Protocol of the Session on November 9, 2000

Nun einige Bemerkungen zur EDV-Ausstattung bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften. Selbstverständlich sind und bleiben qualifizierte und motivierte Mitarbeiter für die Effizienz der bayerischen Justiz entscheidend. Dazu muss aber modernste Technik hinzukommen. Bei der Ausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften mit modernster EDV-Technik nimmt Bayern bundesweit eine Spitzenposition ein. Diese Position kann auch im Doppelhaushalt 2001/2002 weiter zügig ausgebaut werden.

Die vorgesehene Erhöhung der EDV-Ansätze um insgesamt 21 Millionen DM gegenüber dem Soll 2000 ermöglicht eine weitere Rationalisierung sowie – nach dem Motto „schnelles Recht ist gutes Recht“ – eine Beschleunigung von Verfahrensabläufen und trägt so zur Bewältigung des gestiegenen Arbeitsanfalls bei.

Nun noch einen kurzen Blick auf die Hochbaumaßnahmen: Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn Herr Minister dies in freier Rede schon „verraten“ hat, wiederhole ich es: Auf Antrag meiner Fraktion schlägt Ihnen der Haushaltsausschuss vor, die im Jahr 2001 für staatliche Hochbaumaßnahmen vorgesehenen Ausgabemittel in Höhe von 48 Millionen DM im Bereich Gerichte und Staatsanwaltschaften bzw. von 24,5 Millionen DM im Bereich der Justizvollzugsanstalten um jeweils 5 Millionen DM aufzustocken, zusammen also um 10 Millionen DM, so dass dann insgesamt 82,5 Millionen DM zur Verfügung stehen.

Damit können die umfangreichen laufenden Baumaßnahmen wie die Generalsanierung des Justizgebäudes in Bamberg, Wilhelmsplatz 1, zügig fortgeführt und wichtige Neubaumaßnahmen wie die Sanierung der Außenstelle Lichtenau der Justizvollzugsanstalt Nürnberg begonnen werden.

(Hofmann (CSU): Da kann man in Bamberg doch einen Pressetext machen!)

Wir zeigen mit dem Einzelplan 04, dass wir in Bayern – anders als zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen oder Berlin – neben Legislative und Exekutive die Judikative

als eigenständige dritte Gewalt im Staate achten und zu stärken suchen. Dass dies auch in der Öffentlichkeit Früchte trägt, hat zum Beispiel die „Woche der Justiz“ eindrucksvoll bewiesen, worauf Herr Justizminister hingewiesen hat.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen und hier und heute vor dem Parlament nicht nur pro domo als Bamberger Stimmkreisabgeordneter, sondern gerade auch in meiner Eigenschaft als Berichterstatter für den Justizetat vor Überlegungen warnen, Aufgaben der Landesjustizkasse Bamberg wie den Zahlungsverkehr und die Datenverarbeitungsstelle auf die Staatsoberkasse Bayern in Landshut, also in den Bereich der Exekutive, zu übertragen. Es geht also nicht um eine Verlegung von Bamberg nach Landshut, sondern um eine Übertragung von Aufgaben von der Judikative auf die Exekutive. Schon aus staatsund verfassungspolitischen Gründen muss daher – neben anderen Argumenten – meines Erachtens die Landesjustizkasse unangetastet Bestandteil des Justizressorts bleiben.

(Hofmann (CSU): Wir haben verstanden!)

Weitere Einzelheiten und Zahlen des Etats, der im Ausschuss eingehend beraten worden ist, möchte ich Ihnen ersparen, vielmehr abschließend feststellen, dass im Hinblick auf den großen Unterschied zwischen dem Wünschbaren und dem Machbaren und auch unter Berücksichtigung der mit knapp 50 Prozent im Vergleich zu anderen Geschäftsbereichen immer noch beachtlich hohen Kostendeckungsquote im Entwurf des Einzelplans 04 das finanziell noch Darstellbare ausgewiesen ist. Deshalb müssen die Änderungsanträge der Opposition mit Mehrkosten von insgesamt 32,6 Millionen DM im Doppelhaushalt zur Ablehnung empfohlen werden.

