung der Lohnnebenkosten geführt hat?