Protocol of the Session on March 21, 2000

(Zuruf des Abgeordneten Herbert Müller (SPD))

Keine Wortmeldung. Dann schließe ich die Aussprache. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Hochschule, Forschung und Kultur zu überweisen. Besteht Einverständnis damit? – Widerspruch erhebt sich nicht. Dann ist so beschlossen.

Ich rufe nun auf:

Tagesordnungspunkt 4 b

Gesetzentwurf der Abgeordneten Paulig, Kellner, Elisabeth Köhler und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bayerisches Gesetz über den Landesausländerbeirat (Drucksache 14/3058)

Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird von den GRÜNEN begründet. Die Redezeit beträgt zehn Minuten. Die erste Wortmeldung kommt von Frau Kollegin Köhler. Bitte, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte an Folgendes erinnern: Die Bayerische Staatsregierung hat in ihrem Bericht zur Situation der ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in Bayern ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Mitwirkung in einem Ausländerbeirat ein wichtiges Merkmal gelungener Integration darstelle. Des weiteren empfiehlt die Staatsregierung in ihrem Bericht den nicht deutschen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, sich in den kommunalen Ausländerbeiräten zu engagieren.

Auf Landesebene verweigert die CSU den Ausländerbeiräten aber seit Jahren die institutionelle, die ideelle und die materielle Anerkennung. Der Zusammenschluss der kommunalen Ausländerbeiräte auf Landesebene, genannt AGABY bemüht sich seit etlichen Jahren vergeblich darum, mit der CSU überhaupt ins Gespräch zu kommen, ganz zu schweigen davon, von der CSU oder der Staatsregierung auch nur irgendwie als Ansprechpartner für Integrationsfragen wahrgenommen zu werden.

Wie will man – so frage ich mich – in der Integrationsdebatte auch nur einen Millimeter weiterkommen, wenn man sich weigert, mit der Interessenvertretung der ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zusammenzuarbeiten oder überhaupt nur Gespräche zu führen?

(Zustimmung bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir halten es für unabdingbar, dass der seit Jahren auf Landesebene bestehende Zusammenschluss der Ausländerbeiräte endlich von der Staatsregierung institutionell, ideell und materiell anerkannt wird, wie es in allen anderen Bundesländern seit Jahren der Fall ist. Selbst in den neuen Bundesländern werden entsprechende Zu

sammenschlüsse auf Landesebene von den jeweiligen Landesregierungen anerkannt und gefördert. Bayern ist diesbezüglich ein wahres Schlusslicht.

Wie die Diskussion um die „Green Card“ zeigt, werden wir in den nächsten Jahren weitere Arbeitsmigrantinnen und -migranten bekommen – ob die CSU dies heute nun wahrhaben will oder nicht. So werden die Ausländerbeiräte mit Sicherheit an Bedeutung gewinnen.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Bei unserem Entwurf für ein Landesausländerbeiratsgesetz haben wir uns an dem einschlägigen hessischen Gesetz orientiert. Dieses wurde noch in der Zeit der dortigen rot-grünen Regierung verabschiedet, nämlich am 03.11.1998. Aber anscheinend hat sich dieses Gesetz bewährt. Denn die neue schwarzgelbe Landtagsmehrheit in Hessen hat bisher nichts gegen dieses Gesetz unternommen.

Nun war in den letzten Monaten vor allem von der Münchner CSU zu vernehmen, dass sie den Ausländerbeirat auf kommunaler Ebene abschaffen wolle, sozusagen – das ist jetzt meine Interpretation – als Bestrafungsaktion im Gegenzug zu den Verbesserungen, die die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts den ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern gebracht hat. Aus meiner Sicht und aus Sicht vieler Ausländerbeiräte ist nichts gegen eine Reformdiskussion einzuwenden. Aber die Aussage, Ausländerbeiräte würden künftig gänzlich überflüssig sein, ist pure Polemik und zeigt, wie wenig ernst Sie die Fragen der Integration in diesem Lande nehmen, meine Damen und Herren von der CSU.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Käme den Ausländerbeiräten auch nur ein Bruchteil dessen an Unterstützung zu, was zum Beispiel die Verbände der Heimatvertriebenen erhalten, wären wir in Sachen Integration in diesem Land wesentlich weiter.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Zu Wort hat sich Herr Kollege Dr. Hahnzog gemeldet.

(Zurufe von der SPD)

Die CSU zuerst? Dann erteile ich Herrn Kollegen Rubenbauer das Wort.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man so hört, was Frau Kollegin Köhler zur Begründung des vorliegenden Gesetzentwurfs der GRÜNEN vorbringt, könnte man den Eindruck gewinnen, hier in Bayern müssten wir das Rad der Ausländerintegration erst in Schwung bringen.

(Frau Münzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie müssen es erst erfinden!)

