Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Christine Stahl, Dr. Dürr, Sprinkart und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Auch zu diesem Antrag gibt es keine Aussprache. Der federführende Ausschuss für Wirtschaft, Verkehr und Technologie empfiehlt Zustimmung mit der Maßgabe, dass nach dem Wort „sich“ die Worte „noch einmal“ eingefügt werden. Wer dem Dringlichkeitsantrag mit der vorgeschlagenen Änderung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der CSU. Gibt es Gegenstimmen? – Ich sehe keine. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltung. Damit ist das so beschlossen.
Der federführende Ausschuss für Wirtschaft, Verkehr und Technologie empfiehlt auf Drucksache 14/12897 die Ablehnung dieses Antrags. Wer entgegen diesem Votum dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und Herr Kollege Hartenstein. Gibt es Gegenstimmen? – Das ist die CSU-Fraktion. Gibt es Stimmenthaltungen? – Ich sehe keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Antrag der Abgeordneten Christine Stahl, Elisabeth Köhler, Tausendfreund und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Befragung von ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern anlässlich ihres Antrags auf Aufenthaltsverlängerung (Drucksache 14/11763)
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Da diese Befragungsaktion zu diplomatischen Verwicklungen mit
In Bayern werden seit Beginn dieses Jahres Ausländerinnen und Ausländer aus so genannten Problemstaaten bei jeder Verlängerung ihres Aufenthalts einer so genannten sicherheitsrechtlichen Befragung unterzogen. Nach unseren Recherchen sind von der Befragung Angehörige aller arabischen Staaten betroffen. Des Weiteren sind Palästinenser betroffen, Staatsangehörige des Iran, aus Afghanistan, Nordkorea, den Philippinen und Kolumbien.
Entschuldigung, ich habe mich jetzt gerade darum gekümmert, was noch beraten werden kann. Ein bisschen Disziplin hilft uns ungemein, schneller fertig zu werden.
Das Innenministerium geht laut „Münchner Merkur“ selbst von 5% der Ausländer und Ausländerinnen in Bayern aus – das sind ungefähr 55000 Personen –, die sich dieser Befragung unterziehen müssen. Diese Aktion ist bundesweit einmalig, obwohl § 8 Absatz 1 Nummer 5 des Ausländergesetzes, auf den sich diese Befragung stützt, auch für andere Bundesländer gilt. Was bezweckt also das Bayerische Innenministerium mit diesem sehr kostspieligen und sicherheitspolitisch außerordentlich fragwürdigen Sonderweg?
In den Ausländerbehörden der Kommunen mussten dafür eigens Stellen geschaffen werden. In Augsburg zum Beispiel waren es zwei Stellen.
Eine weitere Frage lautet: Was geschieht mit den Daten? Wo werden sie überall gespeichert, wie lange werden sie gespeichert, und wofür werden sie verwendet? Immerhin müssen die Leute, die den Fragebogen ausfüllen, unterschreiben, dass sie damit einverstanden sind, dass die Daten an den Bundesnachrichtendienst, den Militärischen Abschirmdienst, das Zollkriminalamt, das Landesamt für Verfassungsschutz und an das Landeskriminalamt zur Feststellung von Versagungsgründen weitergeleitet werden.
Eine weitere Frage, die man sich stellen muss, lautet: Kann man gefährliche Terroristen, die einen Anschlag planen, mit einer breiten Fragebogenaktion auf die Spur kommen? Glaubt man denn beim Bayerischen Verfassungsschutz oder im Bayerischen Innenministerium tatsächlich, dass ein Mitglied der al Qaida treuherzig und wahrheitsgemäß antwortet: Ja, ich bin Mitglied der al Qaida; ja, ich habe in Afghanistan eine Sprengstoffausbildung gemacht; ja, ich habe mit Osama bin Laden Tee getrunken.
Meine Damen und Herren, da ich davon überzeugt bin, dass man dies auch im Bayerischen Innenministerium nicht ernsthaft annimmt, hat die Befragung nur den einen Zweck, nämlich einen großen Teil der ausländischen Bevölkerung in Bayern unter Generalverdacht zu stellen und ein systematisches Aushorchen zu installieren. Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung kann man dann alle Angehörigen aus bestimmten Staaten pauschal aushorchen, eine ganz große Datei anlegen und damit diese Menschen unter ständiger Kontrolle halten. Es geht nicht um Sicherheit, es geht um pauschale Verdächtigungen und um systematische Überwachung. Die einen, zum Beispiel Journalisten oder Anwälte, will man präventiv abhören, und die anderen, diese Ausländer und Ausländerinnen, will man präventiv aushorchen. Darum geht es.
