Protocol of the Session on June 28, 2000

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Nachdem ich die Debatten der letzten Wochen und Monate verfolgt habe, glaube ich, dass der CSU überhaupt nicht bekannt ist, wo wir wirtschafts- und finanzpolitisch betrachtet stehen, oder dass sie es nicht begreifen will. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU-Fraktion, ich glaube, Sie hängen immer noch an irgendwelchen alten Ideologien. Sie sprechen von Selbstfinanzierungseffekten. Können Sie sich wirklich vorstellen, was Ihr Handeln bedeutet? In einer Zeit, in der wir wieder Vertrauen in die Politik geschaffen haben,

(Lachen bei der CSU)

legen sie den Entwurf für eine Steuerreform vor, die Steuerentlastungen in Höhe von insgesamt 83 Milliarden DM vorsieht, aber nur eine Finanzierung für 32 Milliarden DM. Wie die übrigen 50 Milliarden DM finanziert werden sollen, bleibt offen. Wir sehen dies als äußerst unsolide an.

Wir brauchen eine saubere, solide Finanzpolitik. Wir sind davon überzeugt, viele Teile der Wirtschaft ebenfalls, dass der erfolgreiche Kurs, den Bundeskanzler Schröder, die Sozialdemokraten und Bundesfinanzminister Eichel angesteuert haben, unbedingt weiterverfolgt werden muss – im Interesse der Wirtschaft, der Arbeitsplätze und der weiteren konjunkturellen Entwicklung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir fordern Sie auf, und zwar ganz bewusst im Interesse der Wirtschaft, doch endlich konstruktiv mitzuarbeiten und die von Ihnen betriebene Fundamentalopposition aufzugeben, meine Damen und Herren von der CSU. Sie müssen sich merken: Wenn Sie Ihren Stil der absoluten Blockade und der Fundamentalopposition beibehalten, schaden Sie der Wirtschaft, dem Arbeitsmarkt und der derzeit hervorragenden konjunkturellen Entwicklung.

(Frau Renate Schmid (SPD): Das ist leider wahr!)

Wenn wir über die bevorstehende Steuerreform diskutieren, darf doch gesagt werden, ja, muss doch gesagt werden, dass wir es doch waren, die Sozialdemokraten, die dieses Schiff wieder auf einen normalen Kurs gebracht haben. Wir waren es, nicht Sie, meine Damen und Herren von der CSU.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CSU)

Ich habe heute einige Zitate dabei, die ich Ihnen gerne vorlege. Wir Sozialdemokraten waren es, die enorme Leistungen erbracht haben. Wir leugnen nicht, dass es ab und zu Probleme gibt. So bitten wir Sie, nicht zu leugnen, dass wir enorme Leistungen erbracht haben, um den Wirtschaftsstandort Deutschland wieder interessant zu machen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben ein Klima des Vertrauens geschaffen. Wir haben ein Klima der Reformbereitschaft geschaffen. Wir haben ein Klima der Solidität geschaffen. Das ist für den

Wirtschaftsstandort Deutschland sehr wichtig. Was haben Sie getan?

Ich war vorhin in der Bibliothek und habe einige Unterlagen geholt, die sehr interessant sind. Meine Damen und Herren von der CSU, in Ihren Fächern lag heute der Konjunkturbericht für diesen Monat. Sie sollten ihn aufmerksam lesen. Doch sollten Sie wie ich in die Bibliothek gehen und einmal nachlesen, was in den Konjunkturberichten aus den Jahren 1997 und 1998 steht, also aus den Jahren, in denen die CSU in Bonn mitregiert hat. Lesen Sie doch einmal, was in den Berichten aus den Monaten Februar, März und April 1998 zur Gesamtentwicklung steht. Ein Zitat:

Im Durchschnitt Westdeutschlands trübte sich das Geschäftsklima ebenfalls etwas ein. In den neuen Bundesländern war dagegen eine erneute leichte Erwärmung zu beobachten. Im verarbeitenden Gewerbe fielen sowohl die Urteile zur gegenwärtigen Situation als auch die Einschätzung der Weiterentwicklung im nächsten Halbjahr weniger positiv aus als im Vorjahr.

Heute, unter sozialdemokratischer Verantwortung, ist zu lesen: „stabiler Konjunkturverlauf auf hohem Niveau“, „Wirtschaft im Bezug auf Export nach wie vor optimistisch“, „Preisanstieg gedrosselt“, „günstige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt“. Es ist also eine positive Entwicklung, die wir hier zu konstatieren haben. Wir waren es, die diese positive Entwicklung bewirkt haben.

