Protocol of the Session on November 9, 2000

Die Diskussion um den Begriff Einwanderungsland gibt keine Antwort auf die letztlich entscheidende Frage: In welchem Umfang ist Zuwanderung notwendig, und wieviel Zuwanderung können Staat und Gesellschaft unter dem Integrationsaspekt vertragen? Die Staatsregierung hat deshalb bereits im Juli Eckpunkte – von denen war hier auch die Rede – zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung vorgelegt. Unser Ziel ist es, die ungesteuerte Zuwanderung, vor allem über die unberechtigte Berufung auf das Asylrecht, einzudämmen.

(Schindler (SPD): Na also! Das ist Ihr Punkt, sonst nichts! – Dr. Hahnzog (SPD): Soll auch eingeschränkt werden!)

Ich denke, dass wir uns darin einig sind, dass am Asylrecht selbstverständlich nicht gerüttelt werden darf. Asylrecht gilt nach wie vor für diejenigen, die politisch verfolgt sind. In diesem Zusammenhang müssen wir einmal die Zuwanderung betrachten, die oft aus einer großen Not der Menschen heraus erfolgt. Das ist genau der Punkt.

(Zuruf des Abgeordneten Schindler (SPD))

Wir sind damit überfordert, diese Art der Zuwanderung, die zugegebenermaßen aus einer schlimmen Not der Menschen heraus erfolgt, in unserem Land weiterhin in diesem Umfang aufrecht zu erhalten. Wir müssen vielmehr in diese Länder gehen und den Menschen helfen, damit sie eine gute Zukunft für ihr Leben sehen. Frau Kollegin Hirschmann, ich nehme für mich in Anspruch, in dieser Frage glaubwürdig zu sein, weil ich sehr viel meiner freien Zeit ganz bewußt in einem osteuropäischen Land verbringe. Ich versuche, zusammen mit vielen Menschen in Bayern und mit Hunderten von Initiativen

dazu beizutragen, den Menschen in ihrem Land Zukunftsperspektiven zu geben und sie aus ihrer Not herauszuholen. Das können wir nicht in unserem Land tun. Herr Kollege Dr. Beckstein und im übrigen auch Bundesinnenminister Schily haben deutlich gemacht, dass es richtig ist, in die Debatte darüber, was wir an Zuwanderung brauchen, auch das Asylrecht einzubeziehen. Wir wollen es gewiss nicht aufgeben, aber dafür sorgen, dass es tatsächlich nur für diejenigen gilt, die es für sich in Anspruch nehmen können. Diese Sachlichkeit muss in der Debatte herbeigeführt werden.

Wenn wir das Asylrecht in künftige Zuwanderungsregelungen einbeziehen wollen – das gehört auch zu den Eckpunkten der Staatsregierung –, schaffen wir Handlungsspielraum für eine im Interesse Deutschlands liegende Aufnahme einer begrenzten Zahl von Fachleuten, Wissenschaftlern und Unternehmern. Für uns ist dabei klar, dass neue geregelte Zuwanderung ohne gleichzeitige Integration der falsche Weg wäre. Der Fehler der Vergangenheit – verehrte Kolleginnen und Kollegen der Opposition, das müsste gemeinsames Anliegen von Ihnen und uns sein –, ausländische Arbeitskräfte anzuwerben, ohne gleichzeitig für Integration zu sorgen, darf nicht wiederholt werden.

(Beifall bei der CSU)

Die vielfältigen Maßnahmen zur Integration, die Staat und gesellschaftliche Gruppen, vor allem aber die Kommunen leisten, konnten mit der anhaltenden Zuwanderung nicht Schritt halten. Deshalb sind zweifellos Defizite entstanden, und deshalb besteht auch die Gefahr, dass die notwendige Akzeptanz der deutschen Bevölkerung für die Integrationspolitik abnimmt. Von der Gesellschaft akzeptierte Integrationspolitik und Zuwanderungssteuerung bedingen sich gegenseitig.

