Protocol of the Session on February 2, 2000

Ich glaube Ihnen, dass es Ihnen ernst ist. Aber die Glaubwürdigkeit wird etwas unterminiert, wenn diesen hehren Worten keine Taten folgen. Ich formuliere es etwas drastischer: Die Würde der Menschen, die in den Altenpflegeheimen betreut werden, ist mir genauso wichtig wie die Unterstützung der Wirtschaft durch eine Hightech-Offensive.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb müssen den eben zitierten Worten Taten folgen.

Ich komme jetzt zu einer Bewertung des Stufenplans. Meine Damen und Herren von der Staatsregierung, ich sage ausdrücklich – das ist jetzt noch etwas ungeschützt, weil in dem Zusammenhang Berliner Gremien zu entscheiden haben werden –: Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass man über eine interne Umschichtung innerhalb der Pflegeversicherung von der Stufe I zur Stufe III reden kann. Ich habe es nicht von gestern auf heute prüfen können, ob das möglich ist. Wir werden uns in den nächsten Wochen und Monaten sicherlich sehr ernsthaft damit auseinander setzen.

Doch, wie bereits gesagt: Es fehlt das entscheidende Signal an die betroffenen Menschen, nämlich eine Stufe Null, also ein Sofortprogramm, die Bereitstellung entsprechender finanzieller Mittel, um zumindest einen großen Teil der in den Altenpflegeheimen benötigten 6000 Stellen schaffen zu können.

Noch ein paar Worte zur häuslichen Krankenpflege. Ich kann die Kritik an der Entscheidung des Bundespflegeausschusses nachvollziehen, also des Gremiums, in dem Ärzte und Krankenkassen vertreten sind. Allerdings muss ich hinzufügen: Die Bundesregierung hat gegen diese Entscheidung Einspruch eingelegt.

(Kobler (CSU): Sie mussten erst dazu getrieben werden!)

Da ist etwas in Bewegung gekommen. Ich habe allerdings auch gehört bzw. gelesen, dass die bayerische Sozialministerin angekündigt habe, in dieser Angelegenheit rechtsaufsichtlich tätig zu werden. Frau Stamm, wenn dies zutrifft, sollten Sie uns sagen, inwiefern Sie in

der Zwischenzeit tätig geworden sind und welches Ergebnis das erbracht hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn jetzt geklagt wird, dass bestimmte Gruppen nicht mehr in den Genuss der Leistungen der Krankenkassen kommen sollen, muss ich darauf hinweisen: Schon im Vorfeld hätte man sich sehr viel Ärger ersparen können.

Wir hatten doch seinerzeit gefordert, im Ausführungsgesetz so genannte Pflegekonferenzen einzuführen. Meine Damen und Herren, an diese Pflegekonferenzen hätten sich die Betroffenen wenden können, dort hätte man dann nach Wegen suchen können, auf denen das Problem in den Griff zu bekommen ist.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abgeordneten Kob- ler (CSU))

Sie versuchen jetzt sozusagen dieses Problem durch die Hintertür zu bewältigen. Auch das ist der Sache nicht angemessen. Wir haben in unserem Antrag

(Kobler (CSU): Der ist erledigt!)

den Sie jetzt für erledigt betrachten – eine ganze Reihe von konkreten Maßnahmen vorgeschlagen, über die wir Sie bitten,

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

genauso ernsthaft zu diskutieren wie Sie das von uns verlangen. Ich habe ja den einen oder anderen Punkt aus Ihrem Konzept genannt, über den wir ernsthaft zu diskutieren bereit sind. Wir müssen noch in diesem Jahr dafür sorgen, dass zusätzliche Mittel aus dem kommunalen Finanzausgleich bereitgestellt werden, um einen Großteil der 6000 benötigten Stellen schaffen zu können. Das muss aus dem kommunalen Finanzausgleich geschehen.

