Protocol of the Session on April 13, 2000

Das bedeutet, dass wir tagtäglich rund 6500 Zugverbindungen organisieren und managen müssen. Wir haben diese Verantwortung, die wir seit diesem Zeitpunkt haben, ernst genommen. Wir haben bewusst eine Verbindung zum ÖPNV angestrebt. Wir haben in der letzten Legislaturperiode das ÖPNV-Leistungsgesetz beschlossen, welches von allen Landräten gefordert und begrüßt wurde, unabhängig von ihrer politischen Orientierung. Wir haben durch unser Schnittstellenprogramm eine Verknüpfung des ÖPNV mit dem Schienenpersonennahverkehr erreicht. Gleichwohl gibt es in dieser Beziehung noch viel zu tun. Damit der ÖPNV quasi als Zulieferer für den Schienenpersonennahverkehr attraktiv ist, fördern wir auch Busse. Das hat beispielsweise auch der SPDLandrat in Schwandorf gefordert. Er forderte einen Busbahnhof und Park-and-ride-Plätze. Er hat es auch bekommen. Das ist eine optimale Vernetzung. Dafür stellen wir Mittel zur Verfügung.

(Schläger (SPD): Sehr gut!)

Wenn aber nun aber gefordert wird, zusätzliche Gelder bereitzustellen, stellt sich die Frage, ob das sinnvoll ist. Ich stehe vor der großen Herausforderung, Herr Kollege Schläger, dass zum Teil nicht unberechtigte Forderungen aus bestimmten Verdichtungsgebieten kommen. Dort wird argumentiert, dass in der Fläche bei den Zügen heiße Luft durch die Gegend gefahren wird, wohingegen das Angebot in Verdichtungsgebieten beschränkt sei. Wir werden uns deshalb überlegen müssen, ob wir nicht da und dort eine Änderung vornehmen müssen. Das Angebot muss natürlich dort bereitgestellt werden, wo eine entsprechende Nachfrage existiert.

Lassen Sie mich etwas zu den Streckenstilllegungen sagen. Ich möchte darauf hinweisen, dass in keinem Bundesland so wenige Strecken in den letzten 20 bis 30 Jahren stillgelegt worden sind wie in Bayern, was der hartnäckigen Haltung der Bayerischen Staatsregierung zu verdanken ist. In den Ländern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und anderen werden die Streckenstilllegungen heute beklagt. Dort hat man sich vielleicht viel zu früh damit zufriedengegeben, dass der Bund seine Strecken stilllegt. In Bayern existiert nach wie vor ein großes Streckennetz.

Sie haben die Rottalbahn angesprochen. Ich war selbst im Januar auf Anregung von Herrn Kollege Dr. Kempfler vor Ort. Wir haben hierzu auch die Kommunen und die Bayerische Eisenbahngesellschaft eingeladen. Die betreffenden Strecken sind uralt. Wir müssen heute noch den Hut vor unseren Urgroßvätern und Urgroßmüttern ziehen, denn 90% der Eisenbahnstrecken, auf denen wir heute fahren, sind vor 130 bis 140 Jahren gebaut worden. Seit dieser Zeit hat sich bei den Strecken relativ wenig getan. Das zeigt, wie weitblickend unsere Ahnen waren, als es um Verkehrsinvestitionen ging. Wenn Sie heute sagen, wer benötigten keinen ICE, dann ist diese Position rückwärts gewandt.

(Freiherr von Rotenhan (CSU): Sehr richtig!)

Das ist eine Investition in die Zukunft, eine Investition für die nächsten Jahrzehnte. Nach Aussagen von Verkehrswissenschaftlern werden in den nächsten 15 Jahren die

Verkehrsleistungen auf der Straße in Deutschland nochmals um mindestens 33% ansteigen, die Güterverkehrsleistung um mindestens 66%. Dies zeigt, dass wir gut daran tun, alles daran zu setzen, möglichst viel von diesem Zuwachs auf die Schiene zu bringen. Dafür brauchen wir leistungsfähige Fernverkehrsnetze und leistungsfähige Nahverkehrssysteme. Nicht ein entweder oder, sondern ein sowohl als auch ist angebracht.

(Beifall bei der CSU)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Kellner?

Ja.

