Protocol of the Session on July 9, 2003

Das kann ich Ihnen gerne zeigen. Wir haben eine ganze Menge davon.

Jetzt höre ich von Ihnen kein Wort des Entgegenkommens. Kein Euro mehr wird für die Kommunen ausgegeben.

(Frau Radermacher (SPD): Nicht umsonst hat sich Zehetmair dagegen ausgesprochen!)

Bei den Schulwegkosten sind es mittlerweile keine 60% der tatsächlich entstandenen Kosten mehr, die Sie noch erstatten.

(Dr. Bernhard (CSU): Aber wir haben sie erhöht!)

Nichts habt ihr erhöht. Kein Euro wird mehr ausgegeben.

Beim Sportstättenbau wird den Kommunen mit keinem Euro entgegengekommen. Bei der Abwasserbeseitigung findet sich kein Satz und kein Halbsatz, dass die RZWas vielleicht doch noch einmal zugunsten der Kommunen verändert wird. Für die Musikschulen haben wir den Musikplan des Freistaates Bayern verabschiedet. 25% der Ausgaben für Sing- und Musikschulen sollte danach der Freistaat Bayern übernehmen.

(Frau Radermacher (SPD): Schon vor zehn, fünfzehn Jahren haben wir das beschlossen!)

Sie sind bei 9%. Kein Wort des Bedauerns und Entgegenkommens habe ich von Ihnen gehört. Kein Euro mehr wird für die Kommunen ausgegeben.

(Beifall bei der SPD)

Ich bedauere es, dass Sie die Kommunen im Stich lassen, und das werden wir in den nächsten Wochen natürlich auch deutlich machen.

Auch der Bund muss entscheidende Weichenstellungen treffen – das bestreiten wir nicht –, damit es wenigstens in nächster Zukunft den Kommunen besser geht. Hier

gibt es einen entscheidenden Schlüssel, und darüber besteht auf Bundesebene und im Freistaat Bayern völlige Übereinstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden. Dieser entscheidende Schlüssel, auf den es jetzt in besonderer Weise ankommt und über den in den nächsten Wochen für die Zukunft – ich behaupte für alle Zukunft – abschließend entschieden wird, liegt in der Frage, wie es mit der Gewerbesteuer in Bayern und in Deutschland weitergeht. Gott sei Dank sind wir einen halben Schritt weiter, nachdem jetzt alle sagen, dass es mit der Gewerbesteuer weitergehen soll. Das ist schon ein Fortschritt. Nach meiner Information ist das Modell des BDI vom Tisch oder zumindest nicht mehr mehrheitsfähig. Es wird offenbar auch von der Bayerischen Staatsregierung nicht oder wenigstens nicht mehr verfolgt. Das ist in Ordnung.

Was aber kommt stattdessen? Wir stehen auf der Seite der kommunalen Spitzenverbände und meinen, dass wir auch in Zukunft eine Gewerbesteuer brauchen. Wir brauchen sie aus mehreren Gründen, zum einen schon deshalb, weil die Kommunen ein Interesse daran haben müssen, Gewerbe in ihren Landkreis-, Stadt- oder Gemeindegrenzen anzusiedeln. Sie dürfen durch Gewerbeansiedlungen aber nicht nur belastet werden, sondern sie müssen auch steuerliche Einnahmen erzielen. So, wie die Gewerbesteuer jetzt ausgestaltet ist, reicht sie aber nicht aus. Auch darüber sind wir uns mit den kommunalen Spitzenverbänden einig. Die Gewerbesteuer muss erweitert und modernisiert werden. Dafür gibt es zwei Schritte, mit denen die Gewerbesteuer erweitert und modernisiert werden kann.

(Dr. Bernhard (CSU): Warum sagen Sie nicht erhöht, sondern nur erweitert und modernisiert?)

Was heißt hier erhöht? Die Gewerbesteuer wird nicht erhöht. Sie wird auf eine breitere Basis gestellt, und es werden Elemente mit einbezogen, über die ich gleich noch reden werde, Herr Dr. Bernhard.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Wollt ihr nicht, dass die Gemeinden mehr Geld bekommen?)