Selbstverständlich müssen wir – darüber werden wir uns auch morgen im Sozialpolitischen Ausschuss unterhalten – dafür sorgen, dass die Fachkraftquote eingehalten wird. Wir brauchen ein besseres Weiterbildungskonzept für das Personal. Neben den Pflegekonferenzen, die ich schon angesprochen habe, brauchen wir auch Beschwerdestellen für Menschen, die Probleme haben, sich zu artikulieren, Gesprächspartner zu finden, jemand zu finden, der ihre Probleme aufgreift, der sie ernst nimmt. Deswegen ist auch ein Bestandteil unseres Konzeptes, Beschwerdestellen einzurichten, an die sich die Betroffenen wenden können.

Ich bitte heute um Zustimmung zu unserem Konzept und fordere Sie auf, darüber genauso ernsthaft nachzudenken und zu diskutieren, wie Sie das von uns verlangen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 14/2644 – das ist der Antrag der CSU-Fraktion – seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der CSU. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Ich sehe keine. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 14/2657 – das ist der nachgezogene Antrag der CSU-Fraktion – seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CSU-Fraktion. Gegenstimmen? – Die SPD-Fraktion und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Eine Stimmenthaltung. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.

Nun kommen wir zum Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 14/2649 – das ist der Antrag der SPD-Fraktion. Über ihn soll namentlich abgestimmt werden. Für die Stimmabgabe sind die entsprechend gekennzeichneten Urnen bereitgestellt. Die Ja-Urne ist auf der Oppositionsseite, die Nein-Urne auf der CSU-Seite im Bereich der Eingangstüren aufgestellt; die Enthaltung-Urne befindet sich auf dem Stenografentisch. Mit der Stimmabgabe kann nun begonnen werden. Hierfür stehen fünf Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 16.34 bis 16.39 Uhr)

Die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt. Das Ergebnis gebe ich später bekannt.

Ich bitte, die Plätze wieder einzunehmen. Wir fahren zwischenzeitlich mit der Beratung der Dringlichkeitsanträge fort.

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Renate Schmidt, Maget, Hoderlein und Fraktion (SPD)

Anzeigen von Firmen mit Staatsbeteiligungen in Parteiorganen (Drucksache 14/2645)

Ich eröffne die Aussprache. Erste Wortmeldung: Herr Kollege Hoderlein.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag wollen wir erreichen, dass ab sofort Firmen mit Staatsbeteiligungen in Bayern zum einen keine Spenden mehr an politische Parteien leisten dürfen und zum anderen Firmen mit Staatsbeteiligungen von Anzeigen in Parteiorganen, wie zum Beispiel dem „Bayernkurier“ oder dem „Vorwärts“ oder in vergleichbaren Publikationen der parteinahen Stiftungen, Abstand nehmen.

Warum dieses? Meine Damen und Herren, wir erfahren seit Wochen von den Machenschaften der Herren Kanther und Prinz Wittgenstein, Weyrauch, Kiep und Schäuble.

(Willi Müller (CSU): Rau!)

Es geht um das gesamte Patronat von Kohl, der sich feige und zynisch hinter seinem Ehrenwort verschanzt und dem offensichtlich der Bruch der Verfassung und des Parteiengesetzes bei seinem vermeintlichen Ehrenwort völlig am Gesäß vorbeigeht.

Die Folgen dieses Tuns sind heute unabsehbar. Man muss kein Pessimist sein, um zu sagen, dass es keinen vergleichbaren Vorgang mit dieser Langzeitwirkung auf die Einstellung der Menschen zu Politik, zu Parteien und, wenn es ganz schlimm kommt, zu unserer Demokratie gibt.

Nun wissen wir zwar durch diese Vorgänge – jedenfalls wir wissen das; ich hoffe, dass Sie, meine Damen und Herren von der CSU, das auch wissen –, warum schwarze Kassen schwarze Kassen heißen. Für manchen erschließt sich jetzt endlich auch der tiefere Sinn der Behauptung, die Schwarzen könnten besser mit Geld umgehen. Bei mir hat das auf jeden Fall dieses Aha-Erlebnis ausgelöst. Viele Menschen haben nämlich das Vorurteil, dass die Schwarzen besser mit Geld umgehen können.

