Gerade bei der Ausbildung sollten wir uns den Schweizer Denkmodellen nähern. Dort gibt es eine relativ geringe Zahl von Ausbildungsgängen, gleichzeitig aber eine hohe betriebliche Weiterqualifizierung. Wir müssen auch denen Perspektiven eröffnen, die bislang in ungelernten oder in angelernten Tätigkeiten ein Auskommen gefunden haben, deren Begabungsstruktur den Anforderungen der klassischen Berufsausbildung aber nicht entspricht. Wir müssen ernsthaft darüber nachdenken, wie wir mit differenzierten theoretischen Anforderungen im beruflichen Bereich neue Perspektiven eröffnen können.
Auch Ausbildungen mit unterschiedlicher Dauer, wie sie zum Beispiel von Vertretern des Dachdeckerhandwerks vorgeschlagen wird, muss in die Diskussion einbezogen werden.
Auch ist die Verbundausbildung in der Praxis noch nicht in dem Maße präsent, wie man sich das wünschen würde. Auch dafür muss verstärkt geworben werden.
Nicht zuletzt müssen wir darüber nachdenken – ich weiß, dass es auf Oppositionsseite Sympathie hierfür gibt –, ob Neugründungen und Erweiterungen von Berufsfachschulen sinnvoll sein könnten. Ich sage, das ist nur dann der Fall, wenn man in enger Abstimmung mit der Wirtschaft handelt, weil nur dann die Perspektiven eröffnet werden, die wir uns erwarten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, ich würde mir wünschen, dass wir den Weg, verstärkte Praxisbezüge in der klassischen Hauptschule herzustellen und Ähnliches, ein Stück gemeinsam gehen; denn Polarisierung ohne Not – wie es beim ersten Redebeitrag angeklungen ist – hilft garantiert einem nicht: dem Jugendlichen, der einen Arbeitsplatz sucht und zunächst einmal einen Ausbildungsplatz braucht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin froh, dass wir alle einsehen, dass es sich bei der Frage nach der Zukunft unserer jungen Leute in Bayern um eine sehr ernste Angelegenheit handelt und dass die aktuellen Daten alles andere als positiv sind. Die Daten sind nicht so, wie wir sie uns wünschen. Deshalb müssen wir über das hinaus handeln, was in den letzten Jahren getan worden ist. Die Situation ist eine andere als die, die wir vor einigen Jahren hatten, als die Zahlen bedeutend besser waren.
Ich meine, dass hier auch Möglichkeiten für den Freistaat Bayern bestehen. Ich kenne die Klagen von vielen Kammern, die sagen, die Ausbildungsfähigkeit der Hauptschulabgänger ist mangelhaft.
Meiner Meinung nach werden die Hauptschulen in immer größerem Maß im wahrsten Sinne des Wortes links liegen gelassen.
Diese Klagen der Kammern können Sie nicht wegdiskutieren. Je besser die Schulbildung, umso größer ist die Chance, einen Ausbildungsplatz zu finden. Hier besteht ein enger Zusammenhang. Sie müssen sich nur einmal ansehen, wie sich die Zahl derer, die noch keinen Ausbildungsplatz haben, zusammensetzt. Das sind vor allem Leute ohne Quali und Leute, die keinen Abschluss haben. Maximal haben sie einen Qualifizierenden Hauptschulabschluss. Das sollte uns zu denken geben. Hier müssen wir ansetzen. Das ist eine Sache des Freistaates.
Ich möchte auf die vielen Betriebe zu sprechen kommen, die nicht ausbilden. Dazu gehören leider auch 40% der Handwerksbetriebe in Deutschland. 40% der Handwerksbetriebe bilden nicht aus; das muss man hier einmal deutlich sagen. Da spielt es auch keine große Rolle, ob die Zahl der in der Anlage A zur Handwerksordnung aufgeführten Gewerke richtig ist. Ist Herr Kollege Dinglreiter noch da? – Das ist der Fall. Wichtig ist, dass hier Zukunftschancen für die jungen Menschen bestehen. Dass die Aussichten am Bau und bei den Bäckern über einen längeren Zeitraum nicht besonders gut sind, ist wohl jedem einsichtig.
Ich meine, die Bundesregierung nimmt das Problem sehr ernst mit ihrer Aussage, dass wir hier zu Lösungen kommen müssen und für alle unter Fünfundzwanzigjährigen und insbesondere für die Schulabgänger ein Angebot für eine berufliche Ausbildung machen müssen. Die Bundesregierung nimmt das Problem so ernst, dass sie in einem ersten Schritt zusammen mit den Vertretern der Wirtschaft einschließlich des Zentralverbands des Handwerks und mit den Gewerkschaften in der letzten Woche die Absprache getroffen hat, dass dieses Problem gelöst wird. Wenn das nicht der Fall ist, dann sind alle möglichen anderen Lösungen denkbar. Es ist auch keine unanständige Forderung, zu verlangen, dass die Betriebe, die nicht ausbilden, etwas dazu beitragen sollen, weil die Ausbildung nun einmal etwas kostet.
