Zum fünften Male in Folge hat eine Steuerschätzung massive Steuermindereinnahmen erbracht. Dies ist auch das Ergebnis der Fehler und Versäumnisse der Bundesregierung. Die Steuerausfälle treffen vor allem
die Kassen unserer Kommunen. Zusätzlich hat RotGrün, wie Kollege Herrmann bereits ausführte, den Gemeinden zusätzliche Sonderlasten aufgedrückt, etwa Erhöhung der Gewerbesteuerumlage, Grundsicherung, keinen Euro aus den UMTS-Erlösen. Die Gemeindefinanzreform wurde verschleppt, die erste Sitzung dazu fand erst im Mai 2002 statt. Für diese Fakten sind Sie verantwortlich.
Der Aufschwung kommt, so hat die SPD noch im September des letzten Jahres in Bayern groß plakatiert. Wo bleibt der Aufschwung? – Genau das Gegenteil ist der Fall: Sie führen unser Land in den Abgrund. Nicht alle Grausamkeiten, die in Berlin verursacht werden, können wir allein über den Staatshaushalt in Bayern ausgleichen. Dennoch ist Bayern das kommunalfreundlichste Bundesland in Deutschland.
Im kommunalen Finanzausgleich 2003 betragen die Finanzausgleichsleistungen trotz der Steuerausfälle rund 5,6 Milliarden e, dies ist auch ein Ergebnis zwischen Landtag, Staatsregierung und den kommunalen Spitzenverbänden. Wir haben die Schlüsselzuweisungen für das Jahr 2003 in Höhe des Jahres 2002 fortgeführt.
Auch in Gesprächen mit den kommunalen Spitzenverbänden wurden zusätzliche Finanzmittel aus dem Staatshaushalt eingesetzt.
Ich weise die Behauptung der SPD energisch zurück, Bayern sei im Vergleich der alten Flächenländer bei den Schlüsselzuweisungen das Schlusslicht; denn die Schlüsselzuweisungen sind im Gegensatz zu anderen Ländern in Bayern nur ein Element des kommunalen Finanzausgleichs. In Bayern besteht der kommunale Finanzausgleich aus einer Vielzahl von Leistungen zugunsten der Kommunen. Bayern achtet sehr auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen allgemeinen Deckungsmitteln einerseits und Mitteln für gezielte Einzelförderungen andererseits.
Aussagekräftig ist hier vor allem die Gesamtsumme der Landesleistungen nach dem FAG. Insofern liegt Bayern in Deutschland seit Jahren mit an der Spitze. Die SPD will die Bürger mit ihren Aussagen bewusst irreführen. Dies werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen, sondern Sie zur Wahrheit zwingen.
Die CSU und die Staatsregierung haben Interesse an einer zügigen Hilfe für die Kommunen. Die von uns
bereits angekündigte Reform des kommunalen Finanzausgleichs wurde vorab mit Sofortmaßnahmen eingeleitet. Ich erinnere an die Entscheidung im Zuge des Doppelhaushalts, die Berücksichtigung der Hilfe zur Arbeit beim Sozialhilfeantrag, der Schlüsselzuweisungen und an die volle Kostenübernahme des Asylbewerberleistungsgesetzes, eine Entlastung für die Bezirke ab dem Jahre 2003 in Höhe von 79 Millionen e. Ich möchte auch daran erinnern, dass der Freistaat Bayern bereits jetzt jährlich über 500 Millionen e für die Kinderbetreuung aufwendet.
Diese Daten und Fakten zeigen, dass vor allem Bayern zu seinen Kommunen steht. Für den Nachtragshaushalt 2004 werden wir zusätzliche staatliche Hilfen für die Bezirke zur Bewältigung der Sozialhilfeaufgaben prüfen. Wir lassen die Bezirke und damit unsere Kommunen in Bayern nicht im Stich.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir müssen aber auch den Mut haben, die Ausgabenseite zu regeln. Die Kollegen Herrmann und Ettengruber haben das bereits angesprochen. Dazu gehört die Kinder- und Jugendhilfe. Hier sind die Kosten in den letzten Jahren um mehr als 4 Milliarden e auf 18,5 Milliarden e gestiegen. Durch eine Konzentration der Hilfsmaßnahmen können wir hier bis zu 200 Millionen e an Entlastungen für unsere Kommunen erreichen.
Wir sind alle neugierig darauf, wie sich die SPD am kommenden Freitag im Bundesrat verhalten wird, wenn die Bundesratsinitiative Bayerns eingebracht wird. Dann können Sie Ihre Kommunalfreundlichkeit zeigen. Bisher haben Sie den Kommunen in unserem Lande bei wichtigen Entscheidungen in der Bundespolitik die kalte Schulter gezeigt. Die CSU-Landtagsfraktion wird weiterhin ein fairer Partner der Kommunen sein. Ich möchte nochmals betonen, dass wir uns unserer Verantwortung bewusst sind.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ohne Zweifel ist es richtig, festzustellen, dass sich unser Land in einer ernsten Lage befindet.
