Protocol of the Session on July 9, 2003

(Beifall bei der SPD)

Ich bitte Sie endlich um ein klares Wort, auch in Richtung unserer kommunalen Spitzenverbände, die darauf warten, dass die CSU und die Staatsregierung Farbe bekennen. Die Union ist im Bundesrat gespalten; sie muss aber in dieser Frage einig sein. Vor allem Bayerns Kommunen haben es verdient, dass die Staatsregierung endlich zu ihrem Anwalt und nicht zu ihrem Totengräber wird.

(Beifall bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, gebe ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Gesetzentwurf zur Änderung denkmalrechtlicher Vorschriften auf der Drucksache 14/12042, Tagesordnungspunkt 12, bekannt: Mit Ja haben 108 gestimmt, mit Nein 0, Stimmenthaltungen 63. Das Gesetz ist damit in der Fassung des federführenden Ausschusses für Hochschule, Forschung und Kultur angenommen. Es hat den Titel: „Gesetz zur Änderung denkmalrechtlicher Vorschriften“.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 4)

Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat Frau Kellner.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Der Kern des Problems ist, dass es über das weitere Vorgehen bei der Gewerbesteuer einer politischen Entscheidung bedarf.

Die Fakten liegen seit langem auf dem Tisch. Alle kennen die Modelle, die hier zur Debatte stehen. Die Staatsregierung in Bayern und die CSU-Fraktion wollen sich nicht positionieren, und schon gleich gar nicht vor den Wahlen zum Bayerischen Landtag. Hinzu kommt, dass sich CDU und CSU nicht einig sind, welchem Modell sie folgen sollen.

Deshalb kommen Sie jetzt mit dem Ablenkungsmanöver eines Sofortprogramms, das Sie auch in Ihrem Antrag anführen. Sie glauben, Sie könnten sich so aus der Verantwortung stehlen. Genau das können Sie aber nicht, weil Ihnen niemand mehr auf den Leim gehen wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Sie aber haben sich eindeutig – und hierzu gibt es mittlerweile ganz klare Aussagen in einer Veröffentlichung des Bayerischen Städtetags – gegen das Modell der kommunalen Spitzenverbände positioniert. Nachdem Sie sich aber jetzt nicht trauen, Herr Dr. Bernhard, dem BDI-Modell Ihre Stimme zu geben, weil Sie sonst unter Ihren eigenen kommunalen Politikern einen Aufstand hervorrufen würden, versuchen Sie sich durchzulavieren. Sie versuchen das zum einem mit dem Sofortprogramm, um die Entscheidungen im Bundesrat auszusitzen und zum anderen, indem Sie vorschlagen, man sollte den Kommunen jetzt einen höheren Anteil an der Mehrwertsteuer geben.

Jetzt komme ich zum Oberschlaumeier, zum Kollegen Dr. Bernhard. Ich habe ihm ganz genau zugehört. Er sagte zum Kollegen Maget: Hier kann man doch keine Steuern erhöhen. Man kann doch von keinem mehr verlangen. – Ich frage Sie, woher nehmen Sie denn die Punkte der Mehrwertsteuer? Wer soll die denn bezahlen?

(Dr. Bernhard (CSU): Das sollen Bund und Länder!)

Die zahlen Bund und Länder? Sagen Sie mir doch mal, auf wie viel Sie in Bayern verzichten können? Der Finanzminister hat bereits jetzt größte Probleme, den Haushalt auszugleichen. Das sagt er in diversen Presseveröffentlichungen selbst. Sie aber sagen, Bayern kann auf ein paar Punkte Mehrwertsteuer verzichten. – Fragen Sie doch mal die anderen Bundesländer, ob die sich das leisten können. Fragen Sie doch mal, ob sich das der Bund leisten kann.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Bernhard (CSU))

Sie wollen Gelder anderer Bundesländer und des Bundes verteilen, weil Sie sich nicht auf ein Modell einigen können. Die Kommunen sollen dafür die Zeche zahlen, dass ist doch die Quintessenz dessen, was Sie wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ich sage Ihnen, wenn Sie für die Kommunen etwas tun wollen, dann müssen Sie sich schleunigst positionieren, damit in der nächsten Bundesratsitzung am 28. November in der Sache entschieden werden kann. Das ginge

noch, wenn das Bundeskabinett über seinen Gesetzentwurf berät und ihn beschließt, dann könnte er am 28. November in der Bundesratsitzung auf die Tagesordnung kommen.