Mich hat es schon gewundert, dass beim Deutschen Städtetag in der Frage, was die Städte in Deutschland brauchen, einstimmig das Modell beschlossen wurde, hinter dem auch wir stehen; es gab nur vier Gegenstimmen im Plenum aller deutschen Städte. Diese vier Gegenstimmen kamen von den Vertretern der CSUStadtratsfraktion in München.

(Zurufe von der SPD: Respekt! Beschämend!)

Das finde ich blamabel.

(Beifall bei der SPD)

Ich empfinde es als beschämend, dass offensichtlich nur noch die CSU-Stadträte – ich glaube nicht, dass Gemeinderäte mit dabei waren – sich dem widersetzen, was die Kommunen dringend brauchen und bei den entsprechenden Anträgen dagegenstimmen. Das finde ich beschämend. Wir sollten jetzt den Kommunen eigentlich

ein positives Signal geben und ihnen nicht immer mehr in den Rücken fallen, wie Sie es tun.

(Beifall bei der SPD)

Was brauchen die Kommunen, Herr Finanzminister? Sie brauchen eine Gewerbesteuer, die um zwei Elemente verbessert wird. Darüber sollten wir uns ruhig einmal ausführlicher unterhalten.

(Nadler (CSU): Das hätten Sie schon vor einem halben Jahr tun müssen!)

Jetzt sind wir so weit, Herr Kollege, dass wir diese erweiterte Gewerbesteuer endlich durchsetzen könnten, wenn Sie sich auf Bundesebene nicht verweigern würden.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt kommt es darauf an, was Sie tun und was Sie heute sagen. Die kommunalen Spitzenverbände in Bayern werden sehr genau darauf achten, welches Signal Sie heute aussenden. Wir brauchen zwei Elemente, um die wir die Gewerbesteuer erweitern und modernisieren müssen.

Das erste Element: Der Kreis der Betroffenen muss schon um der Gerechtigkeit willen erweitert werden, meine Kolleginnen und Kollegen. Warum muss denn ein Handwerksbetrieb Steuern zahlen, obwohl er schlechter steht als eine Steuerberaterkanzlei mit dreißig oder vierzig Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die ein Höllengeld verdient, von der Gewerbesteuerpflicht aber befreit ist?

(Beifall bei der SPD)

Das sind doch keine Selbstständigen mehr, das sind doch Gewerbebetriebe mit riesigen Umsätzen und einer großen Anzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es gibt überhaupt keinen Grund dafür, dass diese Betriebe von der Gewerbesteuerpflicht befreit werden. Es ist ungerecht, dass diese Betriebe freigestellt sind, ein kleiner Handwerksbetrieb dagegen nicht. Der Protest dieser Betriebe ist gar nicht so lautstark, wie Sie es sich vielleicht wünschen würden, denn die Betroffenen wissen sehr genau, dass sie die Gewerbesteuer, die sie künftig zu zahlen hätten, mit der Einkommensteuer so verrechnen können, dass mit ganz wenigen Ausnahmen überhaupt keine Mehrbelastung entsteht, Herr Kollege Dr. Bernhard.

(Beifall bei der SPD – Dr. Bernhard (CSU): Was ist der Sinn einer solchen Operation? Massenhafte Steuererhöhungen!)

Nämlich dort, wo der Hebesatz für die Gewerbesteuer höher ist.

(Dr. Bernhard (CSU): Was bringt es, wenn man es hinterher bei der Einkommensteuer wieder abzieht? So ein Unsinn!)

Das zweite Element, um das wir die Gewerbesteuer verbessern müssen – das ist noch wichtiger – handeln Sie

