Protocol of the Session on September 28, 2000

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nächste und letzte Frage, weil wir mit der Beratung der Dringlichkeitsanträge beginnen wollen.

Herr Staatssekretär! Wie viele zusätzliche S-Bahn-Züge – Lang- und Kurzzüge – sind während des Oktoberfestes, insbesondere auf der Strecke Starnberg – München, eingesetzt worden, und wie viele Fahrten werden – bezogen auf alle Linien während des Oktoberfestes – insgesamt zusätzlich durchgeführt?

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatssekretär.

Herr Kollege Wörner, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten: Aufgrund der Erfahrungen und Zählungen in den vergangenen Jahren veranlasst der MVV bei der DB Regio AG, dass während des Oktoberfestes generell auf

allen Linien ganztägig statt der Kurzzüge Vollzüge eingesetzt werden; Ausnahme ist die S 7 ab 21 Uhr. In den Hauptverkehrszeiten verkehren ohnehin Langzüge. Hierdurch erhöht sich das gesamte über den Tag gerechnete Sitzplatzangebot von Montag bis Donnerstag um 5%, am Freitag um 10%, am Samstag um 25% und am Sonntag um 30%. Zusätzliche S-Bahn-Fahrten werden nicht durchgeführt.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Gibt es weitere Zusatzfragen? Herr Wörner, bitte.

Herr Staatssekretär, wie die Presse berichtet, hat es an den beiden letzten Samstagen und Sonntagen vor allem auf der Strecke nach Starnberg chaotische Verhältnisse gegeben, sogar nachts um 22.00 Uhr. Wie will die Bahn in Zukunft sicherstellen, dass so etwas nicht mehr passiert, nachdem der Hubschrauberverkehr nach Starnberg schon vor langer Zeit eingestellt worden ist?

Ich will Ihnen als leidenschaftlichem Motorradfahrer nun nicht empfehlen, den Motorradverkehr zu intensivieren. Nein, wir müssen das Thema sehr ernst nehmen. Wir haben das Thema aufgrund der Berichte, die wir erhielten, zum Anlass genommen, bei der Bahn vorstellig zu werden. Uns wurde zunächst mitgeteilt, die Züge würden ausreichen. Offensichtlich war das aber, vor allem in den von Ihnen genannten Stoßzeiten, nicht der Fall. Wir werden uns mit der Bahn ins Benehmen setzen, dass so etwas künftig nicht mehr vorkommt.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Gibt es eine weitere Zusatzfrage? Herr Sprinkart, bitte.

Herr Staatssekretär, wurde auch außerhalb des S-Bahn-Bereichs auf den Nahverkehrsstrecken von und nach München zusätzliches Wagenmaterial eingesetzt? Wurde mit der DB Regio darüber wenigstens verhandelt?

Sie wissen, es gibt eine ganze Reihe von Sonderzügen. Auf den betreffenden Strecken wurden zusätzliche Kapazitäten zur Verfügung gestellt. Meine persönliche Meinung ist – hier bin ich offen –, die Klagen, die vor allem aus dem Augsburger Raum, aus Garmisch und aus Ingolstadt gekommen sind, muss man sehr ernst nehmen. Man muss überlegen, ob künftig nicht ein größeres Potential zur Verfügung zu stellen ist, um die drangvolle Ende, die zu gewissen Zeiten bestanden haben soll, künftig zu verhindern.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Eine weitere Zusatzfrage sehe ich nicht. Damit ist die Fragestunde beendet. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.

Bevor ich die zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge aufrufe, weise ich noch einmal darauf hin, dass jeder Fraktion für die Beratung der Dringlichkeitsanträge

insgesamt 45 Minuten zur Verfügung stehen. Es ist Sache der Fraktionen, diese Redezeit auf die zu behandelnden Dringlichkeitsanträge und die jeweiligen Redner zu verteilen.