(Loscher-Frühwald (CSU): In einer dramatischen Situation! – Willi Müller (CSU): Aufgrund Ihrer Bundespolitik!)
Es ist müßig, hier mit Schuldzuweisungen von der einen zur anderen Seite des Hauses zu operieren oder mit Schuldzuweisungen diese Debatte zu bestreiten. Die Situation ist dafür viel zu ernst, und zwar nicht nur für die Kommunen. Es geht letztlich um die Sicherung des Wohlstandsniveaus, das wir seit Jahrzehnten haben, für breite Schichten.
(Hofmann (CSU): Das hättest du dem Maget vorher sagen sollen! – Willi Müller (CSU): Die SPD hat das noch nicht begriffen!)
Da in diesem Land Angstsparen an der Tagesordnung ist, die Kaufkraft stagniert, da eine Eurostärke herrscht, die sich zu einer Exportbremse entwickeln kann, ist auch die Gefahr einer Deflation nicht von der Hand zu weisen. Kolleginnen und Kollegen, in einer solchen Situation ist die erste Pflicht, auch von Abgeordneten dieses Hauses, eine gesamtstaatliche Verantwortung.
Es gilt, die gesamtstaatliche Verantwortung und die gemeinsame Verantwortung für die Kommunen vor Parteiinteressen zu setzen; denn nur eine gemeinsame Verantwortung, beispielsweise von Rot-Grün im Bundestag und von CDU/CSU im Bundesrat, kann – das wissen Sie ganz genau – schnell zu einer Verbesserung der Situation ab 1. Januar 2004 führen. Es geht um elementare Lebensgrundlagen, um die Sicherung des Wohlstands für breite Bevölkerungsschichten. Die größten Ausgabenposten der Kommunen sind Straßenbau, Sozialhilfe, Gesundheitswesen, Schulen, Sport, kulturelle Aufgaben, Bau- und Wohnungswesen. Das heißt, dass auch diese Staatsregierung dazu aufgefordert ist, konstruktiv an der Gemeindefinanzreform mitzuwirken, und zwar an der ersten Gemeindefinanzreform seit über 30 Jahren. Sie ist überfällig.
Dazu gehört auch: Wer, wie die CSU-Staatsregierung, Milliardenforderungen an Berlin richtet, muss auch Deckungsvorschläge dafür unterbreiten und sie nicht nur von der Opposition in diesem Hause einfordern.
Dazu gehört auch, dass sich diese Staatsregierung bei der Revitalisierung der Gewerbesteuer klar und deutlich positioniert. Herr Beckstein hat sich gestern in Berching erneut um eine klare Position gedrückt. Er hat die Übernahme des Städtetagmodells im Verhältnis 1 : 1 abgelehnt, weil zu viele ertragsabhängige Elemente darin enthalten seien. Wer eine solche Haltung einnimmt, drückt sich um eine klare Position. Er will offensichtlich schon wieder Ausnahmetatbestände durch die Hintertüre zulassen. Genau das ist der falsche Weg, weil Ausnahmetatbestände letztlich nichts anderes als Subventionen sind.
Am 20. Juni, also in knapp vier Wochen, tagt erneut der Arbeitskreis Kommunalsteuern. Bis dahin muss sich auch die CSU entscheiden, was sie konkret will, ob sie das BDI-Modell in veränderter Form haben will und nur vorgaukelt, dass sie das Modell der kommunalen Spitzenverbände zur Grundlage machen will. Wenn sie das nicht tut, gefährdet sie das In-Kraft-Treten der Gemeindefinanzreform zum 1. Januar 2004 und begibt sich damit in eine Blockadehaltung. Genau das ist es, was ich vorhin mit dem Begriff gesamtstaatliche Verantwortung angemahnt habe. Werden Sie dieser gerecht; sonst haben Sie jedes Recht verwirkt, Kritik an der Bundesregierung in Berlin zu üben.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der letzten Steuerschätzung vom Mai fehlen in der Bundesrepublik Deutschland allen Ebenen staatlichen und gemeindlichen Handelns 126 Milliarden e.
Ich mache deutlich: Diese 126 Milliarden e sind eindeutig nicht irgendwelche Nebenergebnisse von Steuersenkungsmaßnahmen – die waren nämlich auch schon in der alten Schätzung enthalten –, sondern sind das Ergebnis von Wachstumsverlust. Alle einschlägigen internationalen und nationalen Institute und Experten sagen: Dieser Wachstumsverlust ist hausgemacht, ist das Ergebnis der Politik der Bundesregierung in Berlin. Das heißt: Auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene fehlt die große Masse des Geldes deshalb, weil die Bundesregierung eine verfehlte Politik betrieben hat. Das ist keine gebetsmühlenhafte Wiederholung, kein politisch aggressiver Akt, wenn ich das hier sage, sondern die Feststellung von Grundtatsachen.
