Meine Damen und Herren von der CSU, das heißt, Sie sind von der Unterrichtsgarantie weiter weg denn je. Dies ist eine schlimme Konsequenz Ihrer verfehlten Politik.
Ihre verfehlte Politik nimmt immer deutlichere Konturen an. Letztlich gefährden Sie auch den Wirtschaftsstandort Bayern. Wenn über viele Jahre hinweg Unterricht in Mangelsituationen gehalten wird und Unterrichtsnotstand diese Situation prägt, wird die Ausbildungsqualität sinken und Folgen für die Wirtschaft haben.
Erst heute Vormittag haben wir mit Wirtschaftsleuten diskutiert. Diese sagen uns deutlich: Gute Bildung ist ein Wirtschaftsfaktor und eine humane Ressource. Die Wirtschaftsfachleute fügen hinzu: Die Ausbildung ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft. Dies sollten Sie sich endlich an die Brust schreiben und umsteuern.
Es hätte anders laufen können. Die SPD hat seit den Neunzigerjahren bis heute immer gemahnt und die nötigen Initiativen ergriffen. Wir haben jedes Jahr deutlich gemacht: Wir brauchen mehr Lehrerinnen und Lehrer, um nicht die Qualität zu senken, um die steigenden Schülerzahlen zu bewältigen, um die Unterrichtsversorgung zu sichern und in die Lehrerkollegien Verjüngung zu bringen und gleichzeitig ein Signal zu geben, dass das Lehrerstudium nicht an Anziehungskraft verliert.
Wir fordern seit Jahren einen entsprechenden personalen Entwicklungsplan, ein langfristiges Konzept und eine langfristige Bedarfsplanung. Zuletzt haben wir vor zwei Jahren zur Steigerung der Qualität den nötigen Bedarfsplan zur Lehrereinstellung gefordert; Sie haben dies abgelehnt. Wir haben Anträge gestellt, dem Lehrermangel in der Berufsschule zu begegnen – Sie haben dies abgetan, als wäre es kein ernstes Thema.
Wir haben deutlich darauf hingewiesen, dass uns auch die Lehrerüberlastungspolitik einholen wird, nämlich immer schwierigere Situationen, immer größere Klassen, mehr schwierigere Kinder, mehr Arbeitszeit durch das Arbeitszeitkonto und andere Maßnahmen, aber auch mehr Erwartungsdruck an die Lehrerinnen und Lehrer. Dies macht den Beruf nicht attraktiv, sondern schreckt letzten Endes ab. Die politische Spitze und die Staatsministerin haben sich von den ständigen Wiederholungen „Wir sind die Besten“ blenden lassen.
Gleichzeitig sind Sie in Bayern in den Unterrichtsnotstand und in die beschriebene Mangelsituation geschlittert. Doch die Ministerin begeht den nächsten Fehler und legt ihren Aktivitätenschwerpunkt in das Reden und in Ankündigungen von Schulentwicklungen. Sie setzt damit eine Propaganda und Papierflut in Gang. Aber wenn sie es wirklich ernst meint, die Schulentwicklung in Gang zu bringen, gestatten Sie mir die Anmerkung: Wer soll diese Schulentwicklung umsetzen? Die Lehrerinnen und Lehrer an der Basis in den einzelnen Schulen. Aber diese Lehrkräfte und Schulleiter sind überlastet und können nicht mehr, weil sie durch die verschlechterten Rahmenbedingungen so viel an den Hals bekommen und gerade noch ihre Alltagsarbeit bewältigen können. Doch zur eigentlich notwendigen Schulentwicklung und inneren Schulreform fehlt vor Ort die Kraft.
Was ist zu tun? Wir haben in unserem Dringlichkeitsantrag auch deutlich gemacht, wohin die Richtung gehen muss. Es geht darum, auf keinen Fall eine Flickschusterei zu betreiben, sondern die Frage der mittel- und langfristigen Lehrerversorgung profihaft und konzeptionell in zwei Richtungen anzugehen. Natürlich müssen wir sehen, wo der Mangel zutrifft und wo im Moment zu wenig Lehrkräfte zur Verfügung stehen, etwa in Mathematik und in naturwissenschaftlichen Fächern, weil diese Lehrkräfte abgewandert sind und der Beruf den Lehrkräften zu wenig Attraktivität geboten hat. Wir müssen aber auch sehen, wo die Mangelsituation auf fehlenden politischen Willen und auf fehlende Einstellungspraxis zurückzuführen ist. Einstellen, dies ist unsere erste Forderung. Es gilt einzustellen, was der Markt hergibt. Nach wie vor stehen Tausende von Lehrkräften auf der Straße. Wir haben Tausende von Arbeitslosen und im letzten Jahr von 10000 nur 5000 Lehrkräfte eingestellt. Es gibt die zur Behebung der Mangelsituation notwendigen Lehrkräfte, und Sie müssen bald mehr einstellen.