Des Weiteren geht es um eine ungeheure Verunsicherung der betroffenen Menschen; denn eine Aufenthaltsverlängerung ist für diesen Personenkreis eine existenzielle Frage. Da der Fragebogen bei jeder Verlängerung ausgefüllt werden muss, fragt man sich, was passiert, wenn jemand beim nächsten Mal die Fragen anders beantwortet, und zwar ganz einfach deswegen, weil er oder sie sich anders erinnert oder die Sachverhalte nicht mehr genau im Kopf hat. Der Fragebogen wird als Geheimsache eingestuft. Man darf sich keine Kopie machen. Man darf sich nichts aufnotieren, und er liegt in der Regel nur in deutscher Sprache vor. Man muss ihn auf der Ausländerbehörde in deutscher Sprache ausfüllen und darf niemanden hinzuziehen.
Wer sich den Fragebogen durchliest, stellt sich an vielen Stellen die Frage: Was hat diese Frage mit Terrorismusbekämpfung zu tun? Ist zum Beispiel jemand des Terrors verdächtig, wenn er sich irgendwann einmal im ehemaligen Jugoslawien aufgehalten hat? Da wird gefragt, wann sich jemand in Jugoslawien aufgehalten hat, aber nicht danach, welchen Zweck der Aufenthalt hatte. Die bloße Tatsache, dass sich jemand irgendwann einmal in einem der Staaten des ehemaligen Jugoslawien aufgehalten hat, kann aus meiner Sicht kein Verdachtsmoment begründen.
Eine andere Frage lautet: „Waren Sie Mitglied in einem Verein, bei dem der Schießsport gepflegt wurde?“ Meine Damen und Herren, wenn man die Mitglieder der bayerischen Schießsportvereine in die Nähe des Terrorismus rücken würde nur deswegen, weil sie dem Schießsport nachgehen, wäre hier im Land aber etwas los.
Eine andere Frage: „In welchen Vereinen waren Sie im Übrigen in Ihrem Heimatland tätig?“ Oder: „Hatten Sie jemals eine verantwortliche Position in einer Einrichtung des Staates inne, zum Beispiel in einer Universität?“ Seit wann ist die Mitgliedschaft in einem Verein, zum Beispiel in einem Schachklub sicherheitsrelevant? Ist man schon deshalb des Terrorismus verdächtig, wenn man Universitätsprofessor war? – Was sollen diese Fragen im Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung?
Ich denke, diese Beispiele machen deutlich, dass es um eine pauschale Aushorcherei, um eine pauschale Erfassung von Daten und eine pauschale Verdächtigung geht.
Ganz nebenbei: Bei manchen Fragen hat man wirklich den Eindruck, dass hier echte bayerische Beamte am Werk waren, die sich vorstellen, dass die ganze Welt so organisiert ist wie Bayern. Da gibt es Schießsportvereine, da gibt es alle möglichen anderen Vereine, in denen man sich organisiert, und wenn man eine Waffe will, braucht man selbstverständlich einen Waffenschein und muss das Ganze anmelden. Ich würde Ihnen vorschlagen, einmal in die Welt hinauszugehen und sich anzusehen, ob sie tatsächlich so organisiert ist, wie wir das hier in Bayern gewöhnt sind.
Meine Damen und Herren, mit diesen Fragen kann man wirklich keine Terroristen aufspüren; diese Fragen haben einen ganz anderen Zweck.
Damit komme ich zu dem ominösen Anhang des Fragebogens. Da wurden 92 Parteien und Organisationen aufgelistet, die man beim Bayerischen Verfassungsschutz und im Bayerischen Innenministerium für terrorismusverdächtig hält. Gefragt wird dann: „Waren Sie jemals Mitglied oder hatten Sie Kontakt zu einer in der Anlage genannten Vereinigung? Hatten Sie jemals Kontakt zu einer Person, die einer solchen Vereinigung angehörte oder ihr nahe stand?“ – Wie will man das beurteilen? „Haben Sie eine oder mehrere dieser Vereinigungen oder ihr nahestehenden Personen jemals durch Spenden oder in sonstiger Weise unterstützt?“ Was heißt „in sonstiger Weise“? Die Fragen sind nur mit Ja oder Nein zu beantworten.
