Protocol of the Session on April 13, 2000

Die SPD möchte nämlich nicht, dass die Sozialministerin wortbrüchig wird. Die CSU-Fraktion oder die Staatsregierung hätte diesen Antrag eigentlich schon vor fünf Monaten einreichen müssen. Am 24.11.1999 sagte Frau Ministerin Stamm in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ – ich darf zitieren –:

Eine hundertprozentige Bezuschussung wird es wohl nicht geben, aber am Geld wird es nicht scheitern. Der Anteil wird mit Sicherheit höher sein, als er derzeit ist. Das kommt dann allerdings auch den anderen Beratungsstellen zugute. Wir müssen alle gleich behandeln.

Wir gehen davon aus, dass das auch geschieht. Sie wissen aber so gut wie wir, dass dieses Wort der Sozialministerin gar nicht eingehalten werden kann, wenn dieses Hohe Haus nicht die einschlägigen Gesetze verändert.

In den letzten Monaten sind die Tatsachen in der Öffentlichkeit verschleiert worden. In meinen Augen hätte das nicht passieren dürfen, wenn man es den katholischen Verbänden wirklich ermöglichen will, auf eigenen Füßen zu stehen. Es wurde nämlich der Eindruck erweckt, als hinge es völlig vom Gutdünken des Sozialministeriums ab, ob die Mittel irgendwo aufgetrieben werden oder nicht.

(Beifall der Frau Abgeordneten Werner-Muggendor- fer (SPD))

Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr entscheiden wir, wie viel uns die Schwangerenkonfliktberatung und die Schwangerenberatung wert sind. Wir fordern Sie deshalb auf, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen. Aus Ihrem Verhalten werden wir ersehen können, ob Sie Ihre Worte ernst nehmen, ein plurales System in Bayern unter Einschluss der Katholischen Kirche zu befürworten.

Wir fordern Sie daher auf, dem Gesetzentwurf der SPD zuzustimmen, der darauf beruht, dass die jetzige Bezuschussung, selbst wenn man sie auf 100% hoch rechnet, für die Beratungsstellen nie kostendeckend war. Wir alle wissen, dass bei einer staatlichen Bezuschussung überhaupt nur ein Teil zuschussfähig ist, so dass alle Verbände, und zwar auch diejenigen, die in der Schwangerenkonfliktberatung bisher schon sehr gute Arbeit geleistet haben, sowohl Pro Familia als auch evangelische Beratungsstellen, immer mehr draufgezahlt haben, als es nach unseren Gesetzesentscheidungen der Fall sein sollte.

Daher tun wir den für uns einzig logischen Schritt: Da die Konfliktberatung eine öffentliche Aufgabe ist, muss sie als solche finanziert werden; also muss zumindest der zuschussfähige Teil zu 70% vom Staat und zu 30% von den Kommunen bezuschusst werden. Die Verbände, die anschließend Träger der Beratungsstellen sind, oder die es heute schon sind, müssen dann immer noch Millionen aufbringen, um den Rest zu finanzieren. Wir als Parlamentarier sehen für diesen Konflikt keine andere Lösung; das ersehen Sie aus der Drucksache, die Ihnen vorliegt. Wenn Sie als Träger der Staatsregierung Ihre Sozialministerin mit ihren immer wieder geäußerten Zusagen nicht im Regen stehen lassen wollen und wenn Sie vor allem nicht die Beratungsstellen im Regen stehen lassen wollen, müssen Sie unserem Gesetzentwurf zustimmen. Wir hoffen, dass Sie dann auch richtig Farbe bekennen werden.

Zum Abschluss will ich zu den Beratungsstellen insgesamt noch einige Worte äußern. Mir und der SPD-Fraktion ist absolut schleierhaft, wie man glauben kann, man könne damit durchkommen, über Monate hinweg immer nur zu erklären, dass die katholischen Beratungsstellen, in welcher Form auch immer, im staatlichen Netz verbleiben sollen, während man gleichzeitig alles tut, damit sie nicht auf die Füße kommen. Wenn Sie voriges Jahr diese Gesetzesänderung eingebracht hätten, was ich eigentlich erwartet habe, dann könnten katholische Laienorganisationen bereits seit Anfang dieses Jahres die Beratung durchführen. Sie haben nicht nur auf Kosten der katholischen Beraterinnen, sondern vor allem auf Kosten der Hilfe suchenden Frauen in Bayern das gleiche Spiel gespielt wie die Bischöfe: Sie haben verunsichert, Sie tragen weiterhin zur Verunsicherung bei, Sie helfen weder den Beraterinnen noch den Frauen und vor allem nicht dem ungeborenen Leben. Deshalb können Sie nur den von uns aufgezeigten Weg gehen. Wir hoffen, dass Sie das auch tun werden.