Der Bayerische Landtag hat dies auch in seinem Beschluss 14/2697 vom 02.02.2000 „Integration fördern und fordern – Zuzug begrenzen“ – von diesem Beschluss war in der Debatte auch die Rede –, mit dem er auf den Integrationsbericht Bezug genommen hat, zum Ausdruck gebracht. Zu diesem Beschluss des Bayerischen Landtags vom 02.02.2000 habe ich gegenüber dem Landtag am 23.08., Frau Kollegin Köhler, berichtet und zu den Integrationsschwerpunkten Stellung genommen. Ich kann nichts dafür, wenn dieser Bericht bei der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht angekommen ist bzw. nicht zur Kenntnis genommen worden ist.

(Beifall bei der CSU)

Frau Kollegin Köhler, nur so wird mir Ihr heutiger Antrag verständlich. Da ich am 23.08. gegenüber dem Antrag Stellung genommen habe, kann ich heute kaum etwas Neues berichten.

(Frau Elisabeth Köhler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Wir wollen darüber diskutieren, oder?)

Sie fordern die Staatsregierung auf, einen Bericht zu geben.

(Frau Elisabeth Köhler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ja, einen mündlichen Bericht!)

Ich habe am 23.08. zum Antrag vom 02.02. einen Bericht gegeben. Weil Sie meinen Bericht nicht zur Kenntnis genommen haben, muss ich das Hohe Haus jetzt leider aufhalten, weil ich die wichtigsten Maßnahmen jetzt zusammenfassen muss, die der Bericht vom 23.08. enthält.

(Unruhe)

In meinem Bericht ist zu lesen: Die Elternarbeit einschließlich der Informationsvermittlung werden verstärkt, um die ausländischen Eltern über die vielfältigen schulischen Fördermöglichkeiten zu unterrichten. Die Arbeiten zur Weiterentwicklung der an Grund- und Hauptschulen eingeführten islamischen Unterweisung werden weitergeführt. Kooperationsprojekte Schule – Jugendhilfe, Maßnahmen der Schulsozialarbeit sowie Mittags- und Nachmittagsbetreuung unterstützen die Integration der ausländischen Kinder und Jugendlichen.

Aus dem Europäischen Sozialfonds und dem bayerischen Arbeitsmarktfonds geförderte Berufsqualifizierungsprojekte ergänzen die Maßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit. In der Familien-, Senioren- und Gesundheitspolitik werden die Bedürfnisse von Ausländerinnen und Ausländern berücksichtigt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, all das ist dem Bericht vom 23. August dieses Jahres zu entnehmen. Die darin im Einzelnen nachzulesenden Maßnahmen werden durch eine wichtige, durchaus auch kostenträchtige neue Regelung ergänzt: Im Zuge der Änderung des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes – einen entsprechenden Gesetzentwurf wird der Bayerische Landtag noch heute in Erster Lesung beraten – werden künftig auch ausländische Familien aus den so genannten Drittstaaten Landeserziehungsgeld, deren Kinder nach dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht bei der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. Mit dieser Regelung werden schätzungsweise 75% aller Kinder von ausländischen Eltern einbezogen, die bisher nicht anspruchsberechtigt waren. Doch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, erklären, wir seien gegen Integration und täten nichts für Integration. Das glaubt Ihnen doch niemand mehr in diesem Lande.

Wir stellen bei der dargestellten Entscheidung bewusst auf die Staatsangehörigkeit des Kindes ab, weil wir damit die Familien erreichen, die sich schon seit mindestens acht Jahren bei uns aufhalten, die vermutlich auf Dauer bei uns bleiben wollen und die auch schon eigene Integrationsanstrengungen unternommen haben. Wir stellen damit bewusst auf den Grad der Integration und nicht auf die Staatsangehörigkeit der Eltern ab.

An der Initiierung eines Teils der geschilderten Maßnahmen war die Organisationseinheit maßgeblich beteiligt, die in meinem Hause seit Februar 2000 mit der Aufgabe „Koordinierung Ausländerintegration“ befasst ist. Sie hat darüber hinaus mit der Ausgabe 2000 der Informationsreihe „TIPP“ die Öffentlichkeitsarbeit verstärkt, im Mai eine Fachkonferenz zur Integrationsarbeit gestaltet, im