Der Umfang des Verlustes an Glaubwürdigkeit der Politik und des Vertrauens in die demokratischen Parteien ist uns unbekannt. Wir können ihn heute noch nicht abschließend beurteilen. Welche Schlussfolgerungen können wir daraus ziehen?

(Christ (CSU): Sie müssen vorsichtiger sein!)

Wir haben damit zu tun, dass wir peu à peu, Schritt für Schritt und Stück für Stück möglichst glaubwürdig und nachvollziehbar dieses Vertrauen durch konkrete Maßnahmen wieder herstellen, die geeignet erscheinen, solche Machenschaften in Zukunft nicht mehr zu ermöglichen, und die geeignet erscheinen, den da und dort genährten und immer wieder aufkommenden und vor diesem Hintergrund nicht verwunderlichen Verdacht auszuräumen, wonach das gesamte Parteiengeschehen letztlich doch in einer Grauzone von Amigo, Schwarzgeld und dergleichen stattfindet. Nur wenn wir mutig einschreiten, haben wir die Chance, den Schaden einigermaßen wieder gutzumachen.

Es muss deshalb ein Anfang gemacht werden. Wir hoffen und wünschen, dass wir mit dieser zunächst sehr überschaubaren und sicher nicht abschließenden Maßnahme – ich persönlich habe weit darüber hinausgehende Vorstellungen – wenigstens in diesem Punkt Einigkeit erzielen und ein solches Signal an die Bürgerinnen und Bürger aussenden.

Zum Hintergrund: Parteien finanzieren sich im Wesentlichen aus drei Quellen. Das sind die Beiträge der Mitglieder, die staatlichen Zuwendungen, die sich nach komplizierten Schlüsseln berechnen, und drittens die Spenden. Spenden an die Parteien sind nichts Anrüchiges. Alle Parteien erhalten Spenden, wenn auch nicht alle annähernd in gleichem Umfang und auch nicht alle annähernd aus den gleichen Quellen. Es erhalten auch nicht alle annähernd in der gleichen Größenordnung Spen

den, vor allem was die Großspenden über 20000 DM betrifft.

Vor wenigen Tagen wurde der Rechenschaftsbericht der Parteien, der dem Deutschen Bundestag vom Präsidenten vorgelegt wird, für das Jahr 1998 veröffentlicht. Dieser enthält interessante Zahlen, die ich Ihnen vortragen will. Bei den sechs Parteien, die im Deutschen Bundestag vertreten sind, nämlich CDU, CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und PDS, unterscheidet sich der prozentuale Anteil der Spenden an den Gesamteinnahmen der Parteien in eklatanter Weise voneinander. An der Spitze derer, die von Spenden leben, steht die Christlich-Soziale Union in Bayern. Sie erhält 37,4% aller ihrer Einnahmen aus Spenden. Nur der Prozentsatz der FDP ist etwas höher, wenngleich auch die Millionenbeträge deutlich niedriger sind. Der Anteil bei der CDU beträgt 28%. Diese Zahl kann man unter Umständen noch korrigieren. Später werden wir vielleicht mehr Einzelheiten über die ganze Affäre wissen. Lassen wir es einstweilen bei 28%. Der Anteil der Spenden bei der PDS beträgt 19,2%.

(Freiherr von Rotenhan (CSU): Die hat noch genug Geld von früher!)

Ich stelle nur Fakten fest, Herr von Dings.

(Freiherr von Rotenhan (CSU): von Rotenhan!)

Herr von Rotenhan.

Der Prozentsatz beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN liegt bei 20%. Bei der SPD lautet die entsprechende Zahl 12%.

Ich sage noch einmal: Alle erhalten Spenden. Das müssen sie auch. Es gibt keine Partei, die ohne Spenden auch nur einigermaßen ihre Geschäfte – wohlgemerkt: die politischen Geschäfte – sonst so betreiben könnte, wie sie das sinnvollerweise im Sinne unserer Demokratie tun muss.