Die erste Instanz würde durch die neuen Regelungen völlig überfrachtet. Die vorgeschlagene Ausweitung der gerichtlichen Hinweis-, Dokumentations- und Protokollierungspflichten bringt keine Vorteile für den Bürger, sondern lediglich eine Zunahme des Papierverbrauchs bei den Gerichten und eine Überreglementierung der mündlichen Verhandlung.
Ein erheblicher Serviceverlust für den Bürger wird sich ergeben, wenn in der ersten und zweiten Instanz statt der mit drei Richtern besetzten Zivilkammern fast nur noch Einzelrichter eingesetzt werden sollen. Die Parteien müssten dann bei schwierigen Sachen auf die Beratung im richterlichen Team, den Austausch der Rechtsmeinungen und die kollegiale Qualitätskontrolle unter den Richtern verzichten. Ich glaube, wer einmal als Richter tätig war, vor allem als Anfänger, weiß, wie wichtig Beratungen sind.
Es ist schon erstaunlich: Die ganze Welt sieht in der Teamarbeit den großen Wurf, aber die Bundesjustizministerin macht sich daran, diese bewährte Arbeitsmethode bei der Justiz abzuschaffen.
Letztlich kann keine Rede davon sein, dass die geplante Justizreform die Bürgerfreundlichkeit des Zivilprozesses im Blick hat. In der Sache geht es vielmehr um einen Angriff auf die Gerichtsorganisationen in den Ländern. Die Justizreform ist nichts anderes als der erste Schritt in den von uns abgelehnten dreigliedrigen Gerichtsaufbau. Der Gesetzentwurf verfolgt in seiner Grundstruktur das Ziel, die Unterschiede zwischen Amts- und Landgerichten einzuebnen, um diese dann in einem späteren Schritt zu einheitlichen Eingangsgerichten zusammenzufassen. Hier geht es nicht um Bürgernähe, sondern darum, die bewährte Gerichtsorganisation in den Ländern nach den Vorstellungen der Bundesregierung zulasten der betroffenen Bürger umzukrempeln.
Ein Weiteres kommt hinzu: Die Bundesjustizministerin will dieses einheitliche Eingangsgericht mit „sozial kompetenten“ Richtern stärken. Das erinnert mich lebhaft an die Forderung linker Kreise in den Siebzigerjahren nach dem Sozialingenieur, der mehr oder weniger frei über den Gesetzen schwebend den sozialen Ausgleich zugunsten des Schwächeren sucht. Mit unserem Verständnis von Recht lässt sich diese Vision nicht vereinbaren. Vor dem Richter und dem Gesetz müssen alle gleich behandelt werden, so dass es weder ein Recht des Stärkeren noch ein Recht des Schwächeren und vor allem keine Klassenjustiz geben darf.
Wie die räumlichen Strukturen einer bürgernahen Justiz nach Auffassung der Bundesregierung aussehen sollen, zeigt die geplante Neuregelung der Zuständigkeit in Berufungssachen. Die von der Bundesjustizministerin gewünschte alleinige Zuständigkeit der Oberlandesge
richte für Berufungen in Zivilsachen bringt für den Bürger ein Verfahren der langen Wege. Wer zum Beispiel beim Amtsgericht Cham einen Mietrechtsstreit verloren hat und in die Berufung gehen will, findet die Berufungsrichter zurzeit beim Landgericht Regensburg, also in absehbarer Entfernung. Nach dem Reformentwurf müsste er bei einem derartigen Rechtsstreit künftig nach Nürnberg reisen. Nürnberg ist zwar eine sehr schöne Stadt und für viele Besucher attraktiv, aber ob man unbedingt nach Nürnberg fahren muss, um einen Rechtsstreit durchzuführen, das möchte ich doch bezweifeln.
Die Bürger verlieren Zeit und Geld, die Verfahren werden verteuert. Wenig würde es dann auch helfen – wovon man derzeit immer wieder gesprochen wird –, wenn wir an allen Landgerichtsstandorten Außensenate der Oberlandesgerichte errichten würden. Das wäre lediglich ein Etikettenschwindel, so dass wir es lieber gleich bei der bisherigen Regelung belassen können.
