Protocol of the Session on November 29, 2000

(Heiterkeit)

Die Problematik ist, dass dann, wenn man bei einem dieser Menschen eine Lohnpfändung machen will, dieser zwar vielleicht woanders einen Job hat, aber er kann nicht erreicht werden. Gleichzeitig fährt er mit dem dicken Wagen der neuen Freundin durch die Gegend. Wenn ich einem solchen Menschen eine Geldstrafe auferlege, bringt das überhaupt nichts, weil er sowieso kein Geld hat. Sperre ich ihn ein, dann gebe ich seinen Kindern Steine statt Brot; denn eigentlich soll er ja für die Kinder zahlen. Wenn ich ihm nun aber die Möglichkeit nehme, mit dem Sportwagen seiner neuen Freundin durch die Gegend zu fahren, dann halte ich dies für ein wirksames Mittel.

Das gleiche gilt im Jugendstrafrecht. Es ist für manchen Jugendlichen weitaus wirksamer, wenn er einmal zwei Monate lang kein Motorrad oder kein Auto fahren darf, als wenn er eine Woche Arrest hinter sich bringt.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Wilhelm (CSU))

Ich bin sehr dankbar, dass es solche Signale gibt. Ähnliche Signale gibt es beispielsweise auch vom neuen SPD-Justizminister aus Mecklenburg-Vorpommern, der das im Augenblick zwar nur für rechtsradikale Straftaten vorsieht, aber wenn das System einmal durchbrochen ist, wie so manche sagen, dann kann das sicherlich wirkungsvoll sein. Ich glaube auf jeden Fall, dass wir dieses Fahrverbot in den Sanktionenkatalog einbauen sollten. Dabei muss ich deutlich feststellen, dass ein Richter nicht verpflichtet ist, ein Fahrverbot zu verhängen.

(Frau Abgeordnete Christine Stahl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Eben!)

Es soll eine zusätzliche Möglichkeit sein. Und da mag es den einen geben, bei dem das unheimlich wirkt, während es einen anderen, der einen Dienstwagen hat oder den öffentlichen Nahverkehr benutzt, vielleicht nicht so sehr trifft. Und da kann der Richter dann eine andere Entscheidung treffen.

Ein letzter Punkt. Die Frau Kollegin Stahl hat den Soforteinbehalt bei Ladendiebstahl angesprochen. Das ist ein Versuch, unter Abkürzung von Wegen im Rahmen der Strafprozessordnung solche Delikte schneller zu ahnden. Ich möchte Sie bitten, uns für den Bericht ein bisschen Zeit zu lassen, weil das alles im Moment erst anläuft.

(Frau Abgeordnete Christine Stahl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Das ist ja erst ein Antrag!)

Ich glaube, das sollte zunächst einmal ein Jahr laufen, um erste Erfahrungen zu sammeln.

(Frau Abgeordnete Christine Stahl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Ah, so lange?)

Eines möchte ich noch ganz deutlich sagen und das ist auch der Grund, warum wir die Frage schon so früh debattieren. Ich habe bei dieser Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems die große Sorge, von der Bundesregierung überrumpelt zu werden. Ich fürchte, dass man die Entwürfe so lange zurückhält und nicht mehr einen Referentenentwurf vorlegt, sondern – dafür gibt es Anzeichen – gleich einen Gesetzentwurf einbringt, wodurch die Praxis dann nicht mehr entsprechend gehört werden kann.

Nun könnte ich fragen: Was hilft mir die Anhörung der Praxis? Bei der Zivilrechtsreform haben wir ja gemerkt, dass die Praxis ausführlich gehört wurde, aber davon nicht das Geringste berücksichtigt wurde. Man hat gesagt: Helm auf und durch; die Fachleute können erzählen was sie wollen, wir machen es trotzdem nicht. Eine solche Anhörung hilft uns dann auch nicht weiter. Aber ich glaube, es wäre schon wichtig, gerade diesen Punkt, bei dem es an die Grundfesten unseres strafrechtlichen Sanktionensystems geht, ausgiebig zu diskutieren.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Hahnzog (SPD))

Aus diesem Grund haben wir die Thematik auf die Tagesordnung gebracht und deshalb werden wir sie

noch so oft ansprechen, bis die Bundesregierung bereit ist, uns die entsprechenden Entwürfe vorzulegen, damit wir hierzu offiziell Stellung nehmen können.

