Ich frage Sie ernsthaft, weil es mir ein Anliegen ist – nicht nur mir, sondern vielen Eltern, vielen Schülerinnen und Schülern und vielen Lehrern; das entnehmen wir Briefen, das entnehmen wir Petitionen –: Wann tun Sie endlich etwas gegen den beträchtlichen und enormen Unterrichtsausfall an unseren Schulen?
Bei uns stehen – das betonen Sie so gerne – viele Stunden auf der Stundentafel, aber leider finden sie nicht statt. Sie geben in den Antworten auf unsere Anfragen an: zwei, drei, vier Prozent der Stunden fallen aus. Geben Sie endlich zu, dass es sich um mindestens fünf, sechs, sieben Prozent handelt, und rechnen Sie alle Stunden dazu, die fachfremd vertreten werden.
Für die Kinder mag es zwar interessant sein, wenn die Hausaufgaben schon in der Schule gemacht werden können, aber das ist nicht der Unterricht, der ihnen zusteht. Solange wir diesen Unterrichtsausfall nicht bekämpfen, werden wir zu keiner verbesserten individuellen Förderung gelangen, weil die Unterrichtszeit kaum ausreicht, um das zu lehren, was eigentlich nach den Lehrplänen gelehrt werden müsste.
Was tun Sie? – Sie sagen, es ist alles nicht so schlimm, rechnen es herunter und sagen dann auf Aufforderung von uns, Sie haben kein Geld, um mehr Lehrerinnen und Lehrer einzustellen. Ich habe gestern gelesen: Diese Forderungen entsprächen einer hilflosen Argumentation. – Ja, ich werde jetzt den Eltern und den Petenten zurückschreiben, dass ich mich leider gezwungen sehe, Ihnen zu sagen, dass es hilflose Politik ist, wenn man die berechtigte Forderung stellt, dass genügend Lehrerinnen und Lehrer eingestellt werden, um den nach der Stundentafel nötigen Unterricht auch wirklich erteilen zu können.
Sie wissen genau, dass die Mobile Reserve, die eigentlich dazu da wäre, Abhilfe zu schaffen, vielerorts nicht einmal ausreicht, um Mutterschutzvertretungen und Vertretungen für Schwangerschaftsausfälle zu gewährleisten, geschweige denn, ein oder zwei längerfristige Krankheitsfälle aufzufangen. Sie wissen so gut wie ich, dass die Budgets für die Gymnasien und die beruflichen Schulen leider so knapp bemessen sind, dass der Unterrichtsausfall vorprogrammiert ist, weil die Budgetlücke dazu führen muss.
Ich frage Sie heute zum wiederholten Male: Wann endlich wollen Sie den Schulen und den Schulaufwandsträgern sagen, wofür Sie die Millionen der Bundesregierung für die Ganztagsschulen verwenden wollen? Sie sagen, Sie haben lange nicht gewusst, wie das gehen soll. Jetzt wissen Sie es doch schon lange genug, tun aber wieder nichts.
Wenn man sich die jetzt intern gehandelten Richtlinien anschaut, dann muss man sagen: Einfacher geht es wohl nicht – das Geld nach unten reichen und sich in kei
ner Weise irgendwie daran beteiligen, geschweige denn, noch einmal darüber nachzudenken, ob es denn wirklich fair ist, den Kommunen im Rahmen der Ganztagsbetreuungsangebote 40% der Personalkosten und nichts darüber hinaus anzubieten.
Ich fordere Sie dringend auf: Legen Sie für die Ganztagsschulen eine kurzfristige und eine mittelfristige Bedarfsplanung auf den Tisch. Sie wissen, dass der Bedarf in keiner Weise gedeckt ist, dass die Nachfrage viel größer ist als diese 30 Ganztagsklassen, die Sie angeboten haben. Sie wissen aber auch, dass im Bereich der von Ihnen so genannten Betreuungsangebote noch viel mehr nötig ist, um den Bedarf zu decken. Ich fordere Sie auf: Beteiligen Sie sich in einem weit höheren Maß an den Personalkosten; denn die Schule ist Aufgabe des Landes.