Noch wesentlich unangenehmer wird es für den Bürger allerdings, wenn die Pläne der Bundesregierung zur Einführung des dreistufigen Gerichtsaufbaus Wirklichkeit würden. In diesem Fall müssten in den Flächenstaaten zahlreiche kleinere Gerichtsstandorte, die sich in das System der Dreistufigkeit nicht integrieren lassen, ganz aufgegeben werden. Ich höre zwar von der Bundesjustizministerin: „Ich mache keine kleinen Gerichte zu. Ich gefährde keine Zweigstellen. Dafür sind die Länderjustizminister verantwortlich.“ Wenn aber die Rahmenbedingungen so geändert werden, dass man die Gerichte umstrukturieren muss, dann bleibt nichts anderes übrig, als Hand an die kleinen Gerichte zu legen. Wir wollen das aber nicht tun und wir werden das auch nicht tun, denn eine bürgernahe Justiz vor Ort würde es dann nicht mehr geben.
Es ist kein Zufall, dass die Reformpläne von den Anwälten und Richtern und der Mehrzahl der Landesjustizverwaltungen abgelehnt werden. Um es in der Sprache von Rot-Grün zusammenzufassen: Die „Basis“ fordert den „sofortigen Ausstieg“ aus der sogenannten Justizreform. Die Pläne der Bundesjustizministerin zur „Abschaltung“ der kleineren Gerichtsstandorte werden wir nicht mitmachen. Das Vorhaben der Bundesjustizministerin zerstört unnötigerweise bewährte Gerichtsstrukturen. Dagegen wenden wir uns.
Wer diese Strukturen ändern will, muss den Beweis dafür antreten, dass sein Vorhaben effizienter und bürgernäher ist. Diesen Beweis ist die Bundesjustizministerin bisher schuldig geblieben.
Die Ablehnung der verfehlten Reformbemühungen der Bundesregierung enthebt uns selbstverständlich nicht der Aufgabe, die Effizienz und Bürgernähe der bayerischen Justiz vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Wandels kontinuierlich zu überprüfen und zu verbessern. Dabei stellt der rasante Fortschritt im Bereich der modernen Kommunikationstechnik die Justiz vor besondere Herausforderungen. Heute besteht wohl kein Zwei
fel mehr, dass das Internet den Rechts- und Geschäftsverkehr in absehbarer Zeit grundlegend verändern wird. Die öffentliche Verwaltung und die Justiz können und werden sich dieser Entwicklung nicht verschließen. Der elektronische Rechtsverkehr wird nicht nur für E-Business und E-Commerce kontinuierlich an Bedeutung gewinnen, sondern in Zukunft auch die Kommunikation zwischen den Gerichten und Staatsanwaltschaften auf der einen und den Verfahrensbeteiligten auf der anderen Seite entscheidend prägen.
Die bayerische Justiz unternimmt schon heute alle Anstrengungen, um sich auf den elektronischen Rechtsverkehr und die Nutzung der digitalen Kommunikation vorzubereiten. Am 1. Februar dieses Jahres wurde hierfür das Projekt bajTECH 2000 gestartet. Ziel des Projektes ist es, die Gerichte, die Staatsanwaltschaften und die Justizvollzugsanstalten flächendeckend auf moderne PC-Technik umzustellen.
BajTECH 2000 bedeutet für die bayerische Justiz einen gewaltigen Kraftakt, aber der Aufwand lohnt sich.
Die neue Technik ermöglicht noch effektivere und schnellere Verfahrensabläufe bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften. Die Bürger erhalten die Möglichkeit, in bequemer und zeitgemäßer Weise mit der Justiz zu kommunizieren.
Wenn ich von Herrn Hoderlein höre, dass das höchste Zeit wird, dann muss ich ihm entgegenhalten: Wir sind in Deutschland damit führend. Wir sind die Ersten. Alle anderen Bundesländer, gerade auch die SPD-regierten, liegen weit dahinter. Wir sind an der Spitze, und wir werden auch an der Spitze bleiben.
Welcher Stellenwert der Nutzung der modernen Technik in der Justiz heute zukommt und künftig noch zukommen wird, beweist der durchschlagende Erfolg der elektronischen Grundbuchführung mit dem Programm SOLUMSTAR, das in der Praxis hervorragend angenommen wurde.
Der mit SOLUM-STAR erfolgreich eingeschlagene Weg der papierlosen Registerführung wird nun im Handelsregister fortgesetzt. Anfang 2001 soll in Bayern die elektronische Führung des Handelsregisters mit RegisSTAR begonnen werden. Rechtsanwälte, Notare und Kreditinstitute werden vom Schreibtisch aus das Handelsregister durch einen Online-Auskunft über das Internet einsehen können. Die genannten Vorhaben und zahlreiche
weitere Projekte im Bereich der EDV-Technik belegen, dass die bayerische Justiz von dem in der Öffentlichkeit zuweilen kolportierten Ärmelschonerdasein längst weit entfernt ist.