Ich bedanke mich bei Herrn Staatsminister Dr. Weiß, der, wie wir alle gemerkt haben, mit großer Freude und Energie an seine neue Aufgabe herangegangen ist, bei seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Justizministerium und nochmals bei allen Angehörigen des Ressorts im ganzen Land für die engagierte Arbeit in den vergangenen Jahren und bitte, wie schon der Herr Minister, das Hohe Haus um Zustimmung zum Einzelplan 04 für die Jahre 2001 und 2002 in der Fassung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses.

(Beifall bei der CSU)

Als nächste hat Frau Kollegin Stahl das Wort.

Herr Präsident, meine Herren und Damen! Angesichts der fortgeschrittenen Zeit möchte ich eigentlich sagen: Fenster auf und Kniebeugen. Das geht hier leider nicht. Vielleicht haben wir dazu nach dem Umbau einmal die Möglichkeit.

Kniebeugen gehen schon.

(Heiterkeit)

Das ist wahr; das mache ich glatt.

(Lebhafte Zurufe – Unruhe)

Die Zeit ist aber kostbar, und wir wollen nach Hause gehen.

Meine Herren und Damen, der Haushaltsentwurf der Staatsregierung könnte unter der Überschrift „Verwaltung von Missständen“ stehens. Wir haben vom Herrn Justizminister eine Reihe von Anmerkungen zur Bundespolitik gehört, die bei mir den Eindruck erweckt haben, als wollte man von den Problemen ablenken, die vor Ort tatsächlich herrschen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Der von CSU und Staatsregierung propagierte starke Staat zeichnet sich nach unserer Meinung durch Rechtssicherheit und Handlungsfähigkeit aus und nicht nur, wie hier immer wieder dargestellt, durch Unnachgiebigkeit, Gnadenlosigkeit und starke Polizeitruppen. Wir müssen uns heute im Rahmen der Haushaltsdebatte fragen, inwieweit der Haushaltsplanentwurf aus dem Justizministerium den Ansprüchen der Rechtssicherheit und Handlungsfähigkeit gerecht wird.

Es ist unbestritten, dass die bayerischen Gerichte trotz Ausstattungsmängeln im Bundesvergleich eine relativ kurze Verfahrensdauer vorweisen können. Doch wissen wir alle: Hier haben wir es mit Durchschnittszahlen zu tun, die abhängig sind vom Schwierigkeitsgrad des jeweiligen Verfahrens und vom Engagement des einzelnen Richters. Sich hier hinzustellen und zu sagen, wir seien so schnell, halte ich für etwas zynisch. Denn damit gibt man die Verantwortung für die Dauer dieser Verfahren letztlich an die Richterinnen und Richter zurück. „Relativ kurz“ bedeutet für mich nicht unbedingt zufriedenstellend. Denn diese Angabe ist Ergebnis eines Vergleichs. Was wollen wir tatsächlich an Verfahrensschnelligkeit? Eigentlich müsste sich das Bemühen des Justizministers darauf richten, die technische und personelle Ausstattung der Gerichte so zu gestalten, dass zeit- und bürgernah entschieden werden kann. Mein Vorredner hat durchaus Recht, wenn er darauf hinweist, dass der Standort Bayern auch davon lebt, wie viel Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit hier geboten wird, gerade auch für die Unternehmen.