Das wäre der erste Schritt. Ich bin aber so ehrlich und mache mir trotzdem keine übertriebenen Vorstellungen, dass bereits im Jahr 2004 mehr Geld in die Kassen der Kommunen fließen könnte. So wird es nicht sein. Ich sage aber, zuerst muss das Kernproblem verbindlich gelöst werden. Das ist das Modell kommunale Betriebssteuer. Daran muss weiter gearbeitet werden. Wenn das beschlossen wurde, kann man über eine Zwischenfinanzierung, über ein Soforthilfeprogramm für ein Jahr befinden.

(Dr. Bernhard (CSU): Also ist es doch richtig!)

Nein. So wie Sie das sagen, ist es nicht richtig. Sie sagen, machen wir erst einmal das Zwischenprogramm, dann sehen wir schon weiter. So ungefähr sagen Sie, damit Sie sich nicht positionieren müssen. Das ist Feigheit vor der Wahl, sonst nichts.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Prof. Dr. Gantzer (SPD): Jawohl!)

Das ist auch Feigheit vor der CDU. Herr Merz ist für das BDI-Modell, genauso Baden-Württemberg, und das wissen Sie sehr wohl. Sie kommen also nicht durch, weil Sie in Ihrem Unionsverband offensichtlich immer mehr an Gewicht verlieren. Sie können dort offensichtlich für Ihre Vorstellungen keine Mehrheit mehr gewinnen. Das ist doch die Quintessenz. Wir sagen: Wer für die Kommunen etwas tun will, der muss hier und heute sagen, wie er in der Gewerbesteuerreform vorangehen will und nicht versuchen, mit Soforthilfeprogrammen abzulenken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Ettengruber.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Vorweg eine Bemerkung zur Gewerbesteuer. Wenn Sie die finanziellen Grundlagen der Kommunen nicht seit fünf Jahren systematisch ruiniert hätten, müssten wir uns heute darüber gar nicht unterhalten.

(Beifall bei der CSU – Lachen bei der SPD)

Sie haben durch Ihre Steuerpolitik, Ihre Wirtschaftspolitik und durch Ihre Verlagerungspolitik die Kommunen in den Ruin getrieben. Jetzt kommen Sie mit falschen Reparaturrezepten daher.

(Dr. Baumann (SPD): Und was ist mit dem Standortsicherungsgesetz von Kohl aus dem Jahre 1993?)

Sie haben Deutschland in die Rezession getrieben. Es gibt ein altes Landsknechtlied: Deutschland in Not. Dafür tragen Sie die Verantwortung.

(Beifall bei der CSU – Unruhe bei der SPD)

Meine Damen und Herren, zu diesem Antrag, der heute hier zur Debatte steht, muss ich sagen, dass es sich um einen sehr dünnen Antrag handelt. Sie muten dem Landtag doch tatsächlich zu, zu begrüßen, dass die Bundesregierung endlich etwas tut. Außerdem, wie sollen wir einen Inhalt begrüßen, den wir überhaupt nicht kennen? – Das ist eine Zumutung, die wir so nicht hinnehmen können. Das ist ein einzigartiger Vorgang. Die rot-grüne Regierung weiß auf dem Gebiet der kommunalen Finanzen nicht, was Sie wollen soll.

