Protocol of the Session on September 28, 2000

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Glück, ich war übrigens derjenige – vielleicht waren Sie zu diesem Zeitpunkt gerade im Urlaub; das war Ende August oder Anfang September –, der in einer Presse

mitteilung gefordert hat, angesichts der Preisentwicklung von Benzin die Kilometerpauschale anzuheben. Darauf ist Anfang September, als wir die Arbeit wieder aufgenommen haben, der Fraktionsvorstand der SPD eingegangen. Danach hat eine Reihe von Politikerinnen und Politikern das Gleiche gefordert. Ich darf Ihnen mitteilen, dass ich mich am vergangenen Samstag in Memmingen mit einem kräftigen Händedruck bei Bundeskanzler Schröder dafür bedanken durfte, dass er unseren bayerischen Vorschlag so schnell umgesetzt hat.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CSU – Große Unruhe)

Ich habe gesagt: Gerd, du bist zwar kein Bayer, aber stammst genau wie ich aus einem Flächenland, und deshalb weißt du, was die Pendler drückt, und dass die am ehesten eine Entlastung brauchen. Ich habe ihm dafür im Namen aller Bayern gedankt, die davon profitieren werden.

(Beifall bei der SPD – Unruhe)

Ich habe vorhin gesagt, dass Sie auf das kurze Gedächtnis der Bayern setzen. Ich will Ihnen zwei Zitate in Erinnerung rufen. Frau Merkel, die mit Herrn Stoiber um die Kanzlerschaft konkurriert – beide werden erfolglos sein –, sagte 1995 laut „FAZ“:

Als Umweltministerin halte ich es für erforderlich, die Energiepreise schrittweise anzuheben und so ein deutliches Signal zum Energiesparen zu geben.

Das sagte die Umweltministerin; die Oppositionsführerin erinnert sich daran nicht mehr.

Klaus Töpfer, CDU, den Sie erfolgreich in die UNO vertrieben haben, hat vor kurzem gesagt:

Ich habe schon in meiner Zeit als Bundesumweltminister eine Anhebung des Benzinpreises in jährlichen 10-Pfennig-Schritten empfohlen.

Der „MZ“ vom 27.09. entnehme ich – – Ist eigentlich Kollege Göppel hier?

(Herbert Müller (SPD): Er ist schon noch hier, aber er ist nicht da!)

Wo sitzt er denn, der Gute? Lasst Ihr ihn schon nicht mehr herein, oder was?

(Heiterkeit)

Ich entnehme der „MZ“ vom 27. September, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten und sicherlich nicht zu Ihrer Erbauung.

(Zuruf von der CSU: Warum tun Sie es dann?)

Weil es nicht meine Aufgabe ist, zu Ihrer Erbauung beizutragen, sondern dafür zu sorgen, dass die Politik im

Freistaat sozial gerecht vorankommt. Dafür sorgen Sie nämlich nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Da wird ein Allgäuer Landwirt namens Ignaz Einsiedler zitiert.

(Zuruf von der CSU)

Ich glaube, hier könnte Nomen gleich Omen sein; wahrscheinlich wird dieser Mann sehr einsam werden: „Als Christsozialer beteilige ich mich nicht an der Schmutzkampagne gegen die Ökosteuer.“ Einsiedler schrieb: „Meine Seele kocht bei so viel Verantwortungslosigkeit konservativer Politiker, vor allem Stoiber und Goppel.“ Meine sehr verehrten Damen und Herren, dem ist nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Dinglreiter, Sie wissen aus alten Tagen, dass ich Sie durchaus schätze. Deshalb setze ich mich immer ganz gerne mit Ihren Argumenten auseinander. Auch Sie haben die Situation des Güterkraftverkehrsgewerbes und auch des Omnibusgewerbes angesprochen. Ich sage Ihnen: Wir nehmen diese Situation sehr ernst. Ich hatte am Samstag in Memmingen ein Gespräch; erst vorgestern saßen Kollegen wieder zusammen. Dieses Gewerbe hat in einem Punkt klipp und klar Recht, und da stehen wir als bayerische Sozialdemokraten dahinter:

(Zuruf von der CSU: Da haben die etwas davon!)