Wenn Sie schon sonst auf Ihre Kulturhoheit so viel Wert legen, dann halten sie sich auch an die Verantwortung, die Ihnen daraus erwächst.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen alle miteinander, dass die beste Bildungspolitik der macht, der möglichst früh, möglichst intensiv und möglichst individuell fördert. Wir wissen alle, dass Erziehung, Betreuung und Bildung zusammengehören. Warum aber befindet sich dann der vorschulische Bereich nicht im Kultusministerium, sondern im Sozialministerium, und warum haben Sie nicht schon längst alles dafür getan, dass er wieder zum Kultusministerium zurückkommt, das für die Bildung zuständig ist?
Nun sehe ich zu meiner Freude, dass im CSU-Antrag gleich an vorderster Stelle steht, dass frühes Lernen gefördert werden muss. Was steht dann aber im Antrag? – Sie wollen spezielle Beobachtungsbögen austeilen. Mit den Bögen alleine – bitte fragen Sie die Erzieherinnen und Erzieher; ich habe es vor dieser Rede getan – wird es eben nicht getan sein. Sie müssen den Kindergärten und Kindertagesstätten schon auch personelle Unterstützung und Zeit gewähren.
Frau Ministerin, Sie sagen im Landtag das eine, tun draußen aber das andere. Sie kennen das Beispiel der Oberpfalz; denn ich habe es hier schon erwähnt. Wir hatten in der Oberpfalz eine hervorragende Versorgung unserer Kindergärten im Bereich der Sprachheilförderung, solange der Bezirk diese Aufgabe hatte. Dann wurde diese Aufgabe vom Freistaat Bayern übernommen. Sie hatten nichts Eiligeres zu tun, als ein Drittel der Stellen zu kürzen. Die Situation sieht heute so aus, dass von 56 Kindergärten allein im Landkreis Schwandorf ungefähr 5 versorgt sind; zu allen anderen kommt seit dieser Zeit kein einziger Mensch mehr, um die Kinder zu
diagnostizieren, den Eltern und den Erzieherinnen und Erziehern zu sagen, was getan werden muss, um die Defizite im sprachlichen Bereich ausgleichen zu können. Das ist ein typisches Beispiel dafür, dass Reden alleine und das Ausfüllen von Fragebögen alleine wahrscheinlich nichts bringen werden, sondern dass weit mehr notwendig ist.
Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang noch ein paar Bemerkungen zu dem CSU-Entschließungsantrag. Der Antrag nennt sich „Erste Schritte aus der Pisa-Studie“. Wenn Sie ihn durchgelesen haben, dann sollten sie ihn vielleicht betiteln mit „Erste Gedanken zur Pisa-Studie“; denn um wirklich Konsequenzen ableiten zu können, ist der Antrag viel zu dünn, viel zu unverbindlich und viel zu unkonkret.
Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen. In dem Antrag steht, das Übertrittsverfahren muss überprüft werden. Wie soll es denn überprüft werden? Soll es verschärft werden? Soll dem Elternwillen stattgegeben werden? Was soll denn gemacht werden? – Sie werden doch hoffentlich wissen, was Sie wollen. Dann schreiben Sie es auch hinein. Solange wir nämlich nicht wissen, was sich dahinter verbirgt, werden wir diesen Sätzen auch nicht zustimmen können.
Ich meine, Sie stehen mit der Forderung, erste Schritte einzuleiten, in einem klaren Gegensatz zu dem, was die Ministerin sonst sagt. Ich habe Sie schon x-mal hier sagen hören, dass sie schon längst Schritte als Konsequenz aus der Pisa-Studie eingeleitet hat. Jetzt sagen Sie, Sie möchten erste Schritte einleiten. Irgendwie passt das nicht zusammen.
Ein vorrangiges Anliegen muss es uns allen sein, die Grundschule in ihrer Bedeutung aufzuwerten und zu stärken; denn nicht erst seit der Pisa-Studie weiß man, dass die Grundschule als Fundament jeglicher Schullaufbahn eine ganz besondere Bedeutung hat und dass gerade in der Grundschule die Schülerinnen und Schüler wesentlich intensiver und individueller gefördert werden müssen. Dazu müssen die Grundschullehrer aber auch in die Lage versetzt werden.