Die Verbesserung der technischen Ausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften stellt sicher eine wichtige Maßnahme zur Förderung der Effizienz und Bürgernähe dar. Allein damit ist es jedoch nicht getan. Zur Sicherung des Qualitätsstandards der Justiz ist es vielmehr erforderlich, auch die rechtlichen, personellen und organisatorischen Rahmenbedingungen im Auge zu behalten und fortzuentwickeln. Ich möchte hier nur zwei Beispiele nennen: Die Verbesserung der Situation im Gerichtsvollzieherdienst und die außergerichtliche Streitschlichtung in zivilrechtlichen Streitigkeiten.
Die Geschäftsbelastung der bayerischen Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher ist seit Jahren enorm hoch. Wir haben hierauf frühzeitig reagiert und den Personalstand im Gerichtsvollzieherdienst seit dem Jahr 1993 um 100 Kräfte erhöht. Das bedeutet eine beachtliche Personalverstärkung um 20%, die im Bundesgebiet ihresgleichen sucht.
Durch die personellen Verstärkungen ist es gelungen, die Belastungen der Gerichtsvollzieher bis zum Jahr 1998 erheblich zurückzuführen und eine effiziente Zwangsvollstreckung in Bayern zu gewährleisten. 1999 wurde den Gerichtsvollziehern dann allerdings im Rahmen der 2. Zwangsvollstreckungsnovelle mit der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung eine zusätzliche, sehr arbeitsintensive Aufgabe übertragen. Unsere Warnungen, dass angesichts der allgemein angespannten Haushaltslage nicht genügend Gerichtsvollzieher für die neue Aufgabe zur Verfügung stehen, haben den Bundesgesetzgeber nicht interessiert. Trotz weiterer Personalverstärkungen im Jahr 1999 ist die Belastung der Gerichtsvollzieher aufgrund der Aufgabenmehrungen erneut in besorgniserregender Weise angestiegen.
Ich muss sagen, vor kurzem hat mir gerade unser Fraktionsvorsitzender wieder einen Brief eines Gläubigers gegeben, dem eine Gerichtsvollzieherin zurückgeschrieben hat: „Aufgrund der Belastung, die ich zur Zeit habe, kann ich die nächsten vier, fünf Monate nicht vollstrecken. Ich bitte von weiteren Nachfragen abzusehen.“
Dass das nicht so bleiben kann ist klar. Es ist ein Wahnsinn, dass wir uns einerseits bemühen, die zivilrechtlichen Urteile in vier Monaten fällen zu können, und dann dauert es andererseits möglicherweise ein dreiviertel Jahr, bis vollstreckt werden kann. Es ist deshalb notwendig, dass die Gerichtsvollzieher schneller arbeiten können, das heißt, dass diese Belastungen abgebaut werden.
Wir haben in kürzerster Zeit ein Konzept zur Verbesserung der Situation im Gerichtsvollzieherdienst entwickelt. Neben Maßnahmen zur Optimierung des Geschäftsbetriebs der Gerichtsvollzieher und Verbesserungen im Bereich der Bürokostenentschädigung ist danach die Entlastung der Gerichtsvollzieher durch die Schaffung
neuer Planstellen und die maßvolle Öffnung des Gerichtsvollzieherdienstes für geeignete Justizangestellte und Seiteneinsteiger vorgesehen.
Dazu ein Wort. Ich höre überall das Genörgel um die Seiteneinsteiger. Wir haben im Moment ein riesiges Problem, aus dem mittleren Dienst genügend Leute zu bekommen, die man für den Gerichtsvollzieherdienst ausbilden könnte. Wenn ich aber aus dem mittleren Dienst nicht genügend Leute bekomme, dann bleibt mir nur zweierlei übrig. Ich finde mich entweder damit ab und lasse die Gerichtsvollzieher absaufen, oder ich finde eine andere Lösung. Nachdem ich sie nicht absaufen lassen will, suche ich eine andere Lösung und sage: Schauen wir einmal, ob wir nicht doch ein paar Seiteneinsteiger finden, die dafür geeignet sind. Sie können in halbjährlichen Kursen die Ausbildung zum Gerichtsvollzieher durchlaufen. Wir setzen ja nicht voraus, dass es schon fertige Gerichtsvollzieher sind. Ich meine, dass es möglich sein sollte, landesweit zehn Leute für diese Stellen zu finden.