Die Bundesregierung, die 1998 angetreten ist, hat durchaus erkannt, dass es auf kommunaler Ebene etwas zu tun gibt. Das hat sie in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben. Geschehen ist aber fast vier Jahre nichts. Diesen Zeitverlust müssen heute die Kommunen büßen.
Die zeitliche Verzögerung ist durch die Methode der Problemlösung fortgesetzt worden. Anstatt Verantwortung durch Entscheidungen zu übernehmen, wie man es von einer Bundesregierung verlangen kann, hat sie eine riesige Kommission eingesetzt, von der man von vornherein erwarten konnte, dass sie nicht zu einem ordentlichen Ergebnis kommen kann, weil die darin vertretenen Interessen zu unterschiedlich sind. Sie werden in dieser Kommission Herrn Rogowski und Herrn Bsirske nicht auf eine gemeinsame Position bringen. Das wusste man vorher; das hätte man anders machen müssen. Das hat wiederum zu einem Jahr Verzögerung geführt.
Jetzt sagen Sie, wir sollten uns präzise positionieren. Es ist aber die Bundesregierung, die nicht positioniert ist. Es war ein bemerkenswerter Vorgang, den Kollege Beckstein und ich in der letzten Kommissionssitzung miterleben durften. Der Innenminister des Landes NordrheinWestfalen, Herr Behrens, hat eine vorbereitete Rede in peinlicher Weise heruntergelesen, in der ein volles Bekenntnis zum Konzept der kommunalen Spitzenverbände enthalten war. Ich habe das in vornehmer Weise kritisiert, wie ich das üblicherweise mache.
Dann hat Herr Clement, der ehemalige Ministerpräsident des Landes, ebenfalls den Minister Behrens kritisiert,
und zwar in einer Weise, wie ich sie selten erlebt habe. Er hat den Innenminister abgewatscht und ihn gefragt, ob er denn keine Ahnung habe, was eine Substanzbesteuerung sei. Eine Substanzbesteuerung ist aber genau in massiver Weise im Konzept der kommunalen Spitzenverbände vorgesehen.
Kolleginnen und Kollegen, erwartet werden in diesem Jahr in der Bundesrepublik Deutschland 44000 Insolvenzen. Dadurch entsteht wiederum eine Menge an Arbeitslosen. Die Zahl von 44000 können Sie getrost um 10000 oder 20000 nach oben korrigieren, wenn eine derartige Substanzbesteuerung kommt, wenn also Unternehmen zusätzlich Steuern zahlen müssen, obwohl sie nicht mehr Erträge haben.
Auf diesen wahren Sachverhalt hat Bundesminister Clement hingewiesen. Das heißt, die Bundesregierung ist in massiver Weise zerstritten und hat bis jetzt kein Konzept vorgelegt, obwohl sie ihrerseits durch die Mehrheit der Bevölkerung – wenn es auch nur eine knappe war – die Verantwortung trägt. Gleichgültig, liebe Kolleginnen und Kollegen, welche Art Konzept man wählt – ob eine Revitalisierung oder ein Zuschlagsmodell – eines ist heute schon sicher: Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Bundesregierung voraussichtlich erst im September 2003 ein Gesetz vorlegen wird, wird bis zum 1. Januar 2004 kein kassenwirksames Konzept für die Kommunen vorliegen. Kommen Sie ans Rednerpult und widerlegen Sie diese Aussage.
Wenn es aber so ist, dass das neue Konzept zum 01. 01. 2004 nicht kassenwirksam sein kann, brauchen wir eine Sofortlösung. Dazu brauchen wir, wie CSU, Ministerpräsident Dr. Stoiber und mittlerweile auch die CDU vorschlagen, Einsparungskomponenten mit einer Reihe von Maßnahmen, damit die Ausgaben der Kommunen nicht dynamisch wachsen. Wir brauchen zweitens Einnahmenverbesserungen. Unsere Vorschläge lauten erneut: Senkung der Gewerbesteuerumlage und zunächst für ein Jahr Erhöhung des Mehrwertsteueranteils von 2,2 Prozent auf 3 Prozent. Kollege Herrmann hat darauf verwiesen, dass die Senkung der Gewerbesteuerumlage einmal im Bundestag vorgelegt und von der SPD-Mehrheit abgeschmettert wurde, im Bundesrat zweimal vorgelegt und von SPD-Ländern abgelehnt wurde und dann noch einmal von der Bundestagsmehrheit. Wir werden am morgigen Freitag im Bundesratsplenum das Sofortprogramm in Gesetzesform vorlegen. Ich werde es im Bundesrat begründen.
Die SPD bekommt erneut die Chance, einem derart zwingend notwenigen Sofortprogramm ihre Zustimmung zu geben.