Protocol of the Session on July 9, 2003

Herr Präsident, Hohes Haus, liebe Frau Kollegin Köhler! Ich gehe davon aus – nach der Tagesordnung ist dies

wohl sicher –, dass dies Ihre letzte Rede zu ausländerpolitischen Themen in diesem Hohen Hause ist. Ich sage Ihnen: Wir haben neun Jahre auf diesem Gebiet miteinander zu tun gehabt und sind uns ganz selten einig gewesen. Deswegen hätte ich mich eigentlich gefreut, wenn ich Ihrem letzten Anliegen hätte zustimmen können und es der CSU zur Zustimmung empfehlen können. Aber es ist mir aus inhaltlichen Gründen auch diesmal nicht möglich, dies will ich gleich von vornherein ankündigen.

Die Annahme des Antrags kann nicht erfolgen, da Ihr eigener Bundesgesetzgeber neue Anforderungen in Bezug auf die Überprüfung gestellt hat. In § 8 Absatz 1 Nummer 5 des Ausländergesetzes heißt es:

Die Aufenthaltsgenehmigung wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz versagt, wenn er die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet oder sich bei der Verfolgung politischer Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendungen droht...

Dies ist von den Ländern zu überprüfen, bevor sie eine Aufenthaltserlaubnis verlängern. Sie haben sich ganz offensichtlich dazu entschlossen, die Bestimmung in das Gesetz aufzunehmen, dies durch Rot-Grün in Berlin mit großem Brimborium als Beruhigungspille für die Bürgerinnen und Bürger nach außen darzustellen, aber das Angekündigte nicht umzusetzen. Das machen wir natürlich nicht mit.

(Beifall bei der CSU)

Wer so etwas fordert, der muss dann auch Anstrengungen unternehmen, um zu überprüfen, ob die Voraussetzungen beim Einzelnen vorliegen. Der erste Schritt hierfür ist ein Fragebogen, der beispielsweise nach Ausweisungen aus Deutschland oder anderen Schengen-Staaten, nach dem Besitz von Schusswaffen oder nach Aufenthalten in sonstigen Staaten fragt, in denen es im Vorfeld des 11. September verstärkte Aktivitäten der Al Kaida gegeben hat. Das ist der Sinn der Fragebogenaktion. Ich frage Sie: Wo liegt denn hier die Problematik? Können wir von Menschen, die sich bei uns aufhalten wollen, nicht mehr verlangen, dass sie, bevor der Aufenthalt verlängert wird, einen Fragebogen ausfüllen? Wo sind wir denn überhaupt in diesem Staat?

(Beifall bei der CSU)

Da muss ich einmal schauen, was von unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern alles verlangt wird – ich brauche mir nur den Bericht der Henseler-Kommission anzusehen –, was zum Beispiel an statistischen Erhebungen in Unternehmen verlangt wird. Hier soll es nicht mehr zumutbar sein, dass ein Fragebogen ausgefüllt wird. Das ist eine verkehrte Welt.

(Beifall bei der CSU)

Das Verlangen des Ausfüllens eines Fragebogens ist keine Vorverurteilung oder Vorverdächtigung, sondern es sollen Erkenntnisse gewonnen werden. Hierdurch wird niemand unter Terrorismusverdacht gestellt. Eine solche Argumentation ist an den Haaren herbeigezogen.

(Beifall bei der CSU)

Auch die Liste der Organisationen impliziert nicht automatisch, dass dies Terrororganisationen sind.

(Frau Elisabeth Köhler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das steht aber drin!)

Sie haben Beispiele genannt. Diese Liste impliziert, dass wir wissen wollen, wenn jemand mit einer solchen Organisation Kontakt hatte. Die Folge ist lediglich, dass im Anschluss daran ein Gespräch mit einem Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz stattfindet, der den Sachverhalt näher abklärt. Es wird also niemand die Aufenthaltserlaubnis aufgrund des Ausfüllens des Fragebogens verweigert.

Das ist die Tatsache, und so läuft der Vorgang ab.

In einem dürfen Sie sicher sein, meine Damen und Herren, wir werden keine Anstrengungen unterlassen, unsere Bevölkerung, so gut es geht, vor terroristischen Anschlägen und vor Gewalttaten in diesem Land zu schützen, und dabei werden wir jemand, der bei uns bleiben will, auch in Zukunft zumuten, dass er einen Fragebogen ausfüllt.

(Beifall bei der CSU – Frau Christine Stahl (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Sie wissen doch überhaupt nicht, was da drin steht! – Widerspruch bei der CSU)

Jetzt hat Herr Kollege Vogel das Wort. Es ist gut, wenn Herr Vogel spricht; denn dann hören die Gespräche hier im Raum auf. Bitte, Herr Kollege Vogel.