Ich darf mich auf jeden Fall bei der CSU-Fraktion für diesen Antrag, der alles Wesentliches enthält, sehr herzlich bedanken. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, diesem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 14/5090 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Mitglieder der Fraktion der CSU. Die Gegenstimmen. – Die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie Herr Kollege Hartenstein. Stimmenthaltungen? – Keine. Der Antrag ist also angenommen.

Nun rufe ich zur gemeinsamen Behandlung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Maget, Werner-Muggendorfer und Fraktion (SPD)

Kein Wegfall der Stichwahlen (Drucksache 14/5091)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Paulig, Kellner, Tausendfreund, Dr. Runge, Schopper, Christine Stahl und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Stichwahlregelung im bayerischen Kommunalwahlrecht (Drucksache 14/5093)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Als erster hat sich zu Wort gemeldet Herr Staatssekretär Regensburger.

Staatssekretär Regensburger (Innenministerium) : Herr Präsident! Meine sehr verehrte Damen und Herren! Die Anträge fordern die Staatsregierung auf, Überlegungen einzustellen, künftig auf Stichwahlen zu verzichten und sie nicht weiter zu verfolgen. Ich erkläre hiermit für die Staatsregierung, dass weder bei der Staatsregierung noch im Innenministerium solche Überlegungen existieren. Deshalb meine ich, dass auf die Beratung der Anträge verzichtet werden kann.

(Heiterkeit , Beifall und Zurufe – Zuruf von der CSU: Hervorragend!)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie haben die Erklärung gehört. Können wir die Anträge als erledigt betrachten? Besteht damit Einverständnis? – Dann betrachten wir die Anträge für erledigt.

Nun rufe ich noch auf

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Maget, Hartmann und Fraktion (SPD)

Höherer Betriebskostenzuschuss für das Mainfranken-Theater in Würzburg (Drucksache 14/5092)

Ich eröffne dazu die Aussprache. Um das Wort hat gebeten der Kollege Hartmann.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sicherlich haben Sie in den letzten Tagen über die Medien mitverfolgen können, dass das Dreispartenhaus des Mainfränkischen Theaters in Würzburg massiv bedroht ist. Dahinter verbirgt sich nicht eine schlechte Arbeit der Theaterleute vor Ort in Würzburg, sondern dahinter verbirgt sich in erster Linie eine strukturelle Finanzkrise der Stadt Würzburg. Das bayerische Kabinett hat gestern löblicherweise eine weitere Bedarfszuweisung – zwar ohne Höhe aber immerhin eine weitere Bedarfszuweisung – in Aussicht gestellt und damit diese grundsätzliche schwierige Haushaltslage ein weiteres Mal – es gab in diesem Jahr schon eine Bedarfszuweisung in Höhe von 6 Millionen DM – anerkannt.

Mit dieser erneuten Bedarfszuweisung besteht aber in keinster Weise Planungssicherheit für die Verantwortlichen des Mainfranken Theaters. Und genau das ist es, was dringend benötigt wird, damit das Haus als Dreispartenhaus mit eigenem Ensemble weiter bestehen kann. Planungssicherheit muss her. Deshalb bitte ich Sie alle um Zustimmung zu unserem Dringlichkeitsantrag.

Ich bitte deshalb um Zustimmung, weil sich hinter dieser scheinbaren Theatermisere eine besondere Situation verbirgt, die in Bayern einmalig ist. Es gibt keine andere bayerische Großstadt, die mit Schullasten so stark belastet ist wie Würzburg. Es gibt keine andere bayerische Großstadt, die sämtliche berufsbildenden Schulen in ihrer Trägerschaft hat und es gibt auch keine andere bayerische Großstadt, die so viele weiterführende Schulen in ihrer Trägerschaft hat. Daraus, aber auch aus einem massiven Wegbrechen der Gewerbesteuereinnahmen, ist diese Situation entstanden.