Ich bin auf jeden Fall dem Finanzminister wie auch dem Parlament sehr dankbar für die Stellenmehrungen im Gerichtsvollzieherdienst. Sie bringen uns eine wesentliche Entlastung; denn die neuen Planstellen helfen nicht nur den bayerischen Gerichtsvollziehern, sondern sie tragen gleichzeitig auch zur rascheren Durchsetzung zivilrechtlicher Forderungen und damit zur Effizienz unseres Rechtssystems bei.
Ein weiterer Schritt zur einer moderneren und bürgernäheren Justiz sind die Anstrengungen zur Förderung der außergerichtlichen Streitschlichtung. Die bayerische Amtsgerichte haben im Jahre 1999 180 000 Zivilverfahren erledigt. Bei mehr als einem Drittel der genannten Verfahren – also bei über 60 000 – lag der Streitwert unter 1 500 DM. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob es wirklich erforderlich und sinnvoll ist, wegen jeder geringfügigen Streitigkeit gleich aufwendige Rechtsstreite in einem formalisierten Verfahren vor den staatlichen Gerichten zu führen. Verstehen Sie mich in diesem Punkt bitte nicht falsch. Der Bürger soll mit kleineren Streitfällen selbstverständlich nicht alleingelassen werden. Es geht vielmehr darum, das Bewusstsein der Bevölkerung dafür zu stärken, dass die Anrufung der staatlichen Gerichte gerade bei kleineren Streitigkeiten nicht unbedingt der einfachste Weg der Konfliktlösung ist. Ich möchte es einmal vereinfacht so sagen: Wenn es die Bürger schaffen, ohne Gerichte einen Streit anzufangen, dann sollten sie sich zunächst auch einmal bemühen, diesen Streit ohne Gerichte zu beenden. Das wäre sicherlich für den Rechtsfrieden in unserem Lande eine sehr gute Sache.
Die bayerische Justiz hat hier schon sehr früh die Zeichen der Zeit erkannt. Bereits vor Jahren wurden in einem bundesweit einzigartigen Modellprojekt bei ausgewählten bayerischen Amtsgerichten Schlichtungsstellen eingerichtet. Die Erfahrungen mit den Schlichtungsstellen waren positiv. Die außergerichtliche Streifschlichtung hat sich als kostengünstige und zeitsparende Alternative zum Gerichtsverfahren erwiesen. Die Bereitschaft
der Bürgerinnen und Bürger, sich auf eine Konfliktlösung im Schlichtungsverfahren einzulassen, war bisher jedoch leider noch zu gering. Bayern hat daher mit dem am 1. Mai 2000 in Kraft getretenen Bayerischen Schlichtungsgesetz als erstes Bundesland die obligatorische Streitschlichtung für bestimmte zivilrechtliche Streitigkeiten eingeführt. Ich bin dankbar dafür, dass wir im Bayerischen Landtag eine Regelung gefunden haben, der allen Fraktionen zustimmen konnten. Mit der obligatorischen Streitschlichtung wagen wir einen Schritt in eine neue Rechtskultur. Unser Ziel lautet: Mehr Eigenverantwortung und weniger Staat im Bereich der zivilrechtlichen Konfliktlösung.
Wir haben das Gesetz zunächst auf fünf Jahre befristet. Wir wissen, dass in den anderen Bundesländern unterschiedliche Modelle erprobt werden. Im Süden bauen wir vor allem auf die juristischen Schlichter, sprich: Rechtsanwälte und Notare. Im Norden dagegen hat man Schiedsleute und man baut dort mehr auf die Nichtjuristen. Ich glaube, dass dieses Modell nicht so erfolgreich sein dürfte. Wir haben in der Justizministerkonferenz vereinbart, nach zwei oder drei Jahren einen Vergleich anzustellen: Welche Erfahrungen hat welches Land mit seinem System? Und wenn sich dann ein System bewährt hat, dann wird es sicherlich für die anderen Bundesländer interessant sein, dieses Modell einzuführen. Ich möchte auch ganz deutlich sagen, dass ich auch darüber nachdenke: Wenn es sich wirklich bewähren sollte, sollte man es nicht nur bei 1 500 DM Streitwert belassen; sondern man sollte dann an den Bundesgesetzgeber herangehen, um den Streitwert vielleicht etwas höher festzusetzen. Aber wir müssen zunächst einmal sehen, wie sich diese ganze außergerichtliche obligatorische Streitschlichtung in den nächsten Jahren entwickelt. Ich bin guter Hoffnung, dass wir ein positives Ergebnis bekommen werden.