Herr Präsident, vielen Dank. Wenigstens auf einer Seite hören die Gespräche auf; auf der anderen Seite wird schon noch weiter gesprochen.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Thomas Kreuzer, vielleicht wäre es wirklich sinnvoll gewesen, wenn Sie den Fragebogen gelesen hätten, bevor Sie darüber sprechen; denn dann hätten wir vielleicht auch inhaltlich einiges hören können. Bei all dem Schaum vor dem Mund, mit dem hier gesprochen worden ist, können die Äußerungen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es ein kräftiges innen- und auch außenpolitisches Eigentor war, das sich die Bayerische Staatsregierung als sicherheitspolitischer Musterschüler hier geschossen hat, und zwar in einer kuriosen Mischung aus Wadlbeißer und Spürhund-Übereifer.

(Beifall bei der SPD)

Was steckt denn dahinter? – Hinter jedem Ausländer und jeder Ausländerin aus einer nicht näher definierten Problemregion wird ein Terrorist vermutet. Deshalb fragt man ihn oder sie, ob er oder sie wirklich ein Terrorist sei.

Ich habe mich in meinem Studium durchaus mit Empirie auseinander gesetzt, aber die inhaltlich-methodische Logik dieses Vorgehens ist mir bis heute verschlossen.

(Beifall bei der SPD)

Dann überwirft sich die CSU bei der ganzen Sache schon auch schnell einmal mit den türkischen Freundinnen und Freunden. Manch einer in einer CSU-befreundeten Organisation fühlt sich durch den Fragebogen verleumdet, sodass das Rauschen im türkischen Blätterwald eine rasche Korrektur des Fragebogens bewirkt. Frau Kollegin Köhler hat darauf hingewiesen, die AKP musste beispielsweise aus dem Fragebogen herausgenommen werden, nachdem das türkische Parlament heftig dazu diskutiert hat. Der Gipfel ist aber, dass man den Oppositionsabgeordneten, die dieses Vorgehen nicht für richtig halten, allzu schnell vorwirft – das war auch heute wieder die Unterstellung von Herrn Kollegen Kreuzer –, dass man die Terrorismusgefahr nicht sehen und nicht bekämpfen will. Es gehört schon immer zu den verantwortungslosen Spielchen der politischen Rechten in diesem Hause, alles, was sich links von der CSU bewegt, in die Nähe des Extremismus und Terrorismus zu rücken.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So ist es. Als wir die Diskussion über den Fragebogen geführt haben, war es Wurscht – ob demokratisch gewählt oder nicht – man darf diesen Fragebogen überhaupt nicht einsehen, weil man damit etwas Falsches anstellen könnte. Aber in der Zwischenzeit sind die Fragebögen so bekannt, dass man damit in manchen Gremien Papiersegelwettbewerbe veranstalten könnte. Ich glaube, das wäre eine sinnvollere Verwendung als die vom Ministerium geplante.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Fraktion stimmt dem Antrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zu, obwohl sich einige Punkte durch Zeitablauf erledigt haben. Wir stimmen dem Antrag zu, weil die Intention der CSU, die hinter dem Fragebogen steckt, allein von unverantwortlicher Einschüchterung und böswilliger Unterstellung geprägt ist.

(Beifall bei der SPD)

Der Fragebogen ist in unseren Augen nicht geeignet, den Terrorismus zu bekämpfen. Er hat nur die Aufgabe, hier lebende Ausländerinnen und Ausländer zu verunsichern. Damit wird der Integration in Bayern wieder einmal ein Bärendienst erwiesen.

(Beifall bei der SPD)

Gerade weil wir wissen, dass Terrorismusbekämpfung dort anzusetzen hat, wo sich perspektivloser, idealistischer Fanatismus in menschenverachtende Gewalt verwandelt, befürchten wir – –

(Klinger (CSU): Du liebe Zeit!)

Herr Klinger, das ist doch so. Oder sind wir uns darin nicht mehr einig, dass wir überall dort, wo Fanatismus Gefahr läuft, sich in Gewalt umzuwandeln, mit unseren bekämpfenden Maßnahmen anzusetzen haben? Aber das sehen Sie gar nicht. Sie wollen diese Art von Terrorismus gar nicht bekämpfen. Sie wollen durch das Säen von Misstrauen in unserer Bevölkerung gegen die Integration arbeiten.

(Beifall bei der SPD)

Weil wir die Terrorbekämpfung ernst nehmen, verwahren wir uns gegen Ihre lächerlichen und beunruhigenden Unterstellungen. Viele Erfahrungen, die unsere ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger mit bundesdeutschen Ausländerbehörden machen, sind aufgrund der restriktiven Gesetzeslage leider Gottes nicht gerade positiv. Deswegen ist der Fragebogen nicht isoliert zu betrachten, sondern es ist mit einzubeziehen, in welchem Kontext er vorgelegt wird, nämlich bei der Beantragung der Aufenthaltsverlängerung. Es ist auch mit einzubeziehen, wem er vorgelegt wird, nämlich Menschen, die in ihren Herkunftsregionen oftmals gerade unter den terroristischen Organisationen gelitten haben, in deren Nähe man sie jetzt vermutet. Ihnen eine fragwürdige Perspektive gebend, fragt man sie dann noch, ob sie gewillt seien, mit deutschen Geheimdienstorganisationen zusammenzuarbeiten.