(Zuruf des Abgeordneten Hofmann (CSU))

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dr. Vocke zu?

Er scheint heute sehr fleißig zu sein. Bitte, Herr Kollege.

Wenn ich Ihre Jubelberichte höre, habe ich so das Gefühl, es mit Frontberichten zu tun zu haben.

(Zurufe von der SPD: Frage!)

Ich stelle sofort die Frage. Wenn Sie hier so jubeln, das Ausland habe so großes Vertrauen zu uns, muss ich Sie schon fragen: Warum ist der Euro so schwach? Letztlich sind doch wir der Motor. Dass wir im Moment eine einigermaßen florierende Wirtschaft haben, hat doch weiß Gott nichts mit der SPD-Beteiligung an der Bundesregierung zu tun, sondern damit, dass D-Mark und Euro nichts wert und deshalb unsere Exportraten so hoch sind. Das ist doch der wahre Grund. Wir sollten doch auf dem Teppich bleiben.

(Zurufe von der SPD: Frage!)

Ich stelle die Frage: Wo liegt die Entlastung?

Lieber Herr Kollege, wenn Sie mir aufmerksam zugehört hätten, hätten Sie es schon vorhin vernommen: In der Wirtschafts- und Finanzpolitik geht es auch um Vertrauen in die Politik. Das jetzt bestehende Vertrauen in die Politik haben doch nicht Sie geschaffen mit Ihrem Schuldenstand von 1,5 Billionen DM, meine Damen und Herren von der CSU.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISES 90/DIE GRÜNEN)

Sie sollten sich einmal merken, wer wofür verantwortlich ist und was früher einmal war. Herr Kollege, angesichts Ihrer Frage möchte ich nun von Ihnen wissen: Was wurde von Mitgliedern der CSU gesagt? Haben Sie Vertrauen gesetzt in die Wirtschaft? Der frühere Bundeskanzler und andere Parlamentarier, die einer der Unionsparteien angehören, haben den Menschen 1997 und 1998 erzählt, die Arbeitslosigkeit würde bis zum Jahr 2000 um 50% abgebaut werden. Sie waren es doch, die das gesagt haben. Vertrauen in die Wirtschaft haben Sie jedoch nicht geschaffen. Denn Sie haben einfach falsche Prognosen von sich gegeben. Aber wir, die Sozialdemokraten, haben das Problem angepackt und dafür gesorgt, dass die Zahl der Arbeitslosen nun wesentlich unter 4 Millionen liegt. Das ist unser Verdienst.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – lebhafte Zurufe von der CSU)

Ich könnte endlos über Steuerpolitik und die gesamtwirtschaftliche Entwicklung sprechen. Herr Erwin Huber, der frühere Finanzminister, sitzt hier. Ich glaube, er ist ein Politiker, der sich gerne an den Fakten orientiert. Das hat er früher in seiner Funktion als CSU-Generalsekretär getan und auch als Finanzminister. Herr Huber, Sie sind in Ihrer Zeit als Finanzminister immer wieder in den Haushaltsausschuss gekommen und mussten dort verkünden – mit nicht so freundlicher Mine wie jetzt –, was sich so alles entwickelt. Einer Mitteilung des Finanzministeriums vom 28. Juni 1998 ist folgendes zu entnehmen:

Gegenüber den bisherigen Berechnungen im Mai und November 1997 müssen Bund und Länder und Gemeinden im Jahreszeitraum von 1998 bis 2001 gemäß den neuen Steuersätzen mit Einnahmeausfällen von insgesamt 99,1 Milliarden DM rechnen.

