geltende absolute Tiermehlverfütterungsverbot nur auf sechs Monate begrenzt. Die Europäische Union hat noch immer nicht eingesehen, dass ein nicht kontrollierbares Tiermehlverfütterungsverbot den Bauern Steine statt Brot gibt. Ich fordere die Europäische Union auf, die zeitliche Begrenzung des Verfütterungsverbotes schleunigst aufzuheben und nicht wieder in den vorherigen, verhängnisvollen Zustand zurückzufallen.
Meine Damen und Herren, ich überlasse es Ihnen, zu beurteilen, ob noch von Objektivität der Inspektoren und einem ordnungsgemäßen rechtsstaatlichen Verfahren der EU gesprochen werden kann. Ich sage Ihnen: So kann die Europäische Union mit Mitgliedsstaaten nicht umgehen! Unter diesen Umständen ist weder der Verbraucherschutz noch die Landwirtschaft bei der EU in guten Händen! Das möchte ich hier ausdrücklich feststellen.
Meine Damen und Herren von der SPD, Sie hatten den Prüfbericht früher in Händen als wir. Mit der Instrumentalisierung dieses Prüfberichts haben Sie aber letztlich gezeigt, worum es Ihnen eigentlich geht: Es geht Ihnen in erster Linie nicht um eine sachliche Bekämpfung von BSE,
sondern einzig und allein um die Diffamierung der Bayerischen Staatsregierung, zum Schaden von ganz Bayern.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, BSE betrifft die Ernährung und damit ein ganz existenzielles Grundbedürfnis. Deshalb bin ich überzeugt, dass die BSE-Krise zu einer Zäsur im Bewusstsein der Menschen führen wird,
auch wenn das bisher in den Umfragen noch nicht so deutlich festzustellen ist. Die Menschen werden sich künftig nicht nur stärker dafür interessieren, ob Wurst in der Metzgerei hygienisch verpackt wird, sondern auch dafür, was eigentlich in den Futtertrog kommt. Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz werden künftig einen höheren Stellenwert einnehmen.
Hier sehe ich durchaus Parallelen zur Entwicklung des Umweltbewusstseins in Deutschland. Ebenso wie das Umweltbewusstsein zu einem veränderten Umgang mit unserer Umwelt und den natürlichen Ressourcen geführt hat, muss ein geschärftes Verbraucherbewusstsein zu einem Umdenken bei der Produktion von Nahrungsmitteln führen. Wir brauchen gläserne Produktionsketten. Die ganze Nahrungsmittelkette, vom Landwirt über die Verarbeitung und den Handel bis zur Ladentheke, muss für den Verbraucher transparent sein. Die Entwicklung
Ich habe mich an meine jungen Jahre zurückerinnert gefühlt, als ich die Auseinandersetzungen zwischen Sicco Mansholt auf der einen Seite und Hans Eisenmann auf der anderen miterlebte. Viele können sich daran wahrscheinlich noch erinnern. Vieles dieser Auseinandersetzung wiederholt sich heute, zwar unter anderen Umständen, doch in ähnlicher Weise. Ich erinnere an die Praxis der Tiertransporte, die nach wie vor von der EU geduldet werden. Ich erinnere an manche Auswüchse der industriellen Landwirtschaft mit Massentierhaltung. Der Druck auf die Bauern, immer billiger zu produzieren, wird immer größer. Mit dem Weltmarkt wird er sich noch verstärken. Gerade die bäuerlichen Familienbetriebe, wie wir sie in Bayern Gott sei Dank noch immer haben, können in diesem Wettbewerb mit Dumping-Angeboten immer weniger mithalten.
Erst wenn die Mehrzahl der Verbraucher durch diese Krise erkennt, dass Qualität ihren Preis hat, wird sich der Markt für qualitativ hochwertige Nahrungsmittel entsprechend positiv entwickeln.
Es liegt nun an unseren Bauern und an der Ernährungswirtschaft, diese Chance mit beiden Händen zu ergreifen und zu nutzen. Der Bauernverband sollte die Landwirte in Bayern dabei unterstützen. Wir in Bayern haben uns immer für die bäuerlichen Familienbetriebe eingesetzt. Wir werden das auch in Zukunft tun. Trotzdem oder gerade deshalb gilt mehr denn je zuvor: Der bayerische Weg einer nichtindustriellen bäuerlichen Landwirtschaft ist und bleibt richtig.
