Protocol of the Session on January 30, 2001

Die bislang gemachten Erfahrungen beim Zuschnitt der Kompetenzen während des Aufbaus des neuen Staatsministeriums haben zu der Entscheidung geführt, dem Staatsministerium für Gesundheit, Ernährung und Ver

braucherschutz eine zweite politische Spitze im Staatssekretärsrang zuzuordnen.

Unter Abwägung des politischen Schwerpunktes, den die Staatsregierung setzen will, hat augenblicklich ein Staatssekretär in dem im Aufbau befindlichen Staatsministerium Priorität gegenüber der Wiederberufung eines Staatssekretärs im Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen. Gerade der Verbraucherschutz für Gesundheit und Ernährung ist ein elementarer Beitrag zur Sicherung unserer Lebensgrundlagen.

Dem neuen Staatsministerium wird auch – wie dem Umweltministerium mit dem Landesamt für Umweltschutz – ein Landesamt für Lebensmittelsicherheit zugeordnet werden. Die erforderlichen Gesetzesvorlagen, durch welche die Grundlagen für die organisatorischen Änderungen geschaffen werden, wird die Staatsregierung so rasch wie möglich im Landtag einbringen.

Dies gilt auch für einen Nachtragshaushalt, in dem das für den neuen politischen Schwerpunkt erforderliche zusätzliche Personal und die entsprechenden Haushaltsmittel verankert sein werden.

Angesichts der bereits eingetretenen volkswirtschaftlichen Schäden in ganz Europa durch die Vertrauenskrise gegenüber der Lebensmittelproduktion sind solche Mittel notwendige und richtige Investitionen in die Wiedergewinnung des Vertrauens. Unser Ziel muss sein: größtmöglicher Verbraucherschutz und Rückgewinnung des Vertrauens des Verbrauchers in die von unseren Bauern und von der gesamten Lebensmittelbranche erzeugten Produkte. Nur dieses Vertrauen dient auf Dauer auch den Landwirten, dem Metzgerhandwerk und der Lebensmittelindustrie.

Meine Damen und Herren, leider gibt es einzelne bayerische Tierärzte und Landwirte, die vor kriminellen Machenschaften im Zusammenhang mit der Verwendung chemischer Zusatzstoffe bei der Schweinemast nicht zurückgeschreckt sind. Das ist auch ein bundesweites und sogar EU-weites Problem, bei dem alle zum Handeln aufgefordert sind.

Jede kriminelle Gefährdung der Verbraucher ist mit aller Schärfe der Gesetze und mit aller Macht der Strafverfolgung zu ahnden. Die Kontrollkapazitäten für Lebensmittel und für den Veterinärbereich werden wir massiv verstärken.

Wir dürfen nicht zulassen, dass Straftaten Einzelner einen ganzen Berufsstand in Verruf bringen. Ich appelliere deshalb auch eindringlich an die Eigenverantwortung eines jeden Landwirts für die Qualität seiner Produkte.

Ich fühle mit den von der BSE-Krise betroffenen Bauern. Ich weiß aus persönlichen Gesprächen, was die Absatzkrise für sie und für ihre Familien bedeutet. In ihrer Gesamtheit ist die bayerische Landwirtschaft mit ihren Familienbetrieben Opfer, nicht Täter in der aktuellen Krise.

(Beifall bei der CSU)

Deshalb hat die Staatsregierung sehr rasch nach Bekanntwerden der ersten BSE-Fälle in Deutschland ein ganzes Bündel von Maßnahmen für den Verbraucherschutz, aber auch ein Soforthilfeprogramm in Höhe von 12 Millionen DM zugunsten betroffener Betriebe beschlossen. Wir haben unbürokratisch und sofort geholfen. Wir warten – ich werde darauf zu sprechen kommen – auch auf gemeinsame Schritte von Europa, Bund und Ländern.