Sie verkaufen das als Bildungsoffensive. Sie haben aber gerade in diesem Schuljahr ein Rekordergebnis an arbeitslosen, nicht eingestellten Lehrern; Herr Müller, schauen Sie sich die Zahlen einmal an.
Zweitens müssen wir natürlich Flexibilität zeigen. Wir müssen für eine bestimmte Übergangszeit Lehrer sicher auch fachfremd und schulübergreifend unterrichten lassen und einsetzen und das Dienst- und Laufbahnrecht flexibler machen. Wir müssen Weiterbildungsbausteine entwickeln, um Fächer, bei denen ein kurzfristiger Mangel besteht, auch belegen zu können.
Drittens brauchen wir ein wirklich langfristiges Personalkonzept zur Bedarfsplanung. Ich weiß, dass dies schwie
rig ist. Um so wichtiger ist es, dass ein jährlich fortzuschreibendes Konzept entwickelt wird, in dem auf die Schülerzahlenentwicklung, auf die Bedarfe und auf die Zielvorstellungen bei der Schulausstattung eingegangen wird. Bisher haben Sie unsere diesbezüglichen Initiativen immer abgelehnt.
Viertens brauchen wir, denke ich, ein länderübergreifendes Konzept. Wir brauchen so etwas wie einen bundesweiten Arbeitsmarkt, der transparent ist, für jeden Lehrer in jedem Fach überschaubar ist und auf dem das kleinstaatliche Nebeneinander und das kleinstaatliche Grenzen-Aufmachen, worin wir in Bayern ja Weltmeister waren, endlich der Vergangenheit angehört.
Natürlich müssen wir die Attraktivität des Lehrerberufs, die gesellschaftliche Anerkennung erhöhen. Wir wissen, dass es im Moment einen Trend gibt, nach dem für jede Fehlentwicklung in der Gesellschaft die Lehrerinnen und Lehrer verantwortlich gemacht werden. Das trägt nicht zur Motivation bei. Wir müssen die Überlastung abbauen. Wir müssen materielle Sicherheit schaffen. Ich bin dafür, darauf zu drängen, zum Beispiel die Referendariatsgehälter zu erhöhen, da diese gegenwärtig für den Berufsschul- und den Gymnasialbereich eine Demotivation darstellen.
Wir müssen auch deutlich machen, dass der Lehrerberuf ein zwar schwieriger, aber letzten Endes auch ein Freude schaffender Beruf sein kann, der die nötige Anerkennung erfordert. Wir brauchen als Signal eine Einstellungspolitik, die gerade den jungen Lehrerinnen und Lehrern zeigt, dass sie gebraucht und angestellt werden.
Schließlich ein Wort an die nicht anwesende Schulministerin. Morgen gibt es das Zwischenzeugnis. Allein für die Mangelsituation, die ich beschrieben habe, muss es die Note „mangelhaft“ geben, meine ich; denn – ich wiederhole mich und meine das sehr ernst – wir sind in Bayern von der Unterrichtsgarantie weit entfernt.
Unterrichtsausfall findet statt, weil Personal nicht vorhanden ist. In vielen Schulen können über das ganze Jahr hinweg bestimmte Fächer nicht gehalten werden. Sie betreiben Bildungsdiebstahl.
Das ist Bildungsdiebstahl, weil Sie den jungen Menschen etwas wegnehmen, was ihnen der Staat zu geben versprochen hat, nämlich Bildungsqualität. Sie bauen diese Bildungsqualität in Bayern ab. Es ist auch keine Besserung in Sicht, denke ich, weil Sie unseren Antrag wahrscheinlich ablehnen werden. Den Schulen und den Kindern wäre geholfen, wenn unsere Maßnahmen greifen könnten. Frau Stewens ist auch nicht da; sie spricht im Moment sehr oft von Kinderfreundlichkeit. Ob Herr Dinglreiter oder wer sonst; jeder in der CSU redet im Moment von Kinderfreundlichkeit. Ich meine, dass doch
Sie die Gestaltenden sind. Wir brauchen nicht Ihre Reden über Kinderfreundlichkeit – wir brauchen endlich Taten.
Dazu gehört in meinen Augen auch, dass man die Kinder der jetzigen Generation, der neunziger Generation, des Jahres 2000 und des Jahres 2001 nicht dafür bestraft, dass es im Moment sehr viele Kinder gibt. Sie sagen doch immer: Alle Kinder zu uns; wir sind froh, dass es Kinder gibt. Sie bestrafen sie; weil jetzt viele Kinder in den Schulen sind, werden ihnen die schlechtesten Bedingungen gestellt. Keine zusätzlichen Lehrer werden eingestellt. Dies ist ein Teil Ihrer verfehlten Politik.