Juni mit den Wohlfahrtsverbänden und dem Städtetag ein Eckpunktepapier zur verstärkten Vernetzung der Ausländersozialberartung mit anderen sozialen Diensten auf der örtlichen Ebene vereinbart, im September an der Projektbörse des Ausländerbeirats Nürnberg mitgewirkt, deren Ergebnisse in Kürze mit Unterstützung des Sozialministeriums in gedruckter Form vorliegen werden, die Umfrage bei den bayerischen Kommunen mit einem mehr als 5-prozentigen Ausländeranteil ausgewertet und die Veröffentlichung der Ergebnisse vorbereitet sowie mit der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Bayerns die Vorbereitungen für eine weitere Tagung getroffen. Die Organisationseinheit ist außerdem an der Vorbereitung eines Expertenhearings „Interkulturelle Pflege“ beteiligt, das im Dezember in meinem Hause stattfinden wird, und engagiert sich im Hinblick auf den neuen ESF-Förderzeitraum bei der Konzipierung innovativer Bildungsmaßnahmen.

Die Aufzählung aller laufenden Kontakte mit den für die Integrationsarbeit Verantwortlichen würde jetzt den zeitlichen Rahmen sprengen. Ich denke aber, dass auch Ihnen jetzt deutlich geworden ist, dass die Aktivitäten der „Koordinierung Ausländerintegration“ das ganze Spektrum der Integrationspolitik umfassen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich muss es noch einmal sagen: Was ich eben dargestellt habe, ist dem Bericht vom August dieses Jahres an den Bayerischen Landtag zu entnehmen. Angesichts dessen muss ich schon fragen, was der jetzt aufgerufene Dringlichkeitsantrag überhaupt soll. Man muss schon fragen, wie ernst ein Parlament seine Beschlüsse überhaupt nimmt, wenn viele seiner Mitglieder nicht einmal dazu bereit sind, das zu lesen, was ihnen die Bayerische Staatsregierung aufgrund ihrer Verantwortung liefert.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Hier wurde schon über die Leitkultur diskutiert. Ende Dezember 1999 haben wir hier unseren Bericht zur Ausländerintegration vorgelegt. Lesen Sie einmal nach, was auf Seite 9 dieser Vorlage steht.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Hahnzog (SPD))

Herr Kolleg Dr. Hahnzog, damals hat man keine so nervöse und polemische Debatte geführt wie heute. Was steht denn auf besagter Seite 9?

Keine Integration ohne Leitkultur

Ein zentraler Gesichtspunkt ist die Suche nach Kriterien eines gesellschaftlichen Leitbilds, mithin einer Leitkultur, ferner die Beantwortung der Frage, ob eine Gesellschaft ohne Grundkonsens über eine Wertorientierung existieren kann. Gibt es eine Ideallinie zwischen notwendiger Gemeinsamkeit und möglicher Verschiedenheit? Wo liegt die Grenze zwischen den Grundwerten, die für das friedliche und geordnete Zusammenleben einer Gesellschaft unabdingbar sind, und den anderen Werten, für die unterschiedliche Maßstäbe Ausdruck gewünschter und geduldeter Pluralität sind? Können im Übrigen solche zentralen Wertvorstellungen auch Veränderungen unterworfen sein? Könnte kulturelle Pluralität wie in den

USA in Deutschland funktionieren, auch wenn in Deutschland völlig andere historische, ethische und gesellschaftliche Bezüge bestehen?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu Recht haben wir uns schon immer über den Begriff der Leitkultur Gedanken gemacht.

(Dr. Hahnzog (SPD): Kontrovers!)

Das ist gut so. Ich muss hier der Vorsitzenden der CDU, Frau Merkel, Recht geben, wenn sie sagt, sie bleibe ganz bewusst bei dem Begriff der Leitkultur, und zwar schon allein unter dem Gesichtspunkt, dass es schon etwas verräterisch ist, wenn man sich jetzt in Deutschland – Sie haben es heute leider auch getan, meine Damen und Herren von der Opposition – gegen diesen Begriff sträubt, ja, sich gegen ihn wendet. Herr Kollege Dr. Merkl hat es schon zum Ausdruck gebracht. Auch der Vorsitzende der CSU-Fraktion hat es in seine grundsätzlichen Überlegungen einbezogen: Die Diskussion über die Leitkultur ist richtig. Sie mahnt uns, über so Manches nachzudenken. In dieser Diskussion wird deutlich, dass wir uns mit unserem Grundgesetz identifizieren und nicht dazu bereit sind, Werte so ohne weiteres aufzugeben. Es geht darum, eine Kultur zu verteidigen.