Sie müssen sich diese Zahl einmal vorstellen. Es war eine Zeit, als die CSU noch an der Bundesregierung beteiligt war. Doch jetzt ist zu lesen, dass 10 Milliarden DM mehr zu erwarten seien. Plötzlich stelle ich fest, dass sich auch die CSU diese Feder der besseren Steuerentwicklung an den Hut steckt. Da ist plötzlich zu lesen, die CSU stelle fest, dass die Steuerschätzung günstig ausgefallen sei. Im Haushalt des Freistaates Bayern – das müssen Sie einmal zugeben; das gehört zu einer ehrlichen Politik – befinden sich aufgrund der guten Finanzpolitik der Bundesregierung und der Sozialdemokraten in Berlin 360 Millionen DM mehr, die die Staatsregierung nun verteilen kann. Meine Damen und Herren von der CSU, Sie sollten dankbar sein für diese positive Entwicklung.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie glauben, das alles habe mit Zufällen zu tun, kann ich Sie nur bitten, einmal nachzulesen, was in Fachzeitschriften und in Publikationen von Wirtschaftsinstituten steht. Diesen Veröffentlichungen ist zu entnehmen, dass die gegenwärtige Entwicklung kein Zufall ist, sondern dass es der Bundesregierung gelungen ist, wichtige Steuerschlupflöcher zu schließen und dadurch höhere Steuereinnahmen zu erzielen.

Ich komme zu einem wesentlichen Punkt, den Sie immer im Zusammenhang mit der Steuerreform anführen: Im Zusammenhang mit dem Mittelstand und den Handwerksbetrieben muss festgestellt werden, Sie waren es, die die Lohnnebenkosten über Jahre hinweg zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach oben getrieben haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ich weiß, dass das wehtut.

(Beifall bei der SPD)

Diese Maßnahme hatte negative Auswirkungen auf die mittelständischen Betriebe. Wir haben es geschafft, diese Lohnnebenkosten von 20,3% auf 19,3% zu senken. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Wir waren es, die die Familien durch die Erhöhung des Kindergelds unterstützt haben.

Ich möchte noch zu einem Thema kommen, das im Landtag eine Rolle gespielt hat und an dem sich zeigt, dass Sie unehrlich argumentieren und falsche Fakten vorbringen. Der frühere Finanzminister hat immer wieder von diesen Fakten gesprochen. Waren es nicht Sie, die die Mineralölsteuer vor einigen Jahren um 16 Pfennig und danach um 22 Pfennig erhöht haben? Das müssen Sie den Menschen draußen im Lande sagen. Mit diesem Geld haben Sie die Löcher, die Herr Dr. Waigel in den Haushalt gerissen hat, gestopft. Sie müssen zugeben, dass Sie die Mineralölsteuer wesentlich erhöht haben.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege Straßer, zwei Kollegen haben sich zu einer Zwischenfrage gemeldet, nämlich Herr Kollege Hofmann und Herr Kollege Dr. Vocke. Gestatten Sie die Zwischenfragen?

Ja.

Herr Kollege Straßer, Sie haben soeben darauf hingewiesen, dass in den zurückliegenden Jahren der CDU/CSU-Bundesregierung die Lohnzusatzkosten nach oben gegangen sind. Sind Sie in der Lage, uns zu erklären, wer dafür verantwortlich ist, dass die Sozialversicherungsbeiträge um 1,7% hinaufgegangen sind als es darum ging, die Pflegeversicherung zu finanzieren?

(Unruhe bei der SPD)

Das wissen Sie wohl nicht mehr? Frau Kollegin Schmidt hat in Würzburg zu diesem Thema eine Rede gehalten und gesagt, dies sei der Sündenfall der Sozialdemokraten gewesen.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege Hofmann, ich bitte Herrn Straßer, diese Frage zu beantworten.

Lieber Herr Kollege Hofmann, wenn Sie ein so gutes Gedächtnis haben und auf eine Rede unserer Fraktionsvorsitzenden hinweisen, kann ich daraus nur schließen, dass es eine hervorragende Rede war.

(Hofmann (CSU): Wissen Sie, wo sie diese Rede gehalten hat?)

Natürlich. Sie hat diese Rede in Würzburg gehalten. Nun zu den Lohnnebenkosten. Ich könnte Ihnen ein Dutzend Beispiele nennen, wo Sie nicht bereit waren, über das Thema Lohnnebenkosten zu reden.

(Hofmann (CSU): Sie haben meine Frage nicht beantwortet!)

Das Kernproblem bei den Lohnnebenkosten war, dass Sie damit viel zu viel finanziert haben, was nicht mit den Lohnnebenkosten hätte finanziert werden dürfen. Das war das Kernproblem.

(Beifall bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Die nächste Zwischenfrage stellt Herr Kollege Dr. Vocke.

Herr Kollege Straßer, Sie haben soeben gesagt, dass angeblich eine große Entlastung auf den kleinen Mann zukäme. Wenn ich es richtig mitbekommen habe, haben Sie dem kleinen Mann vorher durch die Ökosteuer das Geld aus der Hose geholt.