Ein letztes Stichwort: Ich habe das Wortspiel an Rinder und Kinder gedacht. Heute lesen wir, dass 600 Millionen DM zur Bewältigung der BSE-Krise vom Herrn Ministerpräsidenten als eine der größten Investitionen der letzten Jahre in Bayerns Politik genannt werden. Sie tun nichts anderes – daraus können Sie lernen –, als zu versuchen, Versäumtes jetzt nachzuholen. Sie können daraus mit Blick auf die Schulpolitik lernen: Vorbeugen ist besser, als irgendwann einmal nachhaken zu wollen.
Deshalb sage ich: Wenn es um die Kinder geht, ist es mindestens genauso wichtig, endlich zu erkennen, dass wir Investitionen benötigen, um die Situation zu verbessern. Dazu gehört natürlich auch, die Frage des Notstands an unseren Schulen zu klären.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Nach dieser Rede ist mir klar geworden, weshalb Herr Kollege Irlinger im Ausschuss immer so gern dafür eintritt, die Noten möglichst abzuschaffen – denn er will sich nämlich auch Qualifizierungen, die er eben gemeint hat, der Ministerin geben zu müssen, ersparen. Herr Kollege Irlinger, spätestens nach Ihrer Rede – ich habe mir noch vorher gedacht, als ich Ihren Antrag gelesen habe: Jetzt warten wir einmal, wie er ihn begründet und welche inhaltlichen Vorschläge er macht –, nach Ihrer Begründung ist mir klar geworden, dass dieser Antrag nichts anderes als abzulehnen ist.
Sie haben hier eine Luftnummer von sich gegeben. Sie haben mit Ausnahme der Allzweckwaffe „mehr Geld, immer noch mehr Geld ausgeben“ keinen einzigen konkreten Vorschlag gemacht, wie wir auf bestimmte Dinge, die uns alle gemeinsam beschäftigen, verändernd einwirken können.
Frau Kollegin Radermacher, der wohl renommierteste deutsche Bildungsforscher und kritische Begleiter der Bildungspolitik aller Länder, Prof. Klaus Klemm, Universität Essen, hat vor kurzem eingeräumt, dass auch er noch bis vor zwei Jahren vor dem Lehrerberuf und der Lehrerschwemme gewarnt hat.
Bundesweit wird von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft – Herr Kollege Irlinger, ich glaube, diesem Verband gehören auch Sie an – festgestellt, dass es wohl 30000 jobsuchende Lehrer aller Schularten und Fächerverbindungen gibt. Gleichwohl gilt, dass es in einigen Schularten in Bayern durchaus nicht mehr überall möglich sein wird, mittelfristig alle Planstellen zu besetzen. Das ist in erster Linie keine Frage der Anzahl der Planstellen; das ist keine Frage des Geldes, sondern, Herr Kollege Irlinger, möglicherweise die mangelnde Attraktivität des Lehrerberufs. Die Ursache für die Problematik ist also ganz woanders zu suchen.
Ich möchte Sie an den 25. Mai 1991 erinnern – ich glaube, Herr Irlinger, Sie waren damals noch gar nicht im Landtag, Frau Kollegin Radermacher schon –: Wir haben damals bei Stimmenthaltung der FDP einen Antrag verabschiedet, der vorgesehen hat, den Beruf des Lehrers an Grundschulen, an Hauptschulen, an Realschulen und an Sonderschulen durch das Beförderungsamt attraktiver zu machen. Bayern hat mehrfach den Versuch unternommen, diesem Wunsch des Landtags Rechnung zu tragen. Herr Kollege Irlinger, gescheitert sind wir immer an der Ablehnungsfront der anderen Bundesländer einschließlich der von Ihnen regierten Bundesländer.
Ein zweiter Punkt, Herr Kollege Irlinger. Bayern ist das Bundesland, das bisher nach der ersten Staatsprüfung an den Universitäten allen Absolventen die Chance auf das Referendariat gegeben hat, das heißt, sich bis zur zweiten Lehramtsprüfung an den Schulen zu betätigen und fortzubilden. In Bundesländern, Herr Kollege Irlinger, in denen die SPD regiert, ist man einen anderen Weg gegangen. Dort hat man das Referendariat beschränkt und hat damit einen massiven Beitrag dazu geleistet, dass in bestimmten Berufsfeldern die Lehrer, die Sie heute anmahnen, überhaupt nicht mehr vorhanden sind. Sie haben sie nämlich abgewürgt.
Ein weiterer Punkt. Wir waren bis vor kurzem das Bundesland, das Jahr für Jahr mehr neue Lehrerstellen geschaffen hat als alle anderen Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland zusammen.
Deswegen ist es Augenwischerei, wenn Sie heute behaupten, die Staatsregierung oder die CSU hätten irgendetwas verschlafen. Sie haben in Ihren Bundeslän
dern den Mangel produziert und wissen heute nicht mehr, wie Sie den Pflichtunterricht abdecken können.