Die Landwirtschaft muss immer mit den speziellen regionalen Gegebenheiten zurecht kommen. Diese sind europa- und weltweit nicht einheitlich. Daher brauchen wir einen ausreichenden agrarpolitischen Spielraum, um den Landwirten die Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen, die diesen speziellen Gegebenheiten in den Ländern und Regionen entsprechen und an ihre Bedürfnisse angepasst sind. Diese Forderung wurde früher als versuchte Renationalisierung der Agrarpolitik diffamiert. Eine Renationalisierung der Agrarpolitik ist im zusammenwachsenden Europa und der zusammenwachsenden Welt nicht möglich und macht auch keinen Sinn. Wir brauchen aber ein Stück mehr regionale Zuständigkeit, also mehr Landeszuständigkeit vor allen Dingen bei der Einkommenspolitik für die Bauern.
Fragen müssen wir uns alle – Staat, Verbraucher, Wissenschaft, aber auch die Landwirte –, ob auch bisher zugelassene, geförderte und für sinnvoll erachtete Methoden tatsächlich richtig waren und sind. Ich nenne hier nur den Einsatz von Milchaustauschern oder von Antibiotika. Auch jede natürliche Nutztierhaltung hat ihre Grenzen im natürlichen Angebot an Futter, im Angebot an Bewegungsraum für die Tiere und der zur Verfügung stehenden Weiden. Artgerechter Umgang mit Nutztieren muss über die gesetzlichen Mindeststandards hinaus auf allen Produktionsstufen – von der Züchtung, Haltung und Fütterung bis zum Transport und der Schlachtung –
selbstverständlich sein. Dazu brauchen wir den nötigen europarechtlichen Freiraum. Dazu brauchen wir aber auch eine offene und ehrliche Diskussion in unserem Land. Letztlich werden sich die Gesetze der Natur durchsetzen – auch das lehrt uns BSE.
Meine Damen, meine Herren, BSE ist eine gewaltige Herausforderung, die nur gemeinsam bewältigt werden kann. Wir müssen alle Kräfte für die Bekämpfung dieser Krankheit mobilisieren. Lassen Sie uns zusammenarbeiten – Bürgerinnen und Bürger, Staat, Politik, Wissenschaft und Forschung, Wirtschaft und Landwirtschaft. Nur gemeinsam werden wir Erfolg im Kampf gegen BSE haben. Herzlichen Dank.
Ich eröffne die Aussprache. Wir haben keine Gesamtredezeitbegrenzung beschlossen. Die individuelle Redezeit beträgt daher immer eine Viertelstunde. Ein Redner jeder Fraktion kann bis zu einer Dreiviertelstunde und in Ausnahmefällen bis zu einer Stunde sprechen. Als erster Redner hat Herr Kollege Maget das Wort. Die Fraktion der SPD hat für ihn die entsprechende Redezeitverlängerung beantragt. Bitte, Herr Kollege Maget.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ende des vergangenen Jahres ist Bayern in den Mittelpunkt der BSE-Krise in Deutschland gerückt. Dabei hatten fast alle Verbraucher und Landwirte den Beteuerungen der Staatsregierung geglaubt, die unablässig betonte, Bayern sei BSE-frei; Rindfleisch aus Bayern sei absolut sicher, und überhaupt werde Fleisch lückenlos von der Geburt des Tieres im Stall bis zum Verkauf an der Ladentheke sorgfältigst kontrolliert. Spätestens im Dezember 2000 aber hat uns die bittere Wahrheit eingeholt. So wie in anderen Mitgliedstaaten der EU auch, gibt es in Deutschland BSE. So wie in anderen Ländern Deutschlands auch, ist Bayern betroffen. Mehr noch: Von den augenblicklich neun bekannten und bestätigten BSE-Fällen kommen sechs aus Bayern. Und es stellt sich heraus: Gerade in Bayern wurde jahrelang geschlampt, geschlafen, beschönigt und getäuscht.
Warum, Herr Stoiber, musste erst so viel passieren, bis jetzt endlich etwas geschieht? – Sicher, überall sind Fehler gemacht worden, aber nirgendwo so viele und so schwerwiegende wie in Bayern.
(Beifall bei der SPD und bei Teilen des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN – Willi Müller (CSU): Die Bundesregierung sitzt im Glashaus!)
bayerischen Landwirtschaft seit Jahrzehnten. Sie ist existenzgefährdend für die Landwirte. Sie hat das Vertrauen der Verbraucher in landwirtschaftliche Produkte nachhaltig zerstört. Das amtliche Gütesiegel „Qualität aus Bayern“ ist in eine schwere Krise geraten. Der Schutz der Verbraucher vor gesundheitlicher Gefährdung hat sich als völlig unzureichend herausgestellt. Staatliche Kontrollen und Prüfinstanzen waren nachlässig. Die gesamte landwirtschaftliche Produktionsweise steht auf dem Prüfstand.
