Ich möchte in diesem Zusammenhang noch feststellen: Nichts, aber auch gar nichts spricht dafür, dass die Festplatte aus dem tatsächlichen Gewahrsam der Staatsanwaltschaft abhanden gekommen ist. Sie ist vielmehr außerhalb des unmittelbaren Einflussbereichs der Staatsanwaltschaft abhanden gekommen.
Das ist immer noch eine schwierige Situation. Es ist aber ein Riesenunterschied, ob unmittelbar in einer Behörde ein Beweisstück verschwindet oder außerhalb, im demgegenüber privaten Bereich.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch etwas: Natürlich lässt sich über Maßnahmen eines Verstorbenen, der dazu nichts mehr sagen kann, trefflich spekulieren. Was Sie über das Vorgehen des verstorbenen Leiters der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Augs
burg, des Leitenden Oberstaatsanwalts Hillinger gesagt haben, ist pure Spekulation, zu welcher derjenige, der alles aufklären könnte, nichts mehr sagen kann, weil er nicht mehr lebt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich halte das für einen unsäglichen Vorgang.
Sie diskreditieren damit die Staatsanwaltschaften in Bayern, zumindest die Generalstaatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht München in unerträglicher Weise. Letztlich unterstellen Sie, wenn Sie es auch nicht so deutlich zu sagen gewagt haben, dem Generalstaatsanwalt Froschauer, dass er an der Unterdrückung einer eigentlich notwendigen Beweiserhebung persönlich mitgewirkt hat. Das unterstellen Sie, meine Damen und Herren der Opposition. Dann sagen Sie das auch so deutlich, damit man Sie dafür zur Rechenschaft ziehen kann. Ich bin gespannt auf das weitere Verfahren.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatsminister der Justiz, Herr Dr. Weiß, hat um das Wort gebeten, bitte.
Frau Präsidentin, Hohes Haus! Ich möchte etwas richtig stellen. Eine Frage habe ich aus dem Handgelenk heraus nicht ganz präzise beantwortet, und zwar zum BSI. Ich habe das jetzt geklärt. Ich schicke voraus: Ich war zu dieser Zeit im Urlaub und habe das nicht so direkt mitbekommen. Der Untersuchungsausschuss in Berlin hat erörtert, wie das sichtbar gemacht werden könnte und hat über das BSI gesprochen.
Daraufhin haben Journalisten den Leitenden Oberstaatsanwalt Nemetz gefragt, ob er von dem BSI schon etwas gehört hätte. Herr Nemetz hat Nein gesagt und sich daraufhin mit dem BSI in Verbindung gesetzt. Dort wurde gesagt, dass man eine gewisse Chance sehe. Daraufhin hat mir Herr Nemetz am 31. März berichtet, dass man beabsichtige, das anzugehen. Bereits vom 30. März gibt es einen Beschluss des Untersuchungsausschusses auf Beiziehung.
Ich bin am 3. April von einer Auslandsreise zurückgekommen und habe verschiedene Stapel auf dem Schreibtisch gehabt. Ich möchte nicht ausschließen, dass ich zuerst das Schreiben von Nemetz und dann das des Untersuchungsausschusses gelesen habe. Die Information des Untersuchungsausschusses ist früher eingegangen als der Bericht von Nemetz. Ich habe es in einer anderen Reihenfolge gelesen. Dies möchte ich richtig stellen. Ich habe das vorhin aus dem Handgelenk beantwortet, und dabei riskiert man, etwas Falsches zu sagen.
(Beifall bei der CSU – Maget (SPD): Dann sagen Sie nicht zu anderen, sie sollen erst Akten lesen, bevor sie etwas sagen! In aller Ehre!)
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Normalerweise hören wir bei jeder Sitzung, wenn ein Mitglied der Staatsregierung oder jemand von der CSU hier spricht: Bayern liegt vorn, Bayern ist das beste, das schnellste Bundesland.
Was Rechtsstaatlichkeit betrifft, haben wir sehr oft beklagen müssen, dass dies nicht zutrifft, dass Bayern Schlusslicht ist. Der Vorgang heute war ein sehr gutes Beispiel dafür, wie die Verhältnisse bei uns sind.
Es wäre gut gewesen, wenn Sie wenigstens Einsicht gezeigt hätten und nicht dargestellt hätten, dass es um die persönliche Betroffenheit Einzelner geht, um den Justizminister, um Mitglieder der Familie Strauß, um einzelne Staatsanwälte. Das ist nicht der Kern der Angelegenheit. Diese Vorgänge sind Symptom dafür, wie die Justiz in Bayern unter einem Klima der Einschüchterung leidet.
Denn nur so ist doch wohl zu erklären, dass der von uns ausdrücklich positiv hervorgehobene verstorbene Oberstaatsanwalt Hillinger sich nicht traute, gegenüber seinem Generalstaatsanwalt zu sagen, dass er es für notwendig hält, weitere Untersuchungen zu veranlassen. Das ist doch der Kern der ganzen Geschichte.
des Pressesprechers des Justizministeriums; er sitzt dort hinten. Er hat gestern vor der Presse gesagt, Herr Hillinger hat an den Generalstaatsanwalt geschrieben, er sähe keine Aussicht, dass eine weitere Untersuchung dieser Festplatte etwas erbringen könnte. Gleichzeitig hat er aber den Sachverständigen beauftragt. Das ist Tatsache, vom Justizministerium selbst bekannt gegeben worden.