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Maget, Herbert Müller, Werner-Muggendorfer und anderer und Fraktion (SPD)

Kampf dem Rechtsextremismus; Für Toleranz und Zivilcourage – gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit (Drucksache 14/4248)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Paulig, Kellner, Elisabeth Köhler und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bayern zeigt Flagge; Für ein weltoffenes Bayern – gegen Fremdenfeindlichkeit und Gewalt (Drucksa- che 14/4249)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Herrmann, Dr. Kempfler und anderer und Fraktion (CSU)

Entschließung gegen Extremismus und Gewalt (Drucksache 14/4251)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erste Wortmeldung: Herr Maget.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Damit kein Missverständnis und auch keine Missdeutung aufkommt, will ich klarstellen, dass sich die SPD in keiner Weise gegen ein Sonderplenum zu diesem Thema ausspricht. Im Gegenteil: Wir müssen alle befürchten – leider, muss man sagen –, dass uns dieses Thema noch lange Zeit beschäftigen wird. Wir sollten uns deshalb darauf einstellen und uns ernsthaft damit befassen.

(Beifall bei der SPD)

Alle drei Fraktionen haben heute Entschließungen vorgelegt, die gute Vorschläge und viele Anregungen enthalten. Diese Vorschläge und Anregungen sollten ernsthaft geprüft werden. Wir schlagen deshalb vor, dies so ausführlich, wie es das Thema verdient, in den Ausschüssen zu tun, und sie dann in einem Plenum zusammenzufassen und dabei gemeinsam herauszuarbeiten, welche Strategie die demokratischen Parteien in diesem Hause und im Freistaat Bayern zur Bekämpfung der Ursachen des Rechtsradikalismus in unserem Land haben.

Es würde nicht schaden, wenn wir auch zu diesem Thema eine Gedenkveranstaltung durchführen würden. In diesem Hause gibt es Soireen zu fast jedem Thema. Es wäre schön, wenn wir beispielsweise auch einmal eine Veranstaltung hätten, um den Opfern des Nationalsozialismus am 9. November zu gedenken. Das stünde diesem Hause gut an.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin aber ganz entschieden der Meinung, dass es gut und notwendig ist, dass das Parlament heute die erste Gelegenheit, die es nach einer langen Sommerpause hat, nutzt, um ein zentrales Thema der letzten Wochen aufzurufen und zu diskutieren. Das Ausmaß rechtsradikaler Gewalt in unserem Land ist erschütternd. Rechtsradikalismus ist ein zentrales innenpolitisches Thema geworden. Selbstverständlich setzt sich auch der Deutsche Bundestag in diesen Tagen damit auseinander.

Gerade diese Woche gibt wieder einmal Anlass, sich diesem Thema zu stellen und damit auseinander zu setzen.

(Beifall des Abgeordneten Franzke (SPD))

Erst vorgestern jährte sich zum 20. Mal das OktoberfestAttentat, das schlimmste Attentat in der Geschichte der Bundesrepublik, übrigens mit rechtsradikalem Hintergrund. Wir sind in der Woche des ausländischen Mitbürgers. Was würde besser passen, als genau in dieser Woche auch im Parlament eine Diskussion zum Thema Fremdenfeindlichkeit und Rassismus zu führen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Auch am Samstag werden wir wieder eine Veranstaltung der NPD auf dem Münchner Marienplatz haben. Ich fände es gut, wenn das Parlament auch dazu eindeutig Stellung nehmen würde.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich meine deshalb nicht nur, das Parlament sollte das Thema Rechtsradikalismus in dieser Woche aufrufen, sondern es muss sich jetzt mit diesem Thema befassen. Wer verbreitet, dahinter versteckten sich parteipolitische Überlegungen, der sagt entweder die Unwahrheit oder er sagt es in Unkenntnis. Das will ich hier ganz deutlich sagen.

(Beifall bei der SPD)

Wir alle haben Grund, uns mit dem Thema Rechtsradikalismus auseinander zu setzen, weil das Ausmaß, das die Gewalttaten angenommen haben, erschütternd ist. Rechtsradikale Gewalt bedeutet die Verletzung der Würde aller Menschen. Es gibt Ursachen für rechtsradikales Denken, die wir ergründen und bekämpfen müssen. Deshalb ist es nach unserer Auffassung erforderlich, ein unmissverständliches Signal aller demokratischen Parteien zu setzen: Wir wollen keine rechtsextreme Gewalt. Wir treten rechtsradikalem Handeln und Denken entschieden entgegen.