(Frau Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist doch die CSU, die das nicht weiß! – Allgemeine Unruhe)

Der Bundeskanzler ist mit der Sinnfrage beschäftigt, weil er endlich wissen will, warum er der Kanzler ist. Die Bundesregierung setzt dann eine Kommission ein, und die nimmt sich an der Regierung ein Beispiel und weiß am Ende auch nicht, was sie will. Sie kann sich nicht auf ein Ergebnis einigen. Jetzt sollen wir das im Landtag auch noch begrüßen. Das ist politischer Pauperismus. Dem können wir nicht zustimmen.

Der Dringlichkeitsantrag ist die bloße Wiederholung von Forderungen früherer Anträge. Die Wiederholung erhöht die Qualität nicht. Wir haben uns in der letzten Woche im Ausschuss über die Anträge, die hier ebenfalls behandelt werden sollen, eingehend unterhalten. Das sind einzelne Anträge, wobei der delikateste der ist, in dem die Staatsregierung aufgefordert wird, für die Senkung der Gewerbesteuerumlage einzutreten. Dabei ist das doch mit Ihrer Mehrheit im Bundestag abgelehnt worden. Da fragt man sich doch, wo die Glaubwürdigkeit ist.

Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat bei der Neuordnung der kommunalen Finanzen bisher versagt. Die Hauptverantwortung des Bundes für die Finanzmisere wird beschönigt. Neunzig Prozent der kommunalen Belastungen aber kommen vom Bund. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Mit dem Katalog, den Herr Kollege Maget vorher aufgeführt hat, haben die Kommunen bisher ganz gut leben können. Den Kommunen geht es doch erst schlecht, seit Rot-Grün an der Macht ist.

(Beifall bei der CSU – Lachen bei der SPD – Prof. Dr. Gantzer (SPD): Wir sind hier doch nicht im Wahllokal!)

Ich mache es genauso wie Herr Maget. Wir haben uns in all den Jahren in jedem Jahr mit den kommunalen Spitzenverbänden über den kommunalen Finanzausgleich einigen können. Erst seit den Kommunen die Füße unter den Tisch weggezogen wurden, ist das fast nicht mehr möglich. Wenn wir 1,5 Milliarden weniger Steuereinnahmen im Jahr haben, dann können nicht mehr alle Wünsche erfüllt werden.

(Frau Dr. Baumann (SPD): Und was ist mit dem Standortsicherungsgesetz von 1993 der Kohl-Regierung?)

Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat vier Jahre lang nichts für eine Gemeindefinanzreform getan.

(Zuruf von der SPD: Ihr habt 16 Jahr lang nichts getan!)

16 Jahre lang ist es den Kommunen gut gegangen.

(Lachen bei der SPD – Frau Dr. Baumann (SPD): Das war doch die Politik der CDU-CSU!)

Nun soll plötzlich mit wahrem Aktionismus eine Lösung herbeigeführt werden, weil Sie allmählich selbst sehen, was Sie angerichtet haben. Sie haben in Berlin eine Bringschuld für die Kommunen, meine Damen und Herren.

Wenn diese Reform vernünftig wird, werden wir sie begrüßen. Aber selbst wenn sie vernünftig wird, wird sie den Kommunen zum 01. 01. 2004 noch nichts in die Kassen bringen. Deswegen muss man auch ein Sofortprogramm haben, was Sie aber immer bestreiten.

Wir haben die Notwendigkeit einer Gemeindefinanzreform immer betont. Wir haben die Eckpunkte, die dafür notwendig sind formuliert. Erstens. Die Lösung darf nicht mit mehr Bürokratie und Verwaltungsaufwand verbunden sein. Zweitens. Die kommunalen Steuereinnahmen müssen dadurch planbarer und stetiger werden. Drittens. Die Steuerbasis muss unter Gewährleistung einer gerechten Lastenverteilung stabilisiert werden.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Mehrlich?

(Mehrlich (SPD): Der weiß warum!)

Das hoffe ich doch.