Ansonsten möchte ich noch darauf hinweisen, dass die Befragungen der Bürgerinnen und Bürger durch die Medien in den letzten Tagen – ich verweise auf die „Süddeutsche Zeitung“ von gestern – ergeben haben, dass viele Leute hingegangen sind, ohne genau zu wissen, welchen Inhalt das Volksbegehren hat.
Meine Damen und Herren, wenn in der Öffentlichkeit geworben wird in dem Stil, dass man den „Großkopferten“ und der CSU ans Zeug flicken muss, und damit die Zukunft unserer Kinder beeinflusst wird, dann ist das nicht in Ordnung.
Wenn jemand hingeht, sich einträgt und unterschreibt, dann erwarte ich, dass er weiß, für was er sich einträgt, denn die Folgen sind nicht reversibel. Ich betone, wir haben zum allerersten Mal den Fall, dass mit einem Entwurf, der allein von einem Lehrerverband stammt, fast das komplette Bayerische Schulgesetz ausgewechselt werden soll. Das heißt, dass ein rein von Standesinteressen dominierter Entwurf in Zukunft das Bayerische Schulgesetz ersetzen soll.
Das heißt, die gesamte bayerische Schullandschaft – Eltern, Schüler, Schulen, Kommunen usw. – muss in Zukunft nach der Pfeife eines einzigen Lehrerverbandes tanzen und der Landtag und die Staatsregierung haben nicht die Chance, das zu korrigieren.
Verehrte Frau Schmidt, es mag die Meinung der Jusos von München und anderer sein, dass ein solches Schulgesetz richtig ist; andere Organisationen haben eine ganz andere Auffassung. Die künftigen Arbeitgeber der jungen Leute, nämlich das gesamte bayerische Handwerk und alle bayerischen Industrie- und Handelskammern haben sich hinter unsere Bildungsoffensive gestellt und das Volksbegehren eindeutig abgelehnt. Ich bitte, das auch nach außen zu tragen, denn es ist mir für die berufliche Zukunft der Kinder wichtig.
Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal darum bitten, dass sich alle darüber kundig machen, was in diesem Entwurf steht. Für unsere Jugend steht zu viel auf dem Spiel.
Damit auch die Mehrheit in diesem Hause einmal mitbekommt, wie die Meinungsbildung bei SPD und BLLV vonstatten geht, will ich Ihnen jetzt noch schildern, was sich in Schwabach bei einer gemeinsamen Veranstaltung zugetragen hat. SPD und BLLV haben gemeinsam – zur Zeit gibt es sowieso nur noch „Doppelpack-Einladungen“ – Eltern, Schüler und Lehrer zu einer so genannten Informationsveranstaltung in Schwabach eingeladen. Diese ist folgendermaßen abgelaufen: Es sprachen Herr Wenzel, Herr Neumann und Frau Helga Schmitt, die heute nicht hier ist. Dann wurde eine Viertelstunde lang ein Rap-Tanz aufgeführt. Anschließend war eine Viertelstunde lang Pause. Als dann die anwesenden Eltern und Lehrkräfte öffentlich diskutieren wollten, hat es geheißen, eine Diskussion sei nur in den Saalekken mit den einzelnen Referenten möglich. Einem Realschullehrer, der sich aufgeregt hat, dass man nicht einmal seine Meinung sagen könne, wurde bedeutet, man lade doch nicht zu einer eigenen Veranstaltung ein und schaffe dann Gegnern den Rahmen, ihre Meinung zu verbreiten. Wenn das Demokratie ist, dann hört es sich bei mir auf.
So laufen Ihre Veranstaltungen ab. Etliche Leserbriefe dokumentieren das. Meine Ministerin und ich sowie etliche andere hier im Saal stellen uns jeden Abend den Bürgern. Wir versuchen, mit großer Ernsthaftigkeit und Sachlichkeit Rede und Antwort zu stehen. Etliche Personen können bestätigen, dass ich oft bis in die Nacht hinein keiner Frage ausweiche. Ich sage noch einmal deutlich, wir werden uns nicht beirren lassen, im Rahmen der Aufklärung an den Schulen deutlich zu sagen, was wir mit der „Bildungsoffensive Bayern“ wollen und welche Gefahren bestünden, wenn das Volksbegehren zum Zuge käme.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Wir kommen nun zur Abstimmung. Die Fraktion der CSU hat beantragt, über den Dringlichkeitsantrag namentlich abstimmen zu lassen. Für die Stimmabgabe sind die gekennzeichneten Urnen bereitgestellt. Die Ja-Urne steht auf der Oppositionsseite, die Nein-Urne auf der Seite der CSU-Fraktion.
