Die frühe Selbständigkeit ist ein ganz wichtiges Mittel der Eliteförderung. Sie kostet nichts, man muss sie einfach nur wollen und zu den jungen Leuten Vertrauen haben.
Ich sage abschließend, dass ich mich sehr darüber freue, dass es nun zu gelingen scheint, ein so wichtiges Werk als erstes Land in Deutschland anzupacken. Man kann nur sagen, um lateinisch zu schließen: Vivant sequentes. Die anderen Länder mögen möglichst bald nachfolgen, damit Deutschland bei der Eliteförderung besser dasteht.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! So läuft es nun einmal in der bayerischen Politik. Der Ministerpräsident kündigt im Januar in Prahlhansmanier in einer bildungspolitischen Kahlschlagrede vollmundig Elitestudiengänge für Bayern an. Sie, Herr Minister, müssen dann die Suppe auslöffeln und schauen, wie Sie daraus noch etwas halbwegs Vernünftiges zustande bringen.
Was heißt eigentlich Eliteförderung? Welche Elite hatte Staatsminister Huber im Sinn, als er zur Eröffnung der Messe „Embedded World“ am 17. Februar 2003 in Nürnberg formulierte: „Wie gut, dass niemand daran denkt, dass mich ein Computer lenkt.“ Welche Elite hatte er im Sinn, als er wenig später ausführte, dass für das geplante Elitenetzwerk die Themenfelder der HightechOffensive profilbestimmende Schwerpunkte bleiben würden?
Oder folgen Sie den Vorstellungen eines gewissen Hochschulpräsidenten, der ein ganz besonders treuer Gefolgsmann Ihres Ministerpräsidenten ist. Oder folgte der Ministerpräsident eher dem Hochschulpräsidenten, der sich, seine Universität und seine Profession immer schon für die einzig wahre Elite hält. Seine Hochbegabung reichte aber nicht dafür aus, um die eigene Steuererklärung auszufüllen.
Oder ist Eliteförderung gar die chinesische Art der Elitebildung, die Stoiber bei seiner Reise im April so fasziniert und beeindruckt hatte, dass er laut der „Süddeutschen Zeitung“ sagte: „Die Bereitschaft, sich zu quälen, ist schon erstaunlich.“
Nein, Herr Minister Zehetmair, ich hoffe doch sehr, dass wir von Ihnen mehr erwarten dürfen. Eliteförderung muss Begabtenförderung sein. Eliteförderung muss den Anspruch haben, Begabungen von jungen Menschen in ihrer unterschiedlichsten Form und Ausprägung zu erkennen und zu entfalten. Begabtenförderung, also die Förderung individueller Talente in ihrem Zusammenwirken, ist immer Biographieförderung. Sie ist somit Vermittlung von Bildung in einem ganz umfassenden Sinn. Diese Bildung ist zu allererst Bildung ad hominem, also Bildung des Menschen für andere Menschen.
Damit legitimiert sich die Eliteförderung als gesellschaftliche Aufgabe. Elite ist nicht einfach vorhanden, Elite kann sich entwickeln. Genauer: Eliten können sich entwickeln. Mitglieder von Eliten können schließlich Schlüsselpositionen gesellschaftlicher Entscheidungs- und Verantwortungsbereiche besetzen und somit maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung der Zukunft unseres Staates, unserer Gesellschaft und unserer Kultur nehmen. Deshalb dürfen Eliten sich immer nur als Verantwortungseli
ten verstehen. Ich spreche ganz bewusst von Eliten und nicht von Elite. Das ist nicht Ausdruck von Beliebigkeit, sondern Ausdruck von demokratischer Vielfalt und gesellschaftlicher Pluralität.
Eine Elite für Bayern mögen Sie sich wünschen. Das würde in Ihr schwarzes Weltbild passen. In einer demokratischen, pluralistischen und weltoffenen Gesellschaft kann es aber nur Eliten geben.
Verantwortungseliten müssen demokratische Partizipation und somit die Kontrolle der Eliten durch die Menschen, für die sie Verantwortung tragen und denen sie schließlich auch ihre Position verdanken, als Chance und Voraussetzung ihres Handelns in der Gesellschaft sehen.