(Beifall bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nächste Wortmeldung: Frau Münzel, bitte.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst etwas Grundsätzliches zur Schwangerenkonfliktberatung sagen. Ich bin der festen Überzeugung, dass das Tauziehen um die Schwangerenkonfliktberatung ein Trauerspiel ist, das seinesgleichen sucht. Dabei spielt nicht nur die Katholische Kirche eine unrühmliche

Rolle, sondern auch Frau Staatsministerin Stamm. Es ist unglaublich, mit welch unterschiedlichem Maß hier gemessen wird. Eigentlich müsste klar sein, dass Träger, welche die Schwangerenkonfliktberatung durchführen wollen, sich aber nicht an das Schwangerenberatungsgesetz halten, keine Anerkennung und keine Finanzierung erhalten. Im Falle der Katholischen Kirche sieht das aber anders aus; da macht Frau Staatsministerin alles, um die katholischen Beratungsstellen auf irgendeine Weise zu halten. Notfalls wird eben das Gesetz geändert. Pro Familia dagegen werden Steine in den Weg gelegt. Es wird alles getan, damit Pro Familia weder eine Anerkennung noch eine Finanzierung erhält. Fragwürdigste Rechenkünste werden angewendet, damit ein unabhängiger Träger wie Pro Familia nicht zum Zuge kommen kann.

Ich habe absolut nichts gegen katholische Beratungsstellen. Wir haben die Arbeit der katholischen Beraterinnen in diesem Haus stets als vorbildlich herausgestellt und immer wieder betont, dass die Beraterinnen eine gute Arbeit leisten und dass uns ein plurales Beratungsangebot wichtig ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Zum pluralen Angebot gehören selbstverständlich die Kirchen; genauso selbstverständlich gehören dazu unabhängige Träger wie Pro Familia.

(Beifall bei der SPD)

Was dem einen recht ist, muss dem anderen billig sein.

Aus rein ideologischen Gründen versucht Frau Staatsministerin, unabhängige Träger zu verhindern. Sie versucht, den Frauen den Weg in eine Beratungsstelle zu erschweren, die sich nicht an eine kirchliche oder staatliche Beratungsstelle wenden wollen. Das wird in diesem Konflikt um die Finanzierung der Beratungsstellen deutlich; das wird daran deutlich, wie man mit dem Verein „Donum vitae“ umgeht.

Zwar ist es immer gut, wenn es mehr Geld gibt. Monica, ich bin mir aber nicht ganz sicher, ob die Trägervereine wirklich klug handeln, wenn sie sich hundertprozentig von der staatlichen Finanzierung abhängig machen.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Lochner-Fischer (SPD))

Da besteht in meinen Augen Beratungsbedarf. Dieses Detail werden wir im Ausschuss noch diskutieren. Für uns ist ganz besonders wichtig, dass es endlich zu einer Gleichbehandlung der Träger kommt. Es kann nicht sein, dass die katholischen Träger – Donum vitae – die Bonbons bekommen, während Pro Familia auf das Abstellgleis geschoben wird. Eine solche Vorgehensweise können wir auf gar keinen Fall mittragen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nächste Wortmeldung: Frau Dr. Fickler, bitte.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN überschlagen sich geradezu vor Wohlwollen gegenüber den Beratungsstellen.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Lochner-Fischer (SPD))

Ich erinnere an die Beratungen im Bayerischen Landtag über die Änderung des Schwangerenberatungsgesetzes und des Schwangerenhilfeergänzungsgesetzes. Damals war Ihr Wohlwollen gegenüber den Beratungsstellen nicht stark ausgeprägt.

(Widerspruch bei der SPD)

Sie haben uns damals große Schwierigkeiten gemacht, als wir unsere beiden Gesetzentwürfe zur Stärkung des Lebensschutzes speziell in Bayern durchs Parlament bringen wollten. Die Beratungen sprengten damals den üblichen zeitlichen Rahmen bei weitem.

Sie sagten, dass Frau Ministerin Stamm bei der Erhaltung der katholischen Beratungsstellen eine unrühmliche Rolle spielte. Werte Kollegen und Kolleginnen, ich muss das auf das Entschiedenste zurückweisen; genau das Gegenteil ist der Fall.

(Beifall bei der CSU)

Die Frau Ministerin und auch wir von der CSU-Fraktion bemühen uns, die katholischen Beratungsstellen ganz bewusst zu erhalten. In Bayern sind 67% der Bevölkerung katholisch. Allein schon aus diesem Grunde ist es nach unserer Überzeugung notwendig, das plurale Angebot und damit auch die katholischen Beratungsstellen zu erhalten.

Ich darf Ihnen nun einige Daten zur Zahl der Beratungen nennen. Im Jahr 1999 hat der SKF in München 976 Beratungen mit Schein und 913 Beratungen ohne Schein durchgeführt. In Neu-Ulm betragen die Zahlen 231 Beratungen mit Schein und 226 ohne Schein. In Bamberg und in anderen Beratungsstellen liegen die Zahlen ähnlich.

Ich darf Sie nun fragen, werte Kolleginnen: Wo sollen diese 976 Frauen hingehen, die sich mit Schein bei den katholischen Beratungsstellen in München haben beraten lassen? Bereits im Jahre 1999 fand die Diskussion statt, dass die Katholische Kirche aus der Konfliktberatung aussteigen will. Wir sind einfach verpflichtet, diesen Frauen auch ein katholisches Beratungsangebot zur Seite zu stellen.