An dem Punkt verstehe ich den bayerischen Justizminister nicht mehr. Anstatt die durch die Zivilrechtsreform entstandenen Spielräume, auch die finanzieller Art, zu nutzen, erhebt sich Wehgeschrei. Herr Minister, ich hatte durchaus Kritik an dem ganz frühen Gesetzentwurf zur Zivilrechtsreform anzubringen. Auch wir haben Teile dieses Entwurfs kritisiert. Doch angesichts der erreichten Änderungen – diese betreffen beispielsweise das Einzelrichterprinzip und die Berufungsvoraussetzungen – erscheint es mir nicht angebracht, sich immer noch einer Art Verweigerungshaltung hinzugeben,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

es sei denn, Sie machen andere Vorschläge dafür, wie Sie dem Dilemma zwischen begrenzten Finanzmitteln einerseits und personellen sowie technischen Notwendigkeiten andererseits begegnen wollen. Doch davon habe ich in Ihren Ausführungen nichts gehört, Herr Minister, sondern nur: Wir wünschen uns, können aber leider nicht.

Neben einer funktionierenden Rechtsprechung muss der Rechtsstaat aber auch die Durchsetzung von Recht gewährleisten. Es ist dem Engagement der bayerischen Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher zu verdanken, dass die Durchsetzung von Ansprüchen trotz der dramatisch schlechten personellen und finanziellen Ausstattung dieser Berufsgruppe gewährleistet werden konnte. Nachdem wir im Rechtsausschuss schon über diese Problematik diskutiert haben, auch mit Betroffenen, und diverse einschlägige Eingaben behandelt haben, meine ich: Hier genügt der Ansatz des Justizministeriums bei weitem nicht. Dasselbe gilt für den Strafvollzug. Herr Minister, es muss Ihnen doch klar sein, dass Sie entweder mehr Mittel und Personal bereitstellen oder sich Alternativen zu dem herkömmlichen Verwahrvollzug überlegen müssen, wenn Resozialisierung aus gesellschafts- und volkswirtschaftlicher Einsicht heraus mehr als schwarze Buchstaben auf weißem Papier sein soll. – Das war eine knappe Vorwegnahme meiner Einschätzung des zur Diskussion stehenden Entwurfs für den Justizhaushalt. Ich komme jetzt zu den einzelnen Sparten.

Seit den Haushaltsberatungen im vergangenen Jahr hat sich an der schwierigen Situation der bayerischen Justiz nicht viel geändert. Sowohl an den Gerichten wie bei den Staatsanwaltschaften und im Justizvollzug ist die Situation aufgrund der schlechten personellen und technischen Ausrüstung angespannt. Wir haben im letzten Jahr noch ein wenig über die „Wasserkocher-Genehmigungen in mehrfacher Ausfertigung“ gewitzelt, die notwendig werden, wenn sich ein kleiner Staatsanwalt seinen PC von zu Hause mitbringt, weil er eine entsprechende Ausstattung am Gericht nicht vorfindet. An dieser Situation hat sich meines Erachtens nicht sehr viel verbessert. Herr Minister, Sie können jetzt sagen, künftig würden diese und jene Beträge angesetzt. Ich bin gespannt, wie sich das in der alltäglichen Arbeit niederschlagen wird. Die Zahl der zu bearbeitenden Fälle ist relativ konstant geblieben, der Ausstattungsstandard trotzdem weiterhin unbefriedigend.

Natürlich ist uns bewusst, dass die Umstellung auf moderne Zeiten auch eines umfangreichen Finanzvolumens bedarf. Das ist ganz klar. Jetzt können wir glücklicherweise anführen, dass die Kosten für Hardware gesunken sind. Doch kostet eine nutzerfreundliche und für die Justiz brauchbare Software immer noch sehr viel Geld. Anlagen wollen zudem installiert und gepflegt werden. Diese Aufgabe können die Staatsanwälte und Richter nicht unbedingt selbst erledigen; zudem ist sie zeitund kostenaufwendig. Eine Umstellung kann also nur in mehreren Stufen erfolgen. Darin sind wir uns einig. Uneinigkeit herrscht dagegen hinsichtlich der Geschwindigkeit der Umstellung. Hier bitte ich schon um ein etwas zügigeres Vorgehen. Außerdem frage ich mich: Was sollen wir von einer Hightech-Offensive halten, wenn in den