Weitere Hilfen werden im Augenblick mit dem Bund verhandelt. Eine Sonderministerpräsidentenkonferenz mit dem Bundeskanzler soll darüber am 16. Februar entscheiden. Ausdrücklich erkläre ich: Die Staatsregierung wird sich am BSE-Sonderprogramm von Bund und Ländern, das derzeit verhandelt wird, mit Landesmitteln beteiligen und das Sonderprogramm auch umgehend umsetzen. Ich bitte den Bayerischen Landtag schon jetzt, die dafür erforderlichen Mittel bereitzustellen.

Ich will noch einmal betonen: Die weit überwiegende Mehrheit der Landwirte produziert nach bestem Wissen und Gewissen. Sie dürfen nicht an den Pranger gestellt werden. Das dient nicht den Verbrauchern und das bringt auch nichts für sichere Nahrungsmittel.

Alle Betroffenen – die Futtermittelhersteller, die Landwirte, die Lebensmittelverarbeiter und die staatlichen Behörden – müssen gemeinsam nach Wegen für sichere und gesunde Nahrungsmittel suchen und solche Wege offensiv angehen. Die Staatsregierung will dafür mit der Neustrukturierung der staatlichen Aufgaben und Verantwortlichkeiten in einem neuen Staatsministerium die bestmöglichen Voraussetzungen schaffen. Dafür bitte ich um die Zustimmung des Hohen Hauses.

Meine Damen, meine Herren, wie Sie wissen, hatte ich vor, Herrn Professor Herrmann zum Staatsminister für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz zu berufen. In einem Gespräch am vergangenen Sonntagabend hat mir Professor Herrmann mitgeteilt, dass er aus persönlichen Gründen Bedenken habe, das Amt zu übernehmen. Es sei gegenwärtig in einer Steuerangelegenheit ein ihn betreffendes Verfahren im Gange. Er sei sich im Klaren darüber, dass ein solches Verfahren eine erhebliche Belastung für die Übernahme des Amtes eines Staatsministers darstelle.

Ich bin zu der Auffassung gelangt, dass während dieses laufenden Steuerverfahrens eine Berufung zum Staatsminister nicht in Betracht kommen kann und nicht in Betracht kommt. Deshalb habe ich nach dem einvernehmlichen Gespräch mit Professor Herrmann am Sonntagabend entschieden, ihn nicht zum Staatsminister zu berufen.

Meine Damen, meine Herren, ich schlage dem Landtag folgende Veränderungen der Staatsregierung vor:

Die Berufung von Herrn Eberhard Sinner, Mitglied des Bayerischen Landtags, zum Staatsminister für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz;

die Berufung von Frau Christa Stewens, bisher Staatssekretärin im Staatsministerium für Landesentwicklung

und Umweltfragen, zur Staatsministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen. Frau Stewens werde ich auch mit der Aufgabe der Frauenbeauftragten der Staatsregierung betrauen.

Des Weiteren schlage ich die Berufung von Frau Erika Görlitz, Mitglied des Bayerischen Landtags, zur Staatssekretärin im Staatsministerium für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz vor.

Außerdem teile ich dem Landtag mit, dass ich Herrn Staatsminister Dr. Günther Beckstein zu meinem Stellvertreter bestimmt habe.

Ich bitte das Hohe Haus, auch hierzu seine Zustimmung zu erteilen.

Meine Damen, meine Herren, auch nach den Veränderungen der Staatsregierung ist die von der Verfassung vorgegebene Obergrenze für die Zahl der Regierungsmitglieder nicht überschritten. Um dies zu gewährleisten, hat Frau Kollegin Marianne Deml auf meine Bitte hin ihr Amt als Staatssekretärin zur Verfügung gestellt. Dafür bezeuge ich Frau Kollegin Deml meinen Respekt.

(Beifall bei der CSU)

Frau Kollegin Deml hat meinen Kabinetten von Anfang an angehört. Sie hat sich engagiert, kenntnisreich und mit großem Einfühlungsvermögen für die Bäuerinnen und Bauern in unserem Land eingesetzt. Persönlich und namens der Staatsregierung spreche ich Frau Kollegin Deml Dank und Anerkennung aus, und ich sage auch herzlichen Dank für die Loyalität und die Zusammenarbeit in diesen mehr als sieben Jahren.

