Wenn der Herr Ministerpräsident Gesundheit schon nicht als Thema erkennt – und es ist halt nicht seins, er hat es nicht so mit Verbraucherschutz –, dann müsste er doch aber wenigstens und spätestens heute zur Kenntnis genommen haben, dass die BSE-Krise schwere wirtschaftliche Schäden angerichtet hat, und Wirtschaft ist eine Geschichte, die er zur Chefsache gemacht hat.
Fakt ist, dass Bauern und Bäuerinnen, Fleischereien, die verarbeitende Industrie, Handel und Gaststättengewerbe Einbußen hinnehmen mussten und dort Arbeitsplätze in Gefahr sind. In Großbritannien haben wegen BSE 25% der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in der landwirtschaftlichen Produktion ihre Stellen verloren. Bei uns in Bayern sind zirka 5400 Stellen gefährdet und jetzt – ganz aktuell – wohl 2000 von Kurzarbeit bedroht.
Dazu habe ich heute nichts gehört. Etwas mehr Herzblut hätte ich schon erwartet, und wenn das Herzblut beim Ministerpräsidenten fehlt, dann werde ich das eben heute einbringen.
Man kann, wie es teilweise in Statements und Reden getan wurde, natürlich über die Belastung durch Kosten diskutieren; man kann darüber diskutieren, ob Futtermittel, die bei Landwirten noch gelagert, aber mit Tiermehl verunreinigt sind, aufgekauft werden sollten, und, und, und. Aber der wichtigste Weg, um aus dieser Krise herauszukommen, ist doch ganz klar, das Vertrauen der Verbraucher und Verbraucherinnen zurückzugewinnen.
Der Bund hat schnell gehandelt. Er hat die Kompetenzen gebündelt und Vorschläge für eine Neuausrichtung gemacht. Was tut der bayerische Ministerpräsident? – Nach dem ersten BSE-Fall macht er sich erst einmal unsichtbar, dann schickt er seinen Staatssekretär und mit Verspätung Frau Stamm vor. Als sich herauszustellen beginnt, dass der Schock bei den Landwirten – ich erinnere mich an die Bilder von den Demonstrationen – und der Schock bei den Verbrauchern und Verbraucherinnen sehr viel tiefer sitzt und immer mehr Fälle bekannt werden, kommt hektische Betriebsamkeit auf. In einer Landtagssondersitzung wird ein windelweiches Maßnahmenpaket aufgetischt, und es werden Sonderwege diskutiert und beschritten. Die Verantwortung wird verlagert, die Krise nicht gelöst.
Dieser hektische Aktionismus, verbunden mit Halsstarrigkeit war es, der aus der BSE-Krise eine Regierungskrise machte. Die abenteuerlichen politischen Winkelzüge, um Frau Stamm und Herrn Miller zu halten, stellten sich als vergebliche Rettungsaktionen heraus. Anstatt sich über die Kanzlerkandidatur Gedanken zu machen, hätte ich erwartet, Herr Ministerpräsident, dass Sie alles tun, um die Verbraucher/innen aus der Sackgasse zu holen, in die sie durch Ihre Politik geraten sind.
Ich sprach Anfangs davon, dass das Vertrauen der Verbraucher und Verbraucherinnen zurückgewonnen werden muss und dass das heute das Thema ist. Es besteht jetzt hier und letztmalig die Chance, dass Sie das Ruder herumreißen, nachdem derjenige, der der neue Steuermann des bayerischen Verbraucherschutzes werden und das schlingernde Schiff Staatsregierung in ruhigere Gewässer steuern und segeln sollte, selbst einen Steuerberater braucht.
Wir müssen uns heute fragen: Genügt der auf dem Tisch liegende Regierungsvorschlag, den wir absegnen sollen, um wenigstens einen Teil des Vertrauens wieder zu bekommen? Oder ist er ein reines Beschwichtigungsmanöver zur Beruhigung von Kundinnen und Kunden und Landwirten – und als Beschwichtigungsmanöver natürlich Täuschung? Steht zukünftig endlich die Gesundheit der Konsumentinnen und Konsumenten im Vordergrund? Oder soll doch weiterhin der Agrarlobby das Wort geredet werden? Soll die Chance genutzt werden, auch inhaltlich umzusteuern? Oder hofft man darauf, dass mit der Einrichtung des neuen Ministeriums die BSE-Krise etwas in Vergessenheit gerät und etwas Gras darüber wächst,
Die Entwicklung der letzten Wochen, die Aussagen der betroffenen Ministerin Stamm und des Herrn Miller, die von wenig Einsicht in die Notwendigkeit eines Wandels zeugten, Statements des Ministerpräsidenten, etwa vom 15.01.2001, aber auch die heutige Rede, sowie die Personaldiskussion lassen eher auf Ignorieren denn Ändern schließen.
Genau das und nichts anderes hat heute auch Herr Glück getan. Er sagte nichts Wegweisendes, sondern das war ein Herumgekartel und Nachgekartel um irgendwelche Briefe, die irgendwer geschrieben hat.