Die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt. Ich gebe es später bekannt.
Ich darf eine Bitte des Stenografischen Dienstes bekannt geben: Die Niederschriften des zweiten Teils der heutigen Sitzung sind nicht mehr bis zum Sitzungsende fertig zu stellen, weshalb sie den Rednern im Plenarsaal auch nicht mehr zugestellt werden können. Aus diesem Grunde bitte ich die Redner, von den am Rednerpult ausliegenden gelben Formularen Gebrauch zu machen, falls sie die Niederschriften an eine Adresse außerhalb des Hauses zur Korrektur übermittelt haben wollen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Diskussion um den Platterhof geht es nicht bloß um irgendein Gebäude irgendwo an der Grenze zu Österreich, sondern um eine offensive Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit.
Der Platterhof auf dem Obersalzberg darf nicht abgerissen werden, weil wir glauben, dass wenigstens ein größeres Gebäude sichtbar daran erinnern muss, welche Rolle der Obersalzberg im Nationalsozialismus gespielt hat. Die nationalsozialistische Vergangenheit lässt sich nicht einfach ausradieren. Es nützt nichts, wenn man Gebäude, die an diese Zeit erinnern, einfach dem Erdboden gleichmacht. Über diesen Teil unserer Geschichte wächst kein Gras. Nur wer sich dieser Geschichte stellt und sich mit ihr offensiv auseinander setzt, wird von ihr nicht eingeholt.
Wie ich gehört habe, stehen vor dem Platterhof schon die Bagger. Die Staatsregierung hat es mit dem Abriss furchtbar eilig. Ein großer Teil der Berchtesgadener Bevölkerung hat in den letzten Wochen erkannt, wie wichtig der Erhalt des Platterhofs ist. Aber man will dort offenbar möglichst vollendete Tatsachen schaffen.
und die Folgen studieren lassen. Wie es dazu kam, dass das deutsche Volk den Versuch, Menschen als unwert auszusortieren und zu eliminieren und die Welt mit Krieg zu überziehen, in seiner überwältigenden Mehrheit keinen Widerstand leistete, sondern sich in großem Umfang daran beteiligte, ist etwas, womit wir uns auseinander setzen müssen, wenn wir es nie wieder so weit kommen lassen wollen. Nur so können wir unser demokratisches Gemeinwesen festigen und ausbauen.
Wir haben allen Grund, uns mit dem grausamen und systematischen Unterfangen auseinander zu setzen, Menschen als unwert auszusortieren. Denn auch heute werden in Europa wieder Menschen ausgegrenzt, ausgesondert und immer wieder auch ausgemerzt, weil sie einer Kategorie angehören, die zuvor konstruiert wurde. Diese Konstruktion einer bestimmten Menschenklasse, die man dann aussondert, erfolgt über viele Jahre, durch viele Reden, durch leichtfertige Reden, verharmlosende Reden, aber auch aggressive Reden, Hetzreden.
Solche Reden dürfen wir nicht dulden. Wir dürfen es nicht dulden, dass Menschen aus der Gesellschaft ausgegrenzt werden, weil sie angeblich zu bestimmten Gruppen gehören. Wir müssen den Hetzern entgegentreten, die gegen bestimmte Gruppen Stimmung machen, seien es nun Moslems, Türken oder sonstige als fremdländisch definierte Gruppen. Wir stellen uns allen Versuchen entgegen, die bayerische Bevölkerung in Menschen erster und zweiter Klasse zu spalten. Wer hier wohnt, soll sich hier zu Hause fühlen können.
Das Aussortieren und Ausgrenzen von Menschen ist die erste und entscheidende Stufe auf dem Weg in eine inhumane Gesellschaft. Das dürfen wir nicht dulden. In der deutschsprachigen Politik spielen gegenwärtig zwei Methoden eine Rolle, die gleichermassen in gefährlicher Weise mit der nationalsozialistischen Vergangenheit hantieren. Zum einen wird mit menschenverachtenden Denk- und Sprachmustern gezündelt. Gegen alles, was als fremdgeartet gilt, bestehen Ressentiments. Das ist der so genannte „Feschismus“ Haiders. Dieser rührt den braunen Bodensatz auf, um im Trüben fischen zu können. Aber die Methode, Sachen zu sagen, die angeblich nie so gemeint waren, wie sie gemeint waren, wird auch bei uns immer gängiger. Es gibt auch noch die Gnade der späten Geburt. Auch diese Art zu sprechen und zu denken breitet sich bei uns immer mehr aus. Immer lauter wird gerufen: „Wir haben damit nichts zu tun. Einmal muss Schluss sein.“ Dort fängt es an.