Ich möchte es sehr deutlich machen, dass für uns Grüne hierin die Legitimation einer Elitenförderung liegt. Eine staatliche Elitenförderung, die einzig und allein die individuelle Karriereförderung im Auge hat oder die sich auf einen wirtschaftlichen Standortfaktor verengt, die sich nur nach den Bedürfnissen der globalisierten Märkte ausrichtet und nicht einem ganzheitlichen Bildungsanspruch folgt, lehnen wir ab.
Wer wird nun zu den Eliten gehören, die Sie fördern wollen? Sie sagen, Sie haben die leistungsbereiten jungen Menschen im Blick. Herr Minister, Ihr Hinweis auf die studentischen Protestbewegungen – Stichwort „Great Refusal“ – wirkt schon etwas platt und konstruiert. Es mag sein, dass es bei der CSU die interne Order gibt, in jeder kulturpolitischen Rede zumindest einmal die wilden Sechziger und Siebziger zu erwähnen. Die Kultusministerin tut das auch allzu gerne. Ich bin Jahrgang 1965. Mich können Sie damit nicht beeindrucken. Als ideologische Unterfütterung einer elitären, konservativen und restaurativen Bildungspolitik taugt dies jedenfalls nicht. Herr Minister, das haben Sie doch auch gar nicht nötig. Mir ist jedenfalls nicht bekannt, dass wir einen Mangel an Leistungsbereitschaft bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu beklagen hätten. Das gibt auch Pisa nicht her, und das gibt keine der Studien her, die uns vorliegen. Vielmehr werden durch die Rahmenbedingungen unserer Bildungseinrichtungen – angefangen vom Kindergarten über die Schulen bis hin zur Universität – Motivation und Leistungsbereitschaft leider allzu häufig gebremst. Es fehlen individuelle Förderung und individuelle Entfaltungsmöglichkeiten sowie ein Raum für Kreativität. Der Zugang zu den Eliten muss offen sein. Elitenförderung muss dem Anspruch der Chancenund Bildungsgerechtigkeit standhalten können, sonst läuft sie fehl.
Außergewöhnliche Begabung zeigt sich nun einmal nicht bei jeder und jedem gleich vom ersten Schultag an. Gerade im universitären Bereich gibt es sehr unterschiedliche Entwicklungswege. Deshalb sollte es auch Einstiegsmöglichkeiten in höheren Semestern geben, Fördermöglichkeiten für Spätzünderinnen und Spätzünder, für Studierende im Zweitstudium sowie für junge Menschen, die über eine Berufsausbildung an die Hochschulen und Universitäten kommen. Natürlich muss die Eliteförderung auch die Fachhochschulen ganz und gar einbeziehen. In diesem Punkt ist Ihr Konzept sehr dünn; zumindest in der schriftlichen Fassung kommt dies gar nicht vor, Sie haben gerade mit einem Halbsatz die Fachhochschulen erwähnt
Was wir nicht wollen – wir werden sehr genau beobachten, wie sich das entwickelt – sind neue elitäre Clubs, wir wollen keine Seilschaften, keine weitere Verfilzung, davon haben wir in Bayern schon genug.
Die Förderung der Eliten muss auf demokratischen Strukturen beruhen. Auswahlverfahren müssen transparent sein.
Ich komme zu einem wichtigen Punkt: Herr Minister, das nenne ich Chuzpe. Sie packen mit dem Elitenetzwerk ein Thema an, das eine gewaltige Herausforderung darstellt, vor dem Hintergrund, dass Sie bei einer ähnlichen Herausforderung bisher nur sehr magere Ergebnisse vorzuweisen haben. Wir haben in unserem Land nämlich eine Elite, die schon sehr lange darauf wartet, entsprechend ihrer Fähigkeiten und Begabungen gefördert zu werden; das sind die jungen Frauen.
An Leistungsbereitschaft fehlt es ihnen nicht, an Begabung auch nicht. Sie haben die besseren Abiturnoten und machen die besseren Abschlüsse an den Universitäten. Doch wo ist das staatliche, organisatorisch und finanziell so komfortabel ausgestattete Netzwerk für diese Elite? Wir werden sehr genau darauf achten, dass
die jungen Frauen im bayerischen Elitenetzwerk nicht wieder zu kurz kommen. Die Auswahlverfahren müssen so angelegt sein, dass Geschlechtergerechtigkeit garantiert ist. Nur allzu oft orientiert sich gerade die Scientific Community noch an Modellen eines typisch männlichen Konkurrenzverhaltens. Der Herrenclub Hochschule verfügt mit Sicherheit nicht über die Kompetenz zur geschlechtergerechten Elitenförderung.