Die Einrichtung dieses neuen Ministeriums täuscht uns nicht darüber hinweg, dass alter Wein in neuen Schläuchen verkauft werden soll. Bruno Jonas hat daraus bereits messerscharf geschlossen: Frau Stamm und Herr Miller sollten ursprünglich vor den Verbraucher und Verbraucherinnen geschützt werden. Um Verbraucherpolitik geht es bei der Regierungskrise doch überhaupt nicht.
Trotz Uneinsichtigkeit auf allen Ebenen und einem unfähigen Krisenmanagement wird die Möglichkeit verspielt, die Lage zu stabilisieren. Es liegen schon weitere – neu kann man sie nicht nennen, denn sie sind schon durch alle Blätter gegangen – Skandale auf der Pfanne. Ich denke an diverse Mastskandale, die nach Aufklärung schreien. Darüber werden wir morgen ausführlich zu diskutieren haben.
Wir sind der vollen Überzeugung, dass die BSE-Krise zu bewältigen ist. Dafür müssen jedoch eindeutige Signale ausgesendet werden, die das momentane Image der Landwirtschaft deutlich verbessern und zeigen, dass die Politik überhaupt willens und in der Lage ist, etwas ändern zu wollen.
Das Krisenmanagement der vergangenen Wochen, deren Höhepunkt der Rückzug von Herrn Herrmann darstellte, zeigt jedoch, dass die Staatsregierung weder Willens noch in der Lage ist, eine Wende in der Agrarpolitik einzuläuten.
Dazu würde eine deutliche Förderung der ökologischen Landwirtschaft, weg aus dem Nischenanteil von deutschlandweit 2,6% gehören. Dazu gehört das eindeutige Signal, dass sich finanzielle Förderung an Umwelt-, Naturschutz- und Tierschutzkriterien orientieren muss.
Es muss das Signal kommen, dass, statt wie bisher Masse, verstärkt Qualität produziert wird, also eine Umkehr von Massentierhaltung und Überproduktion gewollt ist und auch stattfindet.
Verbraucher und Verbraucherinnen dürfen nicht weiter den Eindruck haben, dass sie den Bedingungen des Marktes hilflos ausgeliefert sind. Das heißt, die Politik muss etwa durch die Verordnung von Deklarationspflichten und der Vergabe von Gütesiegeln aufgrund klarer Standards signalisieren, dass der Schutz der Verbraucher und Verbraucherinnen gewollt ist. In diesem
Zusammenhang ist ganz wichtig: Es muss ausreichende Kontrolle mit ausreichend ausgebildetem Personal stattfinden.
In der Regierungserklärung vom 09.01.2001 und in den darauffolgenden Wochen bis heute war zu diesen Forderungen von Seiten der Staatsregierung nichts zu hören. Das Schwergewicht der Erklärungen lag auf Hilfen für die Bauern und Bäuerinnen, deren Schutz wegen der existenzbedrohenden Situation natürlich notwendig ist. Hier gilt es Maßnahmen zu ergreifen, die auch schon kommen.
Ich möchte ein paar Statements des Ministerpräsidenten der letzten Wochen aufgreifen. Sie haben Ihre heutige Rede nur Erklärung und nicht Regierungserklärung genannt; denn vom Regieren kann im Moment nicht die Rede sein.
In den Aussagen und Statements ist die Fehleinschätzung der Lage zu erkennen. Sie machen das kurz und prägnant in der Erklärung vom 15.01.2001 deutlich. Das kann jeder nachlesen. Zur Rettung der Landwirtschaft und zur Kursänderung haben diese Aussagen nichts beigetragen. Da kam nichts. Niente, rien.
Es wurde entweder vermieden überhaupt Stellung zu beziehen oder es war die falsche. Ich habe gehofft, dass bis heute noch eine kleine Erleuchtung kommt. Aber Sie haben nichts dazugelernt.
Trotz gestrigem Personalfiasko will der Ministerpräsident an einem Ministerium für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz festhalten. Aber soll auch eine Neuausrichtung der Politik erfolgen? – Wir haben festgestellt, dass das eher nicht der Fall ist. Sie sprechen sehr verwaltungstechnisch von zu sehenden notwendigen Konzentrationen auf Fragen der Gesundheit, der Ernährung und des Verbraucherschutzes. Sie sprechen wie Herr Glück davon, dass das ein Zukunftsthema sein wird. Ich frage Sie: Ist das auch Ihr Thema? Dass das Thema ist, das wissen wir spätestens seit den Zeiten vor Weihnachten, als das Thema BSE hochgekommen ist. Ich frage noch einmal: Ist das Ihr Thema, oder sagen Sie nur, dass das Ihr Thema sei? Machen Sie konkrete Vorschläge. Das heutige war ziemlich blass.
Was heute auch nicht gut kam, Herr Ministerpräsident, „Sie und die Frauen“. Sie rühmen sich zuweilen einer aktiven Frauenpolitik. Die sieht jetzt so aus, dass Frauen wie die Staatssekretärin Frau Deml, die sich bisher nichts zuschulden kommen ließ, außer dass sie eine