Frau Hohlmeier, wenn wir das wirklich wollen – das wissen Sie so gut wie ich –, dann müssen wir jetzt die politischen Weichen dafür stellen. Sie wissen so gut wie ich, dass wir in einer Zeit leben, in der die Schülerzahlen zurückgehen werden. Sie wissen, dass es frei werdende Lehrerstellen gibt. Man hat berechnet, bis zu 5000 Lehrerstellen werden an den Grundschulen frei. Ich meine, vor diesem Hintergrund sollten wir gemeinsam den Kraftakt wagen und beschließen, wir lassen diese Stellen den Grundschulen und verwenden sie in den nächsten Jahren dazu, dass dort die Klassen kleiner werden, dass dort Zweitlehrkräfte zur Verfügung stehen und dass individuelle Förderung erfolgt.
Sie wissen genauso gut wie ich – deshalb wollen Sie die Wiedereinführung der Noten in der 2. Klasse –, dass die Grundschulen seit der Einführung der R 6 unter einem enormen Druck stehen und dass der Druck so groß geworden ist, dass die Kinder, die den Übertritt an die Realschule oder das Gymnasium nicht schaffen, sich vorkommen wie die wahren Schulversager. Das kann ja wohl nicht im Sinne des Erfinders sein. Auch um diesem Druck entgegenzuwirken, ist die von mir aufgezeigte Stärkung der Grundschule dringend notwendig. Wegen der frei werdenden Lehrerstellen ist sie auch finanziell leistbar. Dass die Noten von den Eltern gewünscht werden, um dem Druck standhalten zu können, kann ich nachvollziehen; aber pädagogisch ist das eindeutig der falsche Weg. Der Druck wird nach vorn verlagert, aber in keiner Weise geringer.
Ich halte die Wortgutachten immer noch für den richtigen Weg. Wenn Sie feststellen, dass diese Gutachten zu wenig Aussagekraft haben für die Lehrerinnen und Lehrer und vor allem für die Eltern, dann tun Sie etwas dafür, dass die Aussagekraft besser wird. Es hilft ja auch nicht, Aspirin zu nehmen, wenn man Zahnweh hat. In diesem Fall geht man besser zum Zahnarzt. So ist es auch in diesem Fall. Man kann an der Sache an sich etwas verbessern; da gebe ich Ihnen vollkommen Recht.
Ich frage zum wiederholten Mal: Wie soll es mit unseren Hauptschulen weitergehen? Wann tun Sie endlich das Nötigste, um dort die Schulsozialarbeit bedarfsgerecht und so, wie sie gebraucht wird, auszubauen? – Sie wissen, dass die Hauptschulen schon heute, obwohl die R 6 nicht flächendeckend eingeführt worden ist, unter den negativen Folgen in großem Ausmaß zu leiden haben.
Sie wissen, dass zahlreiche Teilhauptschulen vor der Schließung stehen. Sie wissen auch, dass mindestens die Hälfte aller bayerischen Hauptschulen und in dünner besiedelten Gebieten noch mehr – so schätze ich – die Einzügigkeit erreichen werden, weil die zweite 5. Klasse und die zweite 6. Klasse wegfallen. Sie sind nicht bereit, diesen Hauptschulen eine Bestandsgarantie zu geben. Im Gegenteil: Ich habe gelesen, in Niederbayern gibt es Schulamtsdirektoren, die sagen, nach der Wahl wird es eine massive Zusammenlegung der einzügigen Hauptschulen geben, weil der Hauptschullehrplan, den Sie nach der Wahl in Kraft setzen wollen, überhaupt nicht dazu geeignet ist, an einzügigen Hauptschulen umgesetzt zu werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eine Ohrfeige in das Gesicht engagierter Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, die in den letzten Jahren sehr viel getan haben, um ihre Schulen gut auszustatten und vom Bestand her gut in Schuss zu halten.