Herr Kollege Dr. Hahnzog, Sie haben sich vorhin darüber lustig gemacht, was zum christlichen Menschenbild gesagt wurde. So sage ich Ihnen: In Europa muss es darum gehen, eine christlich-abendländische Kultur zu verteidigen. Insofern meine ich, dass wir gut daran tun, die Debatte über die Leitkultur zu führen. – Abschließend bitte ich das Hohe Haus darum, den vorliegenden Dringlichkeitsantrag abzulehnen. Denn meiner Pflicht, einen Bericht zu dem darin angesprochenen Thema abzugeben, bin ich bereits nachgekommen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatssekretär Regensburger hat um das Wort gebeten.

Staatssekretär Regensburger (Innenministerium) : Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Köhler hat einige Behauptungen in den Raum gestellt, die ich nicht unwidersprochen lassen kann. Frau Köhler, Sie haben festgestellt, es gebe keine unkontrollierte Zuwanderung nach Deutschland. Angesichts dessen frage ich Sie, woher die in den ersten sieben Monaten dieses Jahres aufgegriffenen 11 065 illegal eingereisten Zuwanderer kommen, wenn es hier keine unkontrollierte Zuwanderung gibt. Sie wissen auch, dass normalerweise jeder, der aus einem sicheren Drittstaat zu uns kommt und um Asyl nachsucht, an der Grenze zurückgewiesen werden kann, dass er kein Recht auf Einreise hat. Wenn gleichwohl jährlich rund 100 000 Personen illegal einreisen, dann nur per unkontrollierter Zuwanderung. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht, abgesehen von der Einreise über einen Flughafen. Doch dort haben wir es mit relativ wenigen Menschen zu tun.

Frau Köhler, Sie haben weiter ausgeführt, wer von einem massenhaften Asylmissbrauch spreche, betreibe Hetze.

Da kann ich nur wiederum auf Herrn Bundesinnenminister Schily verweisen, der darauf hingewiesen hat, dass nur 3% der eingereisten Asylbewerber politisch verfolgt sind, in einem aufwendigen Verfahren beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und dann durch Gerichte festgestellt. 10% der Asylbewerber erhalten das so genannte kleine Asyl, weil in ihren Fällen Abschiebehindernisse bestehen. Der Rest, die überwiegende Mehrheit – das sind etwa 86% der Asylbewerber –, begeht Asylmissbrauch. Denn diese Menschen kommen unter dem Vorwand, politisch verfolgt zu sein, zu uns und begehren Asyl, obwohl dies nicht den Tatsachen entspricht; Sie kommen aus anderen Gründen zu uns, als Wirtschafts- bzw. Armutsflüchtlinge. Darum weiß ich nicht, was es mit Hetze zu tun haben soll, wenn man angesichts der genannten Zahlen von einem massiven Asylmissbrauch spricht.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Im Regelfall kommen nicht die Ärmsten der Armen zu uns; denn wer in der Lage ist, Schleusergeld in der Größenordnung von 5000 bis 20 000 Dollar zu zahlen, gehört nicht zu den Ärmsten und Verfolgten in irgendeinem Drittland, sondern in der Regel zu den Betuchtesten. Herr Kollege Dr. Hahnzog, auch Sie wissen, dass der Landarbeiter in Bangladesch weder weiß, wo Deutschland liegt, noch 20 000 Dollar aufbringt, um einen Schleuser zu bezahlen. Ich möchte nicht pauschalieren, aber von Ausnahmen abgesehen, sind es im Regelfall die Cleversten der Cleveren aus diesen Ländern, die mit Hilfe von Schleusern zu uns kommen.

Schließlich haben Sie davon gesprochen, dass die Kriegsflüchtlinge einen Teil der Zuwanderer ausmachen. Vor allem die aus dem ehemaligen Jugoslawien kommenden Flüchtlinge sind in der Zwischenzeit zum großen Teil in der Illegalität. Diese Flüchtlinge konnten natürlich zunächst nicht ausreisen, weil die Republik Jugoslawien diese Leute völkerrechtswidrig nicht aufgenommen hat. Zwischenzeitlich gibt es keine Hinderungsgründe, freiwillig auszureisen. Jeder dieser Flüchtlinge kann sofort in sein Herkunftsland zurückkehren, und wenn er dies nicht tut, hält er sich illegal auf und muss ausgewiesen werden. Dem widerspricht der heute auf der Tagesordnung stehende Dringlichkeitsantrag der SPD, der fordert, für sich hier illegal aufhaltende Leute den Aufenthalt zu verlängern.