Frau Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) : Herr Staatssekretär, beabsichtigen Sie, Niederbayern zum Eisenbahnmuseum zu machen?

Staatssekretär Spitzner (Wirtschaftsministerium) : Nein, wir nicht. Frau Kollegin Kellner, stellen Sie sich einmal vor, Sie würden heute ihren Geburtstag feiern und wir wären noch auf Bundesebene an der Regierung.

(Maget (SPD): Schlimm. Und Kohl wäre noch an der Regierung!)

Stellen Sie sich einmal vor, wir würden uns erlauben, mit der Eisenbahnergewerkschaft so umzugehen wie es die rot-grüne Bundesregierung getan hat. Das ist doch ein Skandal.

(Beifall bei der CSU)

Sie haben den Satz bestätigt, welcher lautet: „Selten wird so viel gelogen wie vor einer Wahl, nach einer Treibjagd und einer Beerdigung.“ Das ist ein Satz von Bismarck.

(Maget (SPD): Meinen Sie das ernst?)

Sie haben große Erwartungen hervorgerufen. Ich gebe zu, meine Damen und Herren, auch wir haben –

(Maget (SPD): Gelogen!)

die alte Bundesregierung kritisiert. Herr Ludewig und Herr Staatsminister Dr. Wiesheu haben sich mehr als einmal gestritten. Wir haben immer argumentiert, dass wir mehr Mittel für die Bahn benötigten. Wir haben einiges von Ihnen erhofft. Jetzt erleben wir, dass durch die rot-grüne Eisenbahnpolitik die Sechsphasentheorie bestätigt wird: erstens Begeisterung, zweitens Ernüchterung, drittens Verwirrung, viertens Suche nach Schuldigen, fünftens Bestrafung der Nichtschuldigen und jetzt Auszeichnung der Nichtbeteiligten.

(Beifall bei der CSU)

Das ist genau das, was Sie uns vorspielen. Dieses Spiel machen wir nicht mit. Das ist keine Polemik. Ohne Zweifel brauchen wir gemeinsame Aktionen.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich weiß, dass Sie das nicht hören wollen. Sie gebrauchen permanent das Wort von der Erblast. Wenn man Ihnen die Vergangenheit vorhält, dann sagen Sie, Sie wollten in die Zukunft schauen und nichts mehr von der Vergangenheit hören. Dieses Spiel können Sie woanders treiben, aber nicht bei uns.

(Beifall bei der CSU)

Wir müssen aufrichtig bleiben. Es gelten klare grundgesetzliche Bestimmungen. Der Bund ist für den Fernverkehr und den Güterverkehr zuständig, für den Schienenpersonennahverkehr sind wir zuständig. Die Infrastruktur fällt bis heute in den Bereich des Bundes. Ich geben Ihnen Recht, dass wir mit der Finanzierung der Investitionen im Bereich des Nahverkehrs nicht zufrieden sein können. Die Darlehensfinanzierung kann nicht funktionieren, weil sie strukturell falsch ist. Darin sind wir uns einig. Wir benötigten dringend für den Güterverkehr, den Fernverkehr und auch den Nahverkehr zwischen Freilassing und Salzburg ein neues drittes Gleis. Die Strecke von 1,2 Kilometer kostet 22 Millionen DM.

Wenn das jetzt also nur über eine Darlehensfinanzierung gehen sollte, müssten wir bei jetzt 33 Zugverbindungen im Nahverkehr künftig sage und schreibe täglich 200 Nahverkehrsverbindungen haben, damit die Sache rentabel wird. Da kann etwas nicht stimmen. Deshalb muss es unsere Aufgabe sein, dies zu knacken.

Ich sage ganz klar, wir brauchen beim Nahverkehr wieder Investitionen in die Strecke. Das muss kommen.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir brauchen kein Entweder-Oder, sondern ein SowohlAls-Auch, und das muss möglich sein.

Ich könnte jetzt zitieren, was die Verkehrsminister auf der Verkehrsministerkonferenz von vor einigen Monaten – der Kollege Regensburger war mit anwesend – zu diesem Thema gesagt haben. Die könnten das viel besser darstellen als ich. Ich sage das ganz klar. Sie haben noch viel deutlicher Herrn Klimmt und auch die Vertreter der Bahn zur Brust genommen. Ich glaube, dass die Verkehrsminister in Deutschland mittlerweile sehr wohl kapiert haben, worum es geht. Und dann muss man auch den Mut haben, meine Damen und Herren, die Dinge offen anzusprechen.