Meine Kolleginnen und Kollegen, wir stimmen dem Antrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zu, weil wir diese Art der staatsbayerischen Fragebogentechnik nicht nur für empirischen Widersinn, sondern auch für menschenverunsichernden Unsinn halten. Ich kann nur noch einmal meinen Ratschlag von den Beratungen im Rechts- und Verfassungsausschuss wiederholen. Wenn Sie schon der Auffassung sind, dass so eine Art von Fragebogen erfolgreich ist, dann würde ich Ihnen, Herr Regensburger, auch vorschlagen, machen Sie doch eine flächendeckende Befragung in ganz Bayern, wer beabsichtigt, demnächst eine Straftat zu begehen, und wir könnten uns angesichts knapper Kassen viel Geld für Polizei, Gerichte, Justizvollzug und Resozialisierungsarbeit sparen.

(Beifall bei der SPD)

Wir stimmen dem Antrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auch deshalb zu, weil uns über lange Zeit hinweg das Recht der parlamentarischen Kontrolle durch die Legislative verweigert wurde. Auch das ist ein unmöglicher Vorgang. Alle Nachfragen von Abgeordneten, um bei den Behörden Informationen zu erhalten, waren vergeblich, bis wir endlich durch die Beratungen im Rechtsausschuss eine Tür öffnen konnten. Es wurde uns schon vorher von verschiedenen Stellen bestätigt, man kann auch nicht verstehen, warum Abgeordnete keine Einsicht in den Fragebogen haben dürfen, aber man konnte die Einsicht nicht gewähren, weil es nicht erlaubt war. Das lässt Rückschlüsse auf das autoritäre Selbstverständnis eines selbstherrlichen Ministeriums zu, das meilenweit vom demokratischen Verständnis von Gewaltenteilung entfernt ist.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich ein Letztes sagen. Gerade jetzt im Wahlkampf und auch gestern im Plenum wurde und wird viel vom Bürokratieabbau gesprochen. Dieser ausführliche und inhaltlich unsinnige Fragebogen ist so schwierig auszufüllen, zu übersetzen und auszuwerten – mit den Daten ist außerdem datenschutzrechtlich verantwortlich umzugehen –, dass man nur sagen kann: Das ist Entbürokratisierung auf bayerische Art. Außerdem kostet die Papierflut noch einiges an Personal und Verwaltung. Frau Kollegin Köhler hat darauf hingewiesen. Ich bin gespannt, wie hier die Staatsregierung angesichts ihrer jüngst entwickelten Konnexitätsvorliebe mit den Gemeinden umgeht, denen diese Gelder erstattet werden müssen.

Also: Inhaltlich falsch, integrationsschädlich, sicherheitspolitisch fragwürdig, außenpolitisch irritierend, dem parlamentarischen Selbstverständnis widersprechend, im Vorgehen bereits mehrfach korrigiert – das sollte doch ausreichen, um auch Zweifel bei Ihnen aufkommen zu lassen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU. Im Zweifelsfall kann man immer noch die Hoffnung haben, Sie entscheiden sich für das Richtige und stellen diese unnütze Befragung ein; aber auch heute, wo wir das letzte Mal über diese Fragen sprechen, können wir diese Hoffnung nicht haben. Trotzdem bedanke ich mich bei denen, die aufgepasst haben, für ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Herr Staatssekretär Regensburger, bitte.

Staatssekretär Regensburger (Innenministerium) : Herr Präsident, meine Damen und Herren! Viel Lärm um nichts – diesen Satz bin ich versucht an den Anfang meiner Ausführungen zu stellen.

(Beifall bei der CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, entgegen der Auffassung der Antragsteller darf es eben nicht dem Zufall überlassen bleiben, ob gravierende Sicherheitsrisiken aufgedeckt werden oder nicht. Es überrascht, glaube ich, niemand in diesem Hause, dass die Antragsteller und leider auch Teile der SPD dies anders sehen. Die Geringachtung der Sicherheitsbelange der in Deutschland lebenden Bevölkerung hat bei den GRÜNEN lange Tradition. Sie, verehrte Frau Köhler, sind Ihrer Linie in dieser Hinsicht seit 1990 – das möchte ich Ihnen durchaus bestätigen – treu geblieben.

(Beifall bei der CSU)

Aus meiner Sicht – und das verlangt auch ein großer Teil unserer Bevölkerung –, muss von den Sicherheitsbehörden alles getan werden, um zu verhindern, dass auch Bayern als Aktions-, Vorbereitungs- und Ruheraum – –