Diese traurigen Feststellungen werfen auch die Frage nach Fehlern in der Vergangenheit und nach politischer Verantwortung auf. Dabei übersehen wir nicht die Versäumnisse und die Fehler, die auf Bundesebene, in anderen Staaten und in der Europäischen Union gemacht wurden. Die BSE-Krise ist aber auch eine Herausforderung und Chance. Wir wissen, die epidemieartige Ausbreitung von BSE ist ein Produkt des Menschen. Diese Erkenntnis zwingt dazu, jetzt endlich Maßnahmen zu ergreifen, die schon längst überfällig sind, und sie zwingt dazu, in der landwirtschaftlichen Produktion umzusteuern zu einer naturgemäßen Haltung und artgerechten Fütterung der Tiere sowie endlich zu einer entschlossenen Förderung des ökologischen Landbaus.
Wenn es stimmt, dass die Politik Fehler gemacht hat, dann ist heute hier im Bayerischen Landtag zweierlei erforderlich: Erstens, die kritische Aufarbeitung von Fehlern und Versäumnissen in der Vergangenheit und der Gegenwart, und zweitens die klare Feststellung von Maßnahmen, damit es wenigstens in Zukunft gelingen kann, dass die Verbraucher in unserem Land keine Angst mehr vor BSE haben müssen und wieder gesunde Lebensmittel essen können. Zunächst ist es das Gebot der Stunde, offen und vorbehaltlos Fehler und Versäumnisse, die in Bayern gemacht wurden, zu benennen und aufzuarbeiten. Es ist keine Diffamierung, Herr Ministerpräsident, einen EU-Bericht zu veröffentlichen, sondern es ist notwendig, weil die Menschen in unserem Land einen Anspruch darauf haben zu erfahren, was alles vorgefallen ist und was für die Zukunft aus den Fehlern gelernt werden muss.
Heute hören wir von Seiten der CSU viel Philosophisches und Nachdenkliches. Im vorliegenden Dringlichkeitsantrag der CSU heißt es plötzlich, dass sich „offensichtlich kaum ein Land der Rinderkrankheit BSE entziehen“ könne. Wie erklärt es sich dann, dass sich noch im Februar letzten Jahres Landwirtschaftsminister Miller in einer Pressemeldung seines Hauses zu der Aussage verstieg: „Mit dem Herkunftszeichen ,Qualität aus Bayern‚ haben sie die Gewissheit, absolut BSE-freies Fleisch aus heimischer Produktion zu erhalten.“ Bei solch grober Fahrlässigkeit muss man wirklich aufpassen, dass nicht demnächst der Staatsanwalt ins Haus kommt.
Da es in Bayern kein BSE gäbe, seien auch BSESchnelltests gänzlich überflüssig. Das war die Philosophie. Als im Frühjahr 1999 in Nordrhein-Westfalen begonnen wurde, Schnelltests an Rindern zu erproben, bezeichnete die bayerische Gesundheitsministerin Stamm diese Vorsorgemaßnahme als willkürlich und als eine „weitere unnötige Verunsicherung des Verbrauchers“.
Wie heißt es doch in der entsprechenden Pressemeldung des bayerischen Sozialministeriums vom 4. März 1999: „Wenn in Deutschland, das ja bekanntlich BSE-frei ist, gesunde Schlachtrinder auf BSE untersucht werden, ist der Ausgang der Untersuchung schon vor deren Beginn klar.“ In Wahrheit stammt der erste BSE-Fall Deutschlands, nämlich die am 2. November 2000 geschlachtete Kuh Heidi, aus Bayern. Über einen entsprechenden Verdacht haben die bayerischen Vertreter im Bundeskrisenstab jedoch kein Wort verloren. Auch in der Erklärung von Frau Staatsministerin Stamm vor dem Bayerischen Landtag am 28. November letzten Jahres findet sich kein Hinweis auf diesen Vorgang. Statt dessen auch hier wieder umfassende Kritik an anderen: an den europäischen Staaten, natürlich an der EU und erst recht an der Bundesregierung. Statt Eigenlob wäre damals wenigstens ein Quäntchen Selbstkritik schön und notwendig gewesen.
Dass nach jüngsten Pressemeldungen von heute BSETests, die von Herstellern wie der Firma „Hipp“ auf freiwilliger Basis und auf eigene Kosten durchgeführt werden, von der staatlichen Bezirksregierung in Oberbayern sogar verboten worden sind, ist der Oberhammer.
Der zweite schwere Fehler der Regierung Stoiber und auch der CSU-Mehrheit im Bayerischen Landtag waren schwere Versäumnisse beim Verbraucherschutz. Seit 1994 beantragte die SPD in diesem Hause nahezu jährlich ein Herstellungs– und Verfütterungsverbot für Tiermehl. Jahr für Jahr wurden unsere Anträge abgelehnt,