Ich sage es nochmals: Es muss jetzt die Einsicht in Berlin kommen, dass die großen Herausforderungen des Verkehrs entsprechende Investitionen bedingen.

Ich könnte noch deutlicher reden, Frau Kellner. Da ist die schöne Forderung mit der Steuerfreiheit. Volle Zustimmung. Denn es ist ja ein Blödsinn, wenn Sie die ÖkoSteuer einführen und gleichzeitig diejenigen mit dieser Steuer bestrafen, die sich noch öko-freundlich verhalten. Das ist das Dümmste, was es überhaupt gibt.

(Beifall bei der CSU)

Wissen Sie, ich wäre viel versöhnlicher, wenn Sie nicht hergegangen wären, entgegen Ihrer großen Ankündigung die Mittel für das Bestandsnetz um 2 Milliarden DM zu kürzen und die Ausbaumittel um fast 50%; das ist der Skandal, das ist die Volksverdummung.

(Beifall bei der CSU)

Solange Sie nicht bereit sind, den Status quo, den wir seinerzeit in der alten Bundesregierung gehabt haben, zu halten, brauchen wir über dieses Thema nicht zu diskutieren.

(Lebhafter Beifall bei der CSU)

Nächster Redner ist Herr Kollege Schläger.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es sind hier ein paar Sachen angesprochen worden, die man so nicht stehen lassen kann. Herr Staatssekretär Spitzner, Sie fragen, ob es sinnvoll sei, hier noch mehr zu verdichten. Fragen Sie doch die Bevölkerung, die jeden Tag Zug fährt und nie einen Sitzplatz bekommt. Es gibt Nahverkehrszüge in unserem Lande, in denen der Schaffner nicht mehr durchgehen kann, weil die Leute in den Gängen dicht an dicht stehen und liegen. Auf solchen Strecken könnte man durchaus verdichten. Das ist das Eine.

Zum Anderen sagen Sie, Sie hätten viel erreicht. Ich kann nur wiederholen: Sie ruhen sich auf Ihren Lorbeeren der Vergangenheit aus, weil Sie diese offensichtlich an der falschen Stelle tragen.

Und jetzt noch eine Sache. Sie haben es schon etwas relativiert, aber Kollege Dinglreiter hat behauptet, in Bayern sei überhaupt nichts stillgelegt worden. Ich kann Ihnen Landkreise sagen, in denen drei oder vier Strecken stillgelegt worden sind.

(Zurufe von der CSU: Wo ist stillgelegt worden?)

Im Landkreis Wunsiedel drei Strecken, im Landkreis Tirschenreuth zwei Strecken und im Landkreis Hof drei Strecken. Schauen Sie sich doch Ihr Land einmal an. Aber für Sie ist Bayern nur Oberbayern und München.

(Beifall bei der SPD)

Ein Letztes. Man müsste das Ganze halt auch ein bisschen besser vermarkten. Da hat der Herr Staatsminister aus Bayern einmal probiert, bei der Bahn Etwas zu vermarkten, und das war dann ein ganz großer Flop. Warum? Weil es so dilettantisch aufgezogen worden ist, dass jeder Gymnasiast, der ein bisschen was von Werbung versteht, es besser gemacht hätte. Hier ist also ein weites Feld. Ich kann bloß sagen, bitte unterstützen Sie unseren Antrag; denn dieser Antrag geht in die richtige Richtung.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Dringlichkeitsanträge wieder getrennt. Wer dem Antrag auf Drucksache 14/3383 – das ist der Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion – seine Stimme geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CSU-Fraktion und Herr Kollege Hartenstein. Die Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Stimmenthaltungen? – Zwei Stimmenthaltungen aus der Fraktion der GRÜNEN. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 14/3388 – das ist der Antrag der Fraktion der SPD – seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die SPD-Fraktion und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie Herr Abgeordneter Hartenstein. Die Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Ich sehe keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 14/3397 – das ist der Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – seine Zustimmung geben will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie der Kollege Hartenstein. Die Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Das ist die CSU-Fraktion. Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.