Am Obersalzberg wurde immer wieder versucht, den „Schandfleck“ loszuwerden, das Stigma „Hitler“ auszuradieren. Schon 1952 wurde der Berghof Hitlers weggesprengt. Damit wurde man das Problem der Wallfahrer, die zu nationalsozialistischen Gedenkstätten fahren, nicht los. Im Gegenteil, damit wurde erst richtig sichtbar, dass die NS-Vergangenheit totgeschwiegen und tabuisiert werden sollte. Damit wurden die Neugierigen angelockt. Mit diesen Wallfahrern wurde ein schwunghafter Handel mit Devotionalien, Erinnerungsstücken und idyllischen Bildbänden betrieben. Irgendwann wurde dies als
imageschädigend empfunden. Deshalb wurden 1995 die noch vorhandenen Reste des Berghofs für viel Geld entfernt. Der Ort hat damit jedoch nicht seine magische Anziehungskraft für Voyeure, Nostalgiker und Neonazis verloren. Der Versuch, die Vergangenheit durch Spurenbeseitigung zu verschweigen, zu verdrängen und auszulöschen, ist, wie die Erfahrung auch an anderen Orten lehrte, zum Scheitern verurteilt.
Der Erfolg der Dokumentationsstätte, die schließlich errichtet wurde, zeigt, gegen eine Mythenbildung hilft nur eine offene und kritische Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit. Die Erfahrungen, die bisher am Obersalzberg gemacht wurden, bestätigen die Beobachtung von Hans-Ernst Mittig über die NS-Architektur: Ein Abriss würde das, was jetzt noch überprüft werden kann, zur NS-Legende machen. Nur Information und ein ehrlicher Umgang mit der Geschichte dieser Orte bieten die Chance, Mythenbildung zu verhindern und dem Spuk der Ewiggestrigen ein Ende zu machen.
Die Tatsache, dass am Obersalzberg mit dem Platterhof ein noch größeres Gebäude steht, an dem diese Geschichte noch lebendig erfahrbar ist, ist ein Glücksfall. Professor Paul Thiersch wies jüngst darauf hin, dass im Untersberg nichts Materielles von Karl dem Großen stamme, sein Geist aber dennoch immer darin hausen werde. Der Obersalzberg und Hitler werden noch lange ein Begriffspaar bleiben. Dem muss und will sich die Gemeinde Berchtesgaden offensiv stellen. Davon könnte auch ein längst fälliges Konzept für den Tourismusraum Berchtesgaden profitieren.
Der Abriss des Platterhofs ist Teil des Erbpachtvertrages mit der Gewerbegrund. Die Voraussetzungen für die vertraglichen Verpflichtungen der Gewerbegrund, den Platterhof abzureißen, sind entfallen; denn das geplante Hotel soll mittlerweile an anderer Stelle errichtet werden. Die Neukonzeption bzw. die Verlagerung des Hotels macht den Erhalt des Platterhofs möglich und sinnvoll. Wir stehen heute vor vollendeten Tatsachen. Dem Abriss-Beschluss des Haushaltsausschusses bzw. dem Vertrag lag der Plan zugrunde, das Hotel am selben Ort zu bauen.
Das ist schon wahr. Herr Finanzminister Prof. Dr. Faltlhauser hat am 20. November 1998 von einem Hotelbau mit etwa 200 Zimmern gesprochen, der anstelle des ehemaligen General-Walker-Hotels, also dem Platterhof, entstehen solle. Herr Finanzminister Prof. Dr. Faltlhauser hat weiter gesagt, das alte Gebäude sei mit seinem Grundriss für einen modernen Hotelbetrieb ungeeignet und würde einen unwirtschaftlichen Sanierungsaufwand erfordern. Also wurde geprüft, ob das Hotel errichtet werden kann. Das Ergebnis war, dass ein Abriss unumgänglich sei.
Inzwischen ist ein Neubau an einer weit entfernten Stelle geplant. Das bedeutet, man hat sich offenbar von dem
ursprünglichen Plan verabschiedet. Der planende Architekt, Herr Kochta, hat erklärt, der vorgesehene Standort, also der Standort Platterhof, sei für die Ansprüche eines gehobenen Hotels zu schattig. Nach Aussage des planenden Architekten, Herbert Kochta, würde ein Erhalt oder Teilerhalt des Platterhofs die Planungen in gar keiner Weise beeinträchtigen. Natürlich geht es auch um Kosten. Die Abbruchkosten sind ein Teil des Vertrages. Es sollte jedoch nicht schwer sein, in Verhandlungen mit der Gewerbe-Grund zu erreichen, dass diese ihre vertraglichen Verpflichtungen auf andere Weise erfüllt.