Zur Finanzierung. Selbstverständlich haben wir uns auch in unserer Fraktion darüber unterhalten. Wir wollen den Anteil von 80% aufstocken. Die Rede ist von 90% oder auch darüber. Sie können davon überzeugt sein, dass dies dann für alle Beratungsstellen gleichermaßen gelten wird.

Ich darf Ihnen aber auch sagen, werte Kollegin LochnerFischer: Sie sprechen sozusagen davon, dass Donum Vitae besser finanziert werden muss, in Wirklichkeit meinen Sie aber Pro Familia. Wir werden Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Ich denke, wir werden uns in den Ausschüssen über die Finanzierung unterhalten müssen. Ich freue mich, dass sich die GRÜNEN noch Bedenkzeit erbeten haben und nicht schon im Vornherein Zustimmung zum Gesetzentwurf signalisieren. Ich beantrage daher Überweisung in die Ausschüsse.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatssekretär Schmid hat um das Wort gebeten.

Staatssekretär Georg Schmid (Sozialministerium) : Sehr verehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich mache einige wenige Bemerkungen, weil die Ministerin – das hohe Haus ist sicher mit mir einer Meinung – in ungewöhnlicher Weise attackiert wurde. Ich glaube, dies steht auch nicht für das Thema. Das Thema ist viel zu ernst, als dass wir uns gegenseitig gleichermaßen attackieren sollten. Der Vorwurf, dass die Ministerin eine unrühmliche Rolle spielt und dass sie die Beratungsstellen und damit letztlich auch die Frauen im Regen stehen lässt, entspricht nicht der Realität.

(Frau Lochner-Fischer (SPD): Natürlich! Das ist doch so!)

Die Ministerin bemüht sich sehr wohl bei diesem Thema, das wir auch lieber nicht hätten. Jetzt haben wir aber die Situation, dass eine Neustrukturierung insgesamt erforderlich ist. Frau Kollegin Lochner-Fischer, die Ministerin führt ständig Gespräche, um eine vernünftige Lösung zu finden und die Pluralität zu erhalten. Diese Gespräche, das haben Sie auch in Ihrem Wortbeitrag dokumentiert, sind natürlich nicht einfach. Sie finden auch unter einem gewissen Zeitdruck statt; denn wir wissen, dass wir in den nächsten Monaten eine Lösung brauchen, insbesondere angesichts der Tatsache, dass dies nicht einfach per Anordnung organisiert werden kann, sondern dass dazu die Stellen, die Damen erforderlich sind, die die Beratungen bisher vorgenommen haben und die eine große Erfahrung haben.

Ich glaube auch, dass die Finanzen, die im Mittelpunkt Ihres Entwurfes stehen, essenziell sind. Wenn die Ministerin gesagt hat, am Geld soll es nicht scheitern, dann steht sie auch zu dieser Aussage. Wir haben gerade auch an der Bemerkung von Frau Kollegin Münzel gespürt, dass es ohne weiteres einen Konsens geben kann. Sie haben gesagt, wir müssen zu der Situation kommen: 50 plus 20 plus 30 ist gleich 100%. Frau Kollegin Münzel hat angedeutet, dass der Eigenanteil auf jeden Fall ein überlegenswerter Aspekt ist. Ich glaube schon, dass wir gemeinsam zu einem guten Konsens kommen können. Es lohnt sich, darüber zu diskutieren. Es darf nicht sozusagen an diesem kleinen Zwischenglied scheitern. Ich glaube schon, dass möglicherweise auch über die Parteigrenzen hinweg ein Konsens erreicht werden kann, wenn Sie sich von Ihrem Gesetzentwurf ausgehend noch ein Stückchen bewegen.

Ich glaube, wir sollten aus dieser Debatte insgesamt die Schärfe herausnehmen, Frau Kollegin Lochner-Fischer. Wir müssen den staatlichen Anteil erhöhen. Der staatliche Anteil wird erhöht. Insoweit steht die Ministerin – ich sage es noch einmal – eindeutig zu ihrem Wort.

Die letzte Frage des Zwischengliedes werden wir sicher gemeinsam lösen. Ich will jetzt nicht die erhobenen Vorwürfe gleichermaßen zurückgeben. Dieses Thema ist mir zu wertvoll. Wir brauchen Lösungen für diejenigen Frauen, die in Not sind. Ich bin ganz sicher, dass wir in den Beratungen im Ausschuss ein gutes Ergebnis finden werden.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Ich schlage nun vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Widerspruch erhebt sich nicht. Dann ist das so beschlossen. Kolleginnen und Kollegen,

ich rufe nun auf:

Tagesordnungspunkt 8

Mündliche Anfragen

Die Fragestunde dauert heute 45 Minuten, also genau bis 14.00 Uhr. Frage 1 betrifft das Staatsministerium der Justiz. Der Fragesteller, Herr Kollege Mehrlich, ist nicht da. Die Frage verfällt. Er wird eine schriftliche Ausfertigung bekommen.

Ich bitte nun den Staatssekretär im Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit um die Beantwortung der Fragen.