eigenen Zuständigkeitsbereichen immer erst noch nach den passenden Steckdosen gesucht werden muss?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein zuerst hoffnungsfroher Blick in den Stellenplan für die Gerichte und die Staatsanwaltschaften wird zudem schnell durch Tränen des Bedauerns getrübt: Personalengpässe werden durch Verschiebungen im Stellenplan kaschiert. Ich sage „kaschiert“, weil wegen der verordneten Kostenneutralität Änderungen letztendlich Einsparungen an anderer Stelle erfordern. So ist es zwar zu begrüßen, wenn endlich das Elend der Gerichtsvollzieher beseitigt werden soll und dafür 2001 sowie 2002 je 25 zusätzliche Stellen angesetzt werden, was eine echte Stellenmehrung darstellt. Doch werden dadurch die Personalprobleme bei den Gerichten, insbesondere bei den Eingangsgerichten und den Staatsanwaltschaften, nicht behoben. Nehmen wir notwendige Leistungsanreize wie Stellenhebungen. Im Stellenplanentwurf des bayerischen Justizministeriums gehen diese teilweise auf Kosten von Stellenreduzierungen.

Wir fragen uns natürlich schon, wie die Staatsanwaltschaften unter diesen Bedingungen zum Beispiel ihrem Ermittlungs- und Strafverfolgungsauftrag gerecht werden sollen. Sie haben diesbezüglich etwas anderes gesagt, Herr Minister. Ich frage Sie: Nehmen Sie die Frage wirklich ernst, wie die Staatsanwaltschaften ihrem Ermittlungs- und Strafverfolgungsauftrag gerecht werden sollen? Wenn ich mich nicht täusche, ist mit den schwierigen und umfangreichen Ermittlungen im Falle von Schreiber und Pfahls nach wie vor lediglich eine Staatsanwältin zur Anstellung befasst. Herr Minister, vielleicht können Sie einen Satz dazu sagen. Sie haben gesagt, dass Sie sich bemühen wollen, für diesen Fall zusätzliches Personal zur Verfügung zu stellen. Sollte sich aber bislang nichts geändert haben, müsste schon der Verdacht aufkommen, dass man an einer zügigen Aufklärung der Affäre nicht interessiert ist, einer Aufklärung des Falls, durch die sehr wohl auch Unschuldige, die möglicherweise in das Verfahren einbezogen wurden, entlastet und endlich von dem Druck des Verfahrens befreit würden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Trotz der zu erwartenden Stellenaufstockung möchte ich wie im vergangenen Jahr ein besonderes Augenmerk auf die Situation der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher lenken. Es ist anzuerkennen, dass das Justizministerium endlich reagiert. Herr Minister, Sie sprechen in dem Zusammenhang zwar von „sofort“; doch ich sage: Endlich wird etwas unternommen. Denn das Problem war schon unter Ihrem Vorgänger relevant, der allerdings erklärte, aufgrund der angespannten Finanzlage könnten bzw. müssten wir nichts ändern. Endlich reagieren Sie also. Doch glauben wir nicht, dass die vorgesehenen Stellen zu einer Entspannung führen werden. Sie wissen selbst: Der Pensenschlüssel basiert seit 1962 auf einer 45- bis 47-Stunden-Woche. Hier müsste dringend eine Anpassung erfolgen.