unter dem Kapitel Substanzbesteuerung ab und lehnen es ab. Ich sage Ihnen: Hier sind Sie auf dem Holzweg. Ich will es Ihnen anhand zweier Beispiele erläutern: Wenn ein Unternehmer heute seinen Betrieb erweitern könnte, kann und will, dann kann er sich entscheiden, ob er die Erweiterung aus Eigenkapital oder aus Fremdkapital, geliehen von der Bank, finanziert. Finanziert er die Erweiterung aus Eigenkapital, dann bringt ihm das überhaupt keinen steuerlichen Vorteil. Er steckt sein Geld in das Unternehmen und wird dafür steuerlich sogar bestraft. Würde er sich das Geld für diese Betriebserweiterung bei der Bank leihen, dann könnte er die Kreditzinsen für diese Investition zumindest teilweise steuerlich geltend machen und seine Gewerbesteuerlast um diesen Betrag reduzieren. Damit bestrafen Sie Eigenkapital in Deutschland. Deshalb ist es nicht glaubwürdig, sich zu beklagen, dass alle Unternehmen unterfinanziert und mit zu geringen Eigenmitteln ausgestattet sind. Wir müssen Eigenkapital belohnen anstatt steuerliche Vergünstigungen nur für gezahlte Zinsen und kreditfinanziertes unternehmerisches Engagement zu gewähren.

(Beifall bei der SPD)

Das ist auch wirtschaftlich wichtig. Darum müssen wir bei der Berechnung des steuerpflichtigen Betriebsergebnisses – es geht nicht um Substanzbesteuerung, wie Sie es behaupten – Steuern, Leasingraten, Pachten und Lizenzgebühren künftig anders behandeln. Das wollen Sie nicht. Sie machen damit einen schweren Fehler.

Ich will Ihnen das an zwei praktischen Beispielen erläutern: Das ertragsstärkste Kaufhaus in Deutschland steht in München am Marienplatz, der „Kaufhof“. Dieses Unternehmen zahlt keinen Cent Gewerbesteuer. Warum? – Weil dieser Betrieb jedes Jahr in exakt der Höhe des Gewinnes eine Lizenzgebühr an einen Lizenzgeber in Irland abführt. Dieser Betrieb legt Jahr für Jahr eine Lizenzgebühr fest, und zwar genau in der Höhe des zu versteuernden Gewinns. Um diese Lizenzgebühr reduziert man den Gewinn und stellt damit die Gewerbesteuerpflicht auf null. Das kann so nicht bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Das können Sie nicht allen Ernstes so lassen wie es ist. Da geht es nicht um Substanzbesteuerung, sondern es geht um legale Gestaltungsmöglichkeiten in einer Art und Weise, wie wir sie uns schlichtweg nicht mehr leisten können und wollen. Das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen wird dadurch nachhaltig gestört.

Ein weiteres Beispiel: Nahezu alle Unternehmen gliedern ihre Vermögensbestände, ihre Liegenschaften aus. Der Eigentümer dieser Liegenschaften ist dann nicht mehr das Unternehmen, sondern ein anderes Unternehmen, das seinen Sitz ganz woanders hat. Die Mieten, die man dann bezahlt – im Grunde an die eigene Familie, aber an ein anderes Unternehmen – werden ebenfalls steuerlich voll geltend gemacht. Um diesen Betrag wird das Betriebsergebnis geschmälert und die Gewerbesteuerpflicht reduziert. Das ist zwar alles legal, aber so kann es nicht bleiben.

Als der Münchner Oberbürgermeister auf die gleiche Idee gekommen ist, nämlich sein Rathaus zu verpachten und zurückzuleasen, –

(Zuruf von der SPD: Pfui!)

haben Sie, wie ich finde, aus moralischer Sicht zu Recht interveniert.

(Dr. Bernhard (CSU): Ist der Ude unmoralisch?)

Warum soll eine Kommune nicht das Gleiche machen, was Unternehmer seit Jahren von Ihnen unbeanstandet auch tun?

(Beifall bei der SPD)

Stellen wir diesen Unsinn ab, und zwar so, dass ihn sowohl die Unternehmen als auch unsere Kommunen nicht mehr betreiben können. Genau darum, Herr Staatsminister Faltlhauser, geht es beim Modell der kommunalen Spitzenverbände, was die Zukunft der Gewerbesteuer betrifft. Exakt das sind die Punkte, die ich kurz skizziert habe. Wir sagen, dieses soll künftig bei der Festsetzung der Gewerbesteuer zugrunde gelegt werden. Dies als eine unzulässige Substanzbesteuerung in Misskredit zu bringen, ist verfehlt. Wenn es dazu nicht käme, wenn es nicht zur Erweiterung des Kreises der Zahler käme, dann bliebe die Gewerbesteuer unzureichend. Sie muss verbessert werden.

(Beifall bei der SPD)