Sie fordern zu Recht einen vollen Einsatz der Geförderten. Ich kenne im Übrigen viele normale Studierende und Promovierende, für die die 38,5-Stunden-Woche ein Fremdwort ist. Auch hierfür müssen die Rahmenbedingungen passen. Vereinbarkeit von Familie und Studium muss auch ein Thema sein. Dies haben die Begabtenförderungswerke in Deutschland zumindest zum Teil – von den kirchlichen weiß ich es ganz genau – schon seit langem erkannt. Studierende und forschende Eltern dürfen nicht von der Elitenförderung aufgrund schlechter Rahmenbedingungen ausgeschlossen werden. Verlängerung der Förderung, Teilzeitstudium oder Kinderbetreuung sind hier die Stichworte. Die Elitenförderung muss die individuelle Lebenssituation der jungen Menschen, die gefördert werden sollen, mit einbeziehen.
Das Elitenetzwerk soll den Forschungsstandort Bayern nach vorne bringen. Herr Minister, auch Sie haben heute in das große Lamento über den angeblichen „Brain Drain“ aus Deutschland angestimmt. Ganz falsch ist das sicher nicht. Aber gerade in letzter Zeit zeigt sich, dass diese Sache so einfach nicht ist. Dank großer finanzieller Anstrengungen der Bundesregierung und dank intelligent konstruierter Förderprogramme ist es gelungen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Ausland für Deutschland zu gewinnen und deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Ausland zurückzuholen. Im Übrigen ist gerade die von Ihnen so ungeliebte Juniorprofessur für junge Forscherinnen und Forscher aus dem Ausland attraktiv.
Am Beispiel USA sehen wir ganz aktuell sehr deutlich, wie wichtig weiche Standortfaktoren für die Bewertung eines Forschungsstandortes sind. Seit sich das politische Klima in den USA infolge des 11. September verändert hat – Misstrauen gegenüber Ausländerinnen und Ausländern ist gewachsen, Einreise- und Arbeitsbedingungen haben sich verschlechtert – verlieren die USA an Attraktivität für ausländische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Internationalität und Weltoffenheit unserer Gesellschaft und unserer Wissenschaftslandschaft sind entscheidende Faktoren im Wettbewerb um die besten Köpfe.
Deshalb, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ist es so fatal, dass Sie sich einer vernünftigen zukunftsfähigen Zuwanderungspolitik immer noch verschließen.
Sie blockieren die Entwicklung Deutschlands zu einer weltoffenen Gesellschaft. Mit dieser konservativen Ab
schottungspolitik richten Sie einen Schaden an, den Ihr Wissenschaftsminister auch mit noch so gut gemeinten Elitenetzwerken nicht ausbügeln kann.
Mag das Programm auch international angelegt sein, mögen Auslandsaufenthalte auch wichtige Bausteine der bayerischen Eliteförderung sein, entscheidend wird sein, wie die bayerische Gesellschaft und Politik Ausländerinnen und Ausländern begegnet und ob sich die Menschen aus anderen Ländern bei uns wohl und willkommen fühlen können. Mag Beckstein zwischen guten und schlechten Ausländerinnen und Ausländern unterscheiden, die Menschen aus dem Ausland werden es nicht tun. Es wird sie nicht beruhigen können, in Bayern eventuell zu den Guten gerechnet zu werden, denn wenn sie oder ihre Kinder auf den Straßen Bayerns oder in unseren Städten unterwegs sind, so sieht man es ihnen nicht an, dass sie oder ihre Eltern zur wissenschaftlichen Elite gehören. Dann trifft sie wie jede andere oder jeden anderen auch die ganze Härte der bayerischen Ausländerpolitik.
Auf diesem Feld haben Sie noch einen weiten Weg vor sich. Nur ein weltoffenes Bayern wird auch in der Eliteförderung erfolgreich sein können.