Inwieweit eine Optimierung des Geschäftsbetriebs bei den Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern

selbst möglich ist, sollte überprüft werden. Ich bin durchaus der Meinung, dass man vielleicht das eine oder andere noch ändern kann. Allerdings erscheint uns – schon aus zeitlichen Gründen – fraglich, dass es Aufgabe der staatlichen Prüfungsbeamten sein kann, eine Art Lean-Management-Fortbildung bei Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern durchzuführen, wenn nicht gleichzeitig eine Entrümpelung von Vorschriften erfolgt. Wir halten freiwillige Fortbildungsangebote für sinnvoller. Doch müssten die armen Betroffenen dafür auch Zeit haben. Herr Minister, auch wenn Sie dafür geworben haben, halten wir nicht sehr viel von der Idee, die Gerichtsvollzieher-Laufbahn für Seiteneinsteiger zu öffnen. Man kann durchaus einmal testen, wie diese Möglichkeit angenommen wird. Doch befürchte ich, entsprechende Bemühungen scheitern an der „Attraktivität“ der Besoldung. Ich hoffe, Sie gestatten es mir, dass ich es für fraglich halte, dass ein Feldwebel der Bundeswehr unbedingt die Qualifikation für die nervenaufreibende und seelisch belastende Arbeit eines Gerichtsvollziehers mitbringt.

Während die Polizei als „Freund und Helferin“ ein positives Image genießt, muss um das Ansehen von Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern in der öffentlichen Meinung immer noch gekämpft werden. Ich habe nicht den Eindruck, dass das Justizministerium den Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern die Aufmerksamkeit zukommen lässt, die sie als Bewahrer von Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit verdienen. Wir sagen: Die Durchsetzung von Recht muss denselben Stellenwert haben wie die gerichtliche Feststellung von Recht und die Strafverfolgung. Bei fehlenden 200 Stellen und einer unbefriedigenden Entschädigung können die für 2001 und 2002 jeweils vorgesehenen 25 Stellen nur ein erster Schritt sein.

Neben den in der kurzen Redezeit nur angerissenen Personalproblemen ein weiterer kritischer Punkt im Justizhaushalt: das ungelöste Problem der altehrwürdigen, teils unter Denkmalschutz stehenden, jedoch dringend sanierungsbedürftigen Gerichtsgebäude. Seit Jahren drückt man sich um eine grundlegende Sanierung. Vielmehr wird Flickschusterei betrieben und aus vielen Gebäuden eine Dauerbaustelle gemacht.

In einem Jahr sind die Fenster an der Reihe, im nächsten Jahr die WC-Anlagen.

Wenn Sie sich zu einem Kraftakt durchgerungen und endlich eine ökologische Gebäudesanierung in Angriff genommen hätten, hätten Sie sich viel Geld sparen könnten. Sie können locker bis zu 30% der Heiz- und Energiekosten sparen, welche bei einem Planansatz von 10,8 Millionen DM etwa ein Sparvolumen von zirka 3 Millionen DM umfassen. Zwar werden im vorliegenden Haushalt Gelder für die Erneuerung des Mobiliars eingesetzt, aber die alten Wasserleitungen nicht isoliert, Wärme verpufft und Heizkessel spucken. Statt dessen aber gibt es eine Reihe von Gefängnisneubauten. Diese wunderschönen, neuen Verwahranstalten sind Hüllen ohne neue Konzepte für einen modernen Strafvollzug. Teils stehen sie schon, teils sind Umbauten in Planung, wie etwa das „Gefängnis light“ in Lichtenau; ich bin verblüfft, dass Sie dieses heute nicht nochmals als der

Weisheit letzten Schluss im Strafvollzug erwähnt haben. „Gefängnis light“ ist letzten Endes nur ein anderer Begriff für erleichterten, offenen Vollzug. Man hat eingesehen, dass man wenigstens für die Gefängnisneubauten neues Personal braucht, aber die tatsächlichen Stellenmehrungen lösen an der problematischen Situation, die bereits vor diesen Neubauten geherrscht hat, absolut nichts.

Unbestritten haben wir eine dramatische Zunahme der Gefangenenzahlen und damit – dies haben Sie vergessen zu erwähnen, weil es in der zitierten Internetseite, die sich wunderschön liest, nicht steht, doch leider können Sie daraus keine Konsequenzen entnehmen – stellt Bayern mit einem Bewachungs- und Betreuungsschlüssel von 1 : 2,82, bezogen auf die Strafgefangenen, das Schlusslicht dar. Um wenigstens die Quote von 1991 zu erreichen, die sich am unteren Vergleichsende bewegt, bräuchte man 1100 Bedienstete mehr, zum Bundesdurchschnitt fehlen sogar 1807 Bedienstete.