Die Situation wäre anders, wenn wir in Bayern nicht so gewaltige Disparitäten hätten zwischen der Förderung der wenigen staatlichen Theater und der Vielzahl der nichtstaatlichen Bühnen. Ich will Ihnen das mit ganz wenigen markanten Zahlen belegen und verweise dabei auf die Drucksache 14/3736. Ihr können Sie entnehmen, dass die fünf staatlichen Bühnen im Jahre 1999 rund 207,6 Millionen DM Betriebskostenzuschüsse aus Mitteln des Freistaates erhielten, aber die 42 nichtstaatlichen Bühnen ganze 60,3 Millionen DM Betriebskostenzuschüsse erhielten. Diese Disparität gilt es auszugleichen. Das ist unsere Aufgabe, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Wenn man jetzt aber meint, den Schwarzen Peter an die Stadt und das Umland zurückzugeben, und fordert, dass dort eine Lösung gefunden wird, dann ist das zunächst sicherlich irgendwo nachvollziehbar, und auch, dass

man bei dieser zukünftigen Lösung an Zweckverbände denkt.

Aber dadurch würden die Disparitäten, die ich eben aufgeführt habe, in keiner Weise beseitigt.

Im Namen der SPD-Fraktion mahne ich wiederum – wir tun dies seit mehr als zehn Jahren – eine Reform der Theaterförderung in Bayern an, eine Reform hin zu einer gerechten Förderung. Denn es geht nicht an, dass die eben dargestellten Disparitäten zwischen den wenigen staatlichen Häusern und der Vielzahl der nicht staatlichen Bühnen bestehen bleiben. Wir meinen, der Kulturauftrag des Freistaates muss flächendeckend und ausgewogen erfüllt werden. Die derzeitige Theaterförderung wird diesem Auftrag nicht gerecht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Was wäre denn die Alternative? Eine Alternative wäre die Umwandlung des Würzburger Theaters in ein reines Bespielhaus. Dies hätte zur Folge, dass nahezu 300 Beschäftigte des Theaters – sehen Sie bitte auch die Familien im Hintergrund – über kurz oder lang ihren angestammten Arbeitsplatz verlieren würden. Abfindungen und ein Sozialplan würden erforderlich. Ich will überhaupt nicht über die Kosten in Millionenhöhe philosophieren, die damit verbunden wären. Doch appelliere ich an alle, nicht den Weg in Richtung Abfindungen und Sozialplan zu gehen, sondern den Weg hin zu einer aktiven Kulturarbeit, zu einer besseren Förderung der nicht staatlichen Bühnen in Bayern. Ich bitte um Zustimmung zu unserem vorliegenden Dringlichkeitsantrag.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat nun Herr Kollege Dr. Wilhelm.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die CSU-Fraktion ist für die Erhaltung des Theaters Würzburg.

(Zuruf von der SPD: Bravo!)

Die Schließung dieses Theaters wäre eine Schande nicht nur für die Stadt Würzburg, sondern auch für den Kulturstaat Bayern.

(Beifall bei der SPD)

Ich muss allerdings eine kritische Anmerkung zur Stadt Würzburg und zu ihrer Politik machen. Es kann durchaus sein, dass sich die Stadt im Gegensatz zu vergleichbaren Kommunen, die auch über ein Theater verfügen, in einer besonders schwierigen Situation befindet. Doch dass die Stadt Würzburg zuallererst ausgerechnet zwei Kultureinrichtungen schließen will, um sich zu sanieren, ist schwer verständlich. Ich denke in dem Zusammenhang nicht nur an das genannte Theater, sondern auch an das Hermann-Zilcher-Konservatorium. So hat der Würzburger Stadtrat ultimativ erklärt, diese Einrichtung werde geschlossen werden, sollte der Freistaat Bayern sie nicht übernehmen. Diese kulturfeindliche Haltung –

so möchte ich es nennen – der Führung der Stadt Würzburg wird dem Kulturstaat Bayern nicht gerecht.

(Zurufe von der SPD)