(Beifall bei der SPD)

Wir stehen auf der Seite der Opfer rechtsradikaler Gewalttaten, antisemitischer und ausländerfeindlicher Übergriffe. Wir bekennen uns zu Toleranz und Zivilcourage. Das muss die Botschaft sein, die von den demo

kratischen Parteien in unserem Land ausgeht. Wir sollten deshalb gemeinsam – ich wiederhole: gemeinsam – ein Bündnis für Toleranz und Zivilcourage, gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus auf den Weg bringen. Wir sollten damit dem Beispiel anderer Bundesländer und vieler Kommunen im Freistaat Bayern folgen, die engagierte Bürger zu solchen Bündnissen für Toleranz und gegen Ausländerfeindlichkeit aufgerufen haben.

Die Menschen wollen sich in solchen Institutionen engagieren. Es ist nämlich erfreulicherweise so, dass die Menschen in Bayern in weit überwiegender Zahl sehr tolerant, überhaupt nicht ausländerfeindlich und sehr weltoffen sind. Die Menschen in Bayern verachten rechtsradikale Gewalt und schämen sich sogar dafür, aber sie wollen auch selbst etwas tun, um rechtsradikalen Umtrieben entgegenzuwirken. Dafür erwarten sie ein eindeutiges Zeichen der Politik.

Ich kenne aus meiner Heimatstadt München das Beispiel des „Bündnisses für Toleranz“, in dem Wirtschaftsunternehmen, die Industrie- und Handelskammer, die Handwerkskammer, die Kirchen, die Wohlfahrtsverbände und der Kreisjugendring mitwirken sowie alle Parteien aus dem demokratischen Spektrum mit einer Ausnahme, nämlich der CSU. Ich frage mich, warum die CSU bei solchen Bündnissen in Bayern nicht mitwirken will wie in München oder solche Schwierigkeiten damit hat wie in Mittelfranken. Das halte ich für ein falsches Signal, weil es nicht eindeutig ist.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Eindeutigkeit bedarf es in unserem Land, auch und gerade bei der CSU. Das ist wichtig. Ich denke, Sie sollten zumindest in München Ihre Haltung überdenken. Es wäre schön, wenn wir in Bayern etwas auf den Weg bringen könnten, das nach außen signalisiert, alle Parteien, die im Landtag vertreten sind, wollen gemeinsam gegen rechtsradikale Gewalt vorgehen.

(Beifall bei der SPD)

Das allein reicht aber nicht aus. Es wird nicht genügen. Wir brauchen Maßnahmen gegen Rechtsradikalismus auf allen Ebenen.

Erstens. Es muss beim Verfassungsschutz beginnen. Hier stelle ich leider fest und könnte dies mit vielen Zitaten lang und breit belegen: Rechtsradikalismus wird in Bayern bis in die jüngste Zeit hinein ausweislich der Verfassungsschutzberichte, zuletzt für das erste Halbjahr 2000, in beispielloser Weise verharmlost.

(Beifall bei der SPD)

Ich erspare Ihnen die Zitate, aber ich schlage vor, sie einfach einmal nachzulesen, vor allem all das, was zur NPD gesagt wird. Im Grunde heißt es dort, es gibt sie tatsächlich, es ist ein Problem, aber es besteht kein Grund zur Sorge, denn man hat alles im Griff. Das ist der Tenor, der aus den Verfassungsschutzberichten spricht. Deswegen sage ich, der Verfassungsschutz in Bayern ist auf dem rechten Auge blind, und ich kann es Ihnen beweisen.

(Dr. Bernhard (CSU): So ein Schmarrn!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, überhaupt keine Beachtung findet, dass Bayern zwar erfreulicherweise bislang von allerschlimmsten Übergriffen und Gewalttaten verschont ist, dass aber von bayerischem Boden aus mit die schlimmsten rechtsradikalen Veröffentlichungen und Publikationen in die Bundesrepublik Deutschland verschickt werden. Hier in München wird die „Deutsche Nationalzeitung“ hergestellt, und von hier aus wird sie vertrieben, ohne dass man auch nur den Versuch unternimmt, etwas dagegen zu tun.