Bei der Untersuchung der Bürgernähe der Gerichte und Staatsanwaltschaften darf die Kriminalitätsbekämpfung natürlich nicht außer Acht bleiben. Eine ganz wesentliche Voraussetzungen für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ihre Justiz ist nämlich auch, dass Rechtspolitik, Strafverfolgung und Strafvollzug dem Sicherheitsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger gerecht werden. Die abscheulichen rechtsextremistischen Gewalttaten der jüngsten Vergangenheit beweisen eindrucksvoll, dass die Verbrechensbekämpfung und der Erhalt der inneren Sicherheit auch im modernen Staat zu den vordringlichsten Aufgaben der Justiz gehören. Für uns hat die Bekämpfung politisch motivierter Gewalt – gleich von welcher Seite sie ausgeht – seit jeher oberste Priorität. Polizei und Justiz in Bayern gehen zielstrebig und mit dem erforderlichen Nachdruck gegen extremistische Gewalttäter vor.
Die positive Bilanz Bayerns im Bereich der Verbrechensbekämpfung ist für uns kein Anlass, die Hände in den Schoß zu legen. Angesichts der jüngsten rechtsextremistischen Gewalttaten sind etwa unsere Vorschläge zur Verbesserung des jugendstrafrechtlichen Instrumentariums und zur Erweiterung des strafrechtlichen Sanktionensystems aktueller denn je. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre wird nämlich ein erheblicher Teil der Straftaten mit extremistischen Hintergrund von jungen
Menschen begangen. Das Jugendgerichtsgesetz hat sich zwar im Wesentlichen bewährt, gleichwohl sind Verbesserungen des jugendstrafrechtlichen Instrumentariums erforderlich. Vor allem muss durch eine Gesetzesänderung klargestellt werden, dass die Straftaten Heranwachsender, also der Täter in der Altersgruppe zwischen 18 und 21 Jahren, die nach dem Zivilrecht ja bereits volljährig sind, im Regelfall nach dem Erwachsenenstrafrecht, nicht nach dem Jugendstrafrecht zu ahnden sind. Wir stellen fest, dass das in manchen Bereichen ordnungsgemäß geprüft wird. Wir haben aber auch andere Bereiche, wo bei dem Personenkreis der Achtzehn- bis Einundzwanzigjährigen zu 70 bis 80% automatisch das Jugendrecht angewandt wird. Das kann nicht stimmen. Die Frage der Anwendung von Erwachsenen- oder Jugendstrafrecht bedarf im Einzelfall der Prüfung durch den Richter.
Außerdem muss bei Heranwachsenden, die ausnahmsweise nach dem Jugendstrafrecht verurteilt werden, in Fällen schwerster Straftaten wie etwa Mord ein angemessener Schuldausgleich möglich sein. Hierzu soll das Höchstmaß der Jugendstrafe bei Heranwachsenden von 10 auf 15 Jahre heraufgesetzt werden. Ich sage deutlich, dass es natürlich keine Verpflichtung für den Richter sein muss, 15 Jahre zu verhängen, aber wir wollen dem Richter die Möglichkeit geben, bei der Prüfung des Einzelfalls nicht an die Grenze von 10 Jahren gebunden zu sein, sondern auch eine etwas höhere Strafe verhängen zu können.
Unsere Vorschläge beschränken sich aber nicht nur hierauf. Vielmehr wollen wir die Bandbreite strafrechtlicher Sanktionen im allgemeinen Strafrecht und im Jugendstrafrecht insgesamt erweitern. Dem Richter sollen „punktgenaue“ Reaktionen ermöglicht werden. Eine Kernforderung ist der Ausbau des Fahrverbots zu einer vollwertigen strafrechtlichen Sanktion. Es spricht alles dafür, dass es beispielsweise einen jungen Gewalttäter nachhaltigst beeindruckt, wenn er das geliebte Auto oder Motorrad für einige Zeit nicht benutzen darf. Das ist manchmal wirksamer als eine Freiheitsstrafe.