Am Platterhof lässt sich beispielhaft die wechselhafte Geschichte des Obersalzbergs ablesen. An dieser Stelle liegt die Wiege des Fremdenverkehrs im Berchtesgadener Raum. An diesem Ort wurde 1878 die Pension Moritz eröffnet. Teile der historischen Bausubstanz wurden bei der Vorbereitung der Abbrucharbeiten am Platterhof wieder gefunden. Der Platterhof bietet also Gelegenheit, die Geschichte des Fremdenverkehrs am Obersalzberg darzustellen. Gleichzeitig kann am Platterhof demonstriert werden, warum die schöne Idylle des Obersalzbergs sich für die Zwecke der Nazis eignete. Nach 1936 wurde der Platterhof zu einem Hotel mit etwa 150 Betten umgebaut. Verdiente Volksgenossen sollten hier für den symbolischen Übernachtungspreis von 1 Mark pro Tag einige Tage in der Nähe des Führers verbringen dürfen.
Heutzutage ist unumstritten, dass Opferorte erhalten und zugänglich gemacht werden müssen. Das Gleiche gilt aber auch für Täterorte. Der Obersalzberg ist ein solcher Täterort. Am Platterhof wird für die nachwachsenden Generationen begreifbar, welche Rolle der Obersalzberg für die Ikonografie, also für den Führerkult der Nazis, gespielt hat. Der Obersalzberg war ein wichtiges Element des Führerkultes des Dritten Reiches. Hier war nicht nur die zweite Reichskanzlei in der Nähe, hier konnte sich der Führer auch volks- und naturnah geben. Die Bilder vom Führer auf dem Obersalzberg spielten eine wichtige Rolle für das Trugbild einer heilen Welt.
Der Kontrast zwischen oberirdischem Erholungsort und unterirdischen Bunkern, die man dort besichtigen kann, ist die beeindruckendste Erfahrung, die Besucher am Obersalzberg machen können. Die Dualität von heiler Welt und unterschwelliger Grausamkeit wird am eigenen Körper erfahren. Wenn man zu den Bunkeranlagen hinabsteigt, wird es spürbar kälter. Dort unten herrscht eine beklemmende Atmosphäre. Dieses Himmel- und Höllekonzept ist das Beeindruckendste an diesem Ort. Der Himmel für die guten Deutschen, die Hölle für die minderwertigen Rassen. Wenn man den Platterhof in dieses Konzept einbeziehen würde, würde die physische Erfahrung noch verstärkt werden.
Der Platterhof war beinahe 50 Jahre als General-Walker-Hotel ein so genanntes Armed-Forces-RecreationCenter für amerikanische Soldaten und deren Familien. Wir sind für den Erhalt des Platterhofs in seinem jetzigen, amerikanisierten, Zustand. Auch die amerikanische Besatzungszeit ist Teil unserer Geschichte. Die amerikanische Besetzung brachte den schlimmsten Abschnitt der deutschen Geschichte zu seinem Ende. Am Gebäude des Platterhofs ist diese Entwicklung für jeden
ablesbar und sichtbar. Man kann deutlich erkennen: das war einmal ein Nazi-Gebäude war; danach waren die Amerikaner seine Herren;
jetzt ist beides vorbei. Die amerikanisierte Fassung des Platterhofs entspricht von der Aussage her in etwa den Inschriften der russischen Sieger, die im Reichstag erhalten und in die Neugestaltung einbezogen wurden. Das Ende des tausendjährigen Reiches ist sichtbar in Stein geschrieben. Dazu kommt, dass der Kontrast zwischen der relativen Bescheidenheit des Erholungszentrums, auf das die Nazis so stolz waren, zu heutigen Standards von Wohlfahrt oder gar Luxus gerade Jugendlichen überdeutlich macht, dass diese Phase deutscher Großmachtansprüche endgültig vorbei ist. Dieser Eindruck wird noch massiv verstärkt durch die Beengtheit, Kleinkariertheit und manische Verbohrtheit der Bunkeranlagen. Solche anschaulichen Erfahrungen sind wichtiger und einprägsamer als aller Unterricht.