Kolleginnen und Kollegen von der CSU, so weit von der Wirklichkeit ist das nicht entfernt. In der Bauwirtschaft ist es heute so, dass diejenigen aus dem Gesamtverbund, die ausbilden, einen Bonus ausbezahlt bekommen. Alle zahlen in diese Kasse ein. Was ist das denn anderes? – Diese Überlegung sollte uns nicht so fern liegen.
haben, einsetzen, dann muss es möglich sein, allen jungen Leuten einen Ausbildungsplatz anzubieten. Sie haben ein Anrecht darauf. Das ist die Mindestforderung, die wir als Politiker aufstellen und durchsetzen müssen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die Jugendstudien der letzten Monate haben bei aller Differenziertheit eine klare Aussage getroffen: Die meisten jungen Leute sind in Bezug auf ihre berufliche Zukunft motiviert und leistungsbereit. Die jungen Leute haben in den vergangenen Jahren gute Perspektiven vorgefunden. Jeder hat in Bayern einen Ausbildungsplatz gefunden oder über schulische Weiterbildung seine Qualifikation verbessert. Aufgrund der guten Mittelstandspolitik, aufgrund der Förderung und nicht aufgrund der Verhinderung von Existenzgründungen in Bayern haben wir diese guten Perspektiven überhaupt erarbeiten können.
Die jetzige Krise ist hausgemacht, und zwar auf Bundesebene. Schuld daran ist eine desaströse Steuer-, Wirtschafts- und Finanzpolitik. 37000 Insolvenzen rauben Arbeits- und Ausbildungsplätze, gerade im Handwerk, wo die meisten Lehrstellen angeboten werden. Das Problem ist nicht in erster Linie der schwache Export, sondern es sind die eigenen Fehler im Inland. Leider fehlen der Wirtschaft die notwendigen Perspektiven und das Vertrauen in die Rahmenbedingungen. Das müssen die Jugendlichen bezahlen, denen jetzt weniger Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen. Zudem sehen wir uns mit starken Jahrgängen konfrontiert, die das Problem quantitativ verstärken.
Dabei ist gerade die Phase des Einstiegs in das Berufsleben so wichtig und prägend für die jungen Menschen. Hier sammelt er oder sie die ersten Erfahrungen; hier können Einstellungen noch einmal neu geformt werden. Bieten Sie deshalb auf Bundesebene ähnliche Perspektiven an, wie dies die Staatsregierung tut!
Das Gespräch, das in diesen Tagen mit den Spitzenverbänden geführt wurde, ist genau das richtige Signal und nicht ein Drohen mit der Umlagekeule, wie es reflexartig von SPD und Gewerkschaften aus der politischen Mottenkiste hervorgeholt worden ist. Wenn Sie von der SPD und den GRÜNEN die letzte Ausgabe der Zeitschrift des Informationsdienstes der Wirtschaft gelesen haben, dann wissen Sie sicher, dass gerade die von Herrn Dr. Scholz angesprochenen Umlagemodelle nicht funktionieren. Die Großen kaufen sich frei, und den Kleinen legt man weitere finanzielle Fesseln an. Das bedeutet weniger Spielraum, weniger Freiraum, mehr Staat und damit mehr Bürokratie. Das kann es doch wohl nicht sein.
Außerdem finde ich es bemerkenswert, dass gerade für die Schwächeren und Jüngeren die Zuschüsse der Bundesanstalt für Arbeit gekürzt werden sollen.
Das ist immer noch in der Diskussion. Noch ist es nicht vom Tisch. Es geht um Sprachkurse und Weiterbildungsprogramme.
Herr Kollege Obermeier hat schon darauf hingewiesen, dass beim Zivildienst seit dem 1. März niemand mehr genommen werden konnte. Erst ab dem 1. Juli sollen wieder Zivildienstleistende eingestellt werden. Damit raubt man den Jugendlichen die Planungssicherheit. Sie wissen nicht, ob und wann sie Ausbildungsplätze annehmen und antreten können. Wir haben aber gute bayerische Programme, die über die Jugendhilfe entwickelt worden sind und auf die man hinweisen sollte. Sie bieten Perspektive.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Umfragen sagen uns, dass 80% der Bundesbürger in Bayern leben wollen. Insbesondere viele junge Menschen aus den neuen Bundesländern vollziehen diesen sicher nicht leichten Schritt tatsächlich.