Das Entwicklungsspiel der letzten Jahre, so muss man sagen, im Jahr 2000 war es ganz extrem, darf nicht mehr fortgesetzt werden. Das Spiel lautet: Die Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der EU, die vorgibt, ein gemeinsamer Markt und ein Markt des gemeinsames Geldes zu sein, werden immer mehr ins Absurde gesteigert. Die deutschen Transporteure haben es nicht verdient, in der Zukunft unter diesen Bedingungen ihre Geschäfte betreiben zu müssen. Wir werden alles tun, um Ihnen in dieser berechtigten Frage – nicht in der Ökosteuerfrage – entgegenzukommen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Sinner (CSU): Was heißt denn „alles“?)

Nun hat uns der Herr Volkswirtschaftsprofessor Faltlhauser vorhin vorgerechnet, dass die Steuer bei einem deutschen Lkw mit durchschnittlicher Fahrleistung pro Jahr 6000 DM beträgt und hat dies als Wettbewerbsverzerrungsbeispiel angeführt. Dies ist ein Wettbewerbsverzerrungstatbestand – keine Frage; 6000 DM sind 6000 DM; die Leute müssen betriebswirtschaftlich, nicht volkswirtschaftlich denken. Ich sage aber auch: Dieses Beispiel macht deutlich – es würde zu lange dauern, um es genau auszuführen –, dass das eigentliche Kernproblem der Wettbewerbsverzerrung und der Problematik, in der sich die deutschen Fuhrunternehmer heute befinden, damit nur sehr partiell angesprochen ist, Herr Faltlhauser. Das eigentliche Problem der Wettbewerbsverzerrung liegt auf ganz anderen Feldern: Es liegt in der

grauen und in der illegalen Kabotage und es liegt in den Sozialstandards, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Schauen Sie sich einmal den ordentlichen Tarif eines deutschen Profi-Kraftfahrers mit Sozialversicherungsbeiträgen an. Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich es Ihnen vorrechnen. Vergleichen Sie das mit der Praxis auf unseren Straßen. Wenn ein, ich nenne ihn einmal, Dumping-Fahrer aus dem Osten auf dem Bock sitzt, während ein anderer Unternehmer tatsächlich einen tariflich und sozialversicherungsrechtlich korrekt eingestellten deutschen Fahrer beschäftigt, meine Damen und Herren, dann hat das – ich habe mich aufklären lassen – Kostenverschiebungen in einer Größenordnung von 20000 bis 35000 DM zur Folge – das sind mehr als 6000 DM für den Sprit.

(Beifall bei der SPD)

Wer in dieser Frage die ganze Gerechtigkeit will, muss auch diesen Punkt angehen und darf nicht nur das üble Spiel mit der Ökosteuer betreiben.

(Beifall bei der SPD)

Ich will Ihnen noch ein anderes Beispiel nennen. Kollege Herbert Müller hat auch darauf hingewiesen. Herr Stoiber war ja vor kurzem in Österreich und hat sich die Brust mit Orden behängen lassen – einverstanden, okay.

(Sinner (CSU): Die waren anständiger als Sie!)

Da hatte er die beste Gelegenheit gehabt, bei seinen Freunden Schüssel und Haider dafür zu sorgen, dass die Österreicher die glatte Verdoppelung ihrer Maut, die auch die deutschen Lkws trifft, endlich zurücknehmen. Das kostet mehr als die Ökosteuer, und das trägt ebenfalls zur Wettbewerbsverzerrung bei.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Hoderlein, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dinglreiter?

Nein; ich schaffe es sonst nicht mehr, es tut mir Leid.