Ich lasse die von Ihnen genannten Zahlen weg. Wir fragen uns natürlich, was antworten Sie auf die 30prozentige Zunahme von Straftaten? Sie haben selbst gesagt, der Gefängnisneubau stoße mit den entsprechenden Finanzmitteln an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit. Was wollen Sie dann tun? Wenn wir feststellen, dass beispielsweise mit 51,7% ein erstaunlich hoher Anteil an ausländischen U-Häftlingen vorhanden ist, während der Ausländeranteil in der Strafhaft selbst auf 35,5% sinkt, fragen wir uns schon, ob nicht ein bisschen zu schnell verhaftet und in den Knast gesteckt wird. Insofern sollten Sie offen und ehrlich sein und eine Überprüfung vornehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sinnvoller erscheinen uns neben der Senkung der U-Haftzahlen Alternativen zur Haft, etwa „Schwitzen“ statt „Sitzen“. Allerdings fehlt es an der Umsetzung dieses Angebots. Bei unserem Besuch in Lichtenau wurde uns erzählt, dass über 50% der dortigen Häftlinge deswegen eine Ersatzfreiheitsstrafe bekommen hätten, weil sie mit den Hinweisen auf den Zetteln, auch gemeinnützige Arbeiten leisten zu können, nichts anfangen könnten. Ein solch dürrer Satz hilft den Betroffenen natürlich nicht weiter, sondern es muss ein Hinweis darauf stehen, wohin sie sich wenden und mit wem sie darüber reden können usw. Insofern erwarten wir, dass Sie sich noch etwas einfallen lassen.

Die Überbelegung der Strafanstalten lässt natürlich auch die Frage nach einer ausreichenden sozialen, ärztlichen und vor allem therapeutischen Betreuung aufkommen. Uns erreicht eine Vielzahl von Klagen aus den Justizvollzugsanstalten. So kann etwa dem Wunsch nach wohnortnaher Verlegung, der sehr wichtig ist, um das soziale Gefüge beizubehalten, schon deshalb oft nicht nachgekommen werden, weil am Wohnort eine Überbelegung herrscht und jeder zusätzliche Gefangene nicht aufgenommen werden kann. Das Geld für die grundlegende Versorgung der Gefangenen ist knapp. Es gibt Klagen, dass zu wenig Zahnbürsten, Zahnpasta, Schreib- und Toilettenpapier ausgegeben werden. Dieses sind für uns Kinkerlitzchen, aber für die Betroffenen elementare Pro

bleme. Insofern erwarte ich von einem Justizminister, dass er dazu und zu den Kosten im Strafvollzug eine Aussage macht, aber nicht über die Bundespolitik schwadroniert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein weiterer, dringend in Angriff zu nehmender Punkt ist die Gefangenenentlohnung, die jetzt zur Schadenswiedergutmachung kaum geeignet ist, obwohl das Bundesverfassungsgericht eine Anpassung verlangt. Selbst wenn einzusehen ist, dass eine Aufstockung des Arbeitslohnes in dem geforderten Umfang aus finanziellen Gründen nicht möglich ist, muss ich mir Gedanken dazu machen, welche Vergünstigungen oder Haftzeitverkürzungen umgesetzt werden können und ob die Krankenkassenmitgliedschaft bei Haftantritt anstelle einer Aufstockung des Arbeitslohns beibehalten werden kann. Sie werden nach diesem Gerichtsurteil nicht umhinkommen; es ist einem Strafgefangenen, der nach der Entlassung mit nichts auf der Straße steht, sehr schwierig, einen Neuanfang zu beginnen. Auch dies wäre ein wichtiger Punkt zur Resozialisierung.