Heute Vormittag war auf Bayern Zwei eine schöne Reportage zu hören, in der genau das dargestellt wurde, dass – so ein Zitat – rund 75% eines Altersjahrgangs aus Sachsen gerne nach Bayern kommen. Sicherlich tragen Landschaft und Menschen viel dazu bei. Aber in erster Linie sind es die positiven wirtschaftlichen Rahmendaten, die Perspektiven und das gute Wirtschaftsklima, warum sich junge Menschen gerade auch für Bayern entscheiden.
Auf die soziale Kompetenz, die Herr Wahnschaffe angesprochen hat, gehen wir in den neuen Lehrplänen bereits ein; dies wird umgesetzt. Die eigenen Ausbildungskapazitäten haben wir bei der Finanzverwaltung und der Polizei deutlich erhöht, gerade auch für das kommende Jahr. Dass die Hauptschule ohne Zweifel nicht links liegen gelassen wurde, konnte man gerade in der letzten Woche sehen, als der Ministerpräsident bei seinem Kabinettsbesuch in Niederbayern eine Hauptschule besuchte und von den Hauptschülern wie ein Popstar gefeiert wurde. Dieses tolle Erlebnis zeigt, dass die jungen Leute auch an die Politik eine gute Anbindung haben.
Ich habe leider keine Zeit mehr. Ich möchte noch kurz auf die Praxisklassen eingehen. Hier haben wir gute Perspektiven angeboten für Leute, die am Ausbildungsmarkt ohne dieses Modell keine Chance gehabt hätten.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Einige Aussagen von Kollegen der CSU machen schon nachdenklich. Herr Sibler, Sie haben sich nicht informiert; denn Ihre Aussagen zur Bundesanstalt und zum Zivildienst sind nicht auf der Höhe der Zeit. Noch mehr Sorgen macht mir Herr Kollege Dinglreiter mit seiner Aussage, erstmals in Bayern mache ihm der Lehrstellen- und Ausbildungsmarkt Sorgen. Mir macht der Lehrstellen- und Ausbildungsmarkt schon viele Jahre Sorgen; denn ich habe nicht die einseitige, nur die Münchner und die oberbayerische Wahrnehmung. Diese vielseitige Wahrnehmung sollten Sie aus Ihrer anderen Funktion heraus eigentlich auch haben. Dieses Nichtausbilden ist auch ein Vorenthalten von gleichwertigen Lebensbedingungen in ganz Bayern. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.
In Oberfranken stehen 100 jungen Leuten, die einen Ausbildungsplatz suchen, nur 64 Angebote gegenüber; dabei sieht es regional nochmal unterschiedlich aus. Insofern haben wir bei den Arbeitsämtern Coburg und Hof ein Verhältnis von 1 : 2. Dazu kommen die Altfälle von den vergangenen Jahren, die immer noch keinen Ausbildungsplatz gefunden haben.
Herr Kobler, Sie zeigen ständig mit dem Finger auf den Bund, aber Ausbildungsplätze schafft immer noch die Wirtschaft.
(Beifall bei der SPD – Kobler (CSU): Bayern bietet 18% der Ausbildungsplätze, also rund ein Fünftel! – Zurufe von der SPD – Glocke des Präsidenten)
Der Kabinettsbesuch in Oberfranken war über die Maßen enttäuschend. Das ganze Kabinett, auch der zuständige Herr Staatssekretär Schmid waren nicht beim Arbeitsamt Coburg, um sich zu informieren. So viel zu dem, was an ernst zu nehmender Bereitschaft da ist, sich mit der Situation in den Regionen auseinander zu setzen.
Die 13 Starthilfen sind wieder einmal der alte Wein in neuen Schläuchen. Es werden – zeitlich befristet – drei Klassen für Berufsfachschulen angekündigt. Aber auf Nachfragen, was, wo und wie dies geschehen solle, bekommt man keine Antwort. Dieses kann es wohl nicht sein. Für die neuen Chancen werden 900000 e zur Verfügung gestellt. Da sagt man in der Kirche immer, wenn der Klingelbeutel herumgeht: Es ist für wo am nötigsten. Diese 900000 e sind wirklich für wo am nötigsten, weil diese Mittel nicht reichen.
Statt Mobilitätshilfen zu geben, die nur der zweitbeste Weg sein können, wäre es wirklich notwendig, hier Strukturhilfen für kleine und mittlere Industriebetriebe und für das Handwerk zu leisten zum Gestalten des
Strukturwandels in Regionen wie Oberfranken und die Oberpfalz. Es kann nicht sein, dass 60% der Privatisierungserlöse nach Oberbayern und dass 37% der Technologieförderung in den Süden fließen. Dies verschärft die Situation.