Meine Damen, meine Herren, nach 13 Jahren im Kabinett scheidet Frau Barbara Stamm auf ihren Wunsch aus dem Regierungsamt. Das ist ein großer Verlust für die Staatsregierung.

Ich erinnere an die sozialpolitischen Meilensteine, die mit der Amtszeit von Barbara Stamm verbunden sind und die nicht zuletzt im Ländervergleich zu Markenzeichen bayerischer Politik geworden sind: der Ausbau des Landeserziehungsgeldes, die Kindergartenvollversorgung, der Beschäftigungspakt, die Gleichstellungspolitik, die Schwangerenberatung, und nicht zuletzt ist Barbara Stamm eine bundesweit geachtete Stimme für die Vertriebenen.

Seit ihrem Einzug in den Bayerischen Landtag 1976 habe ich mit Frau Kollegin Stamm zusammengearbeitet. Von 1987 an war Frau Stamm eine herausragende Persönlichkeit im Kabinett und seit zwei Jahren meine Stellvertreterin.

Barbara Stamm steht für eine einfühlsame Politik sozialer Verantwortung, für eine Politik menschlicher Zuwendung und Wärme – insbesondere für die Familien und die Frauen. Deshalb sage ich Frau Kollegin Stamm mit allem Nachdruck: Herzlichen Dank für Deinen großen Einsatz, mit dem Du weit mehr geleistet hast als Deine Pflicht.

Barbara Stamm hat sich große Verdienste um ein soziales und menschliches Bayern erworben. Herzlichen Dank.

(Lang anhaltender starker Beifall bei der CSU und Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Präsident, ich habe Ihnen die Veränderungen der Staatsregierung vorgetragen. Ich bitte Sie, dazu die Entscheidung des Bayerischen Landtags herbeizuführen.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren! Sie haben die Vorschläge des Herrn Ministerpräsidenten gehört. Ich eröffne hierzu die Aussprache. Das Wort hat der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Herr Kollege Maget.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Meisterleistung war es gewiss nicht, die der bayerische Ministerpräsident in den letzten Wochen geboten hat.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Bevölkerung Bayerns hätte ein besseres Krisenmanagement erwartet und auch verdient.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Winter (CSU): Siehe Bundeswehr!)

Was jetzt, nach wochenlangem quälenden Gewurschtel – ganz im Gegensatz zur Bundesregierung, Herr Kollege –

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CSU: Oh!)

herausgekommen ist, ist Flickschusterei statt Befreiungsschlag, gewaltiger Kompetenz-Wirrwarr statt klarer Neuorientierung, statt angekündigter großer Kompetenzlösung jetzt das vorläufig letzte Aufgebot.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CSU: Oh!)

Schon im Dezember, spätestens aber Anfang Januar wäre es an der Zeit gewesen, dass, ebenso wie in Berlin, die zuständigen Ressortminister für Gesundheit und Landwirtschaft in Bayern die Verantwortung für ihre Fehler bei der Bewältigung der BSE-Krise übernehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber statt Führungsstärke zu zeigen, hat der bayerische Ministerpräsident gezaudert. Statt entschlossen zu handeln, hat er hektisch immer neue Schnellschüsse abgegeben. Statt mit einem personellen Neubeginn verlorenes Vertrauen der Verbraucher zurückzugewinnen und damit der Landwirtschaft aus einer schweren Existenz

krise herauszuhelfen, hat er zwei Minister, deren Fehler und Versäumnisse auf keine Kuhhaut mehr gingen, an ihren Sesseln kleben lassen.

Der Ministerpräsident hat Recht, wenn er in der Agrarpolitik auf die Zuständigkeit der Europäischen Union und auch auf die nationale Verantwortung verweist. Wahr ist aber auch, dass es immer noch viele Landeszuständigkeiten gibt: die Futtermittelkontrolle, Untersuchungen, Veterinärmedizin und vieles andere. Vor allem dort sind Fehler gemacht worden, wo spezifisch bayerische Kompetenz und Zuständigkeit besteht.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN – Ach (CSU): Das glauben Sie ja selber nicht!)

Das hat die schwere Vertrauenskrise in Bayern und auch gegenüber der Bayerischen Staatsregierung ausgelöst.