Die erzieherischen Anforderungen an Lehrerinnen und Lehrer steigen. Sie wissen ebenso gut wie ich, dass es nicht hilft, diese Anforderungen wegzudiskutieren oder zu sagen, wir wollen nicht, dass diese Anforderungen auf die Schule zukommen, sondern dass es angebracht ist, den Schulen die nötige fachliche Unterstützung zur Verfügung zu stellen, so dass sie diesen Anforderungen gerecht werden können. Diese fachliche Unterstützung besteht in einem bedarfsgerechten Ausbau der Schulsozialarbeit. Das kennen Sie, und Sie kennen auch die positiven Ergebnisse der Modellversuche auf diesem Gebiet.
Natürlich kann ich nachvollziehen, dass Lehrerinnen und Lehrer, aber auch geplagte Mitschülerinnen und Mitschüler und Eltern sich wünschen, dass die so genannten Störer aus der Schule ausgeschlossen werden. Aber haben Sie diese Art der Politik auch zu Ende gedacht, Frau Ministerin? Was wollen Sie mit den jungen Menschen tun, wenn sie mit der 7. Klasse ihre Schulpflicht erfüllt haben? Wo wollen Sie sie denn hinstecken? Wann ist jemand überhaupt ein Störer, der ausgeschlossen werden muss? Wer soll das in den Schulen entscheiden? Ich glaube, eine vernünftige und an der Pädagogik orientierte Politik sollte darauf setzen, Schülerinnen und Schülern, die mit erzieherischen Defiziten in die Schule kommen, möglichst früh Hilfestellungen an die Hand zu geben und sie mit geeigneten Menschen zusammenzubringen, so dass diesen Defiziten möglichst früh begegnet werden kann, damit es gar nicht so weit kommt, dass sie aus der Hauptschule oder einer anderen Schule ausgeschlossen werden müssen.
Abschließend zu diesem Thema sage ich zum wiederholten Mal: Tun Sie bitte etwas, bevor die Hauptschulen kaputtgegangen sind; denn recht weit weg davon sind wir nicht, und da male ich nicht den Teufel an die Wand, sondern ich nehme die Realität zur Kenntnis. Dieser Realitätssinn scheint Ihnen zu fehlen.
Frau Hohlmeier, ich frage Sie auch: Welche Möglichkeiten werden Sie den Schulen zur Verfügung stellen, damit die dringend erforderliche individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern ermöglicht wird? Sie wissen so gut wie ich, dass 10% unserer jungen Menschen die Schule ohne Abschluss verlassen. Sie wissen auch, dass diese jungen Menschen Schwierigkeiten haben werden, mit dem Leben und einer beruflichen Tätigkeit zurande zu kommen. Sie wissen, dass 20% unserer Gymnasiasten die Schule vor dem Abitur verlassen, und Sie wissen, dass davon vor allem Kinder aus sozial
schwächeren Familien und aus so genannten bildungsfernen Elternhäusern betroffen sind, und Sie wissen, dass darin eine der Hauptursachen dafür liegt, dass wir erschrocken zur Kenntnis nehmen müssen, dass ein Facharbeiterkind zehnmal weniger Chancen hat, Abitur zu machen, als das Kind eines Akademikers. Sie wissen, dass darin auch eine Ursache dafür liegt, dass es die sozialen Disparitäten gibt, die wir im Bildungsausschuss alle miteinander anhand Ihrer Zahlen feststellen konnten und die nicht abzuleugnen sind.
Sie haben – das entnehme ich erfreut dem CSU-Antrag – jetzt endlich zur Kenntnis genommen und geben zu, dass viel zu viele Kinder die Klasse wiederholen müssen. Ich kann mich erinnern, dass Sie uns nach der Tagung in Irsee ausgelacht und gesagt haben, so ein Quatsch, Sitzenbleiben gibt es fast nicht mehr, und wenn, dann ist es völlig angebracht, da gibt es keine andere Methode. Siehe da, jetzt stellt man fest, dass die Zahl der Klassenwiederholer reduziert werden muss, indem die individuelle Förderung verbessert wird.