(Lachen bei der CSU – Sinner (CSU): Sind Sie jetzt schon geschafft, Herr Hoderlein?)

Den müsste ich in dieser Runde noch ausfindig machen, vor dem ich mich in diesem Plenum fürchten würde.

(Beifall bei der SPD – Heiterkeit bei der CSU)

Ich will Ihnen sagen, worauf wir uns wirklich verständigen müssen, meine Damen und Herren, und was wir an den jeweils richtigen Adressaten richten müssen – das kann einmal die Bayerische Staatsregierung sein, das kann in mehreren Fällen, wie ich Ihnen gleich darstellen

werde, die Bundesregierung sein, und das muss in den meisten Fällen die EU, um ganz konkret zu sein, die Ratsversammlung der EU sein. Wir brauchen unbedingt eine Harmonisierung der EU-Wettbewerbsbedingungen, und zwar in mehreren Facetten. Das ist der Kernpunkt der künftigen Politik. Alles andere würde nur das Kurieren am Symptom bedeuten.

(Sinner (CSU): Das ist ja etwas ganz Neues!)

Wir brauchen eine Harmonisierung bei der EnergieSteuer-Struktur. Auch die Struktur, nicht nur die Höhe ist unvergleichlich und führt in vielen Fällen zu unterschiedlichen Belastungen der einzelnen Gruppen. Auch dies führt zu Verzerrungen, die in einem gemeinsamen Markt im Grunde genommen systemwidrig sind.

(Sinner (CSU): Deswegen macht ihr den nationalen Alleingang!)

Wir fordern so etwas wie eine EU-Fahrerlizenz – ich verwende dies als Hilfsbegriff; es gibt noch keinen rechtlichen Terminus technicus dafür. Aus meiner Sicht müsste dazu das Güterkraftverkehrsgesetz geändert werden. Wir brauchen wirklich für jeden Fahrer amtlich beglaubigte Zulassungen, damit der entscheidende Faktor der Wettbewerbsverzerrung, nämlich Löhne und Sozialversicherung, endlich beseitigt wird. Wir als bayerische Sozis sind dafür – das sage ich Ihnen ganz offen –, dass wir beim Agrardiesel bei 47 Pfennig bleiben und nicht auf 57 Pfennig erhöhen. Wir sind dafür, dass wir bei den 47 Pfennig Schluss machen und nicht noch 10 Pfennig draufsetzen. Wir werden – das hat Verkehrsminister Klimmt bereits deutlich gemacht – zur Rettung der Situation versuchen, den in Not Geratenen auch mit aktiven Hilfen aus dem Mittelstandsprogramm zu helfen, das heißt mit entsprechend zinsverbilligten Krediten, damit die Liquiditätsengpässe, in denen in der Tat viele Fuhrunternehmen stecken, kurzfristig überwunden werden können.

Ich sage Ihnen noch eines dazu, was Ihren heftigen Widerspruch erfahren wird: Es geht nicht nur um die Wettbewerbsverzerrung innerhalb des Straßengüterkraftverkehrs, es geht auch um die Beseitigung der Wettbewerbsverzerrung zwischen Straße und Schiene. Dazu sage ich: Ich mache mir anders als die GRÜNEN keine Illusion darüber, was die maximale Kapazität der Schiene beim Gütertransport ist. Dies ist aber kein Grund, nicht anzufangen. Es kann nicht sein, dass die Deutsche Bahn die einzige Bahn in der EU ist, die sowohl bei der Mineralölsteuer als auch bei der Mehrwertsteuer nicht mit halben Steuersätzen bedacht wird, sondern die vollen Steuern zahlen muss. Ich persönlich sage – ich sage „persönlich“, weil wir dazu keine Beschlusslage haben –, dass die Deutsche Bahn dieselben Wettbewerbsbedingungen haben muss wie die anderen europäischen Bahnen, in dem eine Halbierung der Steuersätze erfolgt.