(Frau Radermacher (SPD): Wie dies Herr Traublinger will!)

Herr Traublinger spricht hier nicht als Vertreter der CSU, sondern als Präsident der Handwerkskammer. Es ist sein gutes Recht, dass er als Lobbyist – ich sage dies nicht negativ – versucht, den Antrag seiner Handwerker voranzutreiben. Aber dies können Sie nicht der CSU in die Schuhe schieben.

(Dr. Hahnzog (SPD): Wir sind die Lobbyisten der Menschen!)

Auch den erhöhten Sozialhilfebezug hat Frau Köhler, die mir nicht zuhört, weil sie sich ihre Vorurteile nicht kaputtmachen will, angesprochen. Der erhöhte Sozialhilfebe

zug stellt einen Anreiz dar, entweder zu uns überhaupt reinzukommen oder die Verfahrensdauer möglichst hinauszuziehen. Sie haben richtig angesprochen, dass erst nach 36 Monaten der volle Bezug nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erfolgt. Aber dies ist auch ein Anreiz dafür, die Verfahren möglichst lange hinauszuzögern, um eben dann tatsächlich in den Genuss der erhöhten Sozialhilfeleistungen zu kommen.

Eine Anmerkung zur Integrationsfähigkeit und -bereitschaft der Deutschen. Diese kann man nicht, wie Sie vielleicht wollten, durch Gesetz befehlen. Wenn Sie die hierzu veranstalteten Meinungsumfragen ernst nehmen, müssen Sie zu dem Ergebnis kommen, dass Sie hier auf dem falschen Dampfer fahren. Angesichts des hohen Ausländeranteils gerade in unseren Großstädten – wir haben in München bereits 22%, in Hamburg fast 19% und in Berlin fast 15% – gibt es in unserer Bevölkerung von uns als Politikern ernst zu nehmende Sorgen vor Überfremdung und vor dem Verlust der eigenen Identität. Dies zeigt die reservierte Haltung der einheimischen Bevölkerung gegenüber weiteren Zuwanderungen. Das Institut für Demoskopie Allensbach hat dazu im April eine Umfrage gemacht, wonach 77% der Befragten die Auffassung vertreten, mit der derzeitigen Zuwanderung sei die Grenze erreicht. Nur 11% der Befragten trauen Deutschland eine noch größere Aufnahmefähigkeit zu, dies ist etwas mehr als der prozentuale Anteil der GRÜNEN bei den Wahlen. Doch Sie müssen zur Kenntnis nehmen, ob Sie wollen oder nicht, dass der Rest der Bevölkerung Sorgen und Angst vor zunehmender Überfremdung hat. Eine Umfrage des Emnid-Instituts im Herbst brachte ein ähnliches Ergebnis. Danach halten 66% aller Befragten die Zuwanderung für zu stark und die Grenze der Belastbarkeit für Deutschland für überschritten. Bemerkenswert ist auch das Ergebnis der 13. Shell-Jugendstudie aus diesem Jahr, wonach 62% der jungen Deutschen die Meinung vertreten, in Deutschland lebten zu viele Ausländer.

Schließlich, um die Verwirrung vielleicht noch größer zu machen, der Versuch einer Definition der Leitkultur. Ich komme bei Veranstaltungen gut zurecht, wenn ich sage, Leitkultur ist für diejenigen, die bei uns auf Dauer oder auf lange Zeit leben wollen, die Hausordnung Deutschlands, an die Sie sich zu halten haben, wenn sie hier leben wollen. Wie Herr Kollege Dr. Merkl ausgeführt hat und in Übereinstimmung mit den Ausführungen von Prof. Tibi steht, ist eine Hausordnung das, was im Grundgesetz an Grundwerten und an Grundrechten verankert ist. Wenn wir uns auf eine solche Definition verständigen können, verstehen es, Herr Kollege Dr. Hahnzog, auch die Stammtische und ist es auch akzeptabel.