Protocol of the Session on March 22, 2000

Zusatzfrage: Herr Dr. Scholz.

Herr Staatsminister, lässt sich anhand des vorliegenden Haushalts 2000 ausmachen, welche Haushaltstitel mit welchen Beträgen für die Kofinanzierung zur Verfügung stehen?

Herr Minister.

Ich würde dieses Thema nicht theoretisch behandeln, sondern praktisch angehen, und zwar in der Weise, dass man sagt, welche Projekte man durchführen will, ob die Projekte nach dem Ziel-2-Programm mitfinanziert werden können, ob der Anteil der Kommune, wenn sie eine Mitverantwortung hat, durch den Staat bezuschussungsfähig ist oder ob es sich in manchen Fällen sogar um ein staatliches Vorhaben handelt, das in einer Kommune realisiert wird. Danach wird sich das richten. Deswegen kommt es, wie gesagt, auf den Inhalt des Projektes an und nicht auf theoretische Erörterungen über einzelne Haushaltstitel.

Letzte Zusatzfrage: Herr Dr. Scholz.

Herr Staatsminister, kann man davon ausgehen, dass die europäischen Mittel, die möglicherweise fließen werden, nicht an einer Kofinanzierung scheitern werden, dass wir also nicht Gefahr laufen, das nicht ausnutzen zu können?

Herr Minister.

Das hoffe ich.

Die nächste Frage stellt Frau Kollegin Kellner.

Herr Staatsminister, welche Trassennutzungsgebühren wurden seit 1994 von der BEG an die DB Netz AG für die Wald- und für die Rottalbahn geleistet und in welcher Höhe sind Investitionen von der DB Netz AG in diese Trassen getätigt worden?

Herr Minister.

Die Bayerische Eisenbahngesellschaft selbst leistet keinerlei Zahlungen an die DB Netz AG. Die Trasseneinnahmen erhält die DB Netz AG von den Eisenbahnverkehrsunternehmen, etwa von der DB Regio AG, von der Fernverkehr AG oder von der Cargo, also von den Gesellschaften, welche die Strecke nutzen.

Die Staatsregierung bestellt und finanziert durch die BEG im Rahmen des Verkehrsdurchführungsvertrages für den Freistaat Bayern den Schienenpersonennahverkehr. Die von der BEG im Verkehrsdurchführungsvertrag mit der DB Regio AG vereinbarten Zahlungen sind nicht nach einzelnen Strecken aufgeschlüsselt. Nach einer groben Schätzung, die der Wirklichkeit sehr nahe kommt, umfasst auf der Waldbahn die Bestellung jährlich rund 1,3 Millionen Zugkilometer und auf der Rottalbahn rund 0,8 Millionen Zugkilometer pro Jahr. Aus diesen Bestellungen erhält die DB Netz AG nach einer überschlägigen Rechnung von der DB Region mittelbar Trasseneinnahmen in Höhe von etwa 14,7 Millionen DM pro Jahr.

Seit ihrer Gründung hat die BEG vom Fahrplan 1995/1996 bis einschließlich zum Fahrplan 1999/2000 auf der Waldbahn 5,9 Millionen Zugkilometer und auf der Rottal-bahn 3,6 Millionen Zugkilometer gestellt. Aus diesen Bestellungen hat die DB Netz AG nach einer überschlägigen Rechnung von der DB Regio mittelbar Trasseneinnahmen in Höhe von etwa 41 Millionen DM auf der Waldbahn und von etwa 25 Millionen DM auf der Rottalbahn erhalten. Nach Auskunft der DB Netz AG hat diese in den Jahren 1998 bis 1999 in die Waldbahn 0,8 Millionen DM und in die Rottalbahn 1,1 Millionen DM investiert. Darin sind weder die Kosten der Instandhaltung noch die Kosten des Netzbetriebs enthalten. Der gesamte Netzaufwand geht also aus diesen Zahlen nicht hervor.

Die Staatsregierung ist für die Bestellung und Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs verantwortlich. Bei der Bahnreform wurde hingegen in Artikel 87 e Absatz 4 des Grundgesetzes festgeschrieben, dass die Verantwortung für die Schieneninfrastruktur den Bund trifft. Dies gilt unabhängig davon, ob die Infrastruktur dem Schienenpersonennahverkehr, dem Fernverkehr oder dem Güterverkehr dient. Die neue Bundesregierung hat bedauerlicherweise die für den Bau, den Ausbau und den Unterhalt des Schienennetzes zur Verfügung stehenden Mittel gekürzt, weshalb der Erhalt der Strecken in der erforderlichen Qualität nicht gewährleistet ist. Die Bestandsnetzmittel waren im Fünfjahresplan für die Jahre 1998 bis 2002 noch mit 15,2 Milliarden DM vorgesehen und wurden im Investitionsprogramm für die Jahre 1999 bis 2002 auf 13,2 Milliarden DM gekürzt. Die Investitionen für Neu- und Ausbaumaßnahmen im gesamten Bundesgebiet gingen von 26,7 Milliarden DM auf 13,6 Milliarden DM zurück.

Eine Zusatzfrage: Frau Kollegin Kellner.

Herr Staatsminister, beabsichtigen Sie angesichts der Umstrukturierungspläne der Bahn für den Nahverkehr, für alle einzelnen Strecken in Bayern in der von mir gefragten Art genaues Datenmaterial aufzubereiten?

Wir beabsichtigen erstens, Datenmaterial aufzubereiten und können dies auch, weil wir die Leistungen der Zugkilometer haben. Zweitens haben wir bei unserer Bestellleistung nicht die Möglichkeit, die Ausgleichsleistungen, die die DB Regio AG an die DB Netz AG zahlt, und deren Verwendung weiter zu kontrollieren. Ich habe auch keinen Überblick darüber, was an Unterhalts- und Wartungskosten für die einzelnen Strecken ausgegeben wird. Deshalb tun wir uns da etwas härter. Drittens enthebt das Ganze den Bund nicht von seiner Verantwortung für das Netz im Nah- wie im Fernverkehr.

Eine weitere Zusatzfrage: Frau Kollegin Kellner.

Herr Staatsminister, stimmen Sie mir zu, dass wir uns in Bayern Gedanken darüber machen müssen, wie der Nebenbahnverkehr in Zukunft zu organisieren ist und dass Sie dann jenseits der Verantwortlichkeiten für die einzelnen Bereiche den Abgeordneten des Landtags Datenmaterial vorlegen müssen? Wann können Sie das Datenmaterial vorlegen?

Herr Minister.

Ich stimme Ihnen insoweit zu, als wir uns natürlich darüber Gedanken machen müssen, wie in Zukunft auf den regionalen Strecken der Bahnverkehr gewährleistet werden kann. Allerdings wird das nicht in der derzeit diskutierten Art und Weise gehen. Wir haben von der Bahn AG noch keinerlei Unterlagen und konkreten Vorschläge erhalten. Das wird nicht in der Weise gehen, dass man Bahnstrecken ausgliedert, zu nicht bundeseigenen Eisenbahnstrecken macht und sie praktisch der Infrastrukturverantwortung des Bundes entzieht. Auch wüsste ich nicht, wer dies bezahlen soll.

Wir können mit den vorhandenen Regionalisierungsmitteln die Leistungen für den Nahverkehr bestellen, aber nicht Investitionen in das Schienennetz tätigen; auch die Kommunen werden dies nicht tun; dies ist der Knackpunkt. Dass die Bahn entsprechende Vorstellungen hat, ist verständlich. Wenig verständlich ist aber, dass der Bund die Leistungen kürzt. Es ist für mich unumstritten, dass man auf diese Weise die Verantwortung für die Schieneninfrastruktur im Schienenpersonennahverkehr nicht aus der Bundesverantwortung nehmen kann. Ich bin gespannt, welche Themen in diesem Zusammenhang auf der Verkehrsministerkonferenz am Montag in einer Woche angesprochen werden.

Die letzte Zusatzfrage: Frau Kollegin Kellner.

Herr Staatsminister, ist es für den Freistaat Bayern möglich, über jede einzelne Nebenbahnstrecke Zahlenmaterial darüber zu erhalten, wie viel für die Trasse genau bezahlt worden ist, wie viel reinvestiert, neu investiert und wie viel an regulären Unterhaltsleistungen erbracht worden ist?

Herr Minister.

Wir können die Zahlen nach Strecken einer Region aufschlüsseln – ob es immer nach exakt einzelnen Strecken geht, weiß ich nicht – und pauschal angeben, wie viel für die Schieneninfrastruktur an Ausgleichsleistungen gezahlt worden ist. Zweitens haben wir die Zahlen für die Investitionen, aber nicht für den Unterhalt und für den Service auf der Strecke. Ob wir die Zahlen von der Bahn bekommen, kann ich heute nicht sagen.

Die Redezeit ist abgelaufen. Die Fragestunde ist damit beendet.

Ich rufe nun die zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Paulig, Kellner, Scharfenberg und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einwendungen gegen das Atomkraftwerk Temelin (Drucksache 14/3196)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Kollegin Kellner. Nach der allgemeinen Regelung beträgt die einzelne Redezeit 15 Minuten.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Das Atomkraftwerk Temelin und weitere osteuropäische Atomkraftwerke waren und sind seit Beginn der Neunzigerjahre häufig Thema im Bayerischen Landtag. Insbesondere mit dem Atomkraftwerk Temelin hat sich der Bayerische Landtag in mehreren Anträgen beschäftigt. Die Bürgerinnen und Bürger Ostbayerns sollen, wenn dieses Atomkraftwerk in Betrieb genommen wird, Versuchskaninchen eines OstWest-Reaktormixes werden.

Die beim Bau dieses Atomkraftwerkes nach wie vor auftretenden Schwierigkeiten sind Legion. Dies können Sie daran ablesen, dass eigentlich geplant war, das Atomkraftwerk 1996 fertig zu stellen. Aufgrund der von mir bereits angesprochenen Schwierigkeiten musste die Bauzeit – Gott sei Dank – ständig verlängert werden; und so besteht immer noch die Hoffnung, dass dieser Reaktor nicht in Betrieb geht. Bezeichnend ist auch, dass die Baugesellschaften ständig wechseln. Interessant ist, dass am Anfang, als sich auch noch Siemens in Konkurrenz zu Westinghouse um den Auftrag bemühte, kein Widerstand der CSU festzustellen war.

Erst als Westinghouse den Auftrag erhielt, sind zumindest die Kollegen und Kolleginnen der CSU in Ostbayern

auch auf die Barrikaden gegangen und haben verlangt, dass die Sicherheitsstandards verbessert und eine Bürgerbeteiligung durchgeführt werden sollen. An dem Atomkraftwerk selbst hatten sie soweit keine Zweifel.

Die GRÜNEN hatten eine ganz andere Meinung. Wir sagten, wir sollten versuchen Tschechien anzubieten, beim Aufbau von umweltfreundlicher und dezentraler Energieversorgung zu helfen und es dazu zu bewegen, auf das AKW zu verzichten. Wir sehen heute, Kolleginnen und Kollegen, nachdem Westinghouse in British Nuclear Fuels Ltd. – BNFL – aufgegangen ist, dass die BNFL den Reaktor zu Ende baut. Das ist die Firma, die erst kürzlich wieder Schlagzeilen machte, weil sie Sicherheitsunterlagen für Brennstäbe gefälscht hatte. Ausgerechnet dieser Firma wollen Sie glauben, dass sie einen sicheren Reaktor herstellt.

Dass es mit der Atomwirtschaft zu Ende geht, sehen Sie daran, dass es mittlerweile nur noch zwei Firmen gibt, nämlich BNFL und Framatom.

Zum Gefährdungspotenzial dieses AKWs gibt es x Studien. Ich zitiere aus einer Studie von 1997, die von einem tschechischen Institut gemacht wurde:

Die Anlage in Temelin entspricht weder dem Stand der Wissenschaft und Technik, was im Falle des Containments als letzte und im Wesentlichen einzige Barriere gegen Freisetzung von Radioaktivität eine alarmierende Feststellung darstellt, noch werden vom Bauherrn des Kernkraftwerkes alle Sicherheitsempfehlungen der internationalen Atomenergiebehörde umgesetzt.

Dies zum Sicherheitsstandard.

Es gab unterschiedliche Einschätzungen. Kollege Kobler – er kommt aus dem Grenzgebiet – sah den Reaktor als hoch gefährlichen Schrottreaktor an. Der damalige bayerische Umweltminister Dr. Goppel sagte, manches sei Hysterie, wenn man einerseits ein ähnliches Kraftwerk in Landshut stehen habe und andererseits jeden Tag das CO2 aus der Luft bringen müsse. Sie sehen, der damalige Umweltminister ließ sich von den Energiekonzernen leicht mit ihren Hochglanzbroschüren einwickeln.

Nun ist es soweit. Der Bau des Kraftwerks geht in die letzte Phase. Dank der „südböhmischen Mütter gegen Atomkraft“ konnte erreicht werden, dass wir im Rahmen eines UVP-Verfahrens Einwendungen erheben können. Die Einwendungsfrist läuft gemäß dem tschechischen UVP-Gesetz noch bis zum 31.03.2000. Tschechien ist zwar dem internationalen Abkommen nicht beigetreten, sagte aber zu, dass die bundesdeutschen Bürgerinnen und Bürger Einwendungen erheben könnten.

Nun kommen wir zur Rolle des bayerischen Umweltministers. Neulich las ich in der Zeitung, dass demnächst in den Landratsämtern eine 70-seitige Broschüre ausgelegt werde, in die sich die Bürgerinnen und Bürger der Landkreise Passau, Freyung-Grafenau und der Regierungsbezirke Oberpfalz und Oberfranken eintragen könnten. Ich dachte, dass nun etwas passiere. Was ist passiert? – Die Einwendungsfrist ist am 31.03.2000 zu

Ende, aber es liegt immer noch nichts aus. Was wird ausgelegt? – Ich habe die Broschüre noch nicht zu Gesicht bekommen. Mir wurde aber berichtet, es handle sich um eine Hochglanzbroschüre des tschechischen Energieversorgers CEZ.

Der Atomkraftbauer legt also diese Broschüre aus, in der wir uns über die Sicherheitsstandards informieren sollen. Das ist so, als würden die Bayernwerke über Isar I und Isar II über den Sicherheitsstandard informieren und wir sollten das glauben. So, Herr Staatsminister, geht es nicht. Wir sind der Meinung, dass wir beschließen sollten, die Bayerische Staatsregierung solle offiziell bei der tschechischen Regierung Einwendungen im Rahmen des laufenden UVP-Verfahrens erheben; die bayerischen Bürgerinnen und Bürger sollten über die Gefahren des Atomkraftwerks Temelin aufgeklärt und auf die Möglichkeiten der Einwendungen im Rahmen des UVP-Verfahrens aufmerksam gemacht werden.

Wir fordern Sie auf, bei der tschechischen Regierung vorstellig zu werden, um die Durchführung einer öffentlichen Erörterung der Einwendungen zu erwirken, und darauf hinzuwirken, dass auch für die anderen Gebäude des Atomkraftwerks ein UVP-Verfahren durchgeführt wird. Als ganz besonders wichtig erachten wir, dass Sie der tschechischen Regierung ein Angebot unterbreiten und unsere Mithilfe beim Ausbau einer umweltfreundlichen dezentralen Energieversorgung ankündigen. Sie müssen die Gutachten kennen, die die Eximbank angefertigt hat. Zum Beispiel wird darin aufgezeigt, welch riesiges Energiesparpotenzial es gibt.

Ich möchte eine Zahl in den Raum stellen: Tschechien exportiert Strom. In den vergangenen Jahren waren es 1 bis 1,5 Milliarden Kilowattstunden. Ich habe gehört, dass mittlerweile der Export auf 6 Milliarden Kilowattstunden ausgeweitet worden sei. Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, das Atomkraftwerk wird nicht einmal gebraucht. Trotzdem wird ein riesiges Risiko eingegangen, und es wird Atommüll produziert, für den auch Tschechien keine Entsorgungsmöglichkeiten hat.

Ich habe mich, Herr Staatsminister, weil ich annehme, dass sie sagen werden, ich solle mich an die Bundesregierung wenden, an die Bundesregierung gewandt und dem Bundesumweltminister einen Brief geschrieben mit der Bitte, dass die Bundesregierung offiziell Einwendungen gemäß dem UVP-Gesetz erheben solle. Ich kenne die vielen Anträge der CSU-Fraktion, die im Laufe der Jahre gestellt wurden, und die da hießen, dass die Staatsregierung gebeten werde, sich für Einwendungen bayerischer Bürgerinnen und Bürger einzusetzen. Dass Sie uns heute die 70-seitige Glanzbroschüre, die noch dazu erst bei Ende des offiziellen Einwendungstermins aufgelegt wird, als Bürgerbeteiligung verkaufen und als Ihren Einsatz auftischen wollen, ist unzureichend, und Sie sind damit den Landtagsbeschlüssen der Vergangenheit nicht nachgekommen. Ich fordere Sie deshalb auf, hier und heute anzukündigen, dass Sie offiziell als Bayerische Staatsregierung Einwendungen erheben werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächste Rednerin hat Frau Kollegin Biedefeld das Wort.