Dann heißt es weiter: „Sind Sie für eine oder mehrere dieser Vereinigungen oder ihr nahestehenden Personen, und sei es nur aus Gefälligkeit, Höflichkeit oder Gastfreundschaft, tätig geworden?“
Man muss sich diese Fragen einmal ansehen und sich vor Augen führen, was man mit diesen Fragen herausfinden will. Wenn jemand einem anderen einen Tee gebracht hat, von dem er vermutet, er gehöre irgendeinem Moscheeverein an, dann wird er in Bayern bereits des Terrorismus verdächtigt. Ich habe mir mit Hilfe des Internets die Vereinigungen angeschaut. Von den 92 Vereinigungen sind über 40 türkisch. Aber türkische Staatsangehörige werden aufgrund des Assoziationsabkommens zwischen der EU und der Türkei überhaupt nicht befragt. Man muss sich fragen, weshalb so viele türkische Parteien in dieser Terrorliste erscheinen. Dient der Fragebogen etwa nicht nur, wie vorgegeben, der Aufenthaltsverlängerung, sondern ist er zum Beispiel Grundlage bei einem Einbürgerungsantrag? Ganz abgesehen davon gewinnt man den Eindruck, dass der Hort
des internationalen Terrorismus in der Türkei sitzt. Ich frage mich, ob hinter der Aktion eine gezielte Absicht steckt.
Ich habe weiter festgestellt, dass zum Beispiel die Partei des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan, die AKP, ebenfalls in dieser Liste aufgeführt wurde. Auch die Vorläuferparteien der AKP sind in dieser Terrorliste enthalten. Aber die AKP ist als Sieger der letzten Parlamentswahlen in der Türkei im November hervorgegangen und hat im Parlament beinahe eine Zweidrittelmehrheit. Hier in Bayern wird diese Partei des Terrorismus verdächtigt. Diese Einstufung hat in der türkischen Presse zu Recht Empörung ausgelöst. Es gab Anfragen im türkischen Parlament und der Deutsche Botschafter wurde zitiert. Er musste sich für diese Geschichte entschuldigen. Andererseits taucht in der Liste zum Beispiel die Partei von Saddam Hussein, die Baath-Partei, nicht auf. Sie fehlt auf dieser Liste. In der Liste aufgeführt sind aber die nordirakischen kurdischen Parteien, zum Beispiel die DPK und die PUK. Man muss sich die Frage stellen: Nach welchen Kriterien werden Parteien und Organisationen in Bayern des internationalen Terrorismus verdächtigt? Diejenigen, die an der Seite der Amerikaner gegen den Diktator Hussein gekämpft haben, gelten in Bayern als des Terrorismus verdächtig und der Diktator und seine Partei nicht. Das ist aus meiner Sicht absurd. Ich sage auch: Der Verfassungsschutz und Herr Beckstein sind ein Sicherheitsrisiko.
Richtig. Diejenigen, die Mitglieder der Baath-Partei sind, stehen nicht auf der Liste. Und die anderen sind in der Terrorliste enthalten. Das ist aus meiner Sicht absurd.
Diese Vorgehensweise macht deutlich: Es wird endlich Zeit, dass wir bundesweit zu einheitlichen Kriterien und Standards bei der Einstufung von terroristischen Gruppierungen und Organisationen kommen und dass nicht jedes Bundesland die Einstufung nach eigenem Gutdünken vornehmen kann. Dieser Vorgang macht aber auch deutlich, dass die Geheimniskrämerei – der Fragebogen und der Anhang sind geheim – nur eklatante Fehler decken soll. Die ganze Aktion ist eine dilettantische kostspielige Aushorchaktion, die der Pflege des Feindbildes der CSU dient, aber nicht der Sicherheit der Bevölkerung. Deshalb fordern wir die Einstellung der Befragung.
Nachdem Frau Kollegin Köhler solange geredet hat, Frau Kollegin Stahl, kann ich Ihren Appell auf einen Verzicht nicht recht ernst nehmen.
Herr Präsident, Hohes Haus, liebe Frau Kollegin Köhler! Ich gehe davon aus – nach der Tagesordnung ist dies