Frau Kollegin Köhler, mir scheint, Sie wollen den Lebensalltag nicht so recht zur Kenntnis nehmen. Sie haben den angesprochenen Bericht zwar möglicherweise gelesen, interpretieren ihn aber sicherlich falsch.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der vorliegende Gesetzentwurf zielt auf die Einrichtung eines Landesausländerbeirats ab. Dieser soll vom Landtag und von der Staatsregierung über alle relevanten Angelegenheiten unterrichtet werden. Mehr noch: Ihm soll auch ein Anhörungsrecht eingeräumt werden. Zusätzlich fordern die GRÜNEN eine ausreichende Mittelausstattung zur Abdeckung der Personal- und der Sachkosten einer eigenen Geschäftsstelle, ohne dies jedoch ausreichend zu quantifizieren. Im Gegenteil: Sie meinen sogar, die Höhe der Personalkostenzuschüsse hänge letztlich davon ab, wie viele Mitarbeiter in der Geschäftsstelle beschäftigt würden. Wenn man dies überspitzt auslegte, könnte man feststellen: Der Landesausländerbeirat legt letztlich die Höhe des eigenen Haushaltstitels selbst fest.

Die Intention des Gesetzentwurfs war bereits Gegenstand zahlreicher Petitionen, mit denen sich der Landtag 1999 befasst hat. Diese Eingaben wurden damals aufgrund der Stellungnahme der Staatsregierung für erledigt erklärt. Wesentlicher Grund dafür war die Tatsache, dass Ausländerbeiräte nur örtliche Beratungsgremien sind, deren Befugnisse auch nicht durch einen Zusammenschluss auf Landesebene ausgeweitet werden können.

(Frau Elisabeth Köhler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Warum machen es dann alle anderen Bundesländer?)

Außerdem wurde keine Notwendigkeit für eine offizielle Anerkennung und eine entsprechende finanzielle Förderung gesehen.

Der Gesetzentwurf der GRÜNEN negiert beispielsweise auch, dass im Sozialministerium mittlerweile eine eigene Organisationseinheit mit der ressortübergreifenden Koordinierung der Ausländerintegration betraut ist und dass das Sozialministerium immer wieder als Ansprechpartner für die Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte, aber auch für die einzelnen Ausländerbeiräte vor Ort zur Verfügung steht.

Integrationspolitik kann nicht Vertretung von Partikularinteressen von Ausländern bedeuten. Vielmehr ist entscheidend, dass das gesamtgesellschaftliche Spektrum der Integrationspolitik gesehen wird. Integration muss vor Ort stattfinden. Zu glauben, die Einrichtung eines Landesausländerbeirats sei entscheidend dafür, ob sich Ausländer zum Beispiel in Nürnberg, in München, in Augsburg, Erlangen oder Bayreuth wohl fühlen, halte ich für ziemlich lebensfremd. Mehr praktische Schritte vor Ort sind allemal besser als irgendwelche neuen Funktionärsposten. Meine Damen und Herren, menschlich wird eine Gesellschaft nur dann, wenn sie nicht in religiös, ethnisch oder national rivalisierende Gruppen mit ihren Sonderinteressen zerfällt.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Gerade eine offene und plurale Gesellschaft muss verhindern, dass sich Gettos bilden. Sie muss darauf achten, dass gesellschaftliche Integration für Ausländer angeboten, aber von Ausländern auch angenommen wird. Eine Vielzahl von Institutionen hilft nicht, es geht um das konkrete Zusammenleben von Menschen.

(Frau Elisabeth Köhler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Gerade darum geht es!)

Hierüber, wie über alle Facetten dieses Gesetzentwurfs werden wir uns in den Ausschüssen ausführlich unterhalten können.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Hahnzog.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Rubenbauer, wenn Sie den 308 Seiten langen Bericht der Staatsregierung zur Integration der Ausländer gelesen haben, dann verstehe ich Ihre jetzigen Ausführungen überhaupt nicht. In diesem Bericht wird das hohe Lied auf die Ausländerbeiräte gesungen. Hier aber belassen Sie es beim Symbolischen. Das ist keine praktische Integrationspolitik, sondern Sie machen schöne Sonntagsreden, und wenn es darauf ankommt, sind Sie wieder verbohrt, wie es schlimmer nicht geht.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist ganz seltsam, Sie sagen: „Die sind nur für ihre örtlichen Angelegenheiten zuständig.“ Die örtliche Betroffenheit zeigt aber oft eine große Übereinstimmung hinsichtlich der einzelnen Probleme. Lesen Sie doch einmal durch, welche Beschlüsse die Ausländerbeiräte machen, die darin münden, Wünsche an die staatliche, an die freistaatliche Ebene weiterzugeben. Es ist doch ganz klar, dass die Probleme nicht nur mit den einzelnen Orten zusammenhängen.

Wir sind Ihre ablehnende Haltung eigentlich gewohnt. Wir hätten aber nicht geglaubt, dass sich diese Haltung fortsetzt, nachdem jetzt dieser Bericht vorliegt. Das ist schon enttäuschend und zeigt die Doppelzüngigkeit Ihrer Politik.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Ich sehe keine Gegenstimmen. Dann ist das so beschlossen.

Zur gemeinsamen Beratung rufe ich auf:

Tagesordnungspunkt 4 c

Gesetzentwurf der Abgeordneten Renate Schmidt, Dr. Ritzer, Dr. Jung und anderer und Fraktion (SPD)

zur Änderung des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Staatsregierung (Drucksa- che 14/3059)

Erste Lesung –