(Beifall bei der SPD – Zurufe von der SPD: Hört! Hört! – Hofmann (CSU): Das ist etwas ganz anderes! – Weitere Zurufe von der CSU)
Es kommt noch etwas hinzu. Gestern hat uns Herr Zierl erklärt, dass in den Handakten des verstorbenen Ober
staatsanwalts gleich zwei Briefentwürfe enthalten waren – einer, der sagt, dass es sich nicht mehr lohnt, etwas zu untersuchen, und ein anderer, der sagt, dass die Staatsanwaltschaft Augsburg beabsichtigt, weiter zu untersuchen. Er hat aber nur einen, nämlich den ersten abgesandt, in dem stand, dass es sich nicht mehr lohnt zu untersuchen. Das sind Fakten, die das Justizministerium selbst mitgeteilt hat. Anzusetzen ist an dem traurigen Beispiel, dass ein Leitender Oberstaatsanwalt in Augsburg sich nicht traut, seinem Chef die Wahrheit zu sagen, weil er befürchtet, dann zurückgepfiffen zu werden. Das ist die Einschüchterung, die in der bayerischen Justiz festzustellen ist.
Herr Kollege, nachdem Sie diese Behauptung wiederholt haben und dafür keinen Beleg brachten: Sichern Sie mir oder uns zu, dass das über diese Sitzung erstellte Protokoll von uns ohne Ihre vorherige Korrektur gelesen werden kann?
(Hofmann (CSU): Sie lassen unkorrigiert nachlesen? Das wollen wir schon wissen! Wer so hinterhältig argumentiert, dem traue ich alles zu! – Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD)
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Ich denke, die Gemüter sollten sich wieder beruhigen, und wir sollten wieder zu parlamentarischen Umgangsformen zurückkehren. Darum bitte ich alle Redner.
Ich möchte das Einschüchterungsklima bei der Justiz im Lande Bayern an anderen Beispielen, die in den letzten Wochen und Monaten bei uns im Verfassungsausschuss behandelt worden sind, noch deutlicher machen. Da gibt es einen Amtsrichter in Nürnberg, der über eine Abschiebungssache zu befinden hat.
Da gibt es Gerüchte, dass aus dem Innenministerium gesagt wurde, wenn er diese Abschiebung verhindert, wird er einen Kopf kürzer gemacht.
ob es die Möglichkeit gebe, die Entscheidung des Amtsrichters, die für Freitag zu erwarten war, am Samstag durch eine Beschwerdekammer überprüfen zu lassen. Jeder, der einmal in der Justiz war, weiß, dass dazu ein Anruf bei der Geschäftsstelle des Landgerichtes genügt.
Wie war es hier? Der Amtschef des Innenministeriums MD Dr. Waltner wird bemüht und fragt beim Amtschef des Justizministeriums MD Held nach, ob es in Nürnberg am Samstag eine funktionierende Beschwerdekammer gebe. Wer dieses erfährt, weiß doch, dass in der Ministerialspitze ein ungeheures Interesse an dieser Entscheidung besteht. Es ist etwas Außerordentliches, dass versucht wird, den Eindruck zu erwecken: Wenn du nicht spurst, kann dies Konsequenzen haben. Neben diesem Beispiel gibt es weitere Beispiele: Im fränkischen Bereich werden von der Staatsanwaltschaft zwei Richter wegen Rechtsbeugung angeklagt und zu einem Jahr und vier Monaten Gefängnis verurteilt. Der Bundesgerichtshof muss diese Urteile als Skandalurteile aufheben.
(Leeb (CSU): Der Bundesgerichtshof hat nicht „Skandalurteil“ gesagt! – Hofmann (CSU): Wenn der Bundesgerichtshof das nicht gesagt hat, haben Sie gelogen!)
Herr Leeb, Sie kennen dies genau und auch die Berichte über die mündliche Verkündung der Urteilsgründe durch den Bundesgerichtshof. Was ist es denn anderes, wenn man versucht, auf die Richter und Staatsanwälte mit solchen Methoden Einfluss zu nehmen? Sie wollen das nicht hören. Aber dies hat dazu geführt, dass in der bayerischen Justiz dieses Klima vorhanden ist. Dieser kurze Weg von Ministerialdirektor zu Ministerialdirektor wäre hinsichtlich des Landeskriminalamtes angebracht gewesen, als es um die Erstellung des Gutachtens ging, aber nicht bei der Frage, ob ein Amtsrichter eine Abschiebung bestätigt oder nicht. Dies sind die Situationen, die wir haben. Herr Hofmann, auch diesbezüglich können Sie das Protokoll nachlesen. Herr Zierl sagt in der heutigen „Süddeutschen Zeitung“ zur Frage, was denn jetzt eigentlich bei der Justiz gemacht wird: Wir suchen und suchen. Wir finden das zwar sehr respektabel, hoffen aber, dass auch etwas gefunden wird. Herr Zierl sagt auch, es seien Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen Verdachts des Verwahrungsbruchs eingeleitet. Zwar gibt es einen Straftatbestand „Verwahrungsbruch“, aber für den Fall, dass die Festplatte weggekommen ist, gibt es sehr viel schwerwiegendere Straftatbestände, welche hier nicht erwähnt werden, nämlich die Straftatbestände der Strafvereitelung, der Computersabotage, die mit sehr viel höheren Strafen bedacht sind; doch dazu hört man nichts. Es wird also wieder versucht, zu verniedlichen und auf ein Nebengleis abzuschieben. Der zentrale Punkt jedoch wird nicht klargemacht.
Die Sippenhaft führen die Kinder von Franz Josef Strauß selber vor. Sie schließen sich zusammen, und bei jedem Angriff gegen einen sind die beiden anderen Kinder da, was ich aus Familiensolidarität sehr schätze. Die beiden anderen stellen sich jedes Mal davor und sagen, sie